Geniezeit
Volksballaden aus dem Elsass
Das Lied vom verkleideten Grafen
Es werbt ein iunger Grafen Sohn
Um's Königs seine Tochter.
Er werbt drey Tag und sieben Jahr
Und könnt sie nicht erfreyen.
Und da die sieben Jahr ummer waren,5
Ein Brieflein thut sie schreiben.
Leg du dir weibisch Kleiderlein an
Flecht dir dein Haar in Seide.
Er reit vor seiner Schwester Tühr
Schwester bist du darinne.10
Ach leih mir deinen braun seidenen Rock,
Flecht mir mein Haar in Seide.
Sie legt sich's aus und ziehts ihm an
Flecht ihm sein Haar in Seide
Sie legt ihm ein silber Gesteck-Messerle dran15
Er reit wohl über grün Haide.
Und da er auf die Haid 'naus kam,
Gar höflich thät sie singen,
Da war der Herr König und auch sein Kind
In einem hohen Zimmer.20
Ach Papa, lieber Papa mein,
Wer kann so höflich singen?
Es singet fürwahr eine schöne Jungfrau,
Dass durch die Berge tuht dringen.
Lass du sie nur reiten, lass du sie nur gehn,25
Sie reit auf rechter Strassen
Und wenn sie heimkommt vor unser Schloss Tohr,
Zum Stallknecht muss sie schlaffen.
Ach Papa lieber Papa mein,
Das wär uns beyden ein Schande,30
Es schickt so mancher edle Herr
Sein Kind in fremde Lande.
Da es nun war am Abend spat
Vor die Schlosstühr kam sie geritten
Sie klopft mit ihrem Goldringelein an.35
Feinslieb bist du darinne.
Und da sie in das Schloss nein kam,
Der König thät sie gleich fragen.
Sey du uns willkommen du schöne Jungfrau,
Oder hast du es ein Manne.40
Ich hab es kein Mann, und will es kein Mann,
Ein Jungfer will ich bleiben,
Und wenn ich bey seiner Tochter es wär,
Die Zeit thät sie mir vertreiben.
Hast du es kein Mann, und willst es kein Mann,45
Willst du ein Jungfer bleiben,
So must du bey meiner Tochter schlafen
Ihr Bett ist klare Seiden.
Und da es war um Mitternacht
Dem König träumts so schweere,50
Dass es fürwahr ein schön iung Knab,
Bey seiner Tochter wär.
Der König und der war ein artlicher Herr
Bald thät er ein Licht anzünden.
Er ging von Bett biss wieder zu Bett, 55
Biss dass er die zwey thät finden.
Ach Papa lieber Papa mein
Lass uns nur beyde gewähren
Gott ernährt so manchen Vogel in der Lufft
Er wird uns auch ernähren.60
◀◀◀ 73
▶▶▶
Home
chresmos@gmail.com