Geniezeit
Volksballaden aus dem Elsass
Das Lied vom Herren und der Magd
Es war einmal ein edler Herr
Der hatt eine Magd gar schöne
Die spielten beyde ein halbes Jahr
Das Maidel ging gros schwanger.
Ach Herr, ach Herr ach edler Herr,5
Von euch binn ich gros schwanger.
*
*
Seyd still, seyd still mein Töchterlein,
Der Reden seyd ihr stille.10
Ich will dir Hänsgen den Stallknecht geben,
Dazu fünfhundert Gulden.
Hänsgen den Stallknecht mag ich nicht,
Gebt mir fünfhundert Gulden.
Ich will noch heut nach Werthelstein15
Zu meiner lieb Frau Mutter.
Und als ich kam nach Werthelstein
Wohl auf die steinerne Brucken
Da kam mir die Liebe Mutter mein
Entgegen auf der Brucken.20
Ach Tochter, liebe Tochter mein
Wie ist es dir ergangen,
Daß dir dein Röcklein vorn zu kurz
Und hinten viel zu lange.
Seyd still, seyd still liebe Mutter mein25
Der Reden seyd ihr stille.
Dass es kein Mensch erfahren tuht,
Sonst ist es mir gros Schande.
Seyd still, seyd still liebe Tochter mein
Der Reden seyd ihr stille.30
Wenn wir das Kindlein gebohren han
So wollen mir's lernen schwimmen.
Seyd still, seyd still liebe Mutter mein
Der Reden seyd ihr stille
Wir schickens dem rechten Vater heim,35
So bleiben wir im Lande.
Gebt mir Papier und eine Feder
Ein Brieflein will ich schreiben.
Macht mir ein Bettlein von Sammt und Seide,
Den Todt will ich drauf leiden.40
Als er das Brieflein empfangen hat,
Geben ihm die Augen Wasser.
Ach Hänsgen lieber Stallknecht mein,
Sattel mir geschwind mein Pferde.
Ich muss noch heut nach Wertelstein45
Zu meiner allerliebsten.
Er flog wohl über Stock und Stiel
Wie Vögel unterm Himmel.
Und als er kam nach Wertelstein,
Wohl auf die grüne Haide,50
Begegnen ihm die Todtenträger
Mit einer Todtenleiche.
Halt still, halt still ihr Todtenträher
Lasst mich die Leich beschauen.
Er hub den Ladendeckel auf,55
Und schaut ihr unter die Augen.
Er zog ein Messer aus seinem Sack
Und stach sich selber in's Herze,
Hast du gelitten den bittern Todt
So will ich leiden Schmerzen.60
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