LYRIKATLAS
Der Kompass im Lyrikdschungel

Hans Aßmann von Abschatz

Gedicht 33 aus dem Zyklus
Anemons und Adonis Blumen

Auff ihren Nahmens-Tag

Auff Demant und Rubin/ auff Rosen und Narcissen/1
Soll billig meine Hand ein Lied2
Zu setzen heute seyn bemüht;3
Nichts will in solcher Eil aus meiner Feder flüssen/4
Nichts fället mir für Freuden bey/5
Das Amaranthens würdig sey.6

Nimm/ Nimphe/ gütig an das Opffer treuer Hände:7
Wer wenig/ aber willig giebt/8
Ist bey den Göttern auch beliebt.9
Auff Jahre sonder Ziel/ auff Glücke sonder Ende10
Ist zu Bezeugung seiner Pflicht11
Silvanders treuer Wunsch gericht.12

Vers-für-Vers-Kommentar Strophe 1

Auff Demant und Rubin/ auff Rosen und Narcissen/1
Soll billig meine Hand ein Lied2
Zu setzen heute seyn bemüht;3
Nichts will in solcher Eil aus meiner Feder flüssen/4
Nichts fället mir für Freuden bey/5
Das Amaranthens würdig sey.6

1 Auff Demant und Rubin/ auff Rosen und Narcissen/

Analyse:

Die doppelte Anapher auff … auff … entfaltet eine feierliche Aufzählung (Enumeratio) und erzeugt einen gestuften Zier- und Prunkrahmen für das Folgende.

Die Reihung koppelt zwei semantische Felder: kostbare Edelsteine (Demant, Rubin) und vergängliche, duftende Blumen (Rosen, Narcissen). Daraus entsteht eine barocke Antithese von Dauer/Härte (Stein) und Blüte/Verfall (Flor).

Klanglich arbeiten die harten Konsonanten von Demant und Rubin gegen die weicheren von Rosen und Narcissen; so wird der Übergang vom Mineralischen zum Vegetabilen auch akustisch markiert.

Auff funktioniert präpositional und metaphorisch: Es bezeichnet sowohl den Anlass/Grund (auf den Anlass hin) als auch eine Art symbolische Schreib- oder Geschenkfläche, als würde das Lied buchstäblich auf Edelmaterial und Floralia gesetzt.

Die mythologische und emblematische Tiefenschicht wird mit Narcissen bereits angespielt (Narziss-Mythos; Spiegelung, Selbstbezug), während Rosen traditionell Amor/Eros, Anmut und oft die Patronage der Venus tragen.

Interpretation:

Der Sprecher rahmt die Namensfeier mit dem Höchstmaß an Wertigkeit und Zierde: Was er sagen will, soll auf dem Glanz der Welt dargeboten werden, als Ersatz oder Pendant zu höfischen Geschenken.

Die Koppelung von Stein und Blume deutet auf ein barockes Programm: das Flüchtige der Schönheit und die ersehnte Dauer der Verehrung zu verbinden.

Durch die früh gesetzte Emblematik (Rosen/Narzissen) wird die Adressatin bereits in die Sphäre von Liebe, Anmut und reflektierter Selbstwahrnehmung gerückt; die Zeile kündigt ein Gedicht an, das beides will: entzücken und erhöhen.

2 Soll billig meine Hand ein Lied

Analyse:

billig bedeutet frühneuhochdeutsch angemessen, geziemend; es begründet normativ, warum jetzt gedichtet werden muss: der Anlass fordert es.

meine Hand ist eine metonymische Poetenselbstauskunft: Die schreibende Hand steht für das dichterische Subjekt und sein artes-Bewusstsein.

ein Lied signalisiert Gattung und Ton: nicht bloß Gelegenheitsprosa, sondern kunstvolle, singbare Form — im höfischen Kontext eine legitime Gabe.

Interpretation:

Der Sprecher bindet sein Dichten an soziale Angemessenheit: Poiesis erscheint als Akt der providentia gegenüber der Geehrten.

Das Gedicht positioniert sich als Geschenk im höfischen Gabentausch: Statt Edelsteinen wird symbolisches Kapital (Lobgesang) dargebracht, dessen Wert im Idealfall den materiellen sogar übersteigt.

Durch die Selbstnennung der Hand rückt die personale Verantwortung und Hingabe des Autors ins Bild; es ist eine Geste persönlicher Nähe.

3 Zu setzen heute seyn bemüht;

Analyse:

Die Infinitivkonstruktion (zu setzen … bemüht sein) wird über den Vers- und Satzschnitt hinweg mit V. 2 verbunden; das Enjambement erzeugt syntaktische Spannung und rhetorische Bewegung.

heute verankert die Rede im punktuellen Festkalender des Nahmens-Tags; die Zeitdeixis verschafft Dringlichkeit.

setzen ist doppeldeutig: musikalisch-poetisch (ein Lied setzen) und skriptural-handwerklich (setzen wie typographisch). Die Dichtung wird als bewusstes, kunstmäßiges Fügen exponiert.

Interpretation:

Die Verse stellen das Gedicht als pflichtbewusstes, zeitgebundenes Tun vor: rechtzeitiges Loben ist Teil der höfischen Tugend.

Das Bemühtsein entfaltet eine höfliche Bescheidenheitsfigur (modestia): Nicht souveräne Genialität, sondern eifrige Dienstbarkeit gegenüber Anlass und Adressatin.

Indem heute hervorgehoben wird, erhält die Komposition den Charakter eines rituellen Vollzugs, der das Jubiläum performativ erhöht.

4 Nichts will in solcher Eil aus meiner Feder flüssen/

Analyse:

Personifikation der Feder, die fließen soll: klassische Metapher des Schreibens als Fluss von Tinte und Einfällen.

in solcher Eil betont den Druck des Termins; zugleich erklärt es eine Hemmung: Eile hemmt den ästhetischen Fluss.

Das absolute Nichts will … ist hyperbolisch und leitet die Topik der captatio benevolentiae ein: der Dichter klagt über momentane Sprach-/Gedankenstockung.

Interpretation:

Die performative Bescheidenheit steigert die Wertschätzung der Adressatin: Sie sei so hoch, dass Worte in der Eile nicht genügen.

Die Zeile dramatisiert den Entstehungsaugenblick: Kreativität erscheint als Gnade, die sich nicht erzwingen lässt — besonders nicht unter Zeitdruck.

Zugleich wirkt die Klage selbst kunstvoll; sie gehört zur höfischen Rhetorik, die Mangel bekennt, um das Kommende umso kostbarer erscheinen zu lassen.

5 Nichts fället mir für Freuden bey/

Analyse:

Wiederaufnahme der Anapher Nichts … verstärkt die Affektlage; Parallelismus zu V. 4.

fällt … bey (beyfallen) bedeutet einfallen; für Freuden meint vor lauter Freude: Der Affekt blockiert die Erfindung (inventio).

Affektrhetorik: Freude als so überwältigend, dass sie Sprache suspendiert — ein barockes Paradox des Lobs.

Interpretation:

Die Freude über die Geehrte und den Tag ist so groß, dass sie zur Sprachlosigkeit führt; das ist psychologisch plausibel und rhetorisch schmeichelnd.

Das doppelte Nichts (V. 4–5) lädt das Gedicht mit Erwartung auf: Aus der Leere soll gleichsam ein mehr als etwas entstehen — das echte Lob.

Zwischen Pflicht (dichten) und Affekt (Freude) spannt sich der poetische Konflikt, der das Gedicht innerlich motiviert.

6 Das Amaranthens würdig sey.

Analyse:

Amaranth (amárantos, unverwelklich) fungiert als Emblem der Unsterblichkeit; Genitiv Amaranthens setzt einen Maßstab: nur was des Amaranths würdig ist, genügt.

Semantische Klammer zum Eingang: Neben Rosen/Narzissen (verwelklich) erscheint nun die unverwelkliche Blume — die Reihe kulminiert im Symbol ewiger Dauer.

Der Relativsatzanschluss (das … würdig sey) bezieht sich auf das unausgesprochene Etwas, das ihm einfallen sollte: die adäquate Lobfigur.

Interpretation:

Der Sprecher setzt den Anspruch hoch: sein Lied soll nicht bloß festtägliche Zier, sondern Teil der Unsterblichmachung der Adressatin sein — ein klassisches barockes Poetik-Credo.

Die Gegenüberstellung von welkendem Flor (V. 1) und Amaranth (V. 6) kodiert die poetische Mission: das Zeitliche in Dauer zu überführen.

Implizit wird die Adressatin selbst am Emblem gemessen: Ihre Tugend/Schönheit verdient ein Lob, das nicht vergeht; der Dichter ringt um eine Form, die diesem Rang entspricht.

Fazit Strophe 1

Die sechs Verse inszenieren den Antritt des Lobs: kostbar-emblematische Rahmung, Pflichtbewusstsein, affektbedingte Sprachhemmung und schließlich der normative Maßstab Amaranth.

Poetologisch reflektiert der Text die Bedingungen höfischer Gelegenheitsdichtung: Das Gedicht tritt als Gabe an die Stelle von Edelsteinen und Blumen, will aber — durch Kunst — deren Vergänglichkeit überwinden.

Die Modestia-Topik (zweifaches Nichts) ist kein bloßes Kokettieren, sondern dient der Erhöhung: Wer des Amaranths würdig loben will, muss zuerst bekennen, dass gewöhnliche Worte nicht reichen.

Vers-für-Vers-Kommentar Strophe 2

Nimm/ Nimphe/ gütig an das Opffer treuer Hände:7
Wer wenig/ aber willig giebt/8
Ist bey den Göttern auch beliebt.9
Auff Jahre sonder Ziel/ auff Glücke sonder Ende10
Ist zu Bezeugung seiner Pflicht11
Silvanders treuer Wunsch gericht.12

7 Nimm/ Nimphe/ gütig an das Opffer treuer Hände:

Analyse

Der eröffnet mit einem höflichen Imperativ (Nimm) und einer apostrophischen Anrede (Nimphe): Das lyrische Ich richtet sich direkt an eine idealisierte, mythologisch codierte Adressatin. Dadurch entsteht die barocke, galant-pastorale Sprechsituation.

Die Lautnähe von Nimm und Nimphe erzeugt eine unaufdringliche Alliteration/Paronomasie, die den Bitte-Charakter melodisch hervorhebt und das Werbende der Geste verstärkt.

gütig fungiert als Affektlenker: Nicht der Anspruch des Gebers, sondern die Milde der Empfängerin soll die Annahme motivieren; dies verschiebt die Wertachse vom Wert des Geschenks zur Tugend der Annahme.

Opffer treuer Hände verbindet kultische Semantik (Opfer) mit Metonymie (Hände für den ganzen Geber) und dem Loyalitätsprädikat treu: Das Geschenk erscheint als rituell legitimierte, innerlich verbürgte Hingabe.

Im Reimverband bildet der das a des umarmenden Reims (a b b a c c) der Strophe; semantisch setzt er den Opfer-/Gabe-Topos, auf den die folgenden Sentenzen Bezug nehmen.

Interpretation

Die Anrufung der Nimphe markiert ein höfisches Spiel mit heidnischer Mythologie, das die reale Dame in eine Idealgestalt überführt; so legitimiert der Sprecher seine Bitte im Modus des Pastoral-Allegorischen.

Das Opfer-Vokabular adelt das Geschenk: Es geht nicht um profane Gabe, sondern um devotionale Selbsthingabe; die treuen Hände stellen die Integrität des Sprechers aus.

Der Fokus auf die gütige Annahme verschiebt die Szene von der Leistung des Gebers zum Ethos der Empfängerin: Anerkennung wird als Gnadenakt inszeniert, was die Asymmetrie der höfischen Beziehung reflektiert.

Insgesamt wird die kommunikative Geste performativ: Mit der Bitte selbst wird bereits eine Art kultischer Vollzug hergestellt, der das Verhältnis zwischen Geber und Empfängerin sakral auflädt.

8 Wer wenig/ aber willig giebt,

Analyse

Der entfaltet eine gnomenhafte Bedingungskonstruktion (Wer …, [der] …), die eine allgemeine Norm formuliert und vom Einzelfall abstrahiert.

Die Antithese wenig/ aber willig privilegiert Disposition (Willigkeit) vor Quantität (Wenig); das adversative aber setzt einen ethischen Kontrapunkt zugunsten der inneren Haltung.

Die Alliteration (wenig/willig) verdichtet die Sentenz klanglich und stützt ihren Merkspruch-Charakter.

Metrisch und syntaktisch arbeitet der auf eine ausgleichende, ruhige Kadenz hin, die der Maxime den Ton des Zeitlosen verleiht.

Interpretation

Der Sprecher rechtfertigt die Bescheidenheit seiner Gabe, ohne defensiv zu werden: Maßstab ist nicht der materielle Umfang, sondern die intentionale Reinheit.

Subkutan klingt eine biblische Weisheit an (die Wertschätzung des fröhlichen Gebers), die hier höfisch-mythologisch umcodiert wird; so verschränkt der Text christliche Ethik mit galantem Spiel.

Der ist zugleich Selbstcharakteristik: Der Sprecher positioniert sich als einer, der vielleicht wenig besitzt, aber in der Gesinnung überreich ist; das lenkt die Bewertung auf sein Ethos.

9 Ist bey den Göttern auch beliebt.

Analyse

Der Folgevers komplettiert die gnomenhafte Periode: Auf die Bedingung (V. 8) folgt die Konsequenz.

bey den Göttern ersetzt die christologische Instanz durch ein klassisch-mythologisches Tribunal; das ist typisch für den barocken Synkretismus höfischer Dichtung.

beliebt ist semantisch milde und sozial codiert: Es meint Anerkennung, Gunst, Annahme – nicht forensische Rechtfertigung.

Der Binnenreim auf giebt/beliebt (V. 8/9) bindet Sentenz und Sanktion eng zusammen und verleiht der Maxime einen epigrammatischen Nachdruck.

Interpretation

Die Transzendenz-Instanz dient als Autoritätsgarantie für die vorgetragene Werteordnung: Willige Hingabe findet Beifall auf höchster Ebene.

Gleichzeitig werden Götter zur Chiffre der Hof- und Liebesgötter (allen voran Amor): Die Norm erhält eine galante Deutung—wer gern und bereitwillig schenkt, ist im höfischen Eros-Kosmos beliebt.

Der Sprecher transferiert damit seine persönliche Bitte in eine allgemein gültige Ordnung der Anmut: Er bittet nicht bloß um private Gunst, sondern ruft eine kosmische Etikette auf.

10 Auff Jahre sonder Ziel/ auff Glücke sonder Ende

Analyse

Die doppelte Präpositionsanapher (Auff … / auff …) strukturiert den als Klimax der Ausdehnung; parallel gebaute Phrasen erzeugen Rhythmus und Fülle.

sonder im frühneuhochdeutschen Sinn (ohne) markiert archaische Diktion; beides—Ziel und Ende—bündelt das Motiv der Grenzenlosigkeit.

Semantisch erscheinen Jahre (Zeit) und Glücke (Qualität des Lebens) als komplementäre Sphären, die umfassend gesegnet sein sollen.

Der rahmt im Reim auf V. 7 (Hände) das umarmende Reimschema ab (a b b a) und bildet zugleich die hyperbolische Spitze der Wunschformel.

Interpretation

Die Gabenökonomie schlägt in Segensökonomie um: Aus dem konkreten Opfer erwächst ein transzendenter Wunsch nach zeitlicher Dauer und qualitativem Gelingen.

Die Doppelhyperbel formuliert barocken Überfluss: Nicht Maß und Mitte, sondern Fülle und Grenzenlosigkeit werden als Ideal des Wunsches inszeniert.

Der Sprecher transformiert damit den Moment der Nameday-Gratulation in eine übergreifende Heilsformel: Es geht um nachhaltiges Wohlergehen, nicht bloß tagesaktuelle Huldigung.

11 Ist zu Bezeugung seiner Pflicht

Analyse

Der bietet eine Final-/Zweckbestimmung (zu Bezeugung): Der vorausgehende Wunsch erhält eine motivische Rationalisierung.

Bezeugung ist juristisch-rituell gefärbt und betont die Öffentlichkeit des Aktes; Pflicht verweist auf das normative Gefüge von Dienst, Dank und Loyalität.

Das Possessiv seiner bindet die Pflicht an das Sprecher-Ich; die Geste ist nicht bloß emotiv, sondern sozial-ethisch notwendig.

Syntaktisch ist der auf die Pointe des Folgevers hin geöffnet; er kündigt die Subjektidentität an, die gleich namentlich fixiert wird.

Interpretation

Der Sprecher rahmt sein Begehren als pflichtgemäße Huldigung: Liebe und Loyalität werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern ineinander verschränkt.

Dadurch verschiebt sich der Fokus von Gunst-Erwerb zu Treue-Bekräftigung: Der Wunsch ist Zeugnis, nicht Tauschgeschäft.

Die Pflicht-Semantik stabilisiert die Rollenordnung des höfisch-galanten Diskurses: Der Diener der Dame bestätigt öffentlich seine gebotene Haltung.

12 Silvanders treuer Wunsch gericht.

Analyse

Der liefert die Selbstnennung im Pastoralen: Silvander ist das Hirt(en)-Alias des Sprechers, ein Topos der Schäferdichtung, der die Szene in den Arkadien-Code versetzt.

treuer Wunsch repetiert das Leitwort treu (V. 7, 11) und schließt die Strophe mit einer Tugendklausel; so entsteht thematische Ringkomposition.

gericht (gerichtet) ist prädikativ und signalisiert Zielgerichtetheit: Der gesamte voranstehende Wunschstrom ist auf die Nymphe als Telos ausgerichtet.

Der Paarreim mit V. 11 (Pflicht/gericht) schließt die Strophe sententios und bündelt Pflicht- und Wunschsemantik.

Interpretation

Mit der Selbstnennung macht der Sprecher sein poetisches Rollen-Ich zum Garanten der Wahrheit: Nicht ein anonymer Höfling, sondern Silvander bürgt mit seinem pastoral codierten Ethos.

Die Attribuierung treuer Wunsch hält das Versprechen der Kontinuität: Treue erscheint als Dauermodus des Begehrens, nicht als momentane Regung—so korrespondiert die Haltung mit der in V. 10 verlangten Grenzenlosigkeit.

Die Finalformel gericht markiert Zielklarheit ohne Aggressivität: Der Wunsch ist nicht Besitzanspruch, sondern wohldisziplinierte, der Pflicht verpflichtete Zuwendung; darin liegt die barocke Synthese von Leidenschaft und Ordnung.

Fazit Strophe 2

Die sechs Verse entfalten ein dramaturgisches Miniatur-Schema: Bitte um Annahme (V. 7) → ethische Maxime zur Legitimation der geringen Gabe (V. 8–9) → hyperbolischer Segenswunsch (V. 10) → normative Verankerung als Pflichtbezeugung (V. 11) → pastorale Selbstvergewisserung des Sprechers (V. 12).

Formell stützt der Reim (a b b a c c) die Bewegung vom kultisch-galanten Anfang zur geschlossenen, gnomenhaften Coda; leitmotivisch tragen Treue, Gabe/Opfer, Gunst/Beliebtheit und Pflicht/Wunsch die Strophe.

Inhaltlich verschränkt der Text christliche Ethik, klassisch-mythologische Referenz und höfisch-pastorale Rolle zu einer barocken Ökonomie der Gunst, in der innere Haltung (Willigkeit/Treue) die äußere Quantität überragt.

Gesamtschau
Organischer Aufbau und Verlauf

1. Das Gedicht entfaltet sich in zwei Strophen, die formal wie inhaltlich symmetrisch gebaut sind: Die erste Strophe (V. 1–6) stellt die Schwierigkeit des lyrischen Ichs dar, ein angemessenes Geschenk oder Gedicht für den Anlass – den Namenstag – zu finden. Sie beschreibt den Mangel an adäquatem Ausdruck und die Unmöglichkeit, die Würde der Gefeierten vollständig einzuholen.

2. Diese Ausgangslage wird poetisch durch eine Fülle an Bildern (Demant, Rubin, Rosen, Narcissen, Amaranthen) veranschaulicht, die einerseits die Schönheit und Kostbarkeit der Adressatin spiegeln, andererseits die Überforderung des Dichters verdeutlichen, da selbst die edelsten Bilder nicht hinreichen.

3. Die zweite Strophe (V. 7–12) markiert den Umschlag: Nun wird das Gedicht selbst als ein kleines, aber williges Opfer präsentiert. Es wird die Qualität des Gebens betont – nicht die Größe oder der materielle Wert des Geschenks zählt, sondern die aufrichtige Gesinnung.

4. Abschließend folgt die Überhöhung des Wunsches: ein Gebet gleich, das über das Konkrete hinausgeht und ewiges Glück, endlose Jahre und Treue beschwört. Damit schließt das Gedicht mit einer Bewegung ins Transzendente, in der das Persönlich-Private in ein allgemein gültiges Ideal überführt wird.

Psychologische Dimension

1. Psychologisch spiegelt das Gedicht eine Grundspannung zwischen Anspruch und Begrenztheit: Der Sprecher möchte ein Geschenk machen, das der Adressatin würdig ist, fühlt aber seine poetische Ohnmacht und sucht Auswege.

2. Die Edelstein- und Blumenbilder sind Projektionen seines Wunsches, die innere Größe der Gefeierten zu ehren – sie verraten aber zugleich die Unsicherheit des lyrischen Ichs, ob dies wirklich gelingen kann.

3. In der zweiten Strophe zeigt sich eine psychologische Wendung: aus der Überforderung erwächst Demut. Der Sprecher akzeptiert die Begrenzung seiner Mittel und transformiert sie in eine Tugend: die Willigkeit des Herzens.

4. Zugleich wirkt in den Schlussversen ein psychologischer Mechanismus der Sublimierung: Die unerfüllbare Aufgabe, das Besondere der Geliebten oder Gefeierten sprachlich einzuholen, wird in den Bereich des Unendlichen verschoben. Dort ist kein Maßstab mehr möglich, der den Sprecher beschämen könnte.

Ethische Dimension

1. Ethik entfaltet sich im Gedicht vor allem durch das Motiv des Opfers: nicht der materielle Wert entscheidet, sondern die Absicht, die Haltung, die Aufrichtigkeit. Damit wird ein Grundsatz ethischer Handlungslehre poetisch formuliert: das Gute liegt in der Gesinnung, nicht in der Größe des Werkes.

2. Das Gedicht zeigt auch ein Modell höfischer Ethik: Das Verhältnis von Dichter (Silvander, sein poetisches Alter Ego) und Adressatin ist von Treue, Verehrung und Respekt geprägt. Die Unterordnung unter die Geliebte ist keine Degradierung, sondern Ausdruck einer anerkannten Hierarchie.

3. Das Ende, das Glück und endlose Jahre wünscht, ist ein Akt der Selbstlosigkeit: Das Ich stellt seine Wünsche vollständig zurück und richtet alles auf das Wohlergehen der Anderen. Die Ethik des Geschenks kulminiert in einer Ethik der Selbstverleugnung zugunsten des Du.

Philosophisch-theologische Tiefenanalyse

1. Das Gedicht spiegelt eine barocke Theologie des Mangels und der Gnade: Der Mensch kann aus eigener Kraft nichts vollbringen, was einer göttlichen oder göttergleichen Würde genügt. Diese Erkenntnis führt nicht zur Resignation, sondern zur Hoffnung, dass das Wenige, wenn es in aufrichtiger Hingabe gegeben wird, von den Göttern (oder von Gott, hinter dem mythologische Rede durchscheint) angenommen wird.

2. Die poetischen Bilder – Edelsteine, Blumen, Amaranthen – sind nicht nur Metaphern für Schönheit, sondern Allegorien der Vergänglichkeit: selbst Rubin und Demant stehen im Vergleich zur Ewigkeit des Wunsches zurück. Die Philosophie des Gedichts besteht darin, dass alles Irdische unzureichend bleibt, nur der in Treue gerichtete Wunsch reicht über den Tod hinaus.

3. Der Schlussvers öffnet den Gedankenraum zum Unendlichen: auff Jahre sonder Ziel/ auff Glücke sonder Ende – hier bricht das Gedicht die barocke Endlichkeitserfahrung auf, indem es das Endlose, Zielose, Ewige beschwört. Dies entspricht der theologischen Denkfigur, dass das wahre Glück nur im Transzendenten, im göttlichen Bereich, erfahrbar ist.

4. Philosophisch zeigt sich eine Ethik der Intentionalität: Nicht das Werk (das Lied, das Geschenk) ist entscheidend, sondern die innere Haltung. Diese Verschiebung von Quantität zu Qualität, von äußerer Form zu innerem Geist, lässt das Gedicht wie eine barocke Meditation über das Verhältnis von Mensch und Gott wirken.

5. Im theologischen Subtext klingt an, dass selbst poetische Sprache letztlich nur ein Opfer treuer Hände ist – begrenzt, aber in seiner Treue unendlich wertvoll. Damit wird Dichtung selbst zur liturgischen Handlung: Sie verwandelt den Namenstag in eine geistliche Feier, in der menschliche Begrenztheit durch göttliche Anerkennung überhöht wird.

Moralische Dimension

1. Das Gedicht formuliert die moralische Haltung der Dankbarkeit und Anerkennung: Der Sprecher erkennt die Bedeutung des Festtages der Nimphe (der Adressatin) an und bringt ihr ein Lied dar, auch wenn er meint, nur ein kleines Opfer darzubringen.

2. Es betont die Tugend der Willigkeit über den materiellen Reichtum: Wer wenig, aber willig gibt, ist bey den Göttern auch beliebt formuliert eine zentrale Moral, die über das Gedicht hinausweist – nicht die Größe der Gabe zählt, sondern die innere Haltung des Gebenden.

3. Das Gedicht enthält einen moralischen Appell zur Treue: Der Sprecher versichert, dass sein Wunsch auf Jahre sonder Ziel, auff Glücke sonder Ende ausgerichtet sei. Hier wird die Beständigkeit der Freundschaft, Loyalität oder Liebe als höchster moralischer Wert präsentiert.

4. Es stellt die Reinheit der Intention in den Vordergrund: Trotz der möglichen literarischen Konventionen des Kompliments betont der Sprecher, dass es ihm um Pflicht und Treue geht – also um moralische Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit.

Anthroposophische Dimension

1. Der Bezug auf Naturmotive wie Demant und Rubin, Rosen und Narcissen verweist auf eine tiefere Symbolik der Pflanzen- und Mineralwelt, die im anthroposophischen Verständnis als Ausdruck seelisch-geistiger Kräfte gelten. Das Gedicht erhebt die Widmung an die Adressatin in ein kosmisches Gefüge, in dem Naturerscheinungen Träger geistiger Realitäten sind.

2. Das Amaranthens würdig sey spielt auf die mythische Blume des Amaranths an, die als Symbol für Unsterblichkeit gilt. In anthroposophischer Lesart spiegelt sich hier das Streben des Menschen nach einem Ewigen, Überzeitlichen.

3. Die Geste des Opffers treuer Hände verweist auf den Opfergedanken als zentrale kultische und geistige Handlung: Der Mensch bringt nicht bloß Äußerliches dar, sondern verbindet seine innere Hingabe mit dem Weltgeschehen.

4. Der Wunsch auff Jahre sonder Ziel, auff Glücke sonder Ende kann anthroposophisch als Ausrichtung des individuellen Ichs auf eine jenseitige Unendlichkeit verstanden werden, die in der Entwicklung des Menschenwesens ihren Ausdruck findet.

Ästhetische Dimension

1. Das Gedicht lebt von einer starken Bildhaftigkeit: Edelsteine, Blumen und mythologische Bezüge schaffen eine leuchtende Szenerie, die den festlichen Anlass unterstreicht. Es entsteht eine ästhetische Überhöhung der Adressatin, die nicht nur persönlich, sondern geradezu symbolisch erstrahlt.

2. Die Kürze des Gedichts – zwei Strophen mit insgesamt zwölf Versen – ist Teil seiner ästhetischen Wirkung: Die Knappheit wird selbst zum Ausdruck der Demut des Dichters, der mit kleinen Mitteln große Wirkung erzielen möchte.

3. Das Motiv der Harmonie zwischen Natur (Blumen), Kunst (Lied) und menschlicher Geste (Opfer) bildet ein kunstvolles Dreieck, das die Schönheit des Gedichts ausmacht.

4. Die ästhetische Wirkung liegt auch im Tonfall: Er ist feierlich, doch zugleich schlicht. Diese Mischung verleiht dem Gedicht eine zurückhaltende Eleganz, die den moralischen Kern nicht überlagert, sondern trägt.

Rhetorische Dimension

1. Das Gedicht arbeitet mit einer klaren Festtagsrhetorik: Es beginnt mit einem Anruf der edlen Materialien und Pflanzen, die als Metaphern dienen, um die Würde des Anlasses hervorzuheben.

2. Der Dichter nutzt die rhetorische Figur der Litotes: Wer wenig, aber willig giebt relativiert den materiellen Wert der Gabe, um ihre geistige Bedeutung zu verstärken.

3. Das Gedicht enthält Elemente der captatio benevolentiae: Der Sprecher sucht die Gunst der Adressatin, indem er seine eigene Unzulänglichkeit betont und die Güte der Nymphe als Empfängerin hervorhebt.

4. Der Schlussgedanke ist als Peroratio angelegt: Auff Jahre sonder Ziel, auff Glücke sonder Ende bildet eine Klimax, die das Gedicht in einen überzeitlichen Horizont führt. Damit wird die Rhetorik des Kompliments zu einer Rhetorik der Ewigkeit erhoben.

Metaebene

1. Das Gedicht ist ein Gelegenheitsgedicht, geschrieben zu einem Namenstag, und es reflektiert zugleich über den Akt des Dichtens selbst, indem es ausdrücklich von der Hand und der Feder spricht, die in Eil bemüht sind, ein Lied zu verfassen.

2. Es thematisiert das Verhältnis zwischen dichterischer Produktion und persönlicher Hingabe: Nicht die äußere Pracht oder die rhetorische Vollkommenheit stehen im Zentrum, sondern der innere Wille und die Treue des Dichters.

3. Die poetische Geste ist zugleich ein sozialer Akt: Der Text fungiert als symbolisches Geschenk, das an die Adressatin – eine Nimphe – überreicht wird und stellvertretend für materielle Gaben die spirituelle und ästhetische Sphäre betont.

4. Auf der Metaebene liegt eine Reflexion über die Begrenztheit menschlicher Ausdrucksmöglichkeiten vor: selbst angesichts von Edelsteinen, Blumen und poetischen Bildern bleibt die Dichtung nur ein unzureichendes, aber von Liebe getragenes Opfer.

5. Das Gedicht positioniert sich somit zwischen Konventionalität und Selbstreflexion: Es erkennt die gängigen Topoi der Festdichtung an, verweist aber zugleich auf deren eigene Inszenierung als bewusster Akt dichterischer Treue.

Poetologische Dimension

1. Der Text stellt die Dichtung ausdrücklich als Opffer treuer Hände dar und verbindet so Poetik mit Ritual und Devotion: Gedichte sind hier Gaben im Rahmen sozialer und religiös konnotierter Praktiken.

2. Die poetische Produktion wird als Dienst an der Adressatin und zugleich als Pflicht verstanden, die in die Sphäre der Götter hinein verlängert wird: Wer wenig/ aber willig giebt/ ist bey den Göttern auch beliebt. – eine poetologische Programmatik, die Bescheidenheit mit Wertsteigerung verbindet.

3. Es tritt ein Spannungsverhältnis zutage zwischen der kunstvollen Bildsprache (Demant, Rubin, Rosen, Narcissen, Amaranth) und der erklärten Unfähigkeit, etwas wirklich Würdiges zu produzieren. Gerade dieses Paradox steigert den poetischen Wert.

4. Der Gedichtcharakter als Lied wird betont (ein Lied zu setzen), womit die performative Dimension der Poesie – als Vortrag, als gesungenes Geschenk – hervorgehoben wird.

5. Poetik wird hier nicht als selbstzweckhafte Kunst, sondern als ethische Handlung verstanden: Der Akt des Schreibens erhält seinen Wert aus Intention und Hingabe, weniger aus rhetorischer Virtuosität.

Metaphorische Dimension

1. Edelsteine wie Demant und Rubin stehen für Beständigkeit, Reinheit und kostbaren Wert, wodurch die Kostbarkeit des Gedichts indirekt legitimiert wird.

2. Blumen – Rosen, Narzissen, Amaranth – stehen für Schönheit, Liebe, Vergänglichkeit und zugleich für Unsterblichkeit (Amaranth als Blume, die in der Dichtung Ewigkeit symbolisiert). Sie tragen die doppelte Funktion von realem Festschmuck und poetischer Emblematik.

3. Die Hand und die Feder werden metaphorisch für die schöpferische Kraft des Dichters eingesetzt, wodurch das Schreiben selbst zum körperlich-sakralen Akt wird.

4. Das Opffer ist eine religiöse Metapher: Das Gedicht selbst wird in die Sphäre des Kultischen gehoben, wodurch Poesie zu einem sakralisierten Akt wird.

5. Der Wunsch des Dichters wird als etwas Unendliches dargestellt (auff Jahre sonder Ziel/ auff Glücke sonder Ende), womit die poetische Sprache über die Begrenztheit der Realität hinausgeht und Ewigkeit anstrebt.

Literaturgeschichtliche Dimension

1. Das Gedicht steht fest in der Tradition des Barock, wo Gelegenheitsdichtung eine zentrale Rolle spielte, sei es an Höfen, in adeligen Zirkeln oder im Freundeskreis.

2. Die barocke Vorliebe für Metaphern aus Natur (Blumen) und Kostbarkeiten (Edelsteine) spiegelt sich hier in emblematischer Weise wider.

3. Die Topik des geringen, aber willigen Geschenks findet sich häufig in barocker Dichtung, insbesondere in Kontexten, in denen Dichter auf ihre begrenzte Ausdruckskraft verweisen und damit zugleich ihre Demut demonstrieren.

4. Zugleich zeigt sich die typische barocke Dialektik von Endlichkeit und Ewigkeit: Blumen wie Rosen und Narcissen stehen für Vergänglichkeit, der Amaranth hingegen für Unsterblichkeit.

5. In der literarischen Tradition des 17. Jahrhunderts verknüpft Abschatz höfische Galanterie mit barocker Poetik, indem er die Rolle des Dichters als Silvander stilisiert, ein Schäfername, der das Gedicht in den Kontext der Schäferdichtung (Pastoral) rückt.

Literaturwissenschaftliche Dimension

1. Der Text kann als Beispiel für performative Kommunikation in der Literatur gelesen werden: Er ist nicht nur Repräsentation, sondern Teil eines sozialen Rituals – das Gedicht ist selbst das Geschenk.

2. Die Spannung zwischen Eil und Treue verweist auf die Frage nach literarischer Qualität: Nicht kunstvolle Perfektion, sondern intentionale Aufrichtigkeit entscheidet über den Wert des Gedichts.

3. In der Rezeptionsästhetik offenbart sich eine Inszenierung von Bescheidenheit, die den Status des Dichters zugleich erhöht: Indem er scheinbar nichts Angemessenes bieten kann, macht er das Gedicht gerade dadurch besonders.

4. Die Namensgebung Silvander kann literaturwissenschaftlich als Teil einer barocken Selbstfiktion des Dichters gedeutet werden: Abschatz tritt nicht als Adeliger, sondern als Schäferpoet auf, wodurch das Gedicht in den pastoralen Code eingeschrieben wird.

5. Intertextuell lässt sich das Gedicht mit zeitgenössischer europäischer Festdichtung vergleichen: Es greift gemeinsame Topoi auf, transformiert sie aber durch die barocke Emblematik und den bewussten Einsatz von Antithetik (Wenig vs. Willig, Endlich vs. Unendlich).

Assoziative Dimensionen

1. Das Gedicht ruft von Beginn an die Welt der Edelsteine, Blumen und Symbole des Überflusses auf. Rubin, Demant, Rose, Narzisse sind Sinnbilder für Schönheit, Kostbarkeit und zeitlose Glanzkraft. Sie bilden einen ornamentalen Rahmen für den Anlass des Gedichts: den Namenstag der Angesprochenen.

2. Der Bezug auf Amarant, die mythische unverwelkliche Blume, evoziert Unvergänglichkeit und damit eine Überhöhung des Geschenks über den bloßen Moment hinaus. Das Gedicht erhebt die adressierte Nymphe in den Bereich ewiger Jugend, Schönheit und göttlicher Verehrung.

3. Die Geste des Schenkens in Form eines Gedichts wird assoziativ aufgeladen durch die Idee des Opfers: das lyrische Ich stellt seine poetische Gabe dar wie eine kultische Handlung. Es entsteht eine semisakrale Dimension, die die Poesie mit religiöser Opferpraxis verschränkt.

4. Das Motiv des Wenigen, das aber willig gegeben wird, erinnert an antike und christliche Wertvorstellungen: das Herz und die Absicht sind entscheidender als der materielle Umfang. Diese Konstellation öffnet das Gedicht in Richtung einer allgemeinen Anthropologie des Gebens.

5. Mit der Wendung zu den Göttern entsteht eine pagane Assoziationswelt, die zugleich höfische Konventionen durchschimmert: die Dame wird wie eine Göttin verehrt, ihre Würde übersteigt das Alltägliche.

6. Die abschließenden Verse erweitern die Sphäre von konkreten Geschenken auf abstrakte Wünsche: Glück ohne Ende, Jahre ohne Ziel. Damit öffnet sich der Text von der stofflichen Ornamentik des Beginns hin zum Kosmischen und Transzendenten.

Formale Dimension

1. Das Gedicht ist in zwei Strophen zu je sechs Versen gegliedert, wodurch eine harmonische und symmetrische Struktur entsteht. Die Zahl sechs, zweimal wiederholt, erzeugt ein Gleichgewicht, das der höfischen Balance von Maß und Zier entspricht.

2. Die Metrik und der Satzbau sind so gestaltet, dass sich ein fließender, musiknaher Ton einstellt. Die vielen Anaphern Auff … (1, 10) rahmen das Gedicht formal und thematisch. Diese Wiederholung erzeugt einen rituellen Charakter.

3. Der Parallelismus von wer wenig, aber willig giebt ist stilistisch prägnant und pointiert: die Alliteration (wenig – willig) verdichtet die Aussage und verstärkt den aphoristischen Ton.

4. Die Strophen stehen in einem Spannungsverhältnis von Bewegung und Ruhe: die erste Strophe tastet nach einem würdigen Ausdruck und verweilt in der Unsicherheit, die zweite Strophe erreicht eine klare Festigkeit im Wunsch und in der Ausrichtung auf die Ewigkeit.

5. Formal wird eine steigernde Bewegung sichtbar: von konkreten Bildern (Stein, Blume) über allgemeine Werte (Opfer, Treue, Wille) hin zu abstrakten Größen (Zeitlosigkeit, endloses Glück). Die Sprache erhebt sich gleichsam Stufe um Stufe.

6. Die Personalstruktur ist einfach, aber kunstvoll: das lyrische Ich (Silvander) steht der Nymphe gegenüber, beide eingebettet in die Rahmung der Götter. Dadurch ergibt sich eine Dreiecksbeziehung: Dichter – Dame – göttliche Instanz.

Topoi

1. Der Topos des Namenstagsgedichts als poetisches Geschenk: statt materieller Gaben überreicht der Dichter sein Werk, ein klassisches Motiv barocker Gelegenheitsdichtung.

2. Der Topos der kostbaren Materialien: Edelsteine und Blumen als Metaphern für Schönheit, Wert und Zier. Sie sind Teil der barocken Emblematik, die Natur und Schmuckkunst miteinander verschränkt. 3. Der Topos des Amaranths: die Blume der Ewigkeit als Sinnbild der unvergänglichen Würde, die über das Vergängliche hinausweist. 4. Der Topos des geringen, aber willigen Gebens: eine literarische und moralische Konvention, die Demut und Großherzigkeit zugleich ausdrückt. 5. Der Topos der Göttergnade und göttlichen Billigung: die dichterische Gabe wird in einen transzendenten Bezugsrahmen gestellt, der das Schenken überhöht. 6. Der Topos des Glücks ohne Ende und der Jahre ohne Ziel: typisch barocke Vorstellung von Fülle und Ausweitung ins Unendliche, zugleich Ausdruck der Unmöglichkeit, Wünsche adäquat zu begrenzen.

Fazit

1. Das Gedicht entfaltet sich von einer ornamentalen Bildwelt (Edelsteine, Blumen) hin zu einer metaphysischen Ausweitung (Unendlichkeit der Zeit, endloses Glück). Diese Bewegung spiegelt die barocke Kunst, aus Anlaß und Oberfläche in die Tiefe und ins Kosmische vorzudringen.

2. Die poetische Geste des Schenkens wird als kultisches Opfer inszeniert, wodurch das Verhältnis zwischen Dichter und Dame rituell überhöht wird. Der Text zeigt, wie die höfische Lyrik das Profane (Namenstag) mit dem Sakralen verschränkt.

3. Durch den Rekurs auf Topoi der Antike (Nymphe, Götter, Opfer) wird das Gedicht in einen mythologisch-paganen Resonanzraum gestellt, der das barocke Spiel zwischen Christlichem und Heidnischem reflektiert.

4. Die Figur des Silvander erscheint als poetisches Selbstbild des Autors, das in einer idyllisch-pastoralen Tradition steht. Der Dichter inszeniert sich als Schäfer, der durch seine Treue und poetische Kraft der Dame eine Gabe überreichen kann, die wertvoller als äußere Güter ist.

5. In der Gesamtwirkung verbindet sich Zierde mit Innerlichkeit, barocke Fülle mit Bescheidenheit. Das Gedicht ist ein kleines Beispiel für die Kunst, in formaler Strenge und symbolischer Überladung zugleich ein persönliches wie universelles Bekenntnis zu formulieren.

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