LYRIKATLAS
Der Kompass im Lyrikdschungel

Hans Aßmann von Abschatz

Gedicht 32 aus dem Zyklus
Anemons und Adonis Blumen

An ihre Augen

Ich bin kein Adler nicht/ der deiner Sonnen Blincken/1
Der deiner Wangen Glantz kan schauen unverwandt.2
Wann deiner Augen Glutt in meinen widerstralt/3
Und ihrer Flammen Schein auff meine Wangen mahlt/4
So müssen sie beschämt zur Erde niedersincken;5
Doch aber will ich nicht der scheuen Eule gleichen/6
Die vor des Tages Zier erwehlt die braune Nacht;7
Ich eile nach dem Feur/ das mich zu Asche macht8
Verdirbt die Mücke gleich durch selbst-gesuchten Brand/9
Der edle Phönix wird doch eben so zur Leichen.10

Vers-für-Vers-Kommentar

1 Ich bin kein Adler nicht/ der deiner Sonnen Blincken/

Analyse

1. Die doppelte Negation (kein … nicht) ist in der frühneuhochdeutschen Schreibtradition keine Aufhebung, sondern eine emphatische Steigerung der Verneinung. Der Sprecher bekräftigt seine Unfähigkeit, der übermächtigen Strahlkraft standzuhalten.

2. Das Bildfeld Adler – Sonne aktiviert einen seit der Antike tradierten Topos: Nur der Adler kann die Sonne unverwandt ansehen. Durch die Übertragung auf die Geliebte werden ihre Augen zu Sonnen (Plural), was zugleich die Zahl der Augen ikonisch spiegelt.

3. Der Relativsatzanschluss (der deiner Sonnen Blincken) bindet die Metapher syntaktisch eng an das Subjekt Adler und verschiebt so das Gewicht vom Ich (Ohnmacht) auf das ideale, überlegene Vergleichswesen.

4. Lexikalisch erzeugt Sonnen Blincken eine sensorische Verdichtung: das grelle, flackernde Licht (Blincken) wirkt aktiv, fast aggressiv; es ist nicht bloß Leuchten, sondern ein stechender Glanz, der den Blick herausfordert und zugleich abwehrt.

5. Die Schrägstriche markieren barocke Sprech- und Sinnschnitte, die eine innere Caesur nachbilden: Das Ich stockt bereits im Sagen angesichts des Lichts, was die inhaltlich behauptete Überforderung prosodisch nachahmt.

Interpretation

1. Der Sprecher inszeniert sich mit barocker Demutsrhetorik: Er nimmt die Rolle des nicht-adlerhaften, schwachen Liebenden ein und erhöht die Geliebte durch Übertragung eines kosmischen Attributs (Sonne).

2. Indem ihre Augen zu Sonnen werden, verschiebt sich die Liebesbeziehung in eine quasi-theophane Dimension: Die Geliebte erscheint als Quelle eines übernatürlichen Lichts, das den gewöhnlichen Blick übersteigt.

3. Die Szene formuliert eine Ethik des Schauens: Nicht alles Schöne darf frontal und dauerhaft betrachtet werden; Bewunderung verlangt Maß und respektvolle Distanz.

4. Das Blincken suggeriert nicht nur Helligkeit, sondern auch Bewegung und Unberechenbarkeit der Anziehung—Eros ist ein flackerndes, schwer fixierbares Phänomen, das den Liebenden reizt und zugleich zurückweist.

2 Der deiner Wangen Glantz kan schauen unverwandt.

Analyse

1. Der führt den Relativsatz fort: Der Adler (als Idealbetrachter) ist der, der … schauen unverwandt kann. Unverwandt meint ohne den Blick abzuwenden, also standhaft, dauerhaft, unbeirrt.

2. Die Metonymie Wangen Glantz erweitert das Lichtfeld von den Augen auf das ganze Antlitz. Schönheit ist nicht punktuell, sondern flächig-ausstrahlend; die Wangen spiegeln, ja emittieren Glanz.

3. Syntaktisch bildet der eine klare, parataktische Behauptung; die Schlichtheit der Fügung kontrastiert die Übersteigerung des Bilds und verstärkt dadurch seine Evidenz.

4. Klanglich häufen sich helle Vokale (a-Laute), die den Eindruck von Helligkeit subtil unterstützen und das Motiv des Glanzes phonetisch imitieren.

Interpretation

1. Der Maßstab für angemessenes Sehen bleibt übermenschlich: Nur der Adler kann das leisten; das Ich dagegen muss ablassen. Damit verfestigt sich die Asymmetrie zwischen menschlicher Empfindsamkeit und übermächtiger Schönheit.

2. Dass sogar der Wangen Glantz—also ein sekundärer, reflektierter Schein—nur von einem idealen Betrachter unverwandt ertragen wird, steigert die Aura der Geliebten: Selbst das Derivat ihres Lichts bleibt überwältigend.

3. Der kodiert barocke Zucht des Blicks: Standhaftes Schauen ohne Abwendung ist Tugend—aber nur dem rechten (sprich: erhabenen) Wesen möglich. Dem Liebenden bleibt dagegen Schamhaftigkeit.

3 Wann deiner Augen Glutt in meinen widerstralt/

Analyse

1. Wann in frühneuhochdeutscher Verwendung entspricht wenn/sobald: Es wird eine konditionale Zeitstruktur gesetzt. Sobald die Glutt der Augen die seinen erreicht, setzt eine Wirkung ein.

2. Mit Glutt verschiebt sich das Licht-Semantem in die Feuer-Metaphorik. Es geht nicht nur um Helligkeit, sondern um Hitze, Leidenschaft, potentielle Verletzung.

3. Widerstralt (heute: widerstrahlt) bringt eine optische Spiegelungslogik ins Spiel: Das Ich ist kein souveräner Blick, sondern ein Medium, das die fremde Glut reflektiert.

4. Syntaktisch bleibt das Verbalsystem in der Schwebe; der bereitet eine Folgewirkung vor, die erst in 4–5 explizit wird—ein kunstvolles Hinauszögern der Prädikataussage erzeugt Spannung.

Interpretation

1. Liebe erscheint als Wechselwirkung physikalischer Art: Die Augen der Geliebten senden Glut aus, die im Auge des Ich widerstrahlt. Das Ich ist also zugleich empfänglich und rückwirkend, ein Spiegel, der das Empfangene zurückgibt.

2. Spiegelung impliziert Selbstverlust und Formung: Was in mir widerstrahlt, prägt mich. Der Liebende wird durch den Blick der Geliebten gezeichnet, im doppelten Sinne von markiert und gestaltet.

3. Die Metapher der Glut deutet die Ambivalenz des Eros an: Er wärmt und verbrennt; das Bild kündigt die nachfolgende Schamröte als Brandzeichen an.

4 Und ihrer Flammen Schein auff meine Wangen mahlt/

Analyse

1. Der koordinierende Anschluss (Und) erfüllt die im vorigen geschaffene Erwartung: Der Schein der Flammen hat eine sichtbare Wirkung auf die Körperoberfläche.

2. Der Ausdruck mahlen (heute: malen) aktiviert das Bild der Haut als Bildträger. Der Schein wirkt wie ein Malerpinsel: Er malt etwas auf die Wangen—gemeint ist die Röte.

3. Die Doppelfügung Flammen Schein verbindet thermisches und optisches Register; so entstehen synästhetische Effekte (Hitze wird sichtbar, Licht wird spürbar).

4. Die Wiederaufnahme von Wangen (vgl. 2) schafft eine Ringfigur: vom Glanz der Wangen über die Glut der Augen hin zur gemalten Röte auf eben diesen Wangen.

Interpretation

1. Das Ich wird zur Leinwand der geliebten Schönheit: Nicht der Liebende gestaltet, sondern er wird gestaltet. Die Passivität des Erleidens ist poetisch als ästhetische Formung gefasst.

2. Die Schamröte wird als Ehrenzeichen der Zartheit gelesen: Sie ist unfreiwillig, doch moralisch positiv konnotiert—ein sichtbarer Index von Empfindsamkeit und Sittsamkeit.

3. Das Zusammenspiel von Feuer und Malerei deutet Eros als Verwandlungskraft: Leidenschaft nicht nur als inneres Gefühl, sondern als performative Kraft, die Spuren hinterlässt.

5 So müssen sie beschämt zur Erde niedersincken;

Analyse

1. Das einleitende So markiert die logisch-kausale Konsequenz: Aus Glut, Schein und gemalter Röte folgt eine Geste des Blicks.

2. Das Pronomen sie ist absichtlich mehrdeutig. Naheliegend sind meine Augen, die den Blick senken; mitgelesen werden können aber auch die Wangen, die sich unter der Last der Scham senken. Die Ambiguität vereinigt Blick und Antlitz im Zeichen der Modestie.

3. Beschämt knüpft semantisch an die vorher gemalte Röte an; die Affektik erhält eine sittliche Deutung: Scham domptiert den Blick.

4. Zur Erde niedersincken zeichnet eine vertikale Achse: Von der solar erhöhten Geliebten blickt die Bewegung abwärts. Der Raum unterstützt die Ethik des Gedichts—Höhe gehört der Geliebten, Tiefe dem demütigen Ich.

5. Das Semikolon am Versende signalisiert Fortgang; die Periode ist noch nicht abgeschlossen. Die Bewegung des Sinkens ist Auftakt für eine mögliche Wendung in den folgenden, hier nicht vorliegenden Versen.

Interpretation

1. Die Senkung des Blicks ist die sozial codierte Antwort auf Überwältigung: Der Liebende wahrt Maß, indem er beschämt wegschaut. So wird Begierde in Anstand überführt—ein klassisches barockes Moraldesign.

2. Die Abwärtsbewegung ist nicht nur Schamgeste, sondern Selbstschutz: Der vernichtend helle Schein würde den direkt gerichteten Blick verbrennen. Scham bewahrt die Integrität des Ich.

3. Poetologisch formuliert der eine Ästhetik des indirekten Sehens: Das Erhabene wird nicht frontal ertragen, sondern per Reflex (Spiegelung, Röte, Senken) vermittelt. Die Schönheit der Geliebten bleibt dadurch transzendent, unberührt vom profanen Zugriff des Blicks.

6 Doch aber will ich nicht der scheuen Eule gleichen/

Analyse:

Die Doppelfügung Doch aber setzt eine deutliche Gegenrede zum Vorangehenden und markiert eine bewusste Umkehr: Der Sprecher korrigiert oder widerruft eine Haltung der Zurückhaltung.

Die Negativvergleichsstruktur will ich nicht … gleichen etabliert ein programmatisches Absetzen von einem Bildtypus. Mit scheuen Eule wird ein Nachtwesen aufgerufen, das das Licht meidet; scheu konnotiert Furchtsamkeit und Vorsicht.

Die Eule ist doppeldeutig: als Attribut der Minerva steht sie für Weisheit, als Nachtvogel zugleich für ein Leben im Schatten. Die Wahl des Attributs scheu kippt die ambivalente Figur in Richtung ängstlicher Lichtflucht.

Klanglich häufen sich weiche, gedehnte Laute (scheuen Eule), die den Eindruck der Zögerlichkeit lautmalerisch stützen; syntaktisch ein klarer Hauptsatz, der als Selbstverpflichtung formuliert ist.

Interpretation:

Der Sprecher lehnt eine kluge, aber ängstliche Selbstbewahrung ab. Er will nicht weise-vorsichtig sein, wenn es um Liebe geht.

Das Bild der Eule fungiert als Negativfolie zum kommenden Ja zum Licht: Vorsicht wird ethisch abgewertet, Leidenschaft aufgewertet.

Poetologisch spricht sich das lyrische Ich gegen nüchterne Distanz aus und für ein exponiertes, risikobereites Sprechen der Liebe.

7 Die vor des Tages Zier erwehlt die braune Nacht;

Analyse:

Der Relativsatz bezieht sich auf die Eule und konkretisiert deren Wahlverhalten: Sie erwehlt (archaisch für wählt) die braune Nacht vor (im Sinne von statt) des Tages Zier.

Tages Zier ist eine Metapher für das Licht, die Schönheit des Tages—im Gedichtkontext naheliegend auch für das Leuchten der geliebten Augen.

Die Farbadjektivierung braune Nacht intensiviert den Dunkel-Charakter (braun als warm-düster), wodurch die Antithese Tag/Nacht scharf konturiert wird.

Lexikalisch entsteht ein semantisches Feld von Wahl/Präferenz (erwehlt) und Prunk/Schönheit (Zier), das die Wertung des Lichts bereits vorbereitet.

Interpretation:

Der wertet die Flucht ins Dunkel als verfehlte Wahl gegenüber der Zier des Tages. Liebe soll nach vorne, zum Licht, nicht in die Sicherheit des Schattens.

Die Augen der Geliebten werden implizit solarisiert: Wer sie meidet, wählt Nacht statt Tag, Mangel statt Fülle.

Das Ich profilierte sich im vorherigen als jemand, der diese Fehlwahl nicht treffen will; das erhöht die innere Dramatik der folgenden Selbstentzündung.

8 Ich eile nach dem Feur/ das mich zu Asche macht

Analyse:

Der Tempuswechsel ins performative Präsens und das Verb eilen setzen Dynamik und Entschlossenheit. Das Ziel ist das Feur, semantisch doppelt codiert als Liebesglut und zerstörerische Kraft.

Der Relativsatz das mich zu Asche macht benennt die Konsequenz ohne Beschönigung: vollständige Selbstverzehrung. Das Feuer-/Asche-Motiv gehört zum barocken Liebestopos der combustio amoris.

Die harte Kadenzen (Feur/Asche macht) geben dem Endgewicht; die Binnenlogik der Metaphorik verschiebt sich von Wahl (V. 7) zu Konsequenz (V. 8).

Interpretation:

Der Sprecher bejaht eine Liebe, die ihn nicht bloß erwärmt, sondern verzehrt—eine Leidenschaft, die bis zur Selbstaufgabe geht.

Asche ist im Vanitas-Diskurs Zeichen der Nichtigkeit, kann aber (vorbereitet durch V. 10) auch Übergangsmaterie sein: Was vergeht, bereitet Verwandlung.

Psychologisch liegt hier eine bewusste Risikofreude: Nicht Unwissen führt ins Feuer, sondern wissendes, beschleunigtes Zulaufen (eile).

9 Verdirbt die Mücke gleich durch selbst-gesuchten Brand/

Analyse:

Der eröffnet mit einem generischen Beispiel aus der Emblematik: die Insekten-zum-Licht-Metapher. Mücke steht für das Geringe, Unedle, Alltägliche.

gleich fungiert hier concessiv im Sinne von obgleich/auch wenn: Es wird ein Einwand vorweggenommen—das Feuer bringt Verderben.

selbst-gesuchten Brand betont die Freiwilligkeit: Das Verbundene mit dem Hyphen schärft die Pointe des selbstverschuldeten Zugrunds.

Die Wortwahl verdirbt ist drastisch; sie lässt keinen romantisierenden Spielraum.

Interpretation:

Der Sprecher räumt den Erfahrungsbeleg ein: Wer sich in die Flamme stürzt, verbrennt. Er ist sich der Exempla der Torheit bewusst.

Zugleich wird das Beispiel abgewertet: Es betrifft die Mücke—eine niedrige Kreatur. Damit wird eine Maßstabsverschiebung vorbereitet, die im nächsten kulminiert.

Die Konstellation bildet eine rhetorische Concessio: Man gesteht das Gegenargument zu, um es sogleich zu überbieten.

10 Der edle Phönix wird doch eben so zur Leichen.

Analyse:

doch setzt den adversativen Kontrapunkt zur Concessio: Dasselbe Geschehen ereignet sich auch am Höchsten.

Der Parallelismus eben so knüpft an V. 9 an, schafft aber eine Hierarchisierung: vom niedrigen Insekt zum edlen Fabelvogel.

Der Phönix aktiviert den Mythos zyklischer Selbstverbrennung mit Regenerationsverheißung; zur Leichen (archaisierende Form) hält jedoch die Realität des Sterbens fest, bevor Auferstehung ins Spiel kommt.

Die Antithese Mücke/Phönix bündelt die Strophe: Ob niedrig oder erhaben—Feuer führt zum Tod; beim Phönix aber ist dieser Tod Teil eines höheren Kreislaufs.

Interpretation:

Der Sprecher adelt sein eigenes Sich-Verbrennen, indem er es am Phönix spiegelt: Sein Leiden ist kein bloß törichtes Verlöschen, sondern ein edler, womöglich fruchtbarer Untergang.

Zwischen Eros und Thanatos entsteht ein teleologischer Bogen: Das Sterben in der Liebe ist Voraussetzung einer Verwandlung—poetisch (Selbstneuschöpfung des Ich), erotisch (Steigerung im Hingabemodell), eventuell spirituell (Auferstehungsparaphrase).

Poetologisch deutet der Phönix das Gedicht selbst als Ort der Selbstopferung und Erneuerung: Aus der Asche der Stimme entsteht neue Stimme—aus Schmerz wird Gesang.

Fazit

Der semantische Kern ist ein dreistufiger Bewegungsverlauf: Absetzung von ängstlicher Lichtflucht (Eule) → entschlossene Hinwendung zur vernichtenden Intensität (Feuer) → Transfiguration der Vernichtung im Edelmotiv des Phönix.

Rhetorisch arbeitet die Passage mit Concessio und Antithese (Nacht/Tag, Mücke/Phönix), wodurch das Ich seine riskante Wahl intellektuell verantwortet.

Die Augen der Geliebten werden über das Lichtfeld indirekt mit Sonne/Feuer identifiziert; Liebe erscheint als Energie, deren Preis Tod heißt, deren Gewinn aber im Bild des Phönix eine höhere, erneuernde Ordnung andeutet.

Organischer Aufbau und Verlauf

1. Das Gedicht beginnt mit einem Selbstbekenntnis des lyrischen Ichs, das sich nicht wie ein Adler versteht, welcher die Sonne unverwandt anschauen könnte. Damit wird der Maßstab gesetzt: die Augen der Geliebten sind so strahlend und mächtig wie die Sonne selbst.

2. In den Versen 2–5 steigert sich die Bildlichkeit: die Wangen der Geliebten glänzen, die Augen glühen, ihre Flammen spiegeln sich im Gesicht des Sprechers. Dieses Spiel von Reflexion und Beschämung führt zur Bewegung nach unten – die Augen des Ichs müssen zur Erde sinken.

3. In den Versen 6–7 distanziert sich das Ich von einem anderen negativen Vergleich: es will nicht die scheue Eule sein, die das Licht flieht und die Nacht wählt. Das Ich definiert seine Haltung also nicht nur durch Überwältigung, sondern auch durch bewusste Abgrenzung.

4. In den Versen 8–9 folgt die paradoxe Wendung: das Ich eilt dem Feuer entgegen, selbst wenn es den Untergang bedeutet. Die Mücke, die in die Flamme fliegt, ist das erste Beispiel: selbstverschuldeter Tod durch Leidenschaft.

5. Der Schlussvers relativiert und adelt das Motiv: auch der edle Phönix stirbt im Feuer, und doch ist sein Tod in der Tradition ein Vorbote von Wiedergeburt. So schließt das Gedicht mit einer Doppelbewegung: tragischer Untergang und transzendente Hoffnung.

Psychologische Dimension

1. Das lyrische Ich erlebt eine Spannung zwischen Anziehung und Überforderung. Es kann das Licht der Geliebten kaum ertragen, empfindet Scham und Niedergeschlagenheit.

2. Gleichzeitig artikuliert es ein starkes Begehren: anstatt sich in der Dunkelheit zu verbergen, sucht es gerade das tödliche Feuer. Das verweist auf eine innere Ambivalenz: Angst vor Vernichtung und doch Sehnsucht nach Hingabe.

3. Die Vergleiche – Adler, Eule, Mücke, Phönix – spiegeln verschiedene Seelenzustände. Der Adler steht für Stärke, die dem Sprecher fehlt; die Eule für Flucht, die er verweigert; die Mücke für Leidenschaft ohne Verstand; der Phönix für Sublimierung des Todes zu einer höheren Form.

4. Psychologisch zeigt das Gedicht eine typische Dynamik barocker Liebeslyrik: das Selbst ist zerrissen zwischen Selbsterhaltung und Selbstaufgabe, zwischen Schamgefühl und ekstatischem Verlangen.

5. Die Redeweise offenbart einen fast masochistischen Zug: das lyrische Ich will in der Liebe verzehrt werden, weil es darin zugleich Erfüllung und Sinn erkennt.

Ethische Dimension

1. Das Gedicht stellt implizit die Frage nach Selbstbeherrschung und Hingabe. Die Verweigerung, Eule zu sein, ist ethisch aufgeladen: lieber das riskante Licht wählen, als in selbstgewählter Dunkelheit zu verharren.

2. Die Mücke erscheint als warnendes Beispiel: unbedacht verzehrt sie sich in ihrem Begehren. Hier deutet sich eine moralische Lektion an, dass Leidenschaft ohne Maß zerstörerisch wirkt.

3. Im Kontrast dazu erscheint der Phönix als eine ethische Umdeutung: Sterben im Feuer muss nicht bloß Dummheit sein, sondern kann noble Größe haben. Das Ich rechtfertigt so seine Bereitschaft, sich in der Liebe hinzugeben.

4. Die ethische Spannung liegt darin, dass das Gedicht keine klare Norm setzt: Es oszilliert zwischen Warnung und Legitimation. Vernunft und Leidenschaft, Selbstschutz und Selbstopfer stehen unaufgelöst nebeneinander.

5. In der barocken Moralauffassung schwingt auch eine memento-mori-Dimension mit: jedes Begehren endet im Tod, und gerade im Untergang zeigt sich die wahre Würde menschlicher Existenz.

Philosophisch-theologische Tiefenanalyse

1. Die Sonne als Bild der Geliebten verweist auf eine alte Tradition, in der das göttliche Licht den Menschen blendet. Die Unfähigkeit, den Glanz direkt zu ertragen, erinnert an mystische Topoi (z. B. Dionysius Areopagita oder Meister Eckhart), wo die göttliche Fülle nur in Schwäche erfahren werden kann.

2. Das Motiv der Scham und des Niedersinkens (V. 5) trägt eine theologische Nuance: wie der Mensch vor Gott, so senkt das Ich den Blick vor der überwältigenden Strahlkraft der Geliebten. In der Liebe wird ein quasi-religiöses Verhältnis entworfen.

3. Die Gegenüberstellung von Eule und Licht verweist auf die Wahlfreiheit: Dunkelheit ist hier eine Form der Sünde oder Verweigerung, Lichtsuche dagegen eine Annäherung an Transzendenz – selbst wenn sie tödlich endet.

4. Die Mücke steht für die gefallene Kreatur, deren Verlangen töricht und selbstzerstörerisch ist. Sie verkörpert das menschliche Los nach dem Sündenfall: Begehrlichkeit führt zum Tod.

5. Der Phönix hingegen ist ein christlich-allegorisches Symbol der Auferstehung. In patristischen und mittelalterlichen Texten steht er für Christus selbst: der Tod im Feuer ist nicht Endpunkt, sondern Anfang. Der Sprecher identifiziert sich somit mit einer Christusfigur, die durch Liebe zum Opfer und durch Opfer zur Erhöhung gelangt.

6. Theologisch entsteht ein Spannungsbogen von natura zu gratia: die natürliche Leidenschaft (Mücke) endet im Tod, die sublimierte, von Würde getragene Hingabe (Phönix) führt zum höheren Leben.

7. Damit wird die Geliebte in quasi-theologischem Licht gedeutet: sie ist Medium einer transzendierenden Erfahrung, die zugleich vernichtet und erlöst. Liebe ist hier nicht bloß erotisches Gefühl, sondern ein Mysterium von Tod und Verwandlung.

Moralische Dimension

1. Das Gedicht zeigt die moralische Spannung zwischen Begierde und Selbstbeherrschung: Das lyrische Ich empfindet die Glut der Augen der Geliebten als überwältigend und weiß zugleich, dass dieses Feuer zerstörerisch wirken kann.

2. In der Gegenüberstellung von Adler und Eule wird eine moralische Entscheidung angedeutet: Der Sprecher möchte nicht ins Dunkel der Vermeidung fliehen, sondern die Helligkeit und die Gefahr des Lichts annehmen.

3. Der Verweis auf die Mücke, die sich im selbstgesuchten Brand verzehrt, mahnt moralisch zur Einsicht, dass Leidenschaft den Menschen leicht ins Verderben führen kann.

4. Im Vergleich mit dem Phönix liegt aber auch eine moralische Aufwertung: Selbst der edelste Vogel muss im Feuer sterben, und doch ist sein Tod nicht ohne Würde. Damit wird der eigene Untergang als eine Art moralisch edle Konsequenz stilisiert.

5. Die Moral liegt also ambivalent zwischen Warnung und Heroisierung: Das Gedicht zeigt einerseits, dass ungebändigte Leidenschaft gefährlich ist, und andererseits, dass in der bewussten Hingabe an das Gefährliche ein besonderer Wert liegt.

Anthroposophische Dimension

1. Die Darstellung der Augen als Sonne, Glut und Flamme hat eine stark anthroposophische Resonanz: Hier wird das menschliche Auge als Träger einer kosmischen Kraft begriffen, die nicht nur physiologisch wirkt, sondern eine geistige Flamme in sich birgt.

2. Die Metaphorik von Adler, Eule, Mücke und Phönix zeigt ein Bild des Menschen, der in der Naturspiegelung sich selbst erkennt. Tiere sind Ausdruck bestimmter Seelen- und Bewusstseinskräfte: Adler als Sonnenwesen, Eule als Nachtwesen, Mücke als Opfer der Sinnlichkeit, Phönix als geistige Wiedergeburt.

3. Das Niederblicken der eigenen Augen, beschämt durch das himmlische Feuer der Geliebten, weist auf die Erfahrung hin, dass das Irdisch-Menschliche der höheren geistigen Sonne nicht standhält – ein anthroposophisches Motiv des Ich vor der Geistsonne.

4. Der Gang von der Mücke zum Phönix symbolisiert die Entwicklung vom unbewussten Opfer an das eigene Begehren hin zur bewussten Transformation im Feuer. Diese Bildfolge lässt sich anthroposophisch als Stufenweg der Seele deuten.

5. Somit kann das Gedicht als eine Art Einweihungserfahrung gelesen werden: Die Seele (das lyrische Ich) tritt dem Licht gegenüber, erfährt die zerstörerische wie verwandelnde Kraft und vollzieht daran ihr inneres Wachstum.

Ästhetische Dimension

1. Ästhetisch lebt das Gedicht von der dichten Bildsprache, die eine Kette von Metaphern entfaltet: Adler, Sonne, Glut, Flamme, Eule, Nacht, Mücke, Phönix. Jedes Bild trägt eine emotionale und imaginative Steigerung bei.

2. Die Ästhetik wird getragen von Kontrasten: Licht gegen Dunkel, Mut gegen Scheu, Würde gegen Scham, Zerstörung gegen Verwandlung. Diese Gegensätze geben dem Gedicht eine dramatische Spannung.

3. Formal fällt die durchgehende, rhythmisch klare Zehnerstrophigkeit auf, die durch die Reimstruktur eine kunstvolle Geschlossenheit erhält.

4. Der Klangcharakter, mit Alliterationen wie Flammen Schein oder selbst-gesuchten Brand, verstärkt die Bildlichkeit und macht die Sprache sinnlich erfahrbar.

5. Insgesamt ist die Ästhetik auf eine Vereinigung von sinnlichem Reiz und geistiger Bildsprache angelegt: Das Gedicht will nicht nur belehren, sondern den Leser durch Schönheit, Klang und Bildgewalt unmittelbar in die Erfahrung des Lichts ziehen.

Rhetorische Dimension

1. Rhetorisch arbeitet der Text mit der Technik des Vergleichs und der Allegorie: Die Geliebte wird nicht direkt beschrieben, sondern in Metaphern von Sonne und Flamme, was eine Erhöhung und Überhöhung bewirkt.

2. Die antithetische Figurenführung – Adler versus Eule, Mücke versus Phönix – ist ein zentrales rhetorisches Mittel. Sie steigert die Spannung, indem sie den Leser immer wieder auf gegensätzliche Modelle verweist.

3. Die Selbstreflexion des lyrischen Ichs (Ich bin kein Adler nicht) fungiert als rhetorische captatio humilitatis, eine Bescheidenheitsformel, die aber zugleich durch den Anspruch auf Nähe zum Phönix wieder aufgehoben wird.

4. Die Wiederholung von Feuerbildern (Glutt, Flammen, Feur, Brand, Asche) ist eine rhetorische Klimax, die auf die finale Pointe im Bild des Phönix vorbereitet.

5. Der Schluss mit dem Phönix ist ein rhetorisches Höhepunktverfahren: Das Gedicht endet nicht in der Mückenmetapher der Schwäche, sondern in einer erhabenen Transformation, wodurch der Leser mit einem Bild der Würde entlassen wird.

Metaebene

1. Das Gedicht reflektiert eine existentielle Spannung zwischen menschlicher Begrenztheit und der überwältigenden Macht der Schönheit, die in den Augen der Geliebten verortet wird.

2. Es formuliert eine poetische Selbstauskunft: Das lyrische Ich beschreibt sein eigenes Verhältnis zur Erfahrung von Schönheit und deren destruktiver wie auch erhabener Kraft.

3. Auf dieser Ebene geht es weniger um die Geliebte selbst als um das Verhältnis des Subjekts zu den Sinneseindrücken, die es nicht zu ertragen vermag, und die Selbstdefinition durch Metaphern wie Adler, Eule, Mücke und Phönix.

4. Das Gedicht zeigt die Ambivalenz des Begehrens: Der Blick zieht an und überwältigt, er vernichtet und erhebt zugleich.

5. Der Text inszeniert sich als dichterische Selbstreflexion: Schönheit wird nicht als erreichbares Gut dargestellt, sondern als ein Medium der poetischen Inspiration, die das Subjekt zugleich gefährdet und verklärt.

Poetologische Dimension

1. Das Gedicht arbeitet mit einem Spiel von Licht- und Feuerbildern, die in der barocken Dichtung programmatisch für das Verhältnis von Erkenntnis, Liebe und Dichtung stehen.

2. Die poetische Formulierung macht deutlich, dass Poesie aus dem Spannungsfeld von Sehnsucht und Vernichtungskraft hervorgeht. Die dichterische Sprache lebt von dieser Übersteigerung.

3. Indem das lyrische Ich die Augen der Geliebten zum eigentlichen Sonnen-Mittelpunkt erhebt, erzeugt der Text selbst eine poetische Sonnenmetaphorik: das Gedicht wird zu einem Spiegel dieses Lichts.

4. Poetologisch inszeniert sich das Gedicht als Variation barocker Topoi: die Reflexion über das Unaussprechliche, die metaphorische Übersetzung des Unsagbaren in Bilder von Strahlen, Flammen und Brand.

5. Das lyrische Ich beschreibt sich implizit als Dichter, der die Erfahrung in eine kunstvolle Sprache überführt und so aus einer individuellen Empfindung ein poetisches Modell schafft.

Metaphorische Dimension

1. Die zentrale Metapher ist das Licht- und Feuerbild: Sonne, Glut, Flammen, Brand und Asche bilden ein dichtes Bildfeld, das für Schönheit, Leidenschaft und tödliche Gefahr steht.

2. Die Tierbilder (Adler, Eule, Mücke, Phönix) strukturieren das Gedicht als Gleichnisse des Verhältnisses zur Schönheit: Der Adler als Symbol von Stärke und Sonnenblick, die Eule als Gegenbild der Nacht und der Blindheit, die Mücke als Sinnbild der zerstörerischen Hingabe, der Phönix als mythisches Sinnbild der Auferstehung im Tod.

3. Das Spiegelmotiv in 3–4 (widerstralt, mahlt) verdeutlicht, dass die Schönheit der Geliebten nicht direkt erlebt, sondern nur reflektiert und vermittelt ertragen werden kann.

4. Die Metaphern entfalten einen Spannungsbogen von kosmischer Erhabenheit (Adler, Sonne) über alltägliche Fragilität (Mücke) bis hin zur mythischen Transzendenz (Phönix).

5. Das Gedicht lebt von der barocken Doppelstruktur der Metaphern: jede ist zugleich Gefahr und Erhöhung, Vernichtung und Sublimierung.

Literaturgeschichtliche Dimension

1. Das Gedicht steht im Kontext der barocken Liebeslyrik, die den Topos des verzehrenden Blicks vielfach variiert hat. Die Augen als Quelle von Feuer, Licht und tödlicher Glut sind ein Grundmotiv der Zeit.

2. Hans Aßmann von Abschatz gehört zu den Vertretern des schlesischen Barock und zeigt hier die charakteristische Rhetorik der Antithetik: Adler vs. Eule, Mücke vs. Phönix, Leben vs. Tod, Schönheit vs. Vernichtung.

3. Das Bildfeld von Feuer, Sonne und Phönix verweist auf die emblematische Tradition, in der mythologische und naturkundliche Symbole zur Illustration existenzieller Wahrheiten verwendet werden.

4. Literarhistorisch markiert das Gedicht einen Übergang von petrarkistischer Liebestradition hin zu einer stärker allegorisierenden und emblematischen Bildsprache, wie sie in der deutschen Barocklyrik typisch ist.

5. Die Zugehörigkeit zum Zyklus Anemons und Adonis Blumen zeigt die barocke Praxis der zyklischen Liebesdichtung, in der einzelne Gedichte Variationen desselben Grundthemas darstellen: die leidvolle, erhabene und zugleich zerstörerische Kraft der Liebe.

Literaturwissenschaftliche Dimension

1. Aus einer literaturwissenschaftlichen Perspektive zeigt das Gedicht die barocke Ästhetik des Vanitas-Gedankens: Schönheit und Begehrlichkeit sind untrennbar mit Vergänglichkeit, Zerstörung und Tod verbunden.

2. Die rhetorische Anlage ist von Antithesen und Parallelismen durchzogen, was typisch für die barocke Stilistik ist: Sehen und Nicht-Sehen, Tag und Nacht, Leben und Tod, Mücke und Phönix.

3. Das Gedicht kann als Variation des Liebesdiskurses gelesen werden, der im Barock nicht psychologisch, sondern emblematisch strukturiert ist: die Geliebte erscheint nicht als Individuum, sondern als Allegorie von Licht und Gefahr.

4. Die Tier- und Feuerbilder sind zugleich intertextuelle Marker: sie verweisen auf eine lange Tradition poetischer und emblematischer Symbolik, die in frühneuzeitlichen Lesekulturen verstanden werden musste.

5. Methodisch lässt sich das Gedicht sowohl mit rhetorischer Figurenanalyse (Metaphern, Vergleich, Antithese) als auch mit motivgeschichtlichen und mythologischen Kontextualisierungen erschließen.

Assoziative Dimensionen

1. Die Figur des Adlers ruft die Vorstellung höchster Sehkraft, königlicher Distanz und fast göttlicher Souveränität hervor. Er ist der Vogel, der direkt in die Sonne blicken kann, ohne Schaden zu nehmen. In der Abgrenzung Ich bin kein Adler artikuliert sich ein Bewusstsein menschlicher Begrenztheit, ein Motiv, das an Prometheus und Ikarus erinnert: der Mensch kann das Übermaß des Strahlenden nicht aushalten.

2. Die Augen der Geliebten erscheinen als Sonne, Glut, Flammen. Daraus ergibt sich eine dichte Assoziationswelt des Feuers, das einerseits Leben spendet, andererseits zerstört. Die Leidenschaft, die in den Augen sichtbar wird, ist zugleich lebenspendend wie gefährlich.

3. Die Mücke, die in die Kerze fliegt, evoziert ein Bild der törichten Selbstzerstörung im Angesicht des Begehrten. Es schwingt zugleich das Moment kindlicher Unschuld, aber auch der unausweichlichen Tragik mit: Liebe als ein Sich-verzehren.

4. Der Phönix hingegen weitet den Horizont auf mythisch-eschatologische Dimension: Aus der Zerstörung geht ein neuer Anfang hervor. Der Tod im Feuer ist nicht das Ende, sondern ein Durchgang zur Erneuerung. So stellt sich die Frage, ob das eigene Begehren zwar zerstörerisch, aber zugleich transformierend ist.

5. Der Gegensatz zur Eule öffnet einen weiteren Bedeutungsraum: die Nacht, das Dunkle, die Flucht vor dem Hellen. Nicht in der Dunkelheit, sondern im Feuer sucht das lyrische Ich seine Bestimmung – es zeigt sich ein Wille zum Exzess, nicht zur Vermeidung.

Formale Dimensionen

1. Das Gedicht ist eine zehnzeilige Strophe, also keine klassische Sonettform, sondern eine barocke Freiform, die dennoch klar strukturiert ist.

2. Der Versbau ist durchgehend fünfhebig mit regelmäßigen Zäsuren, was eine Balance zwischen rhetorischer Strenge und lyrischer Bewegtheit schafft.

3. Die Reime folgen keinem streng symmetrischen Schema, sondern sind kunstvoll verschränkt: Blincken – sincken, Glantz – unverwandt, stralt – mahlt, gleichen – Leichen, Nacht – macht, Brand – Phönix. Die Paarungen geben dem Gedicht eine fließende, beinahe kreisende Bewegung, die zur Feuer-Metaphorik passt.

4. Rhetorisch wird das Gedicht von Antithesen durchzogen: Adler vs. Mensch, Sonne vs. Nacht, Mücke vs. Phönix. Diese Kontrastfiguren erzeugen einen barocken Spannungsbogen zwischen Vanitas-Erfahrung und heroischer Selbstbehauptung.

5. Die Bildlichkeit steigert sich: von der Sonnenmetapher (kosmisch) über die Mücke (alltäglich) hin zum Phönix (mythisch). Damit entfaltet das Gedicht eine Bewegung vom realen, menschlich-erfahrbaren in den Bereich des Symbolischen und Transzendenten.

Topoi

1. Augen als Sonne: ein traditioneller Liebestopos, in dem die Augen der Geliebten als Quelle alles Lichts erscheinen. Hier jedoch nicht bloß als Schönheit, sondern als brennende, gefährliche Macht.

2. Liebesfeuer: der barocke Topos der Liebe als Flamme, die den Liebenden verzehrt.

3. Mücke im Kerzenlicht: ein tradierter Topos der Liebesdichtung, Sinnbild des sehenden, aber unausweichlich scheiternden Begehrens.

4. Phönix: als Gegengewicht zur Mücke bringt er das Motiv der Auferstehung, der geistigen und existentiellen Transformation.

5. Adler und Eule: Allegorien der Schaukräfte – Adler als der Sonnengucker, Eule als das Tier der Nacht und der Weisheit. Das lyrische Ich verortet sich zwischen diesen Extremen, indem es die Kraft des Adlers nicht beanspruchen kann, sich aber zugleich der Vermeidung der Eule verweigert.

Fazit

1. Das Gedicht entfaltet in einer einzigen Strophe ein komplexes Spiel barocker Metaphorik, die das Spannungsfeld von Liebe, Erkenntnis und Selbstaufgabe beschreibt.

2. Das lyrische Ich erkennt seine Grenzen: es ist kein Adler, der das strahlende Licht ohne Gefahr ertragen könnte. Doch es weigert sich auch, sich in die Dunkelheit zurückzuziehen wie die Eule. Damit positioniert es sich bewusst in der gefährlichen Zone zwischen Übermaß und Entzug.

3. In der Bildfolge – Sonne, Feuer, Mücke, Phönix – wird eine Bewegung vom sinnlichen Eindruck der Augen hin zu mythisch-symbolischer Bedeutung entfaltet: die Geliebte ist nicht nur schön, sie ist ein Prinzip, das Leben und Tod zugleich hervorruft.

4. Der barocke Dualismus von Vergänglichkeit und Erneuerung spiegelt sich in der Gleichzeitigkeit von Selbstzerstörung und Auferstehung. Die Liebe erscheint als ein Feuer, das zwar verzehrt, aber auch eine Möglichkeit der Verwandlung eröffnet.

5. Insgesamt ist das Gedicht ein paradigmatisches Beispiel für die barocke Liebeslyrik: allegorisch überhöht, rhetorisch kunstvoll verknüpft, thematisch in der Ambivalenz von Begehren und Vernichtung, Tod und Wiedergeburt verankert.

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