An diesem wilden Ort/ auff dieser rauhen Spitze/1
Wo stille Lufft/ wo Sonn und Sommer Gäste seyn/2
Wo ich für Frost halb todt bey lauher Asche sitze/3
Begeh ich doch mit Lust des werthen Tages Schein.4
Ein Lied/ ein schlechter Reim soll meine Nimphe binden:5
Geschenke/ die ihr werth/ sind um kein Geld zu finden.6
Verzeihe mir/ im Fall nicht gutte Reimen flüssen/7
Ein grobes Holtz vertritt der zarten Feder Amt/8
Der Schnee ist mein Papir/ doch zeuget mein Gewissen/9
Daß dieser kurtze Wunsch aus reinem Hertzen stammt.10
Des Himmels Gunst laß ihn im Winter auch bekleiben/11
Und einen gutten Wind zu deiner Wohnung treiben!12
Es müsse so viel Lust dein edles Hertz erfreuen/13
Als mein Gemütte Schmertz und Trauren in sich hegt!14
Es müsse so viel Glück und Wohlfart dich beschneyen/15
Als dieser hohe Berg gefrorne Tropffen trägt.16
Es kan dir nimmermehr so wohl und glücklich gehen/17
Daß mein getreuer Wunsch dabey wird stille stehen.18
An diesem wilden Ort/ auff dieser rauhen Spitze/1
Wo stille Lufft/ wo Sonn und Sommer Gäste seyn/2
Wo ich für Frost halb todt bey lauher Asche sitze/3
Begeh ich doch mit Lust des werthen Tages Schein.4
Ein Lied/ ein schlechter Reim soll meine Nimphe binden:5
Geschenke/ die ihr werth/ sind um kein Geld zu finden.6
1 An diesem wilden Ort/ auff dieser rauhen Spitze/
Analyse
1. Die Doppelformel wilder Ort / rauhe Spitze etabliert sofort einen locus horridus: eine unwirtliche, schroffe Höhe, die der barocken Antithetik zum lieblichen locus amoenus verpflichtet ist.
2. Die Schrägstriche markieren die metrische Zäsur und verweisen auf den barocken Alexandriner; syntaktisch ergibt sich eine parallel gebaute Benennung (Ort/Spitze), die die Härte des Schauplatzes verdoppelt.
3. Wortfelder von Wildheit und Rauheit schaffen eine sensorische Topographie (Schroffheit, Kälte, Exponiertheit), die als Gegenfolie für inneres Erleben dient.
4. Der deiktische Anklang von An diesem verankert das lyrische Ich konkret im Raum; es spricht aus der Situation heraus, nicht rückblickend.
5. Orthographie (auff) und Diktion signalisieren frühe Neuzeit und binden die Szene an barocke Sprachgewohnheiten.
Interpretation
1. Das Ich stellt sich selbst als erprobt in Widrigkeit aus: Die Landschaft fungiert als Spiegel einer seelischen oder erotischen Spannung, die in rauem Umfeld standhalten muss.
2. Das Motiv der Spitze deutet auf Exponiertheit und existenzielles Randgeschehen; das Ich steht an einer Grenze, die als Schwelle zur dichterischen oder erotischen Erfahrung gelesen werden kann.
3. Indem der Schauplatz unfreundlich ist, gewinnt das spätere Lob des Tageslichts und der Nymphe an Kontrastschärfe; die Kunst (Dichtung) wird als Gegenmacht zur Naturrauheit vorbereitet.
4. Die doppelte Benennung wirkt wie ein programmaticus: Das Gedicht will Härte in Sprache fassen und durch poetische Form beherrschen.
2 Wo stille Lufft/ wo Sonn und Sommer Gäste seyn/
Analyse
1. Die Anapher wo … wo … rhythmiert den Satzfluss, die Zäsur markiert wieder den alexandrinischen Einschnitt; die Struktur ordnet das Wilde des Ortes durch sprachliche Wiederholung.
2. Stille Lufft evoziert Windstille und Erstarrung; zugleich kontrastieren Sonn und Sommer als Wärme-Topoi.
3. Die Metapher Gäste für Sonne und Sommer macht die Wärme nur temporär präsent; die eigentliche Herrschaft des Ortes bleibt der Kälte.
4. Die Alliteration Sonn und Sommer erhöht die Klangpräsenz des Hellen und Warmen, das dennoch hospes bleibt.
5. Semantisch entsteht eine Paradoxie: Stille Luft (Stillstand, Starre) und die Anwesenheit der sommerlichen Wärme koexistieren, jedoch ohne Dauer.
Interpretation
1. Der deutet das Gelände als Welt innerer Ambivalenz: Wärme erscheint, aber als Besuch; Beständigkeit hat die Kälte.
2. Poetologisch gelesen, sind Sonn und Sommer die Momente der Inspiration: sie kommen, sie verweilen kurz, sie sind nicht verfügbar.
3. In erotischer Codierung (Nymphe folgt später) stehen Sonne/Sommer für Gunst und Gnade der Geliebten: Sie gewährt Nähe gastweise, nicht dauerhaft.
4. Die stille Lufft rahmt diese Gunst mit Gefahr der Erstarrung—ohne Bewegung kann Leben ebenso erlöschen; das Ich ist auf die zarte, vorübergehende Wärme angewiesen.
5. Das Gäste seyn bereitet die Pointe vor, dass wahre Geschenke (im Schlusscouplet) nicht käuflich, sondern ephemer und unverdienbar sind.
3 Wo ich für Frost halb todt bey lauher Asche sitze/
Analyse
1. Der Relativanschluss (wo ich…) zieht das Ich in die zuvor skizzierte Topographie hinein: die Objektivität des Ortes kippt in Subjektivität.
2. Für Frost halb todt ist barocke Hyperbel: Kälte als lebensbedrohliche Macht. Die Position bey lauher Asche setzt ein Erloschenes Feuer ins Bild—nur noch Restwärme (lau).
3. Die Antithese Kälte des Frosts vs. laue Asche bündelt die Spannung: Das wärmende Prinzip ist dezimiert; Aktivität ist in Passivität (sitze) überführt.
4. Bildlich arbeitet der mit metabolischer Symbolik: Asche als Endzustand der Glut, zugleich Memoria vergangener Hitze.
5. Syntaktisch kulminieren die beiden wo-Sätze in einer Klimax: vom Umfeld zur personalen Betroffenheit.
Interpretation
1. Das Ich sitzt am Rand des Auslöschens: Körperliche Kälte markiert geistige/erotische Entbehrung; die Asche konserviert Erinnerungswärme, doch sie reicht nicht.
2. Poetologisch wird die Situation zur Geburtslage des Gedichts: Aus Mangel (Asche) soll Lied entstehen—ars ex inopia.
3. Erotisch-allegorisch sind Frost und Asche Chiffren für getrübte Gunst: Die Flamme der Liebe ist nahezu erloschen; der Sprecher harrt in Treue-Passivität.
4. Theologisch-metaphorisch könnte die Asche als memento mori gelesen werden; die halbe Totenlage macht die spätere Lust am Tageslicht zur Auferweckung durch Schein.
4 Begeh ich doch mit Lust des werthen Tages Schein.
Analyse
1. Das adversative Partikel doch setzt eine Konzession: Trotz Frost und Asche vollzieht das Ich eine Hinwendung zum Tagesglanz.
2. Begeh ich (verkürzte Form von begehre) richtet sich auf den Schein des Tages; der Genitiv (des werthen Tages) adelt das Licht als kostbar.
3. Der semantische Scharnierpunkt liegt zwischen realer Not und ästhetischem/erotischem Begehren; mit Lust steigert emotional.
4. Der barocke Scheinbegriff trägt Doppelwert: sinnliches Leuchten und epistemische Erscheinung; Pracht ist wirklich und doch vergänglich.
5. Prosodisch wirkt der als Wendestelle der Strophe: Von der Naturfeindlichkeit zur affirmativen Schau.
Interpretation
1. Das Ich wählt eine ästhetische Trotzfigur: Es begehrt den Glanz, nicht trotz, sondern wegen der Not—Lust wird zur Selbstbehauptung.
2. Der werthen Tages Schein kann die Nymphe bereits vorwegnehmen: Ihr Glanz spiegelt sich im Tageslicht; die Natur wird zum Medium der Geliebten.
3. Poetologisch legitimiert der das kommende Lied: Schein ist kein bloßer Betrug, sondern poetische Energie, die Wärme ersetzt.
4. In barocker Denkfigur wird Schein zur Heil-Ökonomie des Augenblicks: Was nicht dauert, kann dennoch erlösen—zumindest temporär.
5 Ein Lied/ ein schlechter Reim soll meine Nimphe binden:
Analyse
1. Die doppelte Nennung (Ein Lied, ein schlechter Reim) ist eine rhetorische modestia (captatio benevolentiae): Der Sprecher stellt seine Kunst bescheiden unter Wert.
2. Das Ziel ist performativ: Das Lied soll … binden—Poiesis erhält magische und soziale Wirksamkeit (Bindung der Nymphe).
3. Die klassische Anrufung der Nimphe schlägt den pastoral-mythischen Ton an und verknüpft höfisch-galante Liebe mit antikisierender Rollensprache.
4. Die Zäsur trennt Medium (Lied/Reim) und Effekt (binden), wodurch Kausalität der Kunst ausgestellt wird.
5. Der Doppelpunkt eröffnet die gnomische Sentenz des nächsten Verses: Eine Begründung der Bindung durch das rechte Geschenk.
Interpretation
1. Der Sprecher setzt auf die ethische Überlegenheit der immateriellen Gabe (Lied) gegenüber materieller Werbung; Kunst ersetzt Geld als Bindungsmittel.
2. Die Bescheidenheitsformel ist ironisch aufgeladen: Gerade der schlechte Reim beansprucht Macht über die Nymphe—eine galante Understatement-Strategie.
3. Mythologisch erinnert binden an antike Ligatur-Motivik (Amor, Zauber), doch sie wird rhetorisch entzaubert: Es ist die Anmut der Sprache, nicht Magie.
4. Poetologisch setzt der den Maßstab: Dichtung ist Handlung—nicht Beschreibung, sondern ein Akt, der Beziehung stiftet.
6 Geschenke/ die ihr werth/ sind um kein Geld zu finden.
Analyse
1. Die Sentenz schließt als Couplet-Pointe (Reim mit V. 5) die Strophe: Der durchgängige Strophenbau (ABABCC) kulminiert in einer Lehrsatzstruktur.
2. Ihr werth hebt die Würde der Geliebten hervor und setzt einen Wertmaßstab, der ökonomischer Quantifizierung widerspricht.
3. Die Negation um kein Geld etabliert ein Anti-Markt-Paradigma; die rechte Gabe ist rar und unbezahlbar.
4. Semantisch referieren Geschenke auf das zuvor genannte Lied: Es wird zum paradigmatischen Geschenk, das in keiner Ökonomie käuflich ist.
5. Der rahmt die Strophe argumentativ: Von Naturknappheit (Frost) zur Gabenökonomie der Kunst, die Mangel in Wert verwandelt.
Interpretation
1. Abschatz formuliert eine galante Ökonomie der Gnade: Die Nymphe lässt sich durch Würde-adäquate Gaben gewinnen, nicht durch Preis.
2. Dichtung erscheint als wahres Gegengeschenk zur Schönheit; sie antwortet auf den werthen Tages Schein mit immateriellem Wert.
3. In Liebesethik gewendet: Wer die Nymphe bindet, tut es durch Angemessenheit, nicht durch Kauf—Bindung entsteht aus Korrespondenz der Werte.
4. Poetologisch wird das Gedicht selbst zum Beweismittel der These: Es ist das nicht käufliche Geschenk, das zugleich den frostigen Ausgangszustand überbietet.
Aus der Konstellation von locus horridus, ephemerer Wärme und poetischer Modestia entwickelt der Sprecher eine Logik der immateriellen Gabe: In der Kälte der Welt (Frost, Asche) begehrt er den Schein und antwortet mit Lied. Das abschließende Couplet setzt diese Erfahrung als Maxime—die einzig angemessenen Geschenke sind nicht käuflich, sondern entstehen aus Dichtung, Gunst und Augenblick.
Verzeihe mir/ im Fall nicht gutte Reimen flüssen/7
Ein grobes Holtz vertritt der zarten Feder Amt/8
Der Schnee ist mein Papir/ doch zeuget mein Gewissen/9
Daß dieser kurtze Wunsch aus reinem Hertzen stammt.10
Des Himmels Gunst laß ihn im Winter auch bekleiben/11
Und einen gutten Wind zu deiner Wohnung treiben!12
7 Verzeihe mir/ im Fall nicht gutte Reimen flüssen/
Analyse
1. Der eröffnet mit einer expliziten captatio benevolentiae, indem das lyrische Ich um Verzeihung für mögliche metrisch-klangliche Unzulänglichkeiten bittet.
2. Die Formulierung im Fall entspricht dem frühneuhochdeutschen falls, wodurch eine hypothetische, doch realistisch einkalkulierte Abweichung vom Ideal angezeigt wird.
3. Die Wendung nicht gutte Reimen flüssen nutzt eine Personifikation des Reimens als strömende Bewegung; die Metapher des Fließens verweist auf barocke Vorstellungen von copia und Sprachfluss.
4. Orthographische Zeitzeichen (gutte, flüssen) und die Zäsurmarkierung durch den Schrägstrich verankern den im barocken Schreib- und Vortragshabitus und deuten auf einen alexandrinischen Duktus mit Binnenruhe.
Interpretation
1. Das lyrische Ich setzt eine Demutsgeste, die sein Anliegen moralisch absichert und die Rezeption lenkt: Inhalt und Intention sollen wichtiger sein als formale Vollkommenheit.
2. Hinter der Bitte liegt ein implizites Qualitätsideal, das das Ich zwar kennt, aber situativ nicht erreichen kann; so werden Erwartung und milde Beurteilung beim Adressaten vorbereitet.
3. Die Fließ-Metaphorik deutet auf eine prekäre Produktionslage: Der natürliche Strom der Dichtung ist gestört, was einen Übergang zur Motivik widriger Umstände vorbereitet.
4. Insgesamt wird der Maßstab vom ästhetischen Glanz auf die Lauterkeit der Gesinnung verschoben, was die folgende Strophe semantisch trägt.
8 Ein grobes Holtz vertritt der zarten Feder Amt/
Analyse
1. Der Satz baut eine markante Antithese zwischen grobes Holtz und zarte[r] Feder auf; beides sind instrumenta scriptoria, die für unterschiedliche Grade von Eleganz stehen.
2. Vertritt … Amt arbeitet mit Amts-Metaphorik: Schreiben erscheint als institutionalisierte Funktion, deren würdiger Träger (die Feder) provisorisch ersetzt wird.
3. Die Alliteration von Feder und Amt ist schwach, doch der semantische Kontrast erzeugt eine rhetorische Pointe, die die Notlage plastisch macht.
4. Der verweist indirekt auf mediale Bedingungen des Schreibens und knüpft an handwerkliche Praxis (Holzstab, Ritzen) an.
Interpretation
1. Die Zeile konkretisiert die Entschuldigung: Nicht mangelndes Können, sondern äußere Umstände erzwingen eine improvisierte, weniger feine Schrift.
2. Die Feder als Emblem der Gelehrten- und Höfischkeitskultur wird suspendiert; das Ich bewegt sich aus der Sphäre gepflegter Kunst in die der Notbehelfe, was Authentizität signalisiert.
3. Der Amtsvergleich betont Verantwortlichkeit: Auch im Provisorium bleibt die Amtspflicht des Schreibens bestehen – der Sprecher fühlt sich seinem Ausdruck moralisch verpflichtet.
4. Dadurch gewinnt der Text eine Ethik der Einfachheit: Schlichtes Werkzeug darf edle Intention tragen.
9 Der Schnee ist mein Papir/ doch zeuget mein Gewissen/
Analyse
1. Schnee ist mein Papir entfaltet eine prägnante Metapher: Die winterliche Natur wird zum Schreibsubstrat; die Kälte wird ästhetische Bedingung.
2. Der adversative Anschluss doch leitet zu einer forensischen Metaphorik über: mein Gewissen … zeuget nutzt den Rechtswortschatz des Zeugnisablegens.
3. Die Materialopposition Schnee/Papier setzt auf Weiß-Bildlichkeit und Vergänglichkeit; Schnee ist flüchtiger als Papier und betont die Prekarität des Mediums.
4. Der markiert eine doppelte Autorisierung: physisch prekär (Schnee) und moralisch gesichert (Gewissen).
Interpretation
1. Die Natur wird zum Notizbuch, wodurch die Abhängigkeit vom Jahreslauf und die Unbeständigkeit der Nachricht ins Bild rücken.
2. Die Berufung aufs Gewissen transponiert die Aussage von der Ebene der Form in die der Wahrhaftigkeit: Wo das Medium schwach ist, bürgt die Innerlichkeit.
3. Die Kombination von Kältebild und Gewissenszeugnis schafft einen Kontrast zwischen äußerer Erstarrung und innerer Glut der Intention.
4. So entsteht ein poetologisches Programm: Echtheit des Gefühls kompensiert die Fragilität der Schrift.
10 Daß dieser kurtze Wunsch aus reinem Hertzen stammt.
Analyse
1. Der vollendet die forensische Struktur durch den Inhalt des Zeugnisses: Gegenstand ist der kurtze Wunsch, dessen Kürze die vorausgesetzte Notsituation bestätigt.
2. reinem Hertzen bedient barocke Frömmigkeits- und Liebestopik; die Adjektivqualifizierung rückt Ethos über Kunstfertigkeit.
3. Die syntaktische Einbettung an den vorigen (doch zeuget … daß) erzeugt logische Kohäsion und argumentativen Duktus.
4. Orthographie (kurtze, Hertzen) und der ruhige Periodenschluss betonen den Ernst des Bekenntnisses.
Interpretation
1. Der Kern der Botschaft ist schlicht und aufrichtig; die Kürze ist Tugend, nicht Defizit: Sie bewahrt die Reinheit der Intention.
2. Das Herz fungiert als Garant der Authentizität, wodurch die soziale Szene (Adressat, höfischer Kontext) sekundär wird.
3. Die Zeile transformiert den Text in ein Mini-Votum: Es geht weniger um poetische Zier als um die sittliche Lauterkeit des Wünschens.
4. Damit wird das Gedicht selbst zu einem Akt der Selbstvergewisserung, der den Adressaten als Zeugen der Innerlichkeit einsetzt.
11 Des Himmels Gunst laß ihn im Winter auch bekleiben/
Analyse
1. Der wechselt ins Gebet oder in die Bitte: Eine höhere Instanz (Des Himmels Gunst) wird angerufen, den Wunsch zu stützen.
2. Das Pronomen ihn verweist anaphorisch auf den kurtzen Wunsch und hält so die semantische Kette der Strophe zusammen.
3. bekleiben (archaisch für haften/bleiben) arbeitet mit Haft-Metaphorik: Der Wunsch soll trotz widriger Jahreszeit Bestand haben.
4. Die Zeitbestimmung im Winter schließt den Naturrahmen: Jahreszeitliche Härte bildet den Gegenraum zu Gnade und Fortdauer.
Interpretation
1. Hier wird Vergänglichkeit (Schnee) durch Transzendenz konterkariert: Himmlische Gunst soll der Flüchtigkeit Stand verleihen.
2. Die Szene erhält sakralen Unterton: Der Erfolg des Wunsches hängt nicht nur von Technik oder Adressat ab, sondern von Providenz.
3. auch signalisiert, dass Beständigkeit gerade trotz Winter erbeten wird; das Paradox von Kälte und Gunst erzeugt poetische Spannung.
4. Die Bitte zielt auf Dauer im Sinn affektiver Treue: Das Gefühl soll haften bleiben, nicht verwehen.
12 Und einen gutten Wind zu deiner Wohnung treiben!
Analyse
1. Die Windmetapher macht aus dem Wunsch eine Sendung: Der günstige Wind übernimmt die Rolle des Überbringers.
2. Die Alliteration gutten Wind verstärkt den Wunschcharakter; gut meint sowohl meteorologische als auch glücksverstärkende Qualität.
3. deiner Wohnung konkretisiert den Zielpunkt und schließt die Kommunikationssituation: Es gibt ein klares Du, eine adressierte Nähe in der Ferne.
4. Das Verb treiben knüpft an nautische und Aeolus-Topik an und wandelt die naturwidrige Lage in ein Transport-Bild.
Interpretation
1. Der versöhnt Natur und Nachricht: Was zuvor hinderte (Winter, Schnee), soll nun fördern (guter Wind).
2. Die Übermittlung des Wunsches wird als Gnadenakt gedacht; menschliche Mittel reichen nicht, also wird das Elementare selbst zum Boten.
3. Das Ziel Wohnung lässt Intimität anklingen: Die Nachricht soll nicht abstrakt ankommen, sondern ins private, geschützte Umfeld des Du eindringen.
4. So endet die Strophe mit einer Bewegung vom Provisorium zur Erfüllung: Der kurze, reine Wunsch soll getragen, gelenkt und beim Du verklärt ankommen.
1. Die Strophe entfaltet eine klare Dramaturgie: Entschuldigung und Umstandsschilderung (V. 7–8), moralische Beglaubigung (V. 9–10), transzendente Bitte und zielgerichtete Sendung (V. 11–12).
2. Materiale Metaphorik (Holz, Feder, Schnee, Wind) verschränkt sich mit moralisch-forensischen und theologischen Semantiken (Gewissen, Reinheit, Himmelsgunst), wodurch ein barockes Ganzes aus Demut, Authentizität und Hoffnung entsteht.
3. Poetologisch verteidigt die Strophe eine Ästhetik der Schlichtheit: Der Mangel an Formglanz wird nicht verleugnet, sondern als Signatur der Wahrhaftigkeit und der von oben erbetenen Wirksamkeit umgedeutet.
Es müsse so viel Lust dein edles Hertz erfreuen/13
Als mein Gemütte Schmertz und Trauren in sich hegt!14
Es müsse so viel Glück und Wohlfart dich beschneyen/15
Als dieser hohe Berg gefrorne Tropffen trägt.16
Es kan dir nimmermehr so wohl und glücklich gehen/17
Daß mein getreuer Wunsch dabey wird stille stehen.18
13 Es müsse so viel Lust dein edles Hertz erfreuen/
Analyse
1. Der Optativ müsse markiert eine Segens- und Wunschformel; der Sprecher spricht kein Faktum aus, sondern formuliert ein feierliches Benediktionsgebet.
2. Das Substantiv Lust benennt nicht bloß sinnliche Freude, sondern barock weit gefasst die Fülle legitimer Lebensfreuden; edles Hertz adelt die Adressatin moralisch und affektiv.
3. Die Syntax bereitet eine Vergleichsstruktur vor (so viel … als …), die in V. 14 gespiegelt wird; damit entsteht ein antithetischer Parallelbau.
4. Klanglich öffnet erfreuen die Reim- bzw. Assonanzachse zu V. 15 (beschneyen), wodurch die beiden Wunschhälften klanglich verklammert werden.
Interpretation
1. Der Sprecher hebt die Geliebte durch die Attribute edel und Herz in eine Sphäre der Tugend; er will ihr nicht bloß Freude wünschen, sondern Freude, die eines edlen Inneren würdig ist.
2. Die Form des Segens lenkt den Ton vom Werben zum Fürbitthaften: Liebe zeigt sich als Wohlergehen-Wunsch für die Andere, nicht als Anspruch.
3. Durch die Ankündigung eines Maßvergleichs deutet der an, dass das Maß ihrer künftigen Lust aus dem Maß seines eigenen Leidens (V. 14) abgeleitet wird; das macht sein Opfer- und Dienstethos sichtbar.
4. Insgesamt eröffnet der ein Programm der Überbietung: Der Sprecher will für die Geliebte mehr Freude erwirken, als gewöhnliche Maßstäbe erlauben.
14 Als mein Gemütte Schmertz und Trauren in sich hegt!
Analyse
1. Als schließt die Vergleichsstruktur: Die gewünschte Quantität der Freude wird am Quantifikationsmaß des eigenen Leidens gemessen.
2. Gemütte bezeichnet die innere Seelenverfassung; Schmertz und Trauren bilden eine Hendiadyoin, die Intensität durch Verdopplung erzeugt.
3. Das Verb hegt (pflegt, nährt, beherbergt) verleiht dem Leid paradox eine kultivierende Aktivität: Schmerz ist nicht bloß passiv erlitten, sondern innerlich getragen.
4. Der starke Einschnitt durch das Ausrufezeichen setzt einen emphatischen Schlussstrich unter die antithetische Bilanz von Freude (V. 13) und Leid (V. 14).
Interpretation
1. Der Sprecher verwandelt sein Leiden in eine Währung, mit der er das Glück der Geliebten bezahlt: Je mehr er trägt, desto mehr soll sie erfreuen.
2. Diese Umkehrung kehrt das barocke Liebesparadox hervor: Schmerz wird produktiv, weil er zur Quelle des Segens für die Andere wird.
3. Das Wort hegt verrät Treue zum eigenen Schmerz – nicht als Selbstquälerei, sondern als bewusste Annahme einer Last zugunsten der Geliebten.
4. In ethischer Perspektive klingt caritas an: Das eigene Defizit dient als Maßstab für fremden Überfluss; Liebe ist hier radikal asymmetrisch und altruistisch.
15 Es müsse so viel Glück und Wohlfart dich beschneyen/
Analyse
1. Die Anapher Es müsse setzt die Wunschformel fort und schafft formale Kohäsion innerhalb der Strophe.
2. Glück und Wohlfart ist eine barocke Doppelformel, die kontingentes Gelingen (Glück) und dauerndes Gedeihen (Wohlfart im älteren Sinn von Wohlergehen) verbindet.
3. Das Bildwort beschneyen (beschneien) macht Segen sichtbar als herabfallende, die Person sanft bedeckende Fülle; die Bewegung kommt von oben und ist unverdient-geschenkt.
4. Die direkte Anrede dich hält den Dialogcharakter und bindet die Bildlichkeit an die konkrete Geliebte, nicht an eine abstrakte Idee.
Interpretation
1. Der Segen soll nicht punktuell, sondern flächig und anhaltend sein: wie Schnee, der alles gleichmäßig überzieht, legt sich Wohlergehen auf ihr Leben.
2. Schnee assoziiert Reinheit und Stille; das gewünschte Glück ist nicht lärmend, sondern mild und umfassend.
3. Zugleich bereitet das Schneebild die hyperbolische Mengenvorstellung des nächsten Verses vor: Was beschneit, lässt sich in Tropffen zählen – nur eben in unzählbaren Mengen.
4. Das semantische Feld des Überflusses setzt die moralische Geste der Selbstverausgabung des Sprechers fort: Was ihm entzogen ist, soll sie bedecken.
16 Als dieser hohe Berg gefrorne Tropffen trägt.
Analyse
1. Die Vergleichspartikel Als schließt erneut den Maßvergleich; das Glück soll mindestens so zahlreich sein, wie der Berg gefrorne Tropffen trägt.
2. Der hohe Berg ruft ein Bild des Erhabenen und Maßlosen auf; die Höhe steigert die Menge der Tropffen und damit die Hyperbel.
3. Gefrorne Tropffen konkretisiert Schnee in kleinste Zähl-Einheiten: unzählbare Partikel, die doch als Summe eine überwältigende Masse bilden.
4. Rhetorisch verbindet der Simile und Hyperbel; semantisch entsteht eine Natur-Allegorie für Überfülle, die kalkuliert incommensurabel bleibt.
Interpretation
1. Der Sprecher sucht nach einem natürlichen Maß für das Unmessbare und findet es in der Winterlandschaft: Glück in der Fülle des Schnees, bis zur Zähl-Absurdität.
2. Die Kälte der Tropfen kontrastiert subtil mit der Wärme des edlen Herzens (V. 13): Im Bild kommt Fülle aus Kälte; im Affekt wird sie im Herzen erwärmt – ein leises barockes Oxymoron.
3. Durch den Berg als Naturmonument wird der Wunsch kosmisch aufgespannt: Das individuelle Glück wird an die Großform der Welt gebunden.
4. Das Bild bestätigt die altruistische Überbietungsethik: Kein menschliches Maß reicht aus; nur die Natur im Maximum taugt als Skala.
17 Es kan dir nimmermehr so wohl und glücklich gehen/
Analyse
1. Der Modus wechselt vom Optativ zum assertiven Futurum-Gestus: Es kan dir nimmermehr … gehen eröffnet eine logisch-konsekutive Setzung.
2. Nimmermehr verstärkt die Negation bis zur Unbedingtheit; so wohl und glücklich wiederholt die Doppelformel der Wohlfahrt in freierer Variation.
3. Die unpersönliche Konstruktion es gehen macht das Glück zum allgemeinen Lebensgang; der Dativ dir hält die persönliche Bezugnahme fest.
4. Der bereitet eine Daß-Satz-Fügung vor (V. 18), die die logische Folge expliziert.
Interpretation
1. Der Sprecher behauptet eine Asymptote des Wünschens: Wie hoch auch immer ihr Glück steigt, sein Wunsch wird es nicht einholen.
2. Das ist die Kehrseite der Hyperbel: Unendliches Glück der Adressatin ruft unendliches Weiter-Wünschen hervor; Liebe endet nicht im Erreichen, sondern wächst mit dem Erreichten.
3. Psychologisch zeigt sich eine Haltung aktiver, nicht saturierbarer Fürsorge; theologischer Unterton: Gutes ist teilbar ohne Verlust und strebt von sich aus zur Vermehrung.
4. Der öffnet damit eine Ethik der Unabschließbarkeit des Guten – ein Leitmotiv barocker Liebes- und Tugendsemantik.
18 Daß mein getreuer Wunsch dabey wird stille stehen.
Analyse
1. Der Konsekutivsatz (daß …) liefert die Folgerung: Es wird nie so gut gehen, dass der Wunsch zur Ruhe käme.
2. Mein getreuer Wunsch personifiziert und qualifiziert das Wünschen; getreu verweist auf Dauer, Verlässlichkeit und Bindungstreue.
3. Die Redewendung stille stehen bedeutet zum Stillstand kommen, aufhören; sie schließt die Strophe mit einer klaren Negationsfigur, die das Nicht-Enden betont.
4. Der Endreim gehen/stehen (V. 17/18) bindet semantisch Bewegung und Ruhe und macht formal hörbar, was inhaltlich verneint wird: das Innehalten.
Interpretation
1. Der Wunsch wird als eigenständige, treue Instanz vorgestellt, die sich nicht pensionieren lässt; Liebe bleibt als Bewegung erhalten, auch wenn das Ziel erreicht scheint.
2. Die Formel verneint finalen Stillstand und setzt eine Dynamik der Gnade: Jedes Glück gebiert weiteres Wünschen zum Guten.
3. Poetisch vollendet der Schluss die Verschiebung vom Selbstaffekt (er leidet) zum Fremd-Affekt (er wünscht) in eine dauerhafte Option; das Ich definiert sich als Fürsprecher.
4. Damit erhält das Gedicht einen ethischen Schlusspunkt: Treue zeigt sich nicht in Besitz oder Gegengabe, sondern in unermüdlichem Wohlwollen.
1. Eröffnung in der Natur und Selbstverortung
Das Gedicht beginnt mit einer klaren topographischen und atmosphärischen Setzung: der Sprecher befindet sich an diesem wilden Ort, auf dieser rauhen Spitze. Die Beschreibung ist von Gegensätzen durchzogen: Stille und Sonne stehen Frost und Todesschwere gegenüber. Schon in den ersten Versen wird so die Spannung zwischen äußerer Naturgewalt und innerer Haltung etabliert.
2. Überleitung zum poetischen Ausdruck
Ab 5 wendet sich der Sprecher dem poetischen Akt zu. Trotz widriger Umstände soll ein Lied, ein schlechter Reim als Geschenk an die Nymphe dienen. Hier zeigt sich eine Wendung vom äußeren Ort zur inneren Bewegung: Die Naturbedingungen erschweren zwar die Dichtung, doch aus der Treue und Reinheit des Herzens entsteht trotzdem ein Ausdruck von Liebe und Verehrung.
3. Symbolische Umdeutung der widrigen Elemente
In den mittleren Versen (7–10) werden die armseligen poetischen Mittel reflektiert: der Schnee als Papier, das grobe Holz anstelle der zarten Feder. Doch gerade in dieser Einfachheit verankert der Sprecher die Authentizität seiner Gefühle. Das Naturbild wandelt sich von Hindernis zu Träger einer Wahrhaftigkeit.
4. Übergang zum Wunschgebet
In den Schlussversen (11–18) steigert sich der Text zu einem Segenswunsch für die Geliebte. Der Sprecher erbittet für sie Himmelsgunst, guten Wind, Lust, Glück und Wohlfahrt. Dabei wird das Prinzip der Spiegelung deutlich: Ihr soll so viel Freude zufallen, wie er selbst Schmerz trägt; sie soll so viel Wohlfahrt empfangen, wie der Berg Eistropfen trägt.
5. Schluss mit paradoxer Intensität
Der letzte schließt mit der Aussage, dass der treue Wunsch niemals verstummen wird – selbst wenn die Geliebte größtes Glück erfährt. Der organische Aufbau geht also vom konkreten Naturbild über die poetische Reflexion hin zur ethischen Wunschformel und endet in der unauflöslichen Paradoxie: das Glück der Geliebten und das Leid des Sprechers bleiben untrennbar verknüpft.
1. Spannung zwischen Außen und Innen
Psychologisch liegt eine Projektion des inneren Zustands auf die Natur vor: die Kälte, das Wilde und der Frost spiegeln die innere Vereinsamung des lyrischen Ichs wider. Zugleich steht das Festhalten am Sonnenlicht für eine Sehnsucht nach Wärme und Nähe.
2. Selbstentwertung und dennoch Behauptung
Das Ich bezeichnet seine Verse als schlecht und die Mittel als grob. Diese Selbstabwertung entspringt einem Bewusstsein der eigenen Begrenztheit, trägt aber zugleich eine paradoxe Aufwertung in sich: gerade weil alles armselig wirkt, ist es umso glaubwürdiger.
3. Unauflösbare Ambivalenz
Der Sprecher erlebt Lust und Schmerz gleichzeitig: Lust am Anblick des Tages und an der Hingabe an die Geliebte, Schmerz an der Kälte, der Trennung und der eigenen inneren Wunde. Diese Ambivalenz zieht sich als Grundstimmung durch das ganze Gedicht.
4. Beharrlichkeit der Treue
Der psychologische Kern zeigt sich im letzten Vers: die Treue ist so unerschütterlich, dass sie auch im Angesicht des höchsten Glücks der Geliebten nicht verstummen kann. Diese Fixierung auf das Du lässt den Sprecher gleichsam in einem selbstgewählten Gefängnis der Liebe verharren.
1. Geschenkethik
Die Aussage, dass die Geschenke um kein Geld zu finden seien, stellt das Prinzip der wahren Gabe in den Vordergrund. Der Wert bemisst sich nicht am materiellen Preis, sondern an der Lauterkeit des Herzens.
2. Demut und Rechtfertigung
Die Bitte um Verzeihung für die nicht gutten Reimen verweist auf eine Ethik der Demut. Das Ich erkennt seine Begrenztheit an und legt Wert auf Aufrichtigkeit anstelle von Glanz.
3. Wunsch nach Wohlfahrt des Anderen
Das Gedicht ist durchdrungen von der ethischen Haltung, das Glück des Anderen über das eigene zu stellen. Das Leiden des Ichs wird zur Folie, auf der die Lust und Freude der Geliebten erstrahlen soll.
4. Selbstlose Treue
Die Treue bleibt auch dann bestehen, wenn sie keinerlei Aussicht auf Gegengabe hat. Ethisch drückt sich hier ein Ideal von uneigennütziger Hingabe aus, das fast übermenschliche Züge trägt.
1. Natur und Transzendenz
Die Naturbeschreibung – Schnee als Papier, Holz als Feder – verweist auf eine Sakralisierung der Schöpfung. In der Entbehrung wird die Welt selbst zum Medium der Dichtung. Dies lässt sich als theologische Aussage deuten: Gottes Schöpfung wird zum Träger menschlicher Sehnsucht.
2. Das Verhältnis von Gabe und Gnade
Die Bitte um Des Himmels Gunst zeigt, dass das Glück der Geliebten letztlich nicht im Machtbereich des Sprechers liegt, sondern in göttlicher Verfügung. Die menschliche Gabe (ein armseliges Gedicht) wird durch die göttliche Gabe (Glück und Wohlfahrt) ergänzt und überhöht.
3. Paradoxie von Leid und Freude
Theologisch-philosophisch reflektiert das Gedicht die paradoxe Einheit von Leid und Freude. Die Geliebte soll so viel Freude empfangen, wie er Schmerz trägt. Dieses In-eins-Setzen von Gegensätzen erinnert an mystische Denkfiguren, in denen Gegensätze nicht aufgehoben, sondern in höherer Wahrheit zusammengehalten werden.
4. Zeitlichkeit und Ewigkeit
Der Ort ist winterlich, kalt, vergänglich – doch der Wunsch des Sprechers wird als unvergänglich behauptet. Hier zeichnet sich ein Übergang von der zeitgebundenen Erfahrung zur ewigen Treue ab. Die Liebe erscheint damit in einer theologischen Dimension als etwas Unsterbliches.
5. Das Herz als locus theologicus
Der Sprecher betont, dass der Wunsch aus reinem Hertzen stammt. Das Herz ist im barocken Frömmigkeitsdiskurs nicht nur Sitz der Emotion, sondern Ort der Gotteserfahrung. Damit steht das Gedicht an der Schnittstelle von poetischem Liebeslied und geistlich-theologischem Bekenntnis.
1. Das Gedicht entfaltet eine moralische Haltung der Treue und Lauterkeit. Der Sprecher bekennt, dass sein Wunsch und seine Gaben nicht materiell oder äußerlich glänzend sind, sondern aus einem reinen Herzen stammen. Moralisch wird so der Vorrang der inneren Aufrichtigkeit vor äußerem Glanz betont.
2. Es zeigt eine Ethik der Hingabe: Die Geliebte soll mit Glück überschüttet werden, auch wenn der Sprecher selbst im Frost sitzt und Schmerz erträgt. Die Moral liegt in der Bereitschaft, das eigene Leid dem Wohl des Anderen zu opfern.
3. Der Text macht auch eine Art Tugendlehre sichtbar: Nicht Reichtum, Pracht oder künstlerische Perfektion machen den Wert des Geschenks aus, sondern Aufrichtigkeit, Reinheit der Intention und Treue.
4. Moralisch gesehen erscheint der Sprecher als Vorbild der selbstlosen Liebe, die keinen Gegenlohn verlangt, sondern das Glück des Anderen über alles stellt.
1. In anthroposophischem Sinn ist die Bildlichkeit des Gedichts auf das Verhältnis von Natur und Geist bezogen: Der Schnee als Papier, das Gewissen als Zeugnis, der Wind als Träger der Botschaft – hier erscheint Natur als Träger seelisch-geistiger Prozesse.
2. Die Polarität von Winter (Frost, Tod, Erstarrung) und Sommer (Sonne, Leben, Wärme) entspricht einer kosmisch-seelischen Rhythmik, die an den Jahreslaufgedanken der Anthroposophie erinnert. Das persönliche Empfinden wird in den Jahreslauf hineingestellt.
3. Das Motiv, dass die äußere Kälte (Schnee, Frost, Berg) mit innerem Feuer und reiner Herzenshingabe kontrastiert wird, deutet auf eine Durchdringung des Physischen durch das Moralisch-Geistige: die Seele erwärmt, wo die Natur erstarrt.
4. Auch die Wunschformeln (so viel Lust, so viel Glück und Wohlfahrt) greifen in ein geistig-kosmisches Verhältnis aus: Der Mensch wird in Einklang mit der geistigen Ordnung gesetzt, indem seine Wünsche wie ein Naturgesetz in Bildern von Schnee, Tropfen und Wind formuliert werden.
1. Die Ästhetik beruht stark auf Kontrastmalerei: Der Sprecher befindet sich im Frost, im Winter, auf einer rauen Spitze, und dennoch entsteht ein poetischer Akt (Lied, Reim, Wunsch). Diese Gegensätze prägen die Schönheit des Gedichts.
2. Das Zusammenspiel von Naturbildern (Schnee, Berg, Wind, Sonne) und seelischen Zuständen (Freude, Schmerz, Hoffnung) schafft eine ästhetische Einheit von Außenwelt und Innerlichkeit. Die Natur ist Spiegel und Ausdruck der Gefühle.
3. Formal ist die Dreistrophigkeit mit jeweils fließenden Paarreimen ein Ausdruck klassisch-barocker Ordnung. Auch das Verhältnis von Einfachheit (schlechter Reim) und kunstvoller Bildlichkeit schafft ästhetische Spannung.
4. Die Ästhetik lebt auch von einer Art schöner Demut: Das Gedicht stilisiert sich selbst als unvollkommen (grobes Holz vertritt der zarten Feder Amt), und gerade diese Bescheidenheit wirkt kunstvoll, da sie die poetische Intention umso klarer hervortreten lässt.
1. Rhetorisch auffällig ist die captatio benevolentiae: Der Sprecher entschuldigt seine schlechten Reime und grobes Holz, womit er die Gunst der Adressatin gewinnen will, indem er Bescheidenheit demonstriert.
2. Es wird ein konsequenter Gebrauch von Naturmetaphorik als Argumentationsstrategie erkennbar: Der Frost, die Berge, die Tropfen, der Schnee und der Wind werden rhetorisch eingesetzt, um die Treue und Wahrhaftigkeit des Sprechers zu beglaubigen.
3. Das Gedicht arbeitet stark mit Parallelismen: Es müsse so viel Lust… / Es müsse so viel Glück… Diese Wiederholungsstruktur verstärkt die Intensität des Wunsches.
4. Rhetorisch ist auch die Steigerungsfigur wichtig: Vom kleinen Lied über das Herz und Gewissen bis hin zur kosmischen Dimension (Himmel, Berg, Schnee) wächst der Wunsch aus einem individuellen Gefühl zu einem universalen Segensspruch.
5. Am Ende wird der Wille des Dichters absolut gesetzt: Es kann dir nimmermehr so wohl… / Daß mein getreuer Wunsch dabey wird stille stehen. Diese finale Hyperbel schließt rhetorisch mit einem kraftvollen Ausdruck der Unauflöslichkeit seiner Zuwendung.
1. Das Gedicht entfaltet eine klare Spannung zwischen äußerer Situation und innerem Ausdruck. Der Sprecher befindet sich an diesem wilden Ort auf einer rauhen Spitze, von Kälte und widriger Natur umgeben, zugleich aber vom werthen Tages Schein bewegt.
2. Diese Gegenüberstellung von widrigen Umständen (Winter, Frost, Schnee, Asche) und innerer poetischer Produktivität (Reim, Lied, Wunsch) schafft ein Bild menschlicher Resilienz und Hingabe: selbst in kargster Umgebung bleibt das lyrische Subjekt der Liebe und Dichtung treu.
3. Auf der Metaebene spricht das Gedicht über die Möglichkeit und Grenzen des Dichtens unter ungünstigen Bedingungen. Der Sprecher reflektiert zugleich die Unzulänglichkeit seiner Verse (schlechter Reim, nicht gute Reimen) und das Ethos ihrer Entstehung: aufrichtig, aus reinem Herzen, durch Treue und Liebe motiviert.
4. Der Text zeigt ein Spannungsverhältnis zwischen innerem Gefühl und äußerer Welt: Kälte und Frost stehen der Wärme der Hingabe gegenüber. Die Dichtung selbst wird zum Medium, um diese Differenz zu überbrücken.
1. Der Sprecher thematisiert das eigene Schreiben explizit: Ein Lied/ ein schlechter Reim soll meine Nimphe binden. Hier tritt ein poetologisches Selbstbewusstsein zutage, das seine Kunst zugleich kleinredet und erhebt. Kleinredung (das Gedicht sei schlecht) kontrastiert mit dem hohen Anspruch der Wirkung (Bindung der Nymphe, Ausdruck der Liebe).
2. Der Akt des Schreibens wird durch Metaphern der Materialität markiert: Schnee als Papier, grobes Holz anstelle der Feder. Damit reflektiert der Text über die prekäre Bedingtheit der Dichtung, die auf Improvisation und Notbehelf zurückgreifen muss.
3. Poetologie erscheint hier als Spiel mit Erwartungshaltungen: Dichtung braucht nicht äußeren Glanz oder Geldwert, sondern sie ist wertvoll durch ihre Authentizität und Reinheit.
4. Das Gedicht verhandelt das Verhältnis von Natur, Inspiration und Schrift: Winterliche Natur wird nicht nur als Hindernis, sondern auch als poetischer Anlass gedeutet.
1. Die Landschaftsmetaphorik (wilder Ort, raue Spitze, Frost, Schnee, gefrorne Tropfen) bildet ein Sinnbild für die widrigen Lebensumstände und für die innere Kälte, die nur durch die Liebe zur Nymphe und durch poetische Sprache überwunden werden kann.
2. Der Schnee als Papier ist eine dichte Metapher für die Fragilität und Vergänglichkeit des poetischen Ausdrucks: geschrieben auf etwas Flüchtiges, Schmelzendes, das keinen Bestand hat, aber dennoch Wahrheit bezeugt.
3. Das grobe Holz als Ersatz der Feder verweist auf das Spannungsverhältnis zwischen Rohheit und Zartheit, zwischen Improvisation und Kunstanspruch.
4. Der Gegensatz zwischen Schmerz und Trauren und dem der Nymphe zugedachten Glück und Wohlfahrt ist nicht nur antithetische Rhetorik, sondern ein metaphorisches Spiegelbild der asymmetrischen Beziehung: der Dichter leidet, um der Geliebten Freude zu wünschen.
5. Die Metapher des Windes, der den Wunsch zur Wohnung der Geliebten treiben soll, verbindet poetische Sprache mit dem Elementaren, mit Bewegung und Vermittlung – Poesie als Botschaft, die getragen wird von Naturkräften.
1. Das Gedicht steht im Kontext des frühen deutschen Barock, wo Topoi wie Liebesklage, Treuebekundung und poetische Selbstreflexion zentral waren. Es trägt Züge der Gelegenheitsdichtung, die durch Widmung an eine Nymphe oder Geliebte personalisiert wird.
2. Der Zyklus Anemons und Adonis Blumen verweist auf die Tradition des petrarkistischen Liebesdiskurses, in dem Natur, Jahreszeiten und extreme Gegensätze (Winter vs. Sommer, Kälte vs. Wärme) als Spiegel innerer Gefühlslagen fungieren.
3. Gleichzeitig schimmert hier der barocke Vanitas-Gedanke durch: Dichtung auf Schnee geschrieben, also auf Vergänglichem, erinnert an die Nichtigkeit des Irdischen. Doch diesem Motiv wird eine Gegenbewegung eingeschrieben: Treue und Liebe überdauern die äußere Vergänglichkeit.
4. In der literaturgeschichtlichen Genealogie lässt sich eine Nähe zu Gryphius und Fleming erkennen: der pathetische Ausdruck von Leid, die dichte Naturmetaphorik, die Reflexion auf das Dichten selbst.
1. Strukturell besteht das Gedicht aus drei Strophen zu je sechs Versen (18 Verse), formal durch Kreuzreim oder Paarreim variiert, wobei die metrische Strenge sekundär ist gegenüber der rhetorischen Bewegung. Die Reimreflexion (schlechter Reim) thematisiert diese formale Dimension selbst.
2. Inhaltlich lässt sich eine Progression feststellen: Strophe 1 stellt die Situation und die äußere Bedingung dar (Winter, Frost, Unzulänglichkeit des Materials). Strophe 2 thematisiert die poetische Praxis und den Akt des Schreibens. Strophe 3 wendet sich schließlich in eine direkte, intensivere Wunschformel für die Geliebte.
3. Rhetorisch sind Parallelismen (Es müsse so viel Lust… / Es müsse so viel Glück…) prägnant, sie steigern den Wunschcharakter und geben dem Gedicht formale Dignität trotz des vorgeblich schlechten Reims.
4. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ist bedeutsam, dass der Text die Selbstthematisierung des poetischen Prozesses und den performativen Charakter des Schreibens im Zentrum führt: das Gedicht ist nicht nur Ausdruck, sondern zugleich Reflexion über den Akt des Dichtens.
5. Intertextuell betrachtet öffnet der Text Anschlussmöglichkeiten zu europäischen Liebesdichtungen, die zwischen Selbsterniedrigung des Dichters und Überhöhung der Geliebten oszillieren.
1. Das Bild des wilden Orts auf einer rauhen Spitze ruft Assoziationen an Einsamkeit, Kargheit und existentielle Prüfung hervor, fast wie ein dichterischer Rückzug in eine unwirtliche Natur.
2. Die Spannung zwischen stille Lufft und Sonn und Sommer Gäste wirkt wie ein paradoxes Bild: in der rauen Kälte erscheinen Spuren von Wärme und Lebendigkeit.
3. Die Situation des lyrischen Ichs – halb todt bey lauher Asche – evoziert ein Bild von Askese, Verzicht und frierender Hingabe, das jedoch durch die Hinwendung zur Nymphe sublimiert wird.
4. Die Verbindung von poetischem Werk (ein Lied, ein schlechter Reim) mit der Nymphe deutet auf das Motiv der Dichtung als Gabe hin, die keinen materiellen Wert, sondern spirituelle oder emotionale Bedeutung trägt.
5. Die Metaphern von grobes Holtz und zarte Feder lassen an ein Spannungsfeld von Ungeschick und Inspiration denken: die Not der Situation wird poetisch umgedeutet.
6. Die Vorstellung des Schnees als Papir schafft eine unmittelbare Naturmetaphorik: die Natur selbst wird zur Schreibfläche, das Gewissen zum Tintenfluss.
7. Die Wünsche an die Nymphe sind in hyperbolischen Bildern ausgedrückt: so viel Lust, wie Schmerz im Sprecher; so viel Glück, wie Eiskristalle am Berg. Hier verdichtet sich die barocke Kunst der Übersteigerung.
8. Der letzte (Es kan dir nimmermehr so wohl … daß mein getreuer Wunsch dabey wird stille stehen) unterstreicht die unaufhebbare Treue und Opferbereitschaft des lyrischen Ichs, die wie ein Schwur wirkt.
1. Das Gedicht umfasst drei Strophen zu je sechs Versen (insgesamt 18 Verse). Die Struktur ist klar gegliedert und folgt einer regelmäßigen Bauweise.
2. Das Metrum orientiert sich am Alexandriner, der im Barock für die hohe Dichtung typisch ist, mit deutlicher Zäsur in der Mitte, die den Satzbau und die Gedankenführung rhythmisieren.
3. Die Reimform wirkt regelmäßig, jedoch nicht streng symmetrisch: Paar- und Kreuzreime wechseln; die Strophen schließen oft mit Sentenzcharakter.
4. Die Bildsprache ist stark antithetisch: Frost vs. werther Tages Schein, grobes Holtz vs. zarte Feder, Schmertz und Trauren vs. Lust und Wohlfart. Dies entspricht der barocken Dialektik von Gegensatzpaaren.
5. Die Stilmittel umfassen Metapher, Hyperbel, Antithese, Topos der poetischen Bescheidenheit (schlechter Reim), sowie die religiös-naturhafte Aufladung (Himmel, Gunst, Wind, Schnee).
6. Der Schluss jeder Strophe trägt ein resümierendes Moment: Strophe 1 endet mit der Entschuldigung für schlechte Reime, Strophe 2 mit der Bitte um himmlische Gunst, Strophe 3 mit der unendlichen Treue.
1. Poetische Bescheidenheit: Das lyrische Ich entschuldigt den schlechten Reim und verweist auf äußere Umstände (grobes Holz statt zarte Feder, Schnee statt Papier).
2. Treue und Hingabe: Die konstante Loyalität des lyrischen Ichs, die selbst durch Naturgewalten und winterliche Härte nicht gebrochen wird.
3. Natur als Spiegel der Seele: Der wilde Ort, die rauhe Spitze, der Schnee, der Berg – sie stehen in enger Entsprechung zum inneren Zustand von Schmerz, Sehnsucht, aber auch Reinheit und Lauterkeit.
4. Hyperbolische Wunschformel: Die Übersteigerung des Wunsches für die Geliebte anhand quantitativer Naturbilder (so viel Tropffen).
5. Unio von Natur und Poesie: Der Schnee als Papier, das Gewissen als Tinte – ein barockes Bild, in dem Natur und Kunst in eins gesetzt werden.
6. Treue als Unendlichkeitstopos: Der letzte stellt die Treue als etwas dar, das niemals verstummen kann, selbst wenn das Glück der Geliebten überquillt.
1. Das Gedicht steht klar im Barock (17. Jahrhundert) und zeigt typische barocke Merkmale: vanitas-hafte Bildsprache (Kälte, Frost, Vergänglichkeit), gepaart mit emphatischer Überhöhung der Liebe.
2. Der Alexandriner als bevorzugtes Versmaß repräsentiert die rhetorische und reflektierende Grundhaltung der Epoche.
3. Die Topik der Demut (schlechter Reim, grobes Holz) gehört zum barocken Dichtungsdiskurs, der poetische Produktion oft als unvollkommen darstellt, um sie zugleich in ihrer moralischen Reinheit aufzuwerten.
4. Die Gegensätze von Kälte/Wärme, Leben/Tod, Schmerz/Freude spiegeln die barocke Dialektik, die Welt als ein Spiel von Polaritäten begreift.
5. Das Gedicht enthält Emblemcharakter: Naturbilder werden zu symbolischen Trägern von Gefühlen und moralischen Wünschen.
6. In seiner Funktion erinnert es an die höfisch-galante Lyrik, wo Dichtung zugleich als Liebesgabe und als rhetorisches Spiel inszeniert wird.
1. Das Gedicht entfaltet ein Bild von Einsamkeit und Entbehrung in winterlicher Natur, das jedoch durch die Kraft der Liebe überwunden und sublimiert wird. Die äußere Kälte kontrastiert mit der inneren Wärme der Hingabe.
2. Der poetische Akt selbst – trotz widriger Umstände und bescheidener Mittel – wird zur Gabe für die Geliebte, die mehr wert ist als materieller Besitz. Poesie erscheint als Ausdruck reiner Herzensbewegung.
3. Die Natur wird zum Medium der Sprache: Schnee als Papier, Herz und Gewissen als Quelle des Ausdrucks. Diese Integration von Natur und Dichtung ist barock emblematisch.
4. In den Wünschen für die Geliebte steigert sich die Sprache in hyperbolischen Vergleichen, die das Maß menschlicher Erfahrung überschreiten (so viele Tropfen am Berg, so viel Glück für sie).
5. Am Ende triumphiert das Motiv der Treue, das keinen Stillstand kennt: selbst wenn die Geliebte unendlich viel Glück erfährt, bleibt das poetische Subjekt in aktiver Zuwendung.
6. Das Gedicht ist damit ein typisches Beispiel barocker Lyrik: rhetorisch kunstvoll, voller Antithesen, durchzogen von Bescheidenheitstopos, Emblematik und Treuepathos. Zugleich zeigt es den barocken Versuch, die widrige Realität durch poetische Sprache zu verklären und in symbolische Ordnung zu überführen.