Die schwartzen Augen
Wohin soll ich zu erst die Augen wenden/1
Die mir zu einer Zeit zwey Sonnen blenden?2
Wo soll ich erstlich hin/3
Dieweil in meinem Sinn4
Ich gantz entzücket bin/5
Die Blicke senden?6
Steht unter Steinen nicht der Demant oben?7
Sein Feuer macht die dunckle Folge loben?8
Der schwartzen Augen Zier9
Wird billig auch von mir10
Für allen andern hier11
Mit Ruhm erhoben.12
Laß Phöbus hohen Glantz den Himmel mahlen:13
Mit tausend Sternen mag der Abend prahlen:14
Der Augen lichte Nacht/15
Mit welchen ihre Pracht16
Amene kundbar macht/17
Wirfft hellre Stralen.18
Die Sonne kan allein den Leib beschwärtzen/19
Bey Nachte scheinen nur die Himmels-Kertzen:20
Durch dieser Augen Schein21
Senckt sich dem Hertzen ein22
Die angenehme Pein23
Verliebter Schmertzen.24
Kan nicht ihr Blick von Hertz zu Hertze steigen?25
Sie sind des edlen Sinns getreue Zeugen:26
Was nicht der kluge Mund/27
Der manchen Geist verwundt/28
Mit reden machet kund/29
Entdeckt ihr Schweigen.30
Wer kan sich an so schönen Feinden rächen?31
Ich bleibe stets bemüht ihr Lob zu sprechen/32
Ob mir gleich ihre Pracht33
Hat manche Pein gemacht/34
Biß mir zu gutter Nacht35
Die Augen brechen.36
1 Wohin soll ich zu erst die Augen wenden/
Sprachlich: Die Frageform eröffnet das Gedicht mit einer Unruhe des Sprechers. Das Adverb zu erst markiert eine Priorisierung, die aber sogleich problematisch wird. Die Sprache wirkt suchend, tastend, nicht festgelegt.
Rhetorisch: Es handelt sich um eine rhetorische Frage, die nicht primär eine Antwort sucht, sondern die Ratlosigkeit des lyrischen Ichs inszeniert. Zudem wird eine apostrophische Selbstbefragung sichtbar – der Sprecher redet mit sich selbst.
Inhaltlich: Der Blick ist das zentrale Motiv – Augen des lyrischen Ichs reagieren auf die Augen der Geliebten. Schon hier wird eine Überwältigung angedeutet: wohin richten, wenn die Fülle des Eindrucks kein geordnetes Wahrnehmen mehr erlaubt?
2 Die mir zu einer Zeit zwey Sonnen blenden?
Sprachlich: Metaphorisch werden die Augen der Geliebten als zwey Sonnen bezeichnet. Blenden ist ein starkes Verb, das sowohl Licht als auch Schmerz, Übermaß und Gefahr signalisiert.
Rhetorisch: Die Metapher zwei Sonnen knüpft an eine lange Tradition der Petrarkistischen Liebeslyrik (die Augen der Geliebten als Sterne oder Sonnen). Hier aber wird das verdoppelte Sonnenbild besonders intensiv, weil es zugleich Schönheit und Gefährlichkeit transportiert.
Inhaltlich: Die Geliebte besitzt Augen von überirdischer Leuchtkraft. Dass sie blenden, deutet auf die Unfähigkeit des Sprechers hin, sich dem Anblick ohne Verletzung auszusetzen. Liebe wird als ein überwältigendes, fast zerstörerisches Erlebnis gefasst.
3 Wo soll ich erstlich hin/
Sprachlich: Die Wiederholung der Frageform (Wo soll ich…) intensiviert die Unruhe. Das kleine Wort erstlich zeigt ein Bedürfnis nach Ordnung, nach einer ersten Orientierung, die jedoch scheitert.
Rhetorisch: Die Wiederholung erzeugt eine Anapher (Vers 1 Wohin…, Vers 3 Wo…), wodurch die Hilflosigkeit rhythmisch verstärkt wird.
Inhaltlich: Der Sprecher bleibt gefangen im Paradox: Er will sich orientieren, aber das Übermaß der Schönheit verhindert genau dies. Es entsteht ein Zustand der Desorientierung und Ekstase.
4 Dieweil in meinem Sinn
Sprachlich: Der Ausdruck Dieweil (weil, während) deutet einen kausalen und temporalen Zusammenhang an – eine Begründung folgt. Sinn verweist auf die innere Wahrnehmung, aber auch auf das Vermögen zu denken.
Rhetorisch: Ein Satzanschluss: Der Vers bricht noch nicht vollständig, sondern führt zu einer Begründung im nächsten. Hier liegt eine enjambierte Struktur vor.
Inhaltlich: Der Sprecher kündigt an, warum er keine Orientierung findet: sein ganzer Sinn – Verstand wie Empfindung – ist absorbiert. Damit kippt der Text von einer äußeren Frage (wohin die Augen wenden?) in eine innere Reflexion.
5 Ich gantz entzücket bin/
Sprachlich: entzücket bedeutet hier im barocken Sprachgebrauch entrückt, ekstatisch, außer sich. Das Adjektiv gantz verstärkt die Totalität.
Rhetorisch: Ein klassischer Hyperbolismus: die völlige Entrückung, das gänzliche Übermaß. Die Kürze und Direktheit des Verses verleiht ihm eine fast lapidare Intensität – er wirkt wie ein Ausruf, obwohl er syntaktisch eingebettet ist.
Inhaltlich: Liebe wird nicht als sanfte Regung beschrieben, sondern als ekstatische Aufhebung des Selbst. Der Sprecher ist entzücket, d. h. seiner selbst beraubt und in einen anderen Zustand gehoben – fast mystisch.
6 Die Blicke senden?
Sprachlich: senden ist ein aktives, energetisches Verb, das die Augen der Geliebten als handelnde Instanz erscheinen lässt. Nicht der Sprecher schaut, sondern er wird angeschaut.
Rhetorisch: Die Frageform (dritter Einsatz in der Strophe) rahmt das Ganze. Durch die Stellung am Ende entsteht ein Klammer-Effekt: Anfang und Schluss in Frageform, dazwischen die Begründung. Zudem tritt hier eine Personifikation der Blicke auf: sie senden aktiv Licht.
Inhaltlich: Die Machtverhältnisse sind klar: die Geliebte ist aktiv, der Sprecher passiv. Die Blicke sind Pfeile, Strahlen, Kräfte, die den Sprecher überwältigen. Damit wird das Liebeserlebnis als asymmetrische Begegnung von Macht und Ohnmacht dargestellt.
7 Steht unter Steinen nicht der Demant oben?
Sprachlich: Lexem Steine bildet den Oberbegriff, während Demant (Diamant) als Edelstein hervorsticht.
Die Formulierung steht ... oben hat eine fast sprichwörtliche Färbung: ein Topos der Hierarchie unter Mineralien.
Negationsfrage nicht ...? impliziert Zustimmung und verstärkt die rhetorische Evidenz.
Rhetorisch: Klassische rhetorische Frage, die Zustimmung erzwingen will: kein Leser kann verneinen, dass der Diamant unter allen Steinen oben steht.
Vergleichsbasis für ein Argument ex analogia: wie der Diamant zu den Steinen, so die schwarzen Augen zu den Schönheitsmerkmalen.
Latente metaphorische Struktur: Steine = Gesamtheit aller möglichen Augenfarben, Demant = das schwarze Auge als höchster Wert.
Inhaltlich: Beginn eines Vergleichs zwischen Naturgegenständen und der Schönheit der Geliebten.
Der Sprecher sucht eine wertsteigernde Analogie: Schwarze Augen sollen als Demant gelten.
Subtext: Eine Werteskala wird auf Schönheit übertragen – Schönheitsmerkmale werden wie kostbare Edelsteine klassifiziert.
8 Sein Feuer macht die dunckle Folge loben?
Sprachlich: Feuer als traditionelles Attribut des Diamanten: Glanz, Lichtbrechung.
dunckle Folge: dunkle Farbe wird positiv aufgewertet, paradoxe Verbindung von dunkel und Feuer.
Archaische Orthographie (dunckle) verstärkt Sinnbildlichkeit.
Rhetorisch: Fortsetzung der rhetorischen Frage, nun in gesteigerter Form.
Oxymoronisches Bild: Dunkelheit (negativ konnotiert) wird durch Feuer (positiv konnotiert) gelobt → Umwertung der Werte.
Exemplum naturale: aus der Natur ein Beispiel für Schönheit, das gegen gängige Vorstellungen argumentiert.
Inhaltlich: Der Diamant zeigt, dass Dunkelheit nicht mit Hässlichkeit gleichzusetzen ist, da gerade sein Feuer im Dunkel hervortritt.
Dies legt die argumentative Grundlage: Schwarze Augen sind nicht defizitär, sondern durch ihr inneres Feuer sogar schöner.
Hintergrund: In der Barockästhetik war Helligkeit oft Norm – hier erfolgt eine apologetische Verteidigung des Dunklen.
9 Der schwartzen Augen Zier
Sprachlich: Formelhafte Genitivkonstruktion, die das Substantiv Zier (Schmuck, Zierde) exponiert.
schwartzen (orthographisch barock) fungiert als Attribut, das die Augen klar identifiziert.
Der Vers wirkt abrupt kürzer, fast wie eine Sentenz oder thematische Setzung.
Rhetorisch: Enthymematischer Übergang: vom Beispiel (Demant) zur Anwendung (schwarze Augen).
Klarer Themenwechsel, markiert durch Verkürzung der Verszeile.
Parallele zur Predigtsprache: Exempel → Folgerung → These.
Inhaltlich: Konzentration auf das Objekt der Preisung: schwarze Augen werden nun direkt ins Zentrum gerückt.
Reduktion auf das Wesentliche: sie sind die Zier, der Schmuck schlechthin.
Überleitung von Naturbeispiel zu Liebesobjekt.
10 Wird billig auch von mir
Sprachlich: billig im frühneuhochdeutschen Sinn: rechtens, angemessen.
von mir betont das personale Urteil des lyrischen Ichs, nicht nur ein allgemeiner Topos.
Rhetorisch: Ethos-Strategie: Der Sprecher zeigt sich maßvoll und gerecht, indem er billig urteilt.
Unterstreicht Glaubwürdigkeit: nicht subjektive Willkür, sondern gerechtes Urteil.
Inhaltlich: Die Überzeugungskraft wird durch persönliches Bekenntnis gestützt.
Der Sprecher tritt als richterlicher Bewerter auf, der Schwarzäugigkeit gerecht preist.
Bezeugung einer Liebeserklärung in objektiver, rationalisierter Form.
11 Für allen andern hier
Sprachlich: Vergleichsform: für allen andern = über alle anderen gestellt.
hier kann deiktisch auf den Kontext der Schönheitsattribute verweisen.
Rhetorisch: Steigerungsformel: Alle anderen treten zurück gegenüber der besonderen Schönheit.
Konventionalisierte Superlativformel barocker Lyrik.
Inhaltlich: Die Schwarzen Augen übertreffen jede andere Augenfarbe/Schönheit.
Abgrenzung und Rangordnung: Schwarze Augen sind nicht nur schön, sondern das Schönste.
Liebespoetisch bedeutet das: absolute Präferenz, eine Wahl gegen konkurrierende Schönheitsideale.
12 Mit Ruhm erhoben.
Sprachlich: Kurze, resümierende Pointe.
Ruhm im Sinne von Ruhm, Preis, Ehre.
Partizipialkonstruktion (erhoben) schließt den Gedankengang ab.
Rhetorisch: Abschlusskadenz der Strophe mit Klimax: Lob → Übertreffen → Erhöhung im Ruhm.
Fast litaneiartig: die Augen sind nicht nur wertvoll, sondern mit Ruhm auf einen Podest gehoben.
Inhaltlich: Vollzug der Apotheose: schwarze Augen werden glorifiziert.
Vom Naturbeispiel (Diamant) über analogische Argumentation hin zur höchsten Preisung.
Der Sprecher verleiht der Geliebten öffentliches Prestige (Ruhm), nicht nur privates Begehren.
13 Laß Phöbus hohen Glantz den Himmel mahlen:
Sprachlich: Archaisierende Orthographie (Glan[t]z, mahlen = malen); mythologisches Nomen Phöbus (Periphrase für die Sonne); erhöhendes Epitheton hohen. Wahrscheinlicher Alexandriner (barocker Sechsheber) mit gleitender Kadenz.
Rhetorisch: Apostrophisch-imperativer Auftakt (Laß …), zugleich concessiver Gestus: man gewährt dem kosmischen Licht seinen Auftritt. Mythologische Periphrase (Sonne = Phöbus) und Personifikation der Sonne als Maler. Bildfeld: Kunst/Malerei.
Inhaltlich: Kosmische Pracht wird als Referenzmaß gesetzt: die Sonne bemalt den Himmel. Dieser überhöhte Maßstab bereitet eine comparatio vor, gegen die die Augen der Geliebten gleich übertrumpfen werden.
14 Mit tausend Sternen mag der Abend prahlen:
Sprachlich: Kollektivische Hyperzahl tausend; starke Verbumwahl prahlen (wertende Färbung).
Rhetorisch: Fortgesetzte Personifikation (der Abend prahlt); Hyperbel (tausend Sternen); Parallelismus zur vorangehenden Zeile (kosmischer Akteur + künstlerisch-prachtvolle Tätigkeit). Leichte Alliterations-/Assonanznähe in Abend/prahlen.
Inhaltlich: Auch das Sternenaufgebot des Abends — also des Nachthimmels — wird maximal gesetzt. Der Vers schließt den Rahmen: Tag (Phöbus) und Abend/Nacht (Sterne) bilden die totale Himmelsbühne.
15 Der Augen lichte Nacht/
Sprachlich: Genitivgruppe mit paradoxem Attribut: lichte Nacht (Oxymoron); Augen im Plural, Nacht im Singular → spannungsreiche Kongruenz.
Rhetorisch: Pointierte Antithese (Licht/Nacht) kondensiert im Oxymoron; Enjambement vorbereitet (Satz fortlaufend in die nächsten Verse).
Inhaltlich: Einführung des eigentlichen Vergleichspols: die Augen der Geliebten. Das Oxymoron deutet das barocke Paradox schwarzer Iris/Pupille, die dennoch leuchtet (Glanz, Strahlkraft als lux amoris).
16 Mit welchen ihre Pracht
Sprachlich: Relativpronomen welchen (Akk. Pl.) bezieht sich syntaktisch am ehesten auf Augen; elegant verschachtelte Relativkonstruktion. Lexem Pracht knüpft an V. 13–14 an.
Rhetorisch: Hyperbaton (Aufspaltung des Relativsatzes über mehrere Verse); Anaphernähe durch erneutes Mit (vgl. V. 14).
Inhaltlich: Die Augen sind Medium/Instrument, mit welchen Amene ihre Herrlichkeit kommuniziert. Der Fokus verschiebt von kosmischer zu personaler Epiphanie.
17 Amene kundbar macht/
Sprachlich: Eigenname der Geliebten als Prädikatsnomen-Bezug; kundbar (barock-gelehrtes Adjektiv) = offenbar, erkennbar.
Rhetorisch: Fortsetzung der Periode; Alliteration k in kundbar/macht wirkt knapp und prägnant.
Inhaltlich: Augen als Offenbarungsorgan: durch sie wird Amenens Pracht überhaupt sichtbar. Anthropologische Pointe: Die Person übertrifft das Weltall, indem sie sich in den Augen zu erkennen gibt.
18 Wirfft hellre Stralen.
Sprachlich: Archaisierende Graphie Wirfft, Stralen; Komparativ hellre (heller) markiert den Überbietungsvergleich. Klangnahe Wiederaufnahme des a-Lauts (Pracht/Stralen).
Rhetorisch: Kulminationssatz und Pointe der comparatio; Ellipse (Subjekt aus dem Kontext: Der Augen lichte Nacht). Hyperbel der Lichtwirkung. Rückreim auf V. 13/14 (-alen) schließt den Schweifreim (aab bba).
Inhaltlich: Endgültige Wertung: Die lichte Nacht der Augen überstrahlt Sonne und Sterne. Kosmische Theatralik wird von der Liebes-Epiphanie überboten — barocke Überbietungslogik (Welt vs. Person/Liebe).
19 Die Sonne kan allein den Leib beschwärtzen/
Sprachlich: Der Ausdruck beschwärtzen ist eine ältere Form für schwarz machen bzw. verdunkeln. Die Orthographie (kan, beschwärtzen) verweist auf die frühneuhochdeutsche Sprachstufe.
Rhetorisch: Hier liegt eine klare Antithese und Vergleichsfigur zugrunde: nur die Sonne vermag durch ihre Strahlen den Körper (den Leib) zu schwärzen, was metaphorisch an Bräunung oder Sonnenbrand denken lässt.
Inhaltlich: Die Sonne wird als einziges natürliches Gestirn bezeichnet, das den Leib beeinflussen kann – äußerlich und physisch. Damit wird ein Kontrast vorbereitet: im Folgenden wird es nicht um den Leib, sondern um das Herz und das Innere gehen.
20 Bey Nachte scheinen nur die Himmels-Kertzen:
Sprachlich: Himmels-Kertzen ist eine Metapher für die Sterne. Diese barocke Wendung knüpft an die Bildlichkeit des Lichts an und anthropomorphisiert die Sterne als Kerzen im Himmelsraum.
Rhetorisch: Allegorisches Bild – der Himmel wird wie ein Festsaal oder Haus vorgestellt, in dem Kerzen leuchten. Der Kontrast Tag/Nacht wird fortgeführt.
Inhaltlich: Während die Sonne die Herrscherin des Tages ist, erscheinen nachts nur die kleineren Lichter (die Sterne), die aber – so implizit – weniger Kraft haben. Auch hier wird ein Maßstab vorbereitet: die Augen der Geliebten sollen in diesem Spannungsfeld eine noch höhere Wirkung entfalten.
21 Durch dieser Augen Schein
Sprachlich: Dieser Augen ist demonstrativ und hebt das besondere Objekt hervor – die schwartzen Augen der Geliebten, die titelgebend sind. Schein markiert zugleich äußeres Leuchten wie auch metaphysische Ausstrahlung.
Rhetorisch: Die Ellipse verstärkt den Eindruck: kein vollständiger Satz, sondern ein Einschub, der fast wie ein Ausruf wirkt. Der Parallelismus zu Sonne und Sternen wird deutlich – nun sind es die Augen, die in die Konkurrenz mit kosmischen Lichtern treten.
Inhaltlich: Die Augen fungieren als Lichtquelle, ja als privater Kosmos. Sie verbinden Tag (Sonne) und Nacht (Sterne) in einer neuen Dimension.
22 Senckt sich dem Hertzen ein
Sprachlich: Senckt sich ein evoziert ein Eindringen, ein Hinabsteigen. Hertz wird im Barock fast durchgängig als Sitz der Empfindung, der Seele, der Affekte verstanden.
Rhetorisch: Personifikation der Augenstrahlen – sie bewegen sich aktiv und dringen in das Herz ein. Dies erinnert an die antike Rhetorik des amor hereos, wo der Blick der Geliebten als Pfeil ins Herz trifft.
Inhaltlich: Anders als Sonne und Sterne, die nur äußere Körper beeinflussen, wirken die Augen unmittelbar ins Innere, in das empfindende und leidende Zentrum des Subjekts.
23 Die angenehme Pein
Sprachlich: Oxymoron – angenehme Pein kombiniert Lust und Leid, süße Qual. Typische barocke contradictio in adiecto.
Rhetorisch: Antithese zwischen angenehmem und schmerzendem. Es entsteht die barocke Emblematik der dulce tormentum (süße Qual), wie sie in Petrarkismus und höfischer Liebeslyrik häufig ist.
Inhaltlich: Das Leiden an Liebe wird nicht negativ verstanden, sondern als sinnlich-begehrenswerte Erfahrung, die den Liebenden adelt und zugleich quält.
24 Verliebter Schmertzen.
Sprachlich: Verliebter Schmertzen fasst die Erfahrung in einer Substantivierung zusammen. Orthographie mit tz verweist auf den lautgeschichtlichen Stand.
Rhetorisch: Diese Schlusswendung der Strophe ist ein typischer Epiphonem-Stil: ein abschließender, resümierender Ausruf. Außerdem klingt durch die Klangähnlichkeit von Pein/Schmertzen eine Alliteration/Assonanz mit.
Inhaltlich: Der gesamte Prozess mündet in der Diagnose: es handelt sich um Liebesschmerz, der durch die Augen der Geliebten verursacht wird. Die Spannung von äußeren Gestirnen (Sonne, Sterne) und innerer Wirkung (Augenschein) kulminiert im barocken Motiv der Liebesqual.
25 Kan nicht ihr Blick von Hertz zu Hertze steigen?
Sprachlich: Die Frageform setzt auf ein rhetorisches Kan nicht, das eigentlich Zustimmung erwartet. Hertz ist im Barock dichterisch als Sitz der Gefühle, der inneren Regung. Die Verdoppelung von Hertz zu Hertze bringt Symmetrie, fast chiasmatisch gespiegelt.
Rhetorisch: Rhetorische Frage mit emotionalem Gewicht; Anrufung der Augen als vermittelnde Kraft zwischen zwei Herzen. Stilfigur: Metonymie (das Herz steht für das gesamte Seelen- und Liebeswesen).
Inhaltlich: Die Augen werden hier als Brücke zwischen Seelen gesehen. Sie steigen wie eine Verbindungslinie auf, von innen nach außen. Der Blick ist Medium des unausgesprochenen, innigen Verstehens.
26 Sie sind des edlen Sinns getreue Zeugen:
Sprachlich: edler Sinn bezeichnet innere Lauterkeit, geistige und emotionale Vornehmheit. Getreue Zeugen ist formelhaft, betont Treue, Wahrheit.
Rhetorisch: Metaphorische Rede: die Augen als Zeugen → Personifikation: sie bezeugen etwas, sie treten wie Subjekte auf. Der Doppelpunkt am Ende öffnet Erwartung, eine entfaltende Erklärung folgt.
Inhaltlich: Augen stehen als verlässliche Spiegel des inneren Wesens. Sie verraten den Charakter und die Gefühle ehrlicher als Sprache.
27 Was nicht der kluge Mund/
Sprachlich: kluge hebt die Reflexion und Kunst des Sprechens hervor. Der Bruch nach dem Schrägstrich wirkt wie ein Enjambement, eröffnet Spannung.
Rhetorisch: Elliptische Konstruktion – der Satz bleibt unvollständig, ein Vorgriff auf die Auflösung in den folgenden Versen. Anakoluth-ähnliche Struktur: angefangene Syntax, die sich über mehrere Verse dehnt.
Inhaltlich: Die Sprache, selbst wenn sie klug ist, ist begrenzt. Nicht alles kann ausgesprochen werden – eine Vorahnung der Überlegenheit des Blicks.
28 Der manchen Geist verwundt/
Sprachlich: verwundt (verwundet) zeigt die Macht des Wortes, das verletzen oder treffen kann. Manchen Geist ist allgemein, nicht auf das lyrische Du beschränkt.
Rhetorisch: Metapher: das Wort als Waffe. Alliteration mit manchen … Mund (V. 27) im Hintergrund.
Inhaltlich: Sprache, Rede, auch wenn sie kunstvoll und scharf ist, kann verletzen, überreden, manipulieren – und bleibt daher ambivalent.
29 Mit reden machet kund/
Sprachlich: Schlichte, fast nüchterne Formulierung. Machet kund (bekanntmachen, offenbaren) ist ein juristisch-theologisch gefärbter Ausdruck.
Rhetorisch: Parallelismus mit dem nächsten Vers: Gegenüberstellung von dem, was Rede kundmachen kann, und was Schweigen offenbart.
Inhaltlich: Sprache hat ihre kommunikative Funktion, sie transportiert Inhalte – aber nicht alles, was das Herz wirklich bewegt.
30 Entdeckt ihr Schweigen.
Sprachlich: Kurz und prägnant, fast aphoristisch. Das Paradoxon: Schweigen entdeckt. Das Verb entdecken kann im Barock auch enthüllen heißen.
Rhetorisch: Paradoxon / Oxymoron: das Schweigen, scheinbar leer, bringt Enthüllung. Die Satzkürze verstärkt die Pointe, die zugleich Schluss und Höhepunkt bildet.
Inhaltlich: Das Schweigen der Augen sagt mehr als Worte. Der Blick offenbart innere Wahrheit ohne sprachliche Vermittlung. Nonverbale Kommunikation übersteigt die Macht der Sprache.
31 Wer kan sich an so schönen Feinden rächen?
Sprachlich: Die Frageform (Wer kan…?) eröffnet mit einem rhetorischen Impuls. schöne Feinde ist ein paradoxales Oxymoron, das Schönheit und Feindseligkeit kontrastiert. Orthographisch zeigt kan die frühneuhochdeutsche Schreibung.
Rhetorisch: Rhetorische Frage, die nicht auf Antwort, sondern auf Bestätigung der Unmöglichkeit abzielt. Die Antithese schön / Feinde steigert die Ambivalenz.
Inhaltlich: Der Sprecher erkennt, dass die schwarzen Augen zugleich überwältigend schön und zugleich feindlich, ja verletzend sind. Der Gedanke der Feindschaft wird hier metaphorisch auf erotische Macht projiziert: Schönheit ist wie ein Gegner, gegen den man nicht ankommt.
32 Ich bleibe stets bemüht ihr Lob zu sprechen/
Sprachlich: stets bemüht deutet eine Dauerhandlung an, die sich über Zeit hinwegzieht. ihr Lob zu sprechen bedeutet nicht nur loben, sondern auch den eigenen Diskurs (Sprechen) dem Lob zu widmen.
Rhetorisch: Selbsterniedrigung des lyrischen Ichs: Trotz erlittener Qual bleibt es bei der Lobpreisung – eine typische Haltung höfischer, petrarkistischer Liebesdichtung.
Inhaltlich: Der Dichter bekennt sich zur Unterwerfung: Statt an Rache zu denken, bleibt er der Bewunderung verpflichtet. Dies betont die asymmetrische Machtbeziehung zwischen begehrendem Subjekt und begehrtem Objekt.
33 Ob mir gleich ihre Pracht
Sprachlich: Verkürzte Satzstruktur; das Prädikat wird auf die folgende Zeile verschoben. Ob mir gleich = obwohl mir dennoch. ihre Pracht ist eine Metonymie für die Augen.
Rhetorisch: Beginn einer concessio: Zugeständnis der Leiden, die durch die Schönheit verursacht werden. Die Pracht ist hier nicht nur optische Schönheit, sondern auch übermächtige Wirkung.
Inhaltlich: Der Sprecher gibt zu, dass die Schönheit (die Augen) nicht nur Lust, sondern Schmerz bereitet. Schon im grammatischen Schweben dieses Verses liegt eine Spannung zwischen Bewunderung und Leiden.
34 Hat manche Pein gemacht/
Sprachlich: Pein verweist auf körperlichen wie seelischen Schmerz, ein Schlüsselbegriff der Liebeslyrik. manche deutet auf wiederholte, vielfältige Leiden.
Rhetorisch: Die Alliteration Pein – gemacht ist leise, rhythmisch gebunden. Zusammen mit dem vorausgehenden Vers vollendet sich die concessio: Schönheit hat dem Liebenden Qual bereitet.
Inhaltlich: Die schwarze Schönheit wirkt destruktiv auf das Subjekt, bringt seelische Qualen. Damit wird das Liebesparadox bestätigt: Lust und Leid sind untrennbar.
35 Biß mir zu gutter Nacht
Sprachlich: Biß = bis. zu gutter Nacht verweist auf den Zeitpunkt des Einschlafens, aber zugleich schwingt ein Eros-Ton mit: die Nacht als Ort der Intimität. Orthographie mit Doppel-t verstärkt die ältere Sprachform.
Rhetorisch: Zeitbestimmung, die das Leiden in die Nähe des Todes oder des Schlafs rückt. Nacht ist traditionell auch Metapher für Sterben.
Inhaltlich: Die Pein wirkt bis in die Nacht hinein, also bis in die letzte Phase des Tages. Gleichzeitig klingt an: Nacht = Ende, Ruhe, vielleicht auch Tod.
36 Die Augen brechen.
Sprachlich: Lakonische Verkürzung, nur Subjekt + Prädikat. brechen in Doppelbedeutung: 1. physisch erlöschen (Sterben), 2. metaphorisch: Blick wird gebrochen, Liebe endet.
Rhetorisch: Schluss-Pointe, stark durch den Enjambement-Vorgang vorbereitet. Finaler Schlag, abrupt, wie ein Epigramm-Schluss.
Inhaltlich: Zwei Lesarten:
1. Erotisch-todbringend: Die Augen wirken so lange, bis sie dem Dichter selbst den Tod bringen (bis mir … die Augen brechen → eigene Augen sterben).
2. Objektbezogen: Gemeint sind die Augen der Geliebten, die im Schlaf brechen (sich schließen). Dann wäre es eine poetische Umschreibung für das Schließen der Augen zur Nacht.
Diese Mehrdeutigkeit ist Absicht: Liebe führt bis zur Todesnähe, aber auch zur Intimität des nächtlichen Blickes.
Das Gedicht entfaltet sich in einer klaren, barocken Steigerung:
Strophe 1–2: Ausgangspunkt ist die überwältigende Wirkung der Augen der Geliebten, die als zwey Sonnen beschrieben werden. Vergleich mit dem Diamant (Stein, aber zugleich das kostbarste). Schon hier erscheint das Leitmotiv der Dunkelheit und des Glanzes.
Strophe 3: Kontrast zu kosmischen Größen (Sonne, Sterne). Die Augen überstrahlen sogar die Himmelslichter.
Strophe 4: Ein neuer Akzent: Die Augen wirken nicht nur äußerlich, sondern dringen ins Herz. Ihre helle Nacht erzeugt angenehme Pein, eine paradoxale Vereinigung von Schmerz und Lust.
Strophe 5: Die Augen werden zum Medium seelischer Wahrheit: Sie sagen mehr im Schweigen als Worte (edlen Sinns getreue Zeugen). Die Dimension des Inneren und Wahrhaftigen wird geöffnet.
Strophe 6: Schlusswendung: Der Sprecher bleibt trotz des Schmerzes in Bewunderung gefangen. Er kann nicht Rache nehmen an dieser Schönheit, sondern nur Lob sprechen, bis in den Tod (bis mir zu gutter Nacht / die Augen brechen). Damit endet das Gedicht mit der Barocktopik der Vanitas (Augen schließen sich im Tod) – zugleich resignativ, zugleich in der Kontinuität des Lobs.
Der Verlauf ist also: Überwältigung – Überstrahlung des Kosmos – innere Pein – Wahrheit der Augen – endgültige Hingabe bis zum Tod.
Das Gedicht zeigt eine fein ausgearbeitete Liebespsychologie:
Der Sprecher erlebt zunächst Überforderung (Blendung, Entzückung, Verwirrung).
Dann tritt Bewunderung auf: Die Augen sind wertvoller als Diamanten, mächtiger als Sonne und Sterne.
Schließlich geschieht eine Innenspiegelung: Die Augen dringen ins Herz und erzeugen angenehme Pein. Damit wird Liebe als ambivalentes Gefühl zwischen Lust und Schmerz, Freude und Qual gezeichnet.
Eine entscheidende Nuance: Die Augen sind Zeugen innerer Wahrheit. Psychologisch bedeutet dies: Sie machen das Unaussprechliche sichtbar, ersetzen die Sprache durch Blick und Schweigen.
Am Ende: Resignation und Hingabe – der Sprecher erkennt, dass er sich nicht lösen kann, selbst wenn diese Schönheit Leiden bringt.
Die psychologische Kurve: Staunen – Bewunderung – innere Verletzung – Wahrheitserfahrung – Unterwerfung.
Ethisch eröffnet das Gedicht die Frage nach dem rechten Umgang mit der Macht der Schönheit:
Der Sprecher ist ein Gefangener der Augen. Die Frage lautet: Darf man diese Macht preisen, obwohl sie Schmerz bringt?
In Strophe 5 wird ein ethisches Ideal anklingend: Die Augen sind getreue Zeugen des edlen Sinns – sie stehen für Wahrheit und Authentizität, nicht für Lüge oder Verführung.
Am Ende bleibt dennoch eine ethische Ambivalenz: Der Sprecher preist eine Feindin, deren Schönheit ihm Leiden bringt. Es ist ein Akt der Hingabe, aber auch der Selbstaufgabe.
Ethisch gesehen steht hier die Spannung zwischen Wahrheit und Selbstverlust: Schönheit darf gelobt werden, selbst wenn sie vernichtet.
Hier entfaltet sich die barocke Tiefe des Textes:
Kosmologische Bildwelt: Sonne, Sterne, Diamant. Augen überstrahlen das Kosmische – das menschliche Antlitz trägt göttliche Spur (theologische Imago-Dei-Tradition).
Licht und Dunkelheit: Schwarze Augen – Dunkelheit, aber zugleich Lichtquelle. Theologisch erinnert dies an die Paradoxien mystischer Tradition (z. B. Dionysius Areopagita: überhelles Dunkel). Die Augen sind nox illuminata, eine Nacht, die heller strahlt als der Tag.
Angenehme Pein: Klassische Mystik-Formel – wie die wunde Liebespein bei Johannes vom Kreuz. Schmerz und Lust fallen in eins. Liebe als transzendenter Vollzug.
Augen als Offenbarung: Nicht der Mund, sondern die Augen verkünden Wahrheit. Das verweist auf eine Theologie des Herzens: das Innerste wird durch Blick erfasst, nicht durch diskursive Rede.
Finale Vanitas: Bis mir zu gutter Nacht die Augen brechen – der Tod ist nicht nur Ende, sondern auch Vereinigung. Das Motiv verweist auf die barocke christliche Vorstellung: Eros und Thanatos, Schönheit und Sterblichkeit stehen untrennbar zusammen.
Philosophisch-theologisch wird die Erfahrung der Liebe zu einer Offenbarung des Absoluten im Endlichen: Die Augen sind ein irdisches Symbol für das Überirdische, sie zerstören und retten zugleich.
Das Gedicht enthält eine leise moralische Spannung:
Der Sprecher akzeptiert Leiden, ohne Widerstand, und erhebt Schönheit über Wahrheitssuche und Selbsterhaltung. Moralisch heißt das: Er ordnet sich einer Macht unter, die übermenschlich scheint.
Im barocken Kontext jedoch ist dies keine Schwäche, sondern virtus amoris: Die Tugend des Liebenden ist, im Lob zu verharren, auch wenn Schmerz folgt.
Moralisch deutet das Gedicht so auf eine Ethik der Demut und Hingabe: Schönheit verpflichtet zur Anerkennung, selbst wenn sie uns zerstört.
In anthroposophischer Lesart (Steiner) steht der Blick bzw. das Auge für das Tor zwischen sinnlicher und geistiger Welt. Die schwarzen Augen sind hier nicht bloß ein sinnliches Detail, sondern verdichten sich zum Symbol des Seelenspiegels, durch den sich Geistiges offenbart. Das Licht der Augen überstrahlt Sonne, Mond und Sterne – nicht weil es physisch heller wäre, sondern weil es einen inneren Glanz trägt, der das Herz entzückt und bis ins Innerste bewegt.
Die Augen wirken als geistige Sonne: Sie führen das angenehme Pein (eine paradoxale Vereinigung von Schmerz und Glück), die in anthroposophischer Sicht Ausdruck seelischer Verwandlung ist.
Die Dialektik von entzücket und verliebter Schmertzen verweist auf den Prozess der Selbsterhebung: der Mensch überschreitet seine Begrenzung, indem er durch Schönheit und Liebe in höhere Erfahrung gezogen wird.
Dass Schweigen mehr kund macht als Worte (V. 27–30) zeigt die überrationale Erkenntnis: wahres Wissen und tiefer Sinn strahlen durch das Wesen, nicht bloß durch intellektuelle Rede.
Ästhetisch ist das Gedicht ein klassisches Barockgedicht: reich an Kontrasten (Licht/Dunkel, Freude/Schmerz, Auge/Sonne), voller Emblematik, rhetorischer Zuspitzung und musikalischer Symmetrie.
Der Dichter hebt die Augen über kosmische Lichter hinaus: Diamant, Sonne, Sterne – alle verlieren gegenüber der lichten Nacht der Augen. Hier wird Schönheit überhöht und idealisiert.
Zugleich ist diese Schönheit gefährlich – sie blendet, schmerzt, sie wird zur Feindin. Dieses Spannungsmoment von fascinans und tremendum ist typisch für die barocke Ästhetik der Ambivalenz.
Die Schwarzheit der Augen selbst hat ästhetischen Wert: sie birgt Tiefe, Geheimnis, Kontrast zum sonst so häufig besungenen hellen Auge. Es wird die Schönheit des Dunklen gefeiert, was ein ästhetisches Paradox darstellt.
Das Gedicht ist reich an barocker Rhetorik:
Anaphern (Wo soll ich…, Die… Die…) verstärken das Staunen des lyrischen Ichs.
Vergleiche und Metaphern: Augen als Sonne, Sterne, Diamanten – eine Hyperbolik, die Schönheit über die gesamte Natur erhebt.
Paradoxa: lichte Nacht, angenehme Pein, schöne Feinde – Gegensätze werden zusammengeschweißt, wodurch Intensität und Spannung entstehen.
Antithesen: Tag/Nacht, Schweigen/Reden, Lob/Pein, Glanz/Schwärze.
Klimax: Die Rede steigert sich von Orientierungslosigkeit des Blickes über die kosmische Konkurrenz bis hin zum finalen Motiv des Todes (bis mir zu gutter Nacht / die Augen brechen).
Das Gedicht reflektiert nicht nur das besungene Objekt (die Augen), sondern auch das eigene Dichten:
Die wiederkehrende Frage, wie das lyrische Ich mit diesem Blick umgehen soll, stellt die Unmöglichkeit poetischer Angemessenheit dar: die Augen sind unüberbietbar, sie übersteigen die Sprache.
Das Schweigen der Augen (V. 27–30) übertrifft die Rede des Mundes – indirekt auch die Rede des Dichters. Damit ist das Gedicht selbst selbstkritisch: es kann nur annähern, nie das eigentliche Wesen erfassen.
Am Ende droht der Tod (das Brechen der Augen) als Grenze aller Poesie – die Dichtung endet an der Schwelle von Liebe, Schmerz und Vergänglichkeit.
Abschatz zeigt sich hier als Dichter, der sein eigenes Kunstverständnis in Szene setzt:
Das Gedicht ist ein poetologisches Experiment über die Macht der Metapher: die Augen müssen in kosmischen Bildern beschrieben werden, da gewöhnliche Sprache nicht ausreicht.
Dichtung wird zur Konkurrenz kosmischer Malerei (Laß Phöbus hohen Glantz den Himmel mahlen): die Poesie beansprucht, Schönheiten zu schildern, die größer sind als Natur und Mythos.
Gleichzeitig reflektiert das Gedicht die Barock-Poetik: Schönheit und Vergänglichkeit, Lob und Klage, Sinnlichkeit und Transzendenz gehören untrennbar zusammen. Der Dichter kann Schönheit nur unter dem Vorzeichen von Schmerz und Tod erfassen.
Poetologie zeigt sich auch im paradoxen Sprechen: dass Sprache selbst an ihre Grenzen gerät, dass Lob und Leiden ineinander übergehen, verweist auf die barocke Idee, dass Poesie Wahrheit nur im Spiel der Gegensätze offenbaren kann.
Epoche: Das Gedicht gehört in die Zeit des deutschen Barock, genauer in den Kontext der höfisch-galanten Dichtung, die stark von rhetorischer Virtuosität, mythologischer Bildsprache und galanter Überhöhung geprägt ist.
Schlesischer Dichterkreis: Abschatz steht in einer Linie mit Martin Opitz, Andreas Gryphius, aber auch Hofdichtern wie Hofmann von Hofmannswaldau. Gemeinsam ist ihnen eine Affinität zu Klangkunst, zu rhetorischen Figuren (Anaphern, Parallelismen, Hyperbeln) und zu mythischer Referenz (Phöbus, Sterne, Diamant).
Motivgeschichte: Das Motiv der schwarzen Augen ist ein Topos, der sich seit der petrarkistischen Tradition durchzieht – schwarze Augen als Zeichen verzehrender, geheimnisvoller Schönheit, die ebenso fesselt wie verletzt. Hier wird es verbunden mit barocker Antithetik: Licht–Dunkel, Tag–Nacht, Lust–Schmerz.
Poetologische Funktion: Das Gedicht ist Teil des Zyklus Anemons und Adonis Blumen, also selbst schon metaphorisch als Blume gedacht – ein galanter, zierlicher, aber kunstvoll komponierter Teil eines poetischen Gartens.
Form: Strophisch gegliedert (6 Strophen à 6 Verse, insgesamt 36 Verse – hier allerdings sind 35 numeriert, wahrscheinlich ein Übertragungsfehler). Der Reim ist streng, meist umarmend oder paarweise geführt, mit klarer Musikalität.
Rhetorik: Das Gedicht lebt von barocker Emblematik und rhetorischer Fragetechnik: gleich zu Beginn Fragen (Wohin soll ich…?), die das Überwältigtsein sprachlich darstellen. Häufig finden wir Hyperbel (Augen als zwei Sonnen), Metaphern (Augenstrahlen), Synästhesien (Licht → Gefühl).
Antithetik: Typisch barock ist das Gegeneinanderstellen von Natur und Kunst, von göttlichem und menschlichem Glanz, von äußerem Schein und innerer Wirkung. Die Augen sind schwarz – und dennoch heller als Sonne, Sterne, Kerzen.
Topoi: Liebesschmerz als angenehme Pein (Strophe 4), Schweigen der Augen als Sprache des Herzens (Strophe 5), Unmöglichkeit der Rache an der Schönheit (Strophe 6).
Augen als Sonne/Sterne: Das Gedicht entwirft eine Lichtmetaphorik, die zugleich paradox ist: schwarze Augen, die heller strahlen als Sonne und Sterne. Das verweist auf eine Liebeserfahrung, die alle Naturmaßstäbe überbietet.
Augen als Diamant: Edelsteinmetapher – unter Steinen hervorgehoben, der schwarze Glanz wird durch Feuer geadelt. Die Liebe ist kostbar, aber auch hart und schneidend.
Augen als Nachtlicht: Eine lichte Nacht – barocke Oxymoronik. Die Nacht wird zur Bühne des Liebesglanzes, nicht des Dunkels.
Blick als Pfeil/Strahl: Der Blick dringt ins Herz, überträgt angenehme Pein. Das ist klassische Petrarkistik (Amor’s Pfeile), hier in barocker Intensität.
Feinde/Fesseln: Zum Schluss erscheinen die Augen als schöne Feinde – eine Liebesparadoxie: man liebt, was einen verletzt.
Mythologisch: Phöbus (Apoll) wird genannt – Sonnengott als Kontrast zum Blickglanz. Sterne und Himmelslichter dienen als Folie, um die Augen noch heller erscheinen zu lassen.
Theologisch: Barocke Liebeslyrik ist oft doppeldeutig – einerseits höfische Galanterie, andererseits ein unterschwelliger Verweis auf Transzendenz. Die Augenstrahlen, die ins Herz dringen, erinnern auch an mystische Lichtbilder (Gottesstrahlen).
Philosophisch: Die angenehme Pein verweist auf die barocke Anthropologie: Liebe ist Leiden, doch dieses Leiden ist zugleich Erhöhung. Hier könnte man platonische Assoziationen sehen (Eros als göttliche Wunde).
Psychologisch: Augen als Spiegel der Seele – das Schweigen (Strophe 5) offenbart mehr als Worte. Das Gedicht zeigt das barocke Bewusstsein der Doppelbödigkeit von Rede und Schweigen.
Intertextuell: Die Motive erinnern an petrarkistische Liebeslyrik, an Gryphius’ Sonette, an Marino in Italien. Aber auch ein Vergleich mit Dantes Beatrice-Augen in der Commedia wäre denkbar: dort sind Augen die Mittler zur Transzendenz, hier Mittler zur galanten Liebe.
Abschatz’ Die schwartzen Augen ist ein barockes Liebesgedicht von großer Geschlossenheit: Von der ersten blendenden Wirkung bis zur letzten Resignation entfaltet es eine organische Kurve der Überwältigung durch Schönheit.
Das Gedicht ist so ein exemplarisches Zeugnis barocker Liebesdichtung: Schönheit wird zur Macht, die kosmisch überhöht, psychologisch vertieft und theologisch transzendiert ist – und zugleich in der Vanitas endet.