Geniezeit
Erste Weimarer Gedichtsammlung
Wandrers Sturmlied
Wen du nicht verlässest Genius
Nicht der Regen nicht der Sturm
Haucht ihm Schauer übers Herz.
Wen du nicht verlässest Genius
Wird der Regenwolk
5
Wird dem Schlossensturm
Entgegen singen
Wie die Lerche
Du dadroben.
Den du nicht verlässest Genius
10
Wirst ihn heben übern Schlammpfad
Mit den Feuerflügeln.
Wandeln wird er
Wie mit Blumenfüßen
Über Deukalions flutschlamm
15
Python tötend, leicht, groß
Pythius Apollo.
Dem du nicht verlassest Genius
Wirst die wollnen Flügel unterspreiten
Wenn er auf dem Felsen schläft
20
Wirst mit Hüterfittigen ihn decken
In des Haines Mitternacht.
Wen du nicht verlassest Genius
Wirst im Schneegestöber
Wärmumhüllen,
25
Nach der Wärme ziehen sich Musen
Nach der Wärme Charitinnen.
Umschwebt mich ihr Musen!
Ihr Charitinnen!
Das ist Wasser, das ist Erde
30
Und der Sohn des Wassers und der Erde
Über den ich wandle
Göttergleich.
Ihr seid rein wie das Herz der Wasser
Ihr seid rein wie das Mark der Erde
35
Ihr umschwebt mich und ich schwebe
Über Wasser über Erde
Göttergleich.
—
Soll der zurückkehren
Der kleine schwarze feurige Bauer.
40
Soll der zurückkehren, erwartend
Nur deine Gaben Vater Bromius
Und helleuchtend umwärmend Feuer,
Der kehren mutig?
Und ich den ihr begleitet
45
Musen und Charitinnen all
Den alles erwartet was ihr
Musen und Charitinnen
Umkränzend Seeligkeit
Rings ums Leben verherrlicht habt,
50
Soll mutlos kehren?
Vater Bromius
Du bist Genius
Jahrhunderts Genius
Bist, was innre Glut
55
Pindarn war,
Was der Welt
Phöb Apoll ist.
Wehl Weh! Innre Wärme
Seelen Wärme,
60
Mittelpunkt!
Glüh entgegen
Phöb Apollen.
Kalt wird sonst
Sein Fürstenblick
65
Über dich vorübergleiten,
Neidgetroffen
Auf der Zeder Grün verweilen
Die zu grünen
Sein nicht harrt
70
—
Warum nennt mein Lied dich zuletzt
Dich von dem es begann,
Dich in dem es endet
Dich aus dem es quillt
Jupiter Pluvius!
75
Dich! dich strömt mein Lied,
Und Castalischer Quell
Rinnt ein Nebenbach
Rinnet müßigen
Sterblich Glücklichen
80
Abseits von dir
Der du mich fassend deckst
Jupiter Pluvius.
Nicht am Ulmenbaum
Hast du ihn besucht,
85
Mit dem Taubenpaar
In dem zärtlichen Arm
Mit der freundlichen Ros umkränzt
Tändlenden ihn blumenglücklichen
Anakreon,
90
Sturmatmende Gottheit.
Nicht im Pappelwald
An des Sibaris Strand
An des Gebürges
Sonnebeglänzter Stirn nicht
95
Faßtest du ihn.
Den bienensingenden
Honiglallenden
Freundlichwinkenden
Theokrit.
100
Wenn die Räder rasselten
Rad an Rad, rasch ums Ziel weg
Hoch flog
Siegdurchglühter
Jünglinge Peitschenknall
105
Und sich Staub wälzt'
Wie vom Gebürg herab
Kieselwetter in's Tal,
Glühte deine Seel Gefahren Pindar!
Mut! — Glühte? —
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Armes Herz!
Dort auf dem Hügel
Himmlische Macht
Nur so viel Glut
Dort meine Hütte
115
Dort hin zu waten!
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