Leipziger Witzkultur
Briefgedichte
(An Riese, 28. 4. 1766)
(...) Bester Rieße diese Einsamkeit hat, so eine gewisse Traurigkeit, in meine Seele gepräget.
Es ist mein einziges Vergnügen
Wenn ich entfernt von jedermann,
Am Bache, bey den Büschen liegen,
An meine Lieben dencken kann.
So vergnügt ich aber auch da bin, so fühle ich dennoch allen Mangel des gesellschaftlichen Lebens, Ich seufze nach meinen Freunden, und meinen Mädgen, und wenn ich fühle daß ich vergebens seufze
Da wird mein Herz von Jammer voll,
Mein Aug wird trüber
Der Bach rauscht jetzt im Sturm vorüber,
Der mir vorher so sanft erscholl
Kein Vogel singt in den Gebüschen,5
Der grüne Baum verdorrt
Der Zephir der mich zu erfrischen
Sonst wehte, stürmt und wird zum Nord,
Und tragt entrißne Blüten fort.
Voll Zittern flieh ich dann den Ort,10
Ich flieh und such in öden Mauern,
Einsames Trauern.
Aber wie froh bin ich, ganz froh, Horn hat mich durch seine Ankunft einem Teil, meiner Schwermuht entrissen. Er wundert sich daß ich so verändert bin.
Er sucht die Ursach zu ergründen,
Denckt lächlend nach, und sieht mir ins Gesicht.
Doch wie kann er die Ursach finden,
Ich weiß sie selbsten nicht.
(...) Ich muß doch einwenig von mir selbst reden.
Ganz andre Wünsche steigen jezt, als sonst,
Geliebter Freund in meiner Brust herauf.
Du weißt, wie seht ich mich zur Dichtkunst neigte,
Wie großer Haß in meinem Bußen schlug,
Mit dem ich die verfolgte, die sich nur, 5
Dem Recht und seinem Heiligtuhme weihten.
Und nicht der Mußen sanften Lockungen,
Ein offnes Ohr, und ausgestreckte Hände,Voll Sehnsucht reichten. Ach du weißt mein Freund,
Wie sehr ich, (und gewiß mit Unrecht,) glaubte,10
Die Muße liebte mich, und gab mir oft,
Ein Lied. Es klang von meiner Lejer zwar,
Manch stolzes Lied, das aber nicht die Musen,
Und nicht Apollo reihten. Zwar mein Stolz
Der glaubt es, daß so tief zu mir herab15
Sich Götter niederließen, glaubte, daß
Aus Meisterhänden nichts Vollkommners käme,
Als es aus meiner Hand gekommen war.
Ich fühlte nicht, daß keine Schwingen, mir
Gegeben waren, um emporzurudern.20
Und auch vielleicht, mir von der Götter Hand,
Niehmals gegeben werden würden. Doch
Glaubt ich, ich hab sie schon und könnte fliegen.
Allein kaum kam ich her, als schnell der Nebel
Von meinen Augen sanck, als ich den Ruhm,25
Der Großen Männer sah, und erst vernahm,
Wie viel dazu gehörte; Ruhm verdienen.
Da sah ich erst, daß mein erhabner Flug,
Wie es mir schien, nichts war als das Bemühn,
Des Wurms im Staube, der den Adler sieht,30
Zur Sonn' sich schwingen, und wie der hinauf
Sich sehnt. Er sträubt empor, und windet sich,
Und ängstlich spannt er alle Nerven an,
Und bleibt am Staub. Doch schnell entsteht ein Wind,
Der hebt den Staub in Wirbeln auf, den Wurm35
Erhebt er in den Wirbeln auch. Der glaubt
Sich groß, dem Adler gleich, und jauchzet schon
Im Taumel. Doch auf einmahl zieht der Wind
Den Odem ein. Es sinckt der Staub hinab,
Mit ihm, der Wurm. Jetzt kriecht er wie zuvor.40
Werdet nicht über mein Galimathias böse. Lebt Wohl. (...)
◀◀◀ 11
▶▶▶
Home
chresmos@gmail.com