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Johann Wolfgang Goethe
Sämtliche Gedichte

Geniezeit
Gelegenheiten
Um Götz und Werther

(An Friedrich Wilhelm Gotter,
Juni 1773)

Schicke dir hier den alten Götzen;
Magst ihn zu deinen Heilgen setzen,
Oder magst ihn in die Zahl
Der Ungeblätterten stellen zumal.
Hab's geschrieben in guter Zeit,5
Tags, Abends und Nachts Herrlichkeit;
Und find' nicht halb die Freud' so mehr,
Da nun gedruckt ist ein großes Heer.
Find', daß es wie mit den Kindern ist,
Da doch wohl immer die schönste Frist10
Bleibt, wenn man in der schönen Nacht
Sie hat der lieben Frau gemacht.
Das Andre geht dann seinen Gang,
Und Rechnen, Wehn, und Tauf' und Sang.
Mögt euch nun auch ergötzen dran,15
So habt ihr doppelt wohl getan.
Magst, wie ich höre, dann allda
Agieren, tragieren Komodia
Vor Stadt und Land und Hof und Herrn,
Die säh'n das Schattenspiel wohl gern.20
So such dir denn in deinem Haus
Einen rechten tüchtigen Bengel aus
Und gib ihm die Roll' von meinem Götz,
In Panzer, Blechhaub' und Geschwätz.
Dann nimm den Weisling vor dich hin,25
In Pumphos', Kragen und stolzem Kinn,
Und Spada wohl nach Spanier Art,
Und Weitnaslöchern, Stützleinbart,
Und sei ein Falscher an den Frauen,
Laß dich zuletzt vergiftet schauen.30
Und bring', da hast du meinen Dank,
Mich vor die Weiblein ohn' Gestank.
Mußt alle garst'gen Worte lindern,
Aus Scheißkerl Schurken, aus Arsch mach Hintern,
Und gleich das Alles so fortan,35
Wie du's wohl ehmals schon getan.

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