Der glückselige Blumen-Strauß
Amor selbst brach diese Blumen/ wo Aurora sammlet ein1
Ihre Näglein/ ihre Rosen/ die bey frühem Tages-Schein2
An dem blauen Himmel gläntzen/3
Und ihr schönes Haubt bekräntzen.4
Schöne Blumen/ Preiß der Gärten/ welche Florens Hand geziert/5
Daß sie von so schönen Händen solten werden angerührt/6
Wie beglückt seyd ihr für allen7
Amaranthen zu gefallen?8
Zwar eur Glantz wird müssen sterben in der Nimphe schönen Hand/9
Aber tausend Hertzen wünschten ihnen derogleichen Stand/10
Würden willig Geist und Leben11
Ihr zum treuen Opffer geben.12
War nicht diß ein schöner Garten/ der euch erst das Leben gab?13
Werden nicht die schönsten Finger dieser Welt euch Bahr und Grab?14
Wer will nicht/ wie ihr/ verderben/15
Und so schönen Todes sterben!16
Amor selbst brach diese Blumen/ wo Aurora sammlet ein1
Ihre Näglein/ ihre Rosen/ die bey frühem Tages-Schein2
An dem blauen Himmel gläntzen/3
Und ihr schönes Haubt bekräntzen.4
1 Amor selbst brach diese Blumen/ wo Aurora sammlet ein
Sprachlich: Das Personalpronomen selbst hebt Amor als handelnden Urheber besonders hervor, es erzeugt eine Steigerung der Authentizität und Exklusivität des Blumengebindes.
Das Verb brach ist schlicht, zugleich aber poetisch aufgeladen: Es verweist nicht nur auf das Pflücken von Blumen, sondern trägt auch einen Anklang an Besitzergreifung und innige Zuwendung.
Die Parallelität Amor – Aurora wirkt klanglich signifikant, durch die Alliteration entsteht ein ästhetischer Gleichklang, der die beiden mythischen Figuren in eine Beziehung setzt.
Rhetorisch: Die Personifikation von Amor und Aurora als göttliche Akteure entspricht einer poetischen Topik der barocken Mythendichtung. Dadurch wird der Blumenstrauß in eine Sphäre des Göttlich-Mythischen erhoben.
Die Konstruktion wo Aurora sammlet ein ist eine Ortsangabe mit poetischer Räumlichkeit: Sie markiert einen mythisch-göttlichen Ort, wodurch der Vorgang des Blumenbrechens nicht zufällig, sondern kosmologisch verankert wirkt.
Die Kombination zweier göttlicher Figuren dient als Emblematik: Amor als Gott der Liebe und Aurora als Göttin der Morgenröte schaffen einen Rahmen aus Liebe und Tagesbeginn.
Inhaltlich: Der Sprecher weist dem Blumenstrauß eine überirdische Herkunft zu: Nicht ein gewöhnlicher Mensch hat ihn gepflückt, sondern Amor selbst, an einem Ort, der von Aurora geheiligt ist.
Das Motiv der Blumen wird so zur Chiffre für die Verbindung von Liebe (Amor) und Licht/Morgen (Aurora). Die Floralien sind damit nicht nur Schmuck, sondern Symbol für das Zusammenspiel von Liebe und kosmischem Neubeginn.
Die Szene etabliert die Grundidee des Gedichts: ein Blumenstrauß, der durch göttliches Eingreifen zu einem glückseligen Gebilde wird.
2 Ihre Näglein/ ihre Rosen/ die bey frühem Tages-Schein
Sprachlich: Der entfaltet sich durch eine doppelte Aufzählung: Näglein und Rosen als typische Blumen des Barock. Das Diminutiv Näglein fügt einen Zug der Zierlichkeit und Zartheit hinzu.
Die Wiederholung des Possessivpronomens ihre verstärkt die Exklusivität, als ob die Blumen ganz Aurora gehörten, was ihren göttlichen Charakter unterstreicht.
Der Ausdruck früher Tages-Schein wirkt poetisch durch die Verschmelzung der Zeitangabe (früh) mit einem visuellen Glanzmotiv (Schein).
Rhetorisch: Es liegt eine Form der Enumeratio vor: die Aufzählung der Blumenarten. Damit wird der Strauß durch sprachliche Fülle ausgestaltet.
Der enthält eine synästhetische Verschmelzung: Sehen (Schein), Fühlen (Näglein, Rosen) und fast auch Riechen (der Duft der Blumen) werden ineinander verwoben.
Die Betonung der Tageszeit (früh) hat rhetorisch die Funktion einer Topik des Anfangs: Es wird das Bild der Unschuld und Reinheit des Morgens evoziert.
Inhaltlich: Die Blumen werden Aurora zugeschrieben, sodass sie nicht nur Schmuck, sondern göttliche Attribute sind.
Näglein und Rosen stehen symbolisch für verschiedene Aspekte: Nelken für Treue und Beständigkeit, Rosen für Liebe und Leidenschaft. Zusammen ergeben sie ein Spannungsfeld barocker Symbolik.
Der Hinweis auf den frühen Tages-Schein lokalisiert den Blumenstrauß im Kosmos: Er ist Teil des Aufgangs der Sonne, Teil des täglichen Erneuerungsprozesses der Welt.
3 An dem blauen Himmel gläntzen/
Sprachlich: Das Verb gläntzen (heute glänzen) evoziert visuelle Strahlkraft und hebt die Blumen in einen überirdischen Kontext.
Der blaue Himmel ist eine poetische Chiffre für Reinheit, Weite und göttliche Sphäre.
Der kurze, fast lakonische verstärkt durch seine Schlichtheit den Eindruck von Erhabenheit: Wenige Worte eröffnen einen weiten Raum.
Rhetorisch: Der wirkt wie eine Hyperbel: Blumen, die am blauen Himmel glänzen, sind nicht mehr auf die irdische Ebene beschränkt, sondern haben einen übernatürlichen Status.
Der Bezug zur Farbe blau hat rhetorische Symbolfunktion: Blau ist im barocken Symbolsystem Farbe des Himmels, der Treue und der Transzendenz.
Der Enjambement-Charakter (die Fortsetzung des Satzes aus 2) verstärkt die rhetorische Dynamik: Die Blumen entfalten sich im Text wie in der Natur, von der Erde zum Himmel aufsteigend.
Inhaltlich: Die Blumen erscheinen nicht nur auf der Erde, sondern gleichsam im Himmel aufgehoben. Das Gedicht transzendiert so die einfache Naturbeschreibung.
Der blaue Himmel deutet auf die Nähe zum Göttlichen und bringt die Blumen in eine Sphäre, in der sie als Zeichen der Liebe und des Lichts zugleich gelten.
Durch das Glänzen werden sie Teil eines Lichtspektakels: Die Blumenstrauß-Szene wird zu einem kosmischen Ereignis.
4 Und ihr schönes Haubt bekräntzen.
Sprachlich: Das Verb bekränzen ist ein klassisches Schmuckverb, das Krone und Umrahmung impliziert.
Haubt (heute Haupt) verweist auf Würde und Erhabenheit, zugleich aber auch auf ein weiblich-anmutiges Motiv, da Aurora als Figur gedacht ist.
Der rundet die Szene formal ab: Das Partizip schönes verleiht dem Haupt zusätzliche ästhetische Aufladung.
Rhetorisch: Das Bild des Bekränzens ist eine Metapher für Auszeichnung, Ehrung und Erhöhung. Es verweist auf eine barocke Topik der Krönung.
Die rhetorische Struktur ist symmetrisch: Amor beginnt den Reigen, Aurora wird bekränzt, der Kreis schließt sich in einem Akt der Verherrlichung.
Man könnte auch von einer Allegorie sprechen: Die bekränzte Aurora wird zur Verkörperung von Schönheit, Licht und kosmischer Harmonie.
Inhaltlich: Die Blumen dienen letztlich dem Schmuck der Göttin: Sie krönen Aurora als Königin des Morgens.
Das schöne Haupt wird dadurch selbst zum Symbol: Die Göttin der Morgenröte ist die Personifikation des Lichts, und die Blumen sind die Attribute, die dieses Licht sichtbar machen.
Inhaltlich wird der Blumenstrauß zum Bindeglied zwischen Liebe (Amor) und Licht (Aurora): Er ziert die Göttin und verweist auf die Vereinigung beider göttlichen Prinzipien.
Schöne Blumen/ Preiß der Gärten/ welche Florens Hand geziert/5
Daß sie von so schönen Händen solten werden angerührt/6
Wie beglückt seyd ihr für allen7
Amaranthen zu gefallen?8
5 Schöne Blumen/ Preiß der Gärten/ welche Florens Hand geziert/
Sprachlich: Die Anrede Schöne Blumen setzt eine emphatische Apostrophe ein, die das lyrische Ich unmittelbar an die floralen Gegenstände wendet. Die anschließende Apposition Preiß der Gärten verstärkt diese Würdigung durch eine metaphorische Steigerung: Die Blumen sind nicht nur Teile des Gartens, sondern der Preis, also die Zierde und der höchste Schmuck desselben. Die Benennung Florens Hand ist ein mythologisches Sprachbild; Flora steht hier für die römische Göttin der Blumen, deren Hand personifizierend für die göttliche Gestaltungskraft verwendet wird.
Rhetorisch: Die Strophe beginnt mit einer klassischen Lobfigur: Anapherähnliche Wiederholung der Anrede (Schöne Blumen / Preiß der Gärten) sowie die Metapher der Hand als anthropomorphe Zuweisung göttlicher Gestaltung. Der arbeitet mit der rhetorischen Strategie der Evidenz: Die Blumen erscheinen durch die Kombination von direkter Anrede, mythischem Bezug und attributiver Verstärkung als überhöht und nahezu sakralisiert.
Inhaltlich: Thematisch wird hier die Natur nicht als bloßes Gewächs, sondern als Werk göttlich-mythologischer Kunst dargestellt. Die Blumen sind die kostbarsten Elemente der Gärten und erhalten durch den Bezug auf Florens Hand eine transzendente Aufwertung: Sie sind Resultat göttlicher Schöpfung und tragen damit bereits eine besondere Würde in sich.
6 Daß sie von so schönen Händen solten werden angerührt/
Sprachlich: Das daß leitet eine Folgebestimmung ein: Die Blumen, die schon von Floras Hand geziert sind, sollen nun von so schönen Händen berührt werden. Hier liegt eine graduelle Steigerung vor, da von der göttlichen Gestaltung zur menschlichen Berührung übergeleitet wird. Die Formulierung solten werden angerührt verleiht dem Geschehen eine feierlich-passive Struktur: Die Blumen sind nicht aktiv, sondern empfangen Würde und Bedeutung durch den Akt der Berührung.
Rhetorisch: Die antithetische Spannung liegt zwischen der mythischen Hand Floras und den realen schönen Händen, die offenbar denen einer Dame oder Geliebten angehören. Der rhetorische Effekt entsteht durch die Parallelisierung: Vom göttlich-mythischen Ursprung zum menschlich-sinnlichen Vollzug. Die Passivform (angerührt) deutet auf eine stilistische Zurückhaltung, die die Blumen in eine Rolle des reinen Empfangens setzt, was ihre Schönheit und Anmut zugleich betont.
Inhaltlich: Inhaltlich wird hier die Verbindung zwischen Natur und Mensch hergestellt: Die göttlich geschaffenen Blumen erhalten ihre letzte Vollendung, wenn sie durch die Berührung schöner menschlicher Hände in einen neuen ästhetischen und symbolischen Kontext treten. Das lyrische Ich deutet an, dass die menschliche Schönheit mit der göttlichen Schöpfung in Wechselwirkung tritt und diese noch steigert.
7 Wie beglückt seyd ihr für allen
Sprachlich: Der eröffnet mit einer rhetorischen Frage (Wie beglückt…), die jedoch keine Antwort verlangt, sondern das Glück der Blumen feststellt. Die Formulierung für allen ist syntaktisch archaisch und bedeutet so viel wie vor allen anderen. Diese Wendung hebt die Blumen in einen Rang des Besonderen und Einzigartigen.
Rhetorisch: Die rhetorische Frage hat die Funktion eines Exklamationssatzes, der das Glück der Blumen betont. Sie ist Ausdruck affektiver Redeweise, die die Würdigung steigert. Durch die syntaktische Ellipse (Wie beglückt seyd ihr für allen) entsteht eine Verdichtung des Lobes, die den emotionalen Ton verstärkt.
Inhaltlich: Der Gedanke entwickelt sich von der Berührung der schönen Hände zur herausgehobenen Stellung der Blumen: Sie sind nicht nur geziert und berührt, sondern darüber hinaus beglückt. Ihr Glück liegt darin, an diesem Übergang zwischen göttlicher und menschlicher Schönheit zu partizipieren und dadurch allen anderen Pflanzen überlegen zu sein.
8 Amaranthen zu gefallen?
Sprachlich: Amaranthen sind in der frühneuzeitlichen Dichtung ein gängiges Symbol für die unsterbliche, nie verwelkende Blume. Sie fungieren als Sinnbild ewiger Schönheit und Beständigkeit. Durch den Dativ zu gefallen entsteht eine Wendung, die auf den Vergleichszweck hinweist: Die angeredeten Blumen stehen selbst in Konkurrenz mit der mythologisch-symbolischen Amaranthblume.
Rhetorisch: Die rhetorische Frage findet hier ihren Abschluss und Kulminationspunkt. Indem die Blumen mit der Amaranth verglichen werden, wird eine Hyperbel eingesetzt: Sie übertreffen selbst die Blume, die als Sinnbild für Unsterblichkeit und Schönheit schlechthin gilt. Der rhetorische Effekt liegt in der Paradoxie, dass Vergängliches (die realen Blumen) das Symbol des Unvergänglichen zu überstrahlen vermag.
Inhaltlich: Inhaltlich ergibt sich eine bedeutungsvolle Steigerung: Die Blumen, die schon göttlich geschaffen und menschlich berührt sind, erscheinen nun sogar der Amaranth überlegen. Damit wird ein Höhepunkt des Lobes erreicht, der die zentrale Spannung der Strophe ausmacht: Die Verbindung von göttlicher, menschlicher und symbolisch-mythischer Schönheit in den Blumen des Straußes.
Zwar eur Glantz wird müssen sterben in der Nimphe schönen Hand/9
Aber tausend Hertzen wünschten ihnen derogleichen Stand/10
Würden willig Geist und Leben11
Ihr zum treuen Opffer geben.12
9 Zwar eur Glantz wird müssen sterben in der Nimphe schönen Hand
Sprachlich Der Ausdruck eur Glantz personifiziert die Blumen, die hier als sprechende oder empfindende Wesen auftreten. Glantz bezeichnet sowohl das Leuchten der Blüten als auch ihre Schönheit, die in höfischer Diktion eine Aura des Erhabenen trägt.
Die Formulierung wird müssen sterben zeigt eine altertümlich-redundante Konstruktion, die den Zwangscharakter der Vergänglichkeit betont. Das doppelte Hilfsverb verstärkt die Unausweichlichkeit.
Mit Nimphe ist eine mythologisch aufgeladene Gestalt gemeint, die einerseits idealisierende Züge trägt, zugleich aber auf eine konkrete Frau (die Geliebte) verweisen kann. Die Zuschreibung schönen Hand steigert die höfische Komplimentformel.
Rhetorisch Es handelt sich um eine Personifikation und zugleich um eine Metonymie: Der Glantz der Blumen wird durch die Hand der Nymphe ausgelöscht, womit das menschliche Eingreifen in den Naturkreislauf rhetorisch zugespitzt wird.
Die Alliteration von Nimphe und schönen Hand wirkt nicht streng, erzeugt aber eine lautliche Bindung zwischen mythologischem Bild und realem Zugriff.
Die Antithese liegt implizit zwischen Glantz (Schönheit, Leuchten) und sterben (Vergänglichkeit, Auslöschung).
Inhaltlich Die Blumen verlieren ihre Schönheit, sobald sie gepflückt und in der Hand einer Frau gehalten werden. Das Bild steht für die Vergänglichkeit des Naturschönen in menschlicher Aneignung.
Die Nimphe fungiert als doppeltes Symbol: mythologisch verklärt und zugleich realer Adressat, der Schönheit zugleich schützt und zerstört.
Der eröffnet das Spannungsfeld zwischen Naturleben und kultureller Inszenierung: Das Schöne existiert nur, indem es vergeht.
10 Aber tausend Hertzen wünschten ihnen derogleichen Stand
Sprachlich Der Konnektor Aber markiert eine argumentative Wendung: Trotz des Todes der Blumen in der Hand bleibt dieser Zustand begehrenswert.
tausend Hertzen ist eine Hyperbel, die unzählige Liebende oder Bewundernde symbolisiert, eine poetische Zahl für Allgemeinheit und Fülle.
derogleichen Stand verbindet die Sprache höfischer Repräsentation mit einem abstrakten Begriff von Rang oder Zustand. Stand bezeichnet die Lage, den Platz, fast wie ein gesellschaftlicher Status.
Rhetorisch Die Hyperbel dient als Steigerungsfigur: Nicht wenige, sondern tausend Herzen begehren denselben Zustand.
Die kontrastive Konjunktion Aber wirkt als rhetorisches Bindeglied, das eine paradoxe Folgerung erlaubt: Sterben in Schönheit ist dennoch beneidenswert.
Der Ausdruck wünschten ihnen enthält eine Form der Apostrophe: Es wirkt, als sei das lyrische Ich ein Vermittler zwischen Herzen und Blumen.
Inhaltlich Der Verlust der Blumen ist kein Verlust, sondern wird als erhabenes Ziel verstanden: In der Hand der Nymphe zu vergehen, ist mehr wert als bloßes Weiterleben in der Natur.
Das kollektive tausend Herzen zeigt, dass das, was den Blumen widerfährt, als allgemeines Ideal menschlicher Liebeshingabe gedeutet wird.
Es entsteht eine Paradoxie: Der Tod der Blume wird zur höchsten Form des Glücks verklärt, da er an der Nähe zur Schönheit hängt.
11 Würden willig Geist und Leben
Sprachlich Der Alliterationsklang Würden willig betont den inneren Gleichklang zwischen Absicht und Bereitschaft.
Geist und Leben sind eine Doppelung, die den ganzen Menschen umfasst: das Innere (Geist, Seele) und das Äußere (körperliche Existenz).
Der ist syntaktisch unvollständig; er bildet den Auftakt zu einer konditionalen oder konsekutiven Struktur, die erst im Folgevers endet.
Rhetorisch Die Figur der Hendiadyoin liegt vor: Geist und Leben wird nicht als zwei verschiedene Dinge, sondern als Ausdruck einer Ganzheit gebraucht.
Die Ellipse (würden willig Geist und Leben) steigert die Erwartungshaltung und schafft eine Spannung, die erst im nächsten aufgelöst wird.
Der rhythmische Gleichklang von Geist und Leben unterstreicht die Totalität des Opfers.
Inhaltlich Der macht deutlich, dass nicht nur die Blumen, sondern auch Menschen – metaphorisch gesprochen – bereit wären, ihre gesamte Existenz zu opfern.
Es wird ein Parallelismus zwischen der Opferrolle der Blumen und der Opferbereitschaft der Liebenden hergestellt.
Die Andeutung der Bereitschaft zur Hingabe wird als eine Bewegung hin zu Transzendenz und Ganzhingabe verstanden.
12 Ihr zum treuen Opffer geben.
Sprachlich Ihr bezieht sich eindeutig auf die Nymphe, die hier zur Adressatin der Opfergabe erhoben wird.
Das treue Opffer ist eine religiös gefärbte Ausdrucksweise: treu betont die Beständigkeit, Opfer verweist auf kultische oder religiöse Hingabe.
Der beendet die syntaktische Spannung von 11, indem er die Empfängerin und den Vollzug des Opfers klar benennt.
Rhetorisch Der religiöse Terminus Opffer überträgt den Bereich der sakralen Rhetorik auf den Liebesdiskurs und sakralisiert die Beziehung zwischen Nymphe und Hingebendem.
Die Alliteration von treuen und Opffer ist weniger klanglich als semantisch enggeführt: Treue und Opfer erscheinen als einheitliche Tugenden.
Die Schlusspointe des Quartettes liegt in der Übertragung des Kultopfers auf den Liebesdienst.
Inhaltlich Der Mensch wäre bereit, sein gesamtes Sein (Geist und Leben) der Nymphe darzubringen, so wie die Blumen ihr Glanzopfer erbringen.
Liebe wird hier nicht als Austausch oder Dialog beschrieben, sondern als einseitige Hingabe bis zur Selbstaufgabe.
Die sakrale Färbung deutet auf eine Gleichsetzung von Liebeshingabe und religiöser Opferpraxis: Die Geliebte wird fast zu einer Göttin erhoben, der man kultisch dient.
War nicht diß ein schöner Garten/ der euch erst das Leben gab?13
Werden nicht die schönsten Finger dieser Welt euch Bahr und Grab?14
Wer will nicht/ wie ihr/ verderben/15
Und so schönen Todes sterben!16
13 War nicht diß ein schöner Garten/ der euch erst das Leben gab?
Sprachlich: Der ist in der Form einer rhetorischen Frage gestaltet, die mit dem deiktischen diß auf den zuvor beschriebenen Schauplatz verweist. Die Verwendung des Adjektivs schöner hebt die ästhetische Qualität hervor, wobei das Schönheitsattribut zugleich eine moralische und existenzielle Dimension mitführt. Der Satzbau ist klar strukturiert, mit einer leichten Inversion durch die Einschiebung der euch erst das Leben gab.
Rhetorisch: Die rhetorische Frage wirkt affirmativ: Sie stellt nicht bloß eine offene Nachfrage, sondern lenkt das Publikum zur Zustimmung. Der Garten fungiert als Topos des Ursprungs, der Lebensquelle und auch als Anspielung auf biblische Paradiesvorstellungen. Gleichzeitig erscheint eine paradoxe Konnotation: Der Garten als schön ist zugleich ein Ort der Vergänglichkeit, da er den Blumen zwar das Leben gibt, sie aber auch unweigerlich dem Verwelken überlässt.
Inhaltlich: Der stellt die Herkunft der Blumen in den Mittelpunkt: Das Leben entsteht aus dem schönen Garten. Damit wird der Zyklus von Natur, Blüte und Sterben grundiert. Zudem schwingt die Idee mit, dass Schönheit immer einen Anfangspunkt hat, der selbst bereits auf ein Ende verweist. Der Garten ist also nicht nur Ursprung, sondern auch Ort der Bedingtheit und Begrenztheit.
14 Werden nicht die schönsten Finger dieser Welt euch Bahr und Grab?
Sprachlich: Wiederum eine rhetorische Frage, die durch den Superlativ die schönsten Finger eine hyperbolische Steigerung enthält. Die Verbindung von Finger mit Bahr und Grab erzeugt einen starken Kontrast zwischen Zärtlichkeit (Finger als Berührung, Pflege) und Tod (Bahr, Grab). Die Sprache spielt hier mit semantischer Ambivalenz: Schönheit führt nicht nur zur Belebung, sondern ebenso zur Zerstörung.
Rhetorisch: Die Gegenüberstellung von schönste Finger und Bahr und Grab wirkt als Antithese. Zugleich arbeitet der mit einer paradoxen Verschmelzung: Was liebkosend wirkt, wird zugleich zum Instrument des Endes. Die Figur lässt sich als eine Form der Metaphorisierung des Todes durch Schönheit verstehen, wodurch Eros und Thanatos ineinander verschränkt werden.
Inhaltlich: Hier wird das Schicksal der Blumen explizit benannt: Sie werden gepflückt, getragen, in Händen gehalten – und in dieser Geste der Aneignung liegt ihr Untergang. Die Finger sind damit zugleich Liebhaber und Totengräber. Inhaltlich steht dies für die Verknüpfung von Schönheit, Liebe und Vergänglichkeit: Die Vollkommenheit der Welt (die schönsten Finger) bringt zugleich den Tod der zarten Geschöpfe hervor.
15 Wer will nicht/ wie ihr/ verderben,
Sprachlich: Der ist fragmentarisch in seiner Formulierung, durch die Abhängigkeit vom folgenden entsteht eine Spannungsstruktur. Der Ausdruck wie ihr verweist direkt auf die Blumen, wodurch ein identifikatorischer Bezug hergestellt wird. Das Verb verderben ist stark konnotiert und verbindet die natürliche Verwesung mit einer aktiven Hingabe.
Rhetorisch: Wieder eine rhetorische Frage, die in ihrer Struktur Zustimmung erzwingt. Gleichzeitig enthält der eine Apostrophe: Die Blumen werden direkt angeredet (wie ihr), wodurch die poetische Rede eine performative Nähe zum Gegenstand herstellt. Zudem fungiert verderben als paradoxal ästhetisierter Ausdruck, der das Negative (Tod, Zerstörung) in den Kontext des Begehrenswerten rückt.
Inhaltlich: Der macht deutlich, dass das Schicksal der Blumen exemplarisch für ein Ideal des Sterbens wird: Sie verderben in Schönheit und werden so zu Vorbildern für die menschliche Sehnsucht. Damit deutet sich eine anthropologische Dimension an: Das menschliche Begehren nach einem schönen Tod orientiert sich am Bild der Natur.
16 Und so schönen Todes sterben!
Sprachlich: Der vollendet den Gedankengang des vorigen und bringt ihn durch die Alliteration schönen Todes sterben zu einer rhythmischen Verdichtung. Die Sprache steigert das Paradoxon: Der Tod wird nicht negativ markiert, sondern als schön ästhetisiert.
Rhetorisch: Hier zeigt sich die Klimax: Nach drei rhetorischen Fragen folgt nun ein exklamativischer Ausruf. Die Aussage ist emphatisch und hebt das zuvor als Frage formulierte nun als Gewissheit hervor. Das Oxymoron schönen Tod ist das zentrale rhetorische Mittel, das den Höhepunkt der Strophe markiert.
Inhaltlich: Der Tod der Blumen wird nicht als Katastrophe, sondern als Erfüllung dargestellt. Inhaltlich schließt der den Kreis: Aus dem schönen Garten (Anfang) führt die Spur zu einem schönen Tod (Ende). Damit ist eine existentielle Deutung angelegt: Schönheit hat ihre höchste Vollendung nicht nur im Leben, sondern auch im Sterben, das als Krönung verstanden werden kann.
1. Das Gedicht entfaltet sich von Anfang an als ein organisches Bild: Amor, die göttliche Figur der Liebe, wird als Urheber der Handlung eingeführt, indem er die Blumen bricht. Damit ist das Motiv der Liebesgabe etabliert, das den Verlauf strukturiert.
2. Es folgt die Verbindung mit Aurora, der Morgenröte, die Blumen wie Näglein und Rosen sammelt, die im frühen Glanz des Tageshimmels erstrahlen. So wird das Naturbild mythisch überhöht, der Garten erscheint als Schauplatz göttlicher Schönheit.
3. In der zweiten Strophe weitet sich die Perspektive von der göttlich geprägten Natur zur Reflexion über die Blumen als Schmuck. Sie sind der Stolz der Gärten, von Flora selbst geziert, und erfahren höchste Erfüllung darin, von den Händen einer Nymphe berührt zu werden. Hier beginnt die Bewegung vom Ursprung in der Natur zur Bestimmung in der menschlichen Hand.
4. Die dritte Strophe führt einen Wendepunkt ein: Das Glück der Blumen ist zugleich vergänglich, denn ihr Glanz wird in der Hand der Nymphe sterben. Doch wird dieser Tod verklärt, da unzählige Herzen denselben Stand ersehnt hätten. Die Hingabe und Opferbereitschaft erscheinen als Höhepunkt der Bewegung.
5. Die letzte Strophe beschließt das Gedicht mit einer paradoxen Wendung: Der Garten, Ursprung des Lebens, ist zugleich das Grab, das in den Fingern der Geliebten liegt. Doch dieser Tod wird als schöner Tod idealisiert – ein Untergang, der die höchste Form von Erfüllung ist. So folgt der Aufbau einer Spirale von Ursprung, Überhöhung, Vergänglichkeit bis zur Apotheose des schönen Todes.
1. Psychologisch wird hier die Ambivalenz der Liebe sichtbar: die Lust am Schönen, das Verlangen nach Nähe und Berührung, und zugleich das Wissen um Vergänglichkeit.
2. Die Blumen fungieren als Projektionsfläche für das Liebeserleben: ihr kurzes, aber intensives Aufleuchten symbolisiert die Leidenschaft, die im Moment der Erfüllung bereits vergeht.
3. Die Nymphe wird als Objekt höchster Begehrlichkeit dargestellt, in deren Händen selbst das Sterben einen Sinn erhält. Dies zeigt ein psychologisches Muster: die idealisierende Übertragung aller Wünsche auf eine geliebte Gestalt.
4. Die Bereitschaft, Geist und Leben als Opfer darzubringen, verweist auf eine innere Dynamik der Selbstaufgabe, die im psychischen Erleben der Liebe häufig als Verschmelzungssehnsucht gedeutet werden kann.
5. Am Ende steht die Verklärung des Todes in der Liebe: psychologisch eine Sublimation der Angst, indem Sterben nicht als Verlust, sondern als Erfüllung erscheint.
1. Ethisch spiegelt das Gedicht eine Haltung, die den Wert des Lebens im Opfer für die Liebe sieht. Dies lässt sich als Glorifizierung von Hingabe und Selbstlosigkeit deuten.
2. Zugleich wird eine Rangordnung etabliert: Nicht alle Blumen, nicht alle Menschen, sondern nur die, die in Berührung mit der schönsten Hand treten, sind wahrhaft beglückt. Das impliziert eine Ethik der Auserwähltheit.
3. Es zeigt sich auch eine Spannung: Der Wert der Dinge (der Blumen, der Menschen) wird nicht an sich, sondern an ihrer Beziehung zu einer idealisierten Gestalt gemessen. Dies ist eine Ethik der Relation, nicht der Autonomie.
4. Im Lob des schönen Todes wird eine ethische Perspektive sichtbar, die die Hingabe über das Selbsterhalten stellt. Hier wird der Selbstverlust als höchster Wert etikettiert.
1. Das Gedicht spielt in einem mythisch-theologischen Bezugsrahmen: Amor als göttliche Macht der Liebe, Aurora als Personifikation des Tagesanbruchs, Flora als Göttin der Blüten. In dieser Konstellation wird die Natur nicht profan, sondern als durchwirkt von göttlichen Kräften dargestellt.
2. Philosophisch ist die Bewegung des Gedichts ein Memento mori in ästhetischer Form: die Schönheit ist vergänglich, doch erhält sie Sinn, indem sie sich im Opfer erfüllt. Das Vergängliche gewinnt Bedeutung nicht im Widerstand gegen, sondern in der Hingabe an das Vergehen.
3. Theologisch erinnert diese Haltung an eine säkularisierte Variante christlicher Mystik: Die Blume, die in der Hand der Nymphe vergeht, gleicht der Seele, die im Sterben in Gott ihre höchste Vollendung findet. Das Motiv des schönen Todes korrespondiert mit mystischen Vorstellungen von Liebestod und Vereinigung.
4. Die Dialektik von Leben und Tod, Ursprung und Untergang, wird hier nicht aufgelöst, sondern in ein Bild des Kreises überführt: der Garten schenkt das Leben, die Hand der Geliebten bringt den Tod, und gerade darin liegt die höchste Bestimmung. Dies entspricht einer metaphysischen Deutung des Daseins als Bewegung zur Vollendung im Ende.
5. Im Hintergrund steht auch ein platonisches Motiv: die Schönheit als Mittlerin zwischen Sterblichem und Göttlichem. Die Blumen sind Abbilder, die ihre Erfüllung im Kontakt mit der vollkommenen Schönheit finden, auch wenn sie daran zugrunde gehen.
1. Moralisch wird die Haltung einer romantisierten Selbstaufgabe vermittelt: das höchste Glück liegt nicht in Selbsterhaltung, sondern in der Hingabe an ein Anderes, das größer erscheint als das eigene Leben.
2. Die Verherrlichung des Opfers ist hier zugleich moralische Norm und ästhetische Verführung: ein Leser soll erkennen, dass das Sterben für die Liebe nicht Niederlage, sondern Triumph bedeutet.
3. Die Figur der Nymphe erhält dadurch moralische Macht: sie wird nicht nur zur Geliebten, sondern zur Richterin über Leben und Tod – in ihren Händen liegt die Vollendung der Blumen.
4. Damit wird ein Ideal konstruiert, in dem moralisches Handeln nicht auf Vernunft oder Tugendhaftigkeit, sondern auf die Radikalität der Hingabe gegründet ist.
5. Dieses Modell legt eine Moral nahe, die das höchste Gut in der Intensität und Selbstlosigkeit der Liebe erkennt, auch wenn sie den Preis des eigenen Untergangs fordert.
1. Das Gedicht stellt die Blumen als Träger einer geistigen und kosmischen Energie dar, indem sie nicht bloß natürliche Gewächse, sondern von Amor selbst gebrochene Gaben sind. Dadurch erscheinen sie als Mittler zwischen himmlischen Mächten (Amor, Aurora) und der irdischen Schönheit.
2. Die Blumen sind nicht zufällige Objekte, sondern Ausdruck einer höheren Harmonie, in der Natur und Götterkräfte ineinandergreifen. Ihre Schönheit wird zur Offenbarung eines geistigen Urgrundes, der über das rein Physische hinausweist.
3. Die Vergänglichkeit der Blumen wird nicht als Mangel, sondern als Teil einer höheren Bestimmung gedeutet: sie finden ihren schönen Tod in den Händen einer Nymphe. Hier tritt die anthroposophische Sicht hervor, dass Sterben Transformation ist und das Wesenhafte in andere Formen übergeht.
4. Der Blumen-Strauß kann als ein Symbol für das menschliche Dasein selbst gelesen werden: aus göttlicher Quelle geboren, im Glanz der Jugend erstrahlend, und doch bestimmt, in Hingabe an das Höhere zu vergehen – nicht als Verlust, sondern als geistiger Gewinn.
1. Der Text entfaltet eine sinnliche Bildlichkeit, die Blumen mit Aurora, Himmel und Nymphen verknüpft. Dadurch entsteht ein farbenreiches Panorama, in dem Natur und Mythos zu einer idealisierten Szenerie verschmelzen.
2. Der Wechsel von zarten, leuchtenden Bildern (Näglein, Rosen, blauer Himmel) zu der ernsten Vorstellung von Vergänglichkeit (Grab, Sterben) erzeugt eine ästhetische Spannung zwischen Schönheit und Endlichkeit.
3. Die ästhetische Wirkung entsteht auch durch die Kontraste: zwischen der Flüchtigkeit des Glanzes und der Erhabenheit der Opfergabe, zwischen irdischer Zierde und mythischer Verklärung.
4. Das Gedicht arbeitet mit der Schönheit des Paradoxen: dass der schönste Zustand zugleich im Untergang liegt. Die schöne Sterblichkeit der Blumen wird als höchste ästhetische Vollendung empfunden.
1. Die rhetorische Anlage zeigt sich in der kunstvollen Verbindung von Mythologie und Allegorie: Amor, Aurora und Flora treten nicht als bloße Göttergestalten auf, sondern als stilisierte Kräfte, die den Blumen symbolischen Wert verleihen.
2. Der Einsatz rhetorischer Fragen (War nicht diß ein schöner Garten…?) steigert die dialogische Wirkung des Textes und zieht den Leser in eine gedankliche Bewegung hinein.
3. Antithetische Strukturen (Leben gab – Bahr und Grab) verleihen dem Gedicht eine innere Spannung, die auf die Dialektik von Schönheit und Vergänglichkeit verweist.
4. Die Wiederholung von Lob (Schöne Blumen/ Preiß der Gärten…) dient als emphatische Verstärkung und verleiht dem Gedicht eine hymnische Grundbewegung.
1. Auf der Metaebene thematisiert das Gedicht die Beziehung zwischen Natur, Kunst und menschlicher Wahrnehmung: Blumen sind nicht nur Pflanzen, sondern Symbole, die über ihre sinnliche Präsenz hinaus Bedeutung entfalten.
2. Das Sterben der Blumen in den Händen der Nymphe wird zur Allegorie des künstlerischen Prozesses selbst: die Natur wird in Kunst verwandelt, indem sie vergeht und zugleich auf einer höheren Ebene weiterlebt.
3. Das Gedicht reflektiert unterschwellig die Frage nach dem Wert der Schönheit: ist sie im Augenblick des Vergehens größer, weil sie sich nur im Opfer vollendet?
4. Damit öffnet sich ein Bewusstsein für die Künstlichkeit der poetischen Darstellung selbst: der Blumen-Strauß ist auch das Gedicht, das der Dichter dem Leser darbringt – ein sprachlich gebundener, aber ebenfalls vergänglicher Strauß.
1. Poetologisch zeigt das Gedicht, wie Poesie Blumen gleicht: von göttlichen Kräften inspiriert, gesammelt, gebunden und letztlich dem Leser als Strauß überreicht. Die dichterische Produktion wird als ein mythisches Pflücken und Zusammenfügen verstanden.
2. Der bewusste Einsatz mythologischer Figuren deutet auf das barocke Selbstverständnis der Dichtung hin: sie ist eine Fortführung und Transformation antiker Muster, die Natur und Mythos poetisch verschmelzen lässt.
3. Die poetische Sprache selbst wird als ein Medium der Verklärung inszeniert: sie kann Sterbliches in Unsterbliches verwandeln, indem sie den Blumen – und damit der Schönheit – Dauer im Gedächtnis des Lesers verleiht.
4. In der Betonung des schönen Todes der Blumen wird zugleich die Funktion des Gedichts sichtbar: Vergänglichkeit wird durch poetische Gestaltung aufgehoben, indem sie als höchste Form der Schönheit zelebriert wird.
1. Das Bild der Blumen wird metaphorisch aufgeladen als Spiegel menschlicher Existenz: Schönheit, Zartheit und Vergänglichkeit gehen in eine Analogie zum menschlichen Leben und Lieben über.
2. Amor als mythische Gestalt bricht die Blumen – er steht hier für das Prinzip der Liebe, das die Natur selbst in ein Werk verwandelt. Die Blumen sind so nicht nur Pflanzenschmuck, sondern zugleich Ausdruck der Macht des Liebesgottes.
3. Aurora (die Morgenröte) erscheint als kosmische Figur, deren Lichtstrahlen zu Näglein und Rosen stilisiert werden – der Himmel selbst wird also wie ein Blumenbeet gelesen.
4. Der Blumenstrauß wird zum Symbol des Übergangs: er ist Geschenk, Schmuck und Opfer zugleich. Das Pflücken markiert einerseits das Heraustreten aus der Natur, andererseits den Beginn einer höheren Bestimmung.
5. Die Hand der Geliebten ist Grab und Heiligtum zugleich: sie vernichtet die Blumen, indem sie sie hält, aber sie erhebt sie gleichzeitig in einen Zustand von Glückseligkeit. Die Sterblichkeit wird so zur Vollendung.
6. Das Bild vom schönen Tod ist eine zentrale Metapher: das Vergehen der Blumen wird verklärt zur höchsten Form des Lebenssinns, insofern sie im Dienst der Liebe und Schönheit vergehen dürfen.
1. Assoziationen zum barocken Vanitas-Gedanken sind unausweichlich: die Blumen verweisen auf Schönheit, die notwendigerweise vergeht, aber in ihrer Vergänglichkeit eine tiefere Bedeutung erhält.
2. Die Verbindung von Natur, Mythologie und menschlicher Leidenschaft ruft Assoziationen an antike Bukolik hervor, insbesondere an Ovids Metamorphosen, wo Blumen oft aus Liebesgeschichten hervorgehen.
3. Die poetische Verklärung des Todes erinnert an das höfische Ideal des lícit sterbens in der Liebe, wie es in der mittelalterlichen Minnedichtung vorgeprägt wurde.
4. Auch eine religiöse Assoziation liegt nahe: die Blumen, die geopfert werden, erinnern an Opfergaben auf dem Altar, wobei die Geliebte gleichsam Priesterin und Gottheit ist.
5. Das Ineinander von Zerstörung und Erhöhung weckt Assoziationen an das Paradox barocker Existenz: die höchste Erfüllung wird gerade im Untergang sichtbar.
1. Das Gedicht steht fest in der Tradition des deutschen Barock, in dem Naturbilder und mythologische Figuren häufig eingesetzt werden, um die Grundthemen Vergänglichkeit, Liebe und Transzendenz zu gestalten.
2. Hans Aßmann von Abschatz gehört zur zweiten Generation barocker Dichter, die – wie Hofmannswaldau oder Lohenstein – die Fusion aus Antikenrezeption, Mythologie und höfischer Gesellschaftskultur vorantreiben.
3. Das Motiv der Blumen als Zeichen der Vergänglichkeit ist in der europäischen Lyrik des 17. Jahrhunderts weit verbreitet, von Opitz bis Gryphius. Abschatz aber betont stärker die erotische Dimension.
4. Der Zyklus Anemons und Adonis Blumen knüpft an die antike Tradition des Adonis-Mythos an, der selbst mit Blütenmetamorphosen verbunden ist, und integriert diesen Stoff in eine barocke Poetisierung der Liebe.
5. Das Gedicht reflektiert zugleich die höfische Kultur, in der das Schenken von Blumen ein konventionalisierter Ausdruck von Zuneigung und Gunstbezeugung war.
1. Das Gedicht operiert mit der Dialektik von Eros und Thanatos: die höchste Schönheit entfaltet sich im Moment des Vergehens, das von der Liebe selbst hervorgerufen wird.
2. Das Verhältnis zwischen Natur und Kunst wird reflektiert: die Blumen, ursprünglich Teil des Gartens, werden durch das Pflücken und den poetischen Diskurs in ein Kunstobjekt transformiert.
3. Auch eine poetologische Dimension ist erkennbar: die Blumen stehen für die Verse selbst, die vom Dichter gepflückt und gebunden werden, um in den Händen der Geliebten ihr Ziel zu erreichen.
4. Die Anthropomorphisierung der Natur (Blumen, die beglückt oder sterben) folgt einem barocken Verfahren, das die Welt durchdringt mit Beseeltheit und moralisch-ästhetischem Sinn.
5. Das Gedicht ist zudem ein Exempel barocker Metaphysik der Liebe: das Schöne erfährt seine Erfüllung, indem es geopfert und zerstört wird – Schönheit kann nicht statisch bestehen, sondern lebt in der Bewegung zwischen Entstehen und Vergehen.
1. Das Gedicht besteht aus vier Strophen zu je vier Versen, insgesamt 16 Versen, was eine klare und ausgewogene Struktur ergibt, die den Eindruck von kunstvoller Geschlossenheit verstärkt.
2. Der durchgängige Paarreim (aa bb / cc dd usw.) sorgt für klangliche Geschlossenheit und hebt die Einheit jeder Strophe hervor.
3. Der Versrhythmus folgt einer regelmäßigen barocken Liedform, die sowohl im höfischen als auch im geselligen Kontext vorgetragen werden konnte.
4. Die Sprache ist durch die barocktypische Bildfülle geprägt, reich an mythologischen und floralen Metaphern, die eng ineinander verschränkt sind.
5. Auffällig ist die Bewegung im Gedicht: vom Pflücken (Strophe 1) über das Lob und den Preis (Strophe 2), über die Reflexion auf Vergänglichkeit (Strophe 3) bis zur Schlussvision des schönen Todes (Strophe 4).
1. Das Gedicht entfaltet eine barocke Meditation über die Dialektik von Schönheit und Vergänglichkeit: Blumen sind Zeichen der höchsten Zier, zugleich aber dem sicheren Untergang geweiht.
2. Der Blumenstrauß wird zum Symbol der menschlichen Existenz, die in der Liebe ihre höchste Erfüllung findet, aber im selben Moment dem Vergehen preisgegeben ist.
3. Die mythologischen Figuren Amor und Aurora verankern das Gedicht in einem kosmischen Horizont, wodurch die individuelle Erfahrung von Liebe und Vergänglichkeit universale Geltung erhält.
4. Die Geliebte wird als doppelte Macht gezeichnet: ihre Hand vernichtet die Blumen, aber sie verleiht ihnen zugleich einen höheren Sinn. In ihr kulminiert die Spannung von Zerstörung und Verklärung.
5. Der poetische Gestus verklärt den Tod als schönen Tod: die Blumen sterben nicht sinnlos, sondern werden erhöht, weil sie im Dienst der Schönheit und der Liebe vergehen dürfen.
6. Damit schreibt sich das Gedicht in die barocke Tradition von Vanitas und Carpe diem ein, betont aber stärker die ästhetisch-erotische Dimension: Schönheit gewinnt Sinn erst durch ihre Hingabe und ihr Opfer.
7. Insgesamt zeigt sich ein poetisches Spiel mit Paradoxien: Leben ist Sterben, Zerstörung ist Erhöhung, Verlust ist Gewinn – genau diese Bewegung macht die Glückseligkeit des Blumenstraußes aus.