Quando sarò dinanzi al segnor mio,
di te mi loderò sovente a lui”.
Tacette allora, e poi comincia' io:
Wörtlich-nüchtern (nah am Original)
»Wenn ich einst vor meinem Herrn erscheine,
will ich oft von dir in seinem Lob sprechen.«
Da schwieg sie, und ich begann zu reden:
poetisch-erhöht (in feierlicher Sprache)
»Vor meinem Herrn, wenn ich erscheine dereinst,
wirst du sein Lob durch meine Stimme hören.«
Da schwieg sie – und ich begann zu sprechen:
ausdrucksbetont und psychologisch
»Wenn ich vor meinen Herrn trete,
will ich oft von dir erzählen, ihn mit deinem Lob erfüllen.«
Dann schwieg sie. Und ich setzte an zu sprechen:
Kontext:
Diese Verse gehören zur berühmten Szene, in der Vergil an Dante berichtet, wie Beatrice ihn (Vergil) im Himmel aufgesucht hat, um ihm den Auftrag zu geben, Dante auf seiner Reise durch die jenseitigen Reiche zu geleiten. Die Rede ist also indirekt die Beatrices – übermittelt durch Vergil.
In den Versen 73–74 sagt Beatrice sinngemäß: »Wenn ich vor meinem Herrn (Gott) stehe, werde ich dich oft lobend erwähnen.« Das ist ihre abschließende Begründung für ihre Bitte an Vergil: Sie ehrt ihn mit dem Versprechen, ihn bei Gott zu preisen.
Vers 73: »Quando sarò dinanzi al segnor mio«
»segnor mio« meint Gott – aus der Perspektive Beatrices.
Das Bild des Erscheinens »vor dem Herrn« verweist auf das Jüngste Gericht oder auf eine ständige Präsenz im Paradies.
Sprachlich: Der Ton ist demütig und zugleich erhaben. Das Präsens »sarò« als Futurform unterstreicht Gewissheit.
Vers 74: »di te mi loderò sovente a lui«
»mi loderò di te« bedeutet wörtlich: »Ich werde mich deiner rühmen« – eine klassische lateinisch geprägte Ausdrucksweise.
»sovente« (oft) betont nicht nur Häufigkeit, sondern auch ein emotionales Gewicht.
Das Lob ist nicht nur ein Dank an Vergil, sondern hat eine theologische Dimension: Es wird vor Gott ausgesprochen – sein Tun wird in die göttliche Ordnung aufgenommen.
Vers 75: »Tacette allora, e poi comincia' io«
»Tacette« (sie schwieg) ist sehr wirkungsvoll: Beatrices Worte enden mit dem Versprechen des göttlichen Lobes – und dann Schweigen. Dieses Schweigen hat Gewicht: Es markiert den Höhepunkt der Überzeugungskraft.
Danach beginnt Dante zu sprechen, also der Pilger, bewegt und nun entschlossen. Die Handlung schreitet weiter.
Wirkung und Bedeutung
Diese drei Verse bilden einen Wendepunkt im Canto II.
Beatrice, Symbol der göttlichen Gnade und der erlösenden Liebe, hat durch ihre Fürsprache Vergil bewegt – aber sie ehrt ihn sogar darüber hinaus: Sie verspricht, sein Wirken in die Ewigkeit des göttlichen Lobes einzuschreiben. Das verleiht der gesamten Unternehmung Gewicht.
Das Schweigen am Ende ist nicht Leere, sondern ein dichter Moment der Übergabe: Die Verantwortung wird an Dante weitergereicht, der nun bereit ist, seine Reise zu beginnen.
Diese Szene steht auch im Kontrast zur mittelalterlichen Visionstradition, in der oft Engel stumm handeln oder ohne inneren Zusammenhang auftreten. Bei Dante ist Beatrice eine persönlich Handelnde mit psychologischer Tiefe und rhetorischer Macht.
Stellenkontext: Inferno II, V. 43–75
Dante, von Angst gehemmt, bezweifelt seine eigene Tauglichkeit für die Reise durchs Jenseits. Daraufhin erzählt Vergil, dass eine himmlische Frau—Beatrice—ihn auf die Suche nach Dante geschickt habe. Die relevanten Verse lauten:
43–51: Lucia bittet Beatrice, Dante zu helfen, da er sich in Gefahr befinde.
52–63: Beatrice beschreibt ihre Motivation: Aus Mitleid, Liebe und göttlicher Gnade heraus handelt sie, unberührt von der Angst der Hölle.
64–72: Sie lobt Dante als jemanden, der das "amoroso dir" verdient—ein liebevolles Wort.
73–74: Sie verspricht Vergil:
> "Quando sarò dinanzi al segnor mio, / di te mi loderò sovente a lui.”
> »Wenn ich vor meinem Herrn stehen werde, werde ich oft von dir zu seinen Gunsten sprechen.«
75: Vergil schließt seine Rede; Dante beginnt zu sprechen, bewegt von der himmlischen Sorge um ihn.
Interpretation und Bedeutung dieser Stelle
Die Verse 73–74 sind der emotionale Höhepunkt von Beatrices Rede an Vergil. Sie bringen eine doppelte Dynamik zum Ausdruck:
1. Beatrices Rolle als Fürsprecherin (intercessio):
Wie Maria oder Heilige bei Gott für Menschen eintreten, verspricht Beatrice, Vergil vor »il segnor mio« zu loben—höchstwahrscheinlich Christus. Beatrice agiert hier also in einer Art marianischer Funktion: als Mittlerin zwischen dem Gnadenbereich und dem Irdischen.
2. Die Theologie der Gnade und der gegenseitigen Liebe:
Beatrices Handeln ist Ausdruck der göttlichen caritas, nicht persönlicher Zuneigung oder Pflicht. Dass sie Vergil ihren Dank verspricht, deutet auf das mittelalterliche Verständnis von meritum und intercessio hin: Verdienste, Lob und Fürbitte sind »Währungen« der himmlischen Ordnung.
3. Vergils Motivation:
Der Lohn für seine Mühe ist nicht irdischer Dank, sondern Beatrices Zusage, ihn im Himmel zu loben. In einer Welt, in der alles auf Gott hin ausgerichtet ist, ist das höchste Lob nicht das der Menschen, sondern das vor dem göttlichen Richter.
Vergleich mit anderen Stellen über Beatrice
1. Purgatorio XXX, 31–33
> »Guardami ben: ben son, ben son Beatrice. / Come degnasti d'accedere al monte? / Non sapei tu che qui è l'uom felice?”
> (Beatrice tritt auf und konfrontiert Dante mit seinen moralischen Irrwegen.)
In Purgatorio ist Beatrice keine bloß milde Heilige mehr, sondern eine strenge und fast prophetische Richterin. Ihre Liebe ist nicht sentimental, sondern pädagogisch. Im Unterschied zu Inferno II spricht sie dort nicht durch andere, sondern direkt und mit Autorität.
2. Paradiso XXXI, 70–93
> Dante blickt auf zur »luce etterna« und nennt Beatrice »colei che sì bell'ornamento / fece alla mia via” (diejenige, die so schöner Schmuck meines Weges war).
Hier ist Beatrice bereits Teil des göttlichen Lichts. Ihre Rolle als Vermittlerin hat sich erfüllt; sie hat Dante zu Gott geführt. Das Versprechen aus Inferno II, dass sie »vor dem Herrn« sprechen wird, ist hier bereits eingelöst—nicht durch Worte, sondern durch die Tatsache, dass Dante das Ziel erreicht.
Fazit
Die Verse 73–75 in Inferno II zeigen Beatrice in einer entscheidenden Phase ihrer Funktion: als himmlische Sendbotin, voller Gnade und Fürbitte, noch nicht als Gerichtende oder mystische Gestalt wie in späteren Cantos. Diese Szene stellt den Ursprung eines Transformationsprozesses dar, in dem Beatrice sich von einer idealisierten Geliebten der Vita nuova zur aktiven Heilsfigur des Commedia-Kosmos wandelt.
Die Verse Inf. II, 73–75 stehen am Ende des langen Dialogs zwischen Dante und Vergil im zweiten Gesang des Inferno, wo Dante – noch zögerlich – seine Reise in das Jenseits antreten soll. Die Szene markiert einen zentralen Punkt in der narrativen Entwicklung des gesamten Werkes: den Übergang von passiver Angst zu aktivem Entschluss, eine Entwicklung, die sich in einer klaren narrativen Kurve über das gesamte Commedia-Werk hinweg entfaltet. Hier ist eine knappe Analyse dieses Entwicklungspfades ohne tabellarische Struktur:
Inferno II – Der Beginn des inneren Wandels
In den genannten Versen bestärkt Vergil Dante, indem er ihm mitteilt, dass er bei seinem eigenen Herrn (Beatrice) gut über Dante sprechen werde. Diese Rückversicherung löst bei Dante den entscheidenden Impuls aus: »Tacette allora, e poi comincia' io« – der Moment des Erwachens, des Übergangs von innerer Lähmung zu Handlung.
Das ist der erste Wendepunkt in Dantes Entwicklung: Aus Angst und Zweifel (die Verse davor zeigen sein fast kindliches Zaudern) wird Bewegung. Noch ist er nicht frei, aber er entscheidet sich, der Führung Vergils zu folgen.
Die infernalische Kurve – Erkenntnis durch Abstieg
Im weiteren Verlauf des Inferno durchläuft Dante eine Serie von Konfrontationen mit moralischer Schuld und ihrer Konsequenz. Die Reise führt ihn:
von Mitleid und Unverständnis (z. B. bei Francesca, Canto V),
über Entsetzen (bei den Gewalttätigen und Betrügern),
hin zu einer ersten kritischen Distanzierung vom Bösen, etwa im Umgang mit Bocca degli Abati (Canto XXXII), wo Dante selbst gewaltsam auftritt.
Diese Entwicklung zeigt eine zunehmende innere Klarheit und Urteilskraft. Der Anfangsimpuls aus Canto II wird hier realisiert in einer wachsenden moralischen Eigenständigkeit.
Purgatorio – Läuterung durch Erkenntnis
Dantes Wandlung verläuft weiter über das Purgatorio, wo er nicht nur zuschaut, sondern mitfühlt und mitlernt. Er übernimmt Verantwortung für sein eigenes Seelenheil.
Der Impuls aus Canto II – zu handeln, sich zu entwickeln – findet hier seine nächste Stufe: Aktive Selbstreflexion (etwa im Gespräch mit Marco Lombardo, Canto XVI) und eine wachsende innere Freiheit.
Paradiso – Aufstieg zur Intuition und Liebe
Am Ende des Weges, besonders in den letzten Canti des Paradiso, ist Dante nicht mehr der Zweifler aus Canto II, sondern ein Mystiker, der das Göttliche in einer Schau erkennt (Canto XXXIII).
Die narrative Kurve kulminiert in einer Vereinigung mit dem höchsten Prinzip (l'amor che move il sole e l'altre stelle), das schon in der Beatrice-Rede am Anfang angekündigt wurde. Was in Inferno II als bloße Motivation durch andere (Beatrice, Lucia, Maria) beginnt, mündet in eine eigene, transzendente Schau.
Fazit
Die Verse 73–75 markieren den Anfang einer Kurve, die sich so beschreiben lässt:
Ausgangspunkt: äußere Hilfe, Unsicherheit, Anstoß durch Autoritäten
Mittelpunkt: moralische Konfrontation, allmähliche Autonomie
Höhepunkt: innere Einheit, Selbsterkenntnis und mystische Vereinigung
Die Commedia ist also nicht nur ein Weg durch das Jenseits, sondern eine Erzählung spiritueller und moralischer Selbstwerdung, deren narrative Spannung genau in dieser Wandlung liegt – und die ihren Ausgang in diesen scheinbar schlichten Versen des zweiten Gesangs nimmt.