Ma io, perché venirvi? o chi 'l concede?
Io non Enea, io non Paulo sono:
me degno a ciò né io né altri 'l crede.
wörtlich und schlicht
Doch ich – warum soll ich dorthin gehen? Wer lässt mich?
Ich bin nicht Äneas, nicht Paulus:
Mich hält für würdig dazu – ich nicht, kein anderer.
literarisch und rhythmisch
Doch warum soll ich gehen, wer gewährt es?
Ich bin kein Äneas, nicht Paulus gar:
Nicht ich noch sonst ein Mensch hält mich für wert.
dramatisch und poetisch
Doch ich – warum soll ich folgen? Wer erlaubt es?
Ich bin nicht Äneas, nicht der heilige Paulus:
Kein Mensch, nicht einmal ich, hält mich für würdig.
Kontext
Diese Passage stammt aus dem zweiten Gesang des Inferno, in dem Dante sich weigert, die bevorstehende Reise durch die Hölle anzutreten. Vergil hat ihn als Führer angeboten bekommen, und Dante zögert – nicht aus Angst vor der Hölle, sondern wegen Selbstzweifeln über seine eigene Würdigkeit.
Vers 31: »Ma io, perché venirvi? o chi ’l concede?«
»Doch ich, warum soll ich dorthin gehen?« – Hier stellt Dante eine rhetorische Frage. Er zweifelt nicht an der Reise an sich, sondern an seiner Rolle darin.
»o chi ’l concede?« – »Wer erlaubt es?« betont seine Unsicherheit, ob er die göttliche Erlaubnis hat – ein Ausdruck mittelalterlicher Demut und göttlicher Legitimation.
→ Theologisch
Dante fragt sich: Ist es rechtens, dass ein Sünder wie ich in göttliche Gefilde eindringt? Dies ist nicht nur Selbstzweifel, sondern eine tiefgehende Frage nach Berufung und Legitimation.
Vers 32: »Io non Enea, io non Paulo sono:«
Dante vergleicht sich mit zwei exemplarischen Figuren:
Äneas: der trojanische Held (Aeneis, Buch VI), der in die Unterwelt hinabstieg, um seinen Vater Anchises zu treffen – ein heidnisches Vorbild der pietas.
Paulus: der Apostel, der (laut 2 Kor 12) ins »dritte Himmelreich« entrückt wurde – eine christliche Vision.
Beide Männer wurden von göttlichem Willen getragen. Dante hingegen fühlt sich als »gewöhnlicher« Mensch, der diesen Ruhm nicht beanspruchen kann.
→ Intertextuell
Dante schlägt eine Brücke von heidnischer zu christlicher Tradition – typisch für sein Werk. Er erkennt große Vorbilder an, um sich selbst als kleinen, zweifelnden Menschen zu zeigen.
Der Vers wirkt fast programmatisch: Dantes Commedia erhebt literarisch denselben Anspruch wie Aeneis und biblische Offenbarung – aber das in der Demut des Zweifels.
Vers 33: »me degno a ciò né io né altri ’l crede.«
»Mich für würdig hält – weder ich noch sonst jemand.« – Diese Aussage betont die persönliche Demut.
Sie erinnert an mittelalterliche humilitas, die als Voraussetzung wahrer Größe gilt.
→ Psychologisch
Der Vers bringt das Ringen zwischen Berufung und Zweifel auf den Punkt. Es ist ein inneres Zwiegespräch zwischen einem Ruf (via Vergil/Beatrice) und der Unfähigkeit, sich selbst als Werkzeug göttlicher Absicht zu sehen.
Fazit: Die Bedeutung der Passage
Diese drei Verse sind ein Wendepunkt:
Dantes Zweifel machen ihn menschlich – er ist kein strahlender Held, sondern ein Mensch mit Angst, Minderwertigkeit, Zögern.
Sie leiten die göttliche Legitimation ein: Nach diesem Zweifel wird Beatrices Intervention enthüllt – ein göttliches Zeichen, dass Dante doch berufen ist.
Die Passage spiegelt das Spannungsfeld zwischen Mensch und Gnade, zwischen Leistung und Erwählung – ein zentrales Thema der gesamten Commedia.