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Johann Wolfgang Goethe
Sämtliche Gedichte

Anfänge

Bei dem erfreulichen Anbruche
des 1757. Jahres
wolte
seinen hochgeehrtesten und hertzlichgeliebten
Gros Eltern
die Gesinnungen kindlicher Hoch-
achtung und Liebe
durch
folgende Segens Wünsche
zu erkennen geben
deroselben
treugehorsamster Enckel
Johann Wolfgang Goethe


Erhabner GrosPapa!
Ein Neues Jahr erscheint,
Drum muß ich meine Pflicht und Schuldigkeit entrichten,
Die Ehrfurcht heist mich hier aus reinem Hertzen dichten,
So schlecht es aber ist, so gut ist es gemeint.
Gott, der die Zeit erneut, erneure auch Ihr Glück,5
Und cröne Sie dies Jahr mit stetem Wohlergehen
Ihr Wohlseyn müsse lang so fest wie Cedern stehen,
Ihr Thun begleite stets ein günstiges Geschick;
Ihr Haus sey wie bisher des Segens Sammelplatz,
Und lasse Sie noch spät Möninens Ruder führen,10
Gesundheit müsse Sie bis an Ihr Ende zieren,
Dann diese ist gewiß der allergröste Schatz.

Erhabne GrosMama!
Des Jahres erster Tag
Erweckt in meiner Brust ein zärtliches Empfinden,
Und heist mich ebenfals Sie ietzo anzubinden15
Mit Versen, die vielleicht kein Kenner lesen mag;
Indessen hören Sie die schlechte Zeilen an,
Indem sie wie mein Wunsch aus wahrer Liebe fliesen
Der Segen müsse sich heut über Sie ergiesen,
Der Höchste schütze Sie, wie er bisher getan.20
Er wolle Ihnen stets, was Sie sich wünschen, geben,
Und lasse Sie noch oft ein Neues Jahr erleben.
Dies sind die Erstlinge, die Sie anheut empfangen,
Die Feder wird hinfort mehr Fertigkeit erlangen.

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