Genesis 04:25

Luther 1545
Adam erkandte aber mal sein weib / vnd sie gebar einen Son den hies sie Seth / Denn Gott hat mir (sprach sie) einen andern samen gesetzt fur Habel den Kain erwürget hat.
Luther 1912
Adam erkannte abermals sein Weib, und sie gebar einen Sohn, den hieß sie Seth; denn Gott hat mir, sprach sie, einen andern Samen gesetzt für Abel, den Kain erwürgt hat.

Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 04:25

1Mo 4:25 Und Adam erkannte sein Weib abermal; die gebar einen Sohn und nannte ihn Seth; denn Gott hat mir für Abel einen andern Samen gesetzt, weil Kain ihn umgebracht hat.
1Mo 5:3 Und Adam war 130 Jahre alt, als er einen Sohn zeugte, ihm selbst gleich, nach seinem Bilde, und nannte ihn Seth.
1Mo 5:4 Und nachdem er den Seth gezeugt, lebte Adam noch 800 Jahre und zeugte Söhne und Töchter;
1Chr 1:1 Adam, Seth, Enosch,
Lk 3:38 des Enos, des Set, des Adam, Gottes.
1Mo 4:1 Und Adam erkannte sein Weib Eva; sie aber empfing und gebar den Kain. Und sie sprach: Ich habe einen Mann bekommen mit der Hilfe des HERRN!
1Mo 4:8 Da redete Kain mit seinem Bruder Abel. Es begab sich aber, als sie auf dem Felde waren, da erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.
1Mo 4:10 Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde!
1Mo 4:11 Und nun sollst du verbannt sein aus dem Land, das seinen Mund aufgetan hat, das Blut deines Bruders zu empfangen von deiner Hand!

Biblisches Hebräisch (Masoretischer Text)

וַיֵּ֤דַע אָדָם֙ ע֛וֹד אֵ֥ת אִשְׁתּ֖וֹ וַתֵּ֣לֶד בֵּ֑ן וַתִּקְרָ֤א אֶת־שְׁמוֹ֙ שֵׁ֔ת כִּ֣י שָׁ֧ת לִ֛י אֱלֹהִ֖ים זֶ֣רַע אַחֵ֑ר תַּ֣חַת הֶֽבֶל כִּֽי־הֲרָגֻ֖הוּ קָֽיִן׃
Wa-yēdaʿ ʾĀdām ʿôd ʾet ʾištô, wa-tēled bēn; wa-tiqrā ʾet-šəmô Šēt, kî šāt lī ʾĕlōhîm zeraʿ ʾaḥēr taḥat Hevel, kî hărāgû-hû Qayin.

Biblisches Griechisch (Septuaginta)

Καὶ ἔγνω Αδὰμ τὴν γυναῖκα αὐτοῦ, καὶ ἔτεκεν υἱόν, καὶ ἐκάλεσεν τὸ ὄνομα αὐτοῦ Σὴθ, λέγουσα· Ἀνέστησέν μοι ὁ Θεὸς σπέρμα ἕτερον ἀντὶ Ἅβελ, ὃν ἀπέκτεινεν Κάϊν.
Kai égnō Adàm tēn gynaika autou, kai éteken hyión, kai ekálesen to ónoma autou Sēth, légousa: Anéstēsen moi ho Theòs spérma héteron antì Hábel, hon apékteinen Káïn.

Biblisches Lateinisch (Vulgata)

Cognovit quoque Adam uxorem suam iterum: quae peperit filium, vocavitque nomen eius Seth, dicens: Posuit mihi Deus semen aliud pro Abel, quem occidit Cain.

Semantische Analyse (Luther 1912)

Der Satz ist dicht gefügt und altertümlich formuliert. Das Wort »erkannte« (»erkannte abermals sein Weib«) steht für den Geschlechtsverkehr, doch auf einer höheren Ebene auch für eine existentielle, leiblich-geistige Vereinigung. Die Formulierung »Gott hat mir … einen andern Samen gesetzt« verleiht dem Neugeborenen eine theologische Bedeutung: Seth ist nicht bloß Kind, sondern »Ersatz« für den verlorenen Abel. Das Verb »setzen« (hebräisch שׁוּת, šût) trägt dabei Schöpfungskonnotation – Gott ist aktiv handelnd. Der Vers endet mit einer Rückbindung: Abel wurde »erwürgt« von Kain – ein letztes Echo des Brudermords.

Theologische Vertiefung

Theologisch eröffnet sich hier der Gedanke der restaurativen Gnade: Gott lässt trotz der Sünde (Kains Brudermord) neues Leben entstehen. Seth wird von Eva nicht bloß als weiterer Sohn verstanden, sondern als von Gott »gesetzter« Same – das verweist auf ein schöpfungstheologisches Vertrauen. In der späteren jüdischen und christlichen Tradition gilt Seth als Stammvater der »guten Linie«, also jener Linie, aus der Noah und damit letztlich das neue Menschengeschlecht nach der Sintflut hervorgeht. Der Kontrast zwischen Kains Linie (mörderisch, zivilisatorisch) und Seths Linie (gottesfürchtig, kulturschöpferisch) ist grundlegend.

Literarische Vertiefung

Der Vers hat eine klare, kreisförmige Struktur: Geburt – Namensgebung – theologische Deutung – Rückbindung an den Mord. Das ist narrativ hoch verdichtet. Seth ist keine bloße Figur, sondern ein narrativer Knotenpunkt: Er ist Neuanfang, Rückbezug und Hoffnung. Der Klang der Wörter – »Seth«, »Samen«, »gesetzt« – webt eine lautmalerische Verbindung, die den göttlichen Willen und die mütterliche Trauer poetisch vermittelt.

Kulturgeschichtliche Vertiefung

In der altorientalischen Welt hatte die Benennung eines Kindes häufig kultische oder symbolische Bedeutung. Der Name »Seth« (hebräisch שֵׁת, »Ersatz«, »Setzung«) ist kulturell bedeutungsvoll: Er steht für Kontinuität in der Abstammungslinie – ein zentrales Motiv in patriarchalen Kulturen. Die Erwähnung Gottes als Setzender stellt einen Kontrast zur rein biologischen Vaterschaft Adams her – das göttliche Prinzip hat hier eine die Kultur prägende Rolle: Ordnung, Erneuerung, Kontinuität trotz Gewalt.

Anthropologische Vertiefung

Anthropologisch berührt der Vers die Frage: Wie geht der Mensch mit Verlust und Gewalt um? Eva benennt ihr neues Kind nicht aus Freude über neues Leben, sondern im Angesicht des Todes. Seth ist »Ersatz«, nicht bloß Sohn. Damit wird ein tiefes anthropologisches Muster sichtbar: Der Mensch lebt in zyklischen Mustern von Geburt, Verlust und Neuorientierung – wobei Sprache, Namensgebung und religiöse Deutung eine Sinnstruktur schaffen. Mutterliebe, Trauer, Hoffnung, Reproduktion: All diese anthropologischen Konstanten liegen unter der Oberfläche dieses Verses.

Allegorisch-Metaphorische Vertiefung

Allegorisch kann Seth als Christusfigur gelesen werden – ein neuer Same, gesetzt durch göttlichen Willen, nachdem ein erster Mensch (Abel) durch menschliche Schuld gestorben ist. Abel ist der Typus des Gerechten, der stirbt; Seth ist der Typus des Neuen, der Leben bringt. Der »Samen« (hebräisch זֶרַע, zeraʿ) ist in biblischer Sprache oft Träger der Verheißung. In diesem Sinn ist Seth ein Bild des Verheißenen, des zukünftigen Heils. Die Metapher des Setzens ist fruchtbar: Gott als Gärtner, der neu pflanzt, wo Tod herrschte.

Psychologische Vertiefung

Psychologisch zeigt der Vers eine tiefe, ambivalente Verarbeitung von Schuld und Verlust. Eva benennt Seth mit einem Blick in die Vergangenheit – sie spricht Abel, das Opfer, noch einmal aus – und zugleich mit einem Blick in die Zukunft: Seth ist nicht bloß »weiteres Kind«, sondern Ersatz. Das kann man als psychologische Kompensation deuten – aber auch als Transformation von Trauma in Hoffnung. Die Tatsache, dass der Vers keine Emotion benennt, sondern eine Handlung und Deutung zeigt, legt nahe: Sprache wird hier zur Bewältigung von Schmerz verwendet.

Philosophische Vertiefung

Philosophisch kreist der Vers um Fragen der Identität und Kontinuität. Wenn Seth ein »anderer Same« ist – ist er dann Abel? Ist er ein neues Subjekt? Gibt es Kontinuität im Bruch? Hier wird die Frage aufgeworfen, ob Geschichte linear oder zyklisch ist, ob ein Mensch ersetzbar ist – und ob Bedeutung durch göttliche Setzung entsteht oder durch menschliches Erinnern. Auch der Begriff des »Erkennens« (sexuelle Vereinigung) birgt philosophisches Potential: Erkenntnis als schöpferischer Akt, als Verbindung von Körper, Geist und Sinn.

Poetische Vertiefung

Poetisch lebt der Vers von einer feinen Spannung zwischen Tod und Geburt, Erinnerung und Hoffnung. Die Alliteration von »gesetzt«, »Seth«, »Samen« bildet ein lyrisches Netz. Der Satz wirkt wie eine Klage und ein Trostlied zugleich. Im Zentrum steht ein unsichtbares Drama: Eine Mutter, die erneut gebiert, aber nicht als tabula rasa – sondern als Trägerin einer Geschichte. Der Name Seth ist dabei wie ein stiller Laut inmitten von Gewalt – der Beginn eines neuen Liedes in einer zerrissenen Welt.

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