Luther 1545
Vnd Ada gebar Jabal / Von dem sind her komen die in Hütten woneten vnd vieh zogen /
Luther 1912
Und Ada gebar Jabal; von dem sind hergekommen, die in Hütten wohnten und Vieh zogen.
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 04:20
1Mo 4:20 Und Ada gebar Jabal; derselbe wurde der Vater der Zeltbewohner und Herdenbesitzer.
1Mo 4:21 Und sein Bruder hieß Jubal; derselbe wurde der Vater aller Harfen und Flötenspieler.
1Chr 2:50 Das waren die Söhne Kalebs: die Söhne Churs, des Erstgeborenen von Ephrata, waren Schobal, der Vater von Kirjat-Jearim,
1Chr 4:4 sodann Penuel, der Vater Gedors, und Eser, der Vater Chuschas. Das sind die Söhne Churs, des Erstgeborenen Ephratas, des Vaters von Bethlehem.
1Chr 4:5 Und Aschchur, der Vater von Tekoa, hatte zwei Frauen, Chela und Naara.
Joh 8:44 Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und was euer Vater begehrt, wollt ihr tun; der war ein Menschenmörder von Anfang an und ist nicht bestanden in der Wahrheit, denn Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben.
Röm 4:11 Und er empfing das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, welchen er schon vor der Beschneidung hatte; auf daß er ein Vater aller unbeschnittenen Gläubigen sei, damit auch ihnen die Gerechtigkeit zugerechnet werde;
Röm 4:12 und auch ein Vater der Beschnittenen, die nicht nur aus der Beschneidung sind, sondern auch wandeln in den Fußstapfen des Glaubens, den unser Vater Abraham hatte, als er noch unbeschnitten war.
Analyse
Auch Heideggers Begriff der »Wohnung« als Sein-zum-Tode könnte hier anklingen: Die Hütte ist keine Festung, sondern eine symbolische Behausung im Zwischen – ein Ort des Übergangs.
Insgesamt zeigt Genesis 4,20–22: Die Menschheit ist nicht nur zum Überleben fähig, sondern auch zur Gestaltung. Diese Kulturheroen sind zugleich Zeugen des Fortschritts und Spiegel der ethischen Herausforderung, die mit jeder Errungenschaft einhergeht.
Biblisches Hebräisch (Masoretischer Text)
וַתֵּ֣לֶד עָדָ֔ה אֶת־יָבָ֑ל ה֚וּא הָיָ֣ה אֲבִ֔י יֹשֵׁ֖ב אֹ֥הֶל וּמִקְנֶֽה׃
Va-têled ʿAdah et-Yaval; hûʾ hāyā ʾăvî yōshêv ʾōhel ûmiqneh.
וַתֵּ֣לֶד עָדָ֔ה (va-têled ʿAdah) – »Und Ada gebar«
→ וַתֵּלֶד ist Qal, Imperfekt, 3. f. sg. von ילד (yalad) – »gebären«. Das narrative Waw kennzeichnet einen fortschreitenden Handlungsverlauf.
→ עָדָה (ʿAdah) ist Subjekt, eine der Frauen Lamechs.
אֶת־יָבָ֑ל (et-Yaval) – »den Jabal«
→ אֶת markiert das direkte Objekt.
→ יָבָל (Yaval) ist ein Personenname, möglicherweise verwandt mit dem Verb ybl – »führen, bringen«.
הוּא הָיָה (hûʾ hāyā) – »er war«
→ Betonung durch das Personalpronomen הוּא (er), vorangestellt zur Hervorhebung.
→ הָיָה ist Qal, Perfekt, 3. m. sg. von hāyā – »sein«.
אֲבִי (ʾăvî) – »der Vater von«
→ Im konstruktus (verknüpfte Form) zu אָב – »Vater«. Hier im übertragenen Sinn: Begründer oder Ahnherr.
יֹשֵׁב אֹהֶל (yōshêv ʾōhel) – »der in Zelten/Hütten wohnt«
→ יֹשֵׁב ist Partizip Qal, m. sg. von yāshav – »wohnen, sitzen«.
→ אֹהֶל – »Zelt«, häufig als Symbol nomadischen Lebens.
וּמִקְנֶה (ûmiqneh) – »und Viehbesitz/Viehzucht«
→ וּ (und), מִקְנֶה von der Wurzel qnh, »erwerben, besitzen« – speziell: Viehbesitz. In nomadischen Kontexten zentrale Lebensgrundlage.
וּמִקְנֶה
Kurzfazit:
Jabal erscheint hier als Urvater der nomadischen Viehzüchter – ein Prototyp des in Zelten lebenden Hirten. Sprachlich auffällig ist die Konstruktion אֲבִי + Partizip + Substantiv, die eine formelhafte Zuschreibung genealogischer Archetypen erzeugt.
Biblisches Griechisch (Septuaginta, LXX)
καὶ ἔτεκεν Αδα τον Ιουβαλ· οὗτος ἦν πατὴρ τοῦ κατοικοῦντος ἐν σκηναῖς μετὰ κτηνοτροφίας.
Kai eteken Ada ton Iouval; houtos ēn patēr tou katoikountos en skēnais meta ktēnotrophias.
καὶ ἔτεκεν Αδα (kai eteken Ada) – »und Ada gebar«
→ ἔτεκεν ist Aorist Akt. Ind. 3. Sg. von τίκτω – »gebären«.
→ Wörtlich: »Ada gebar«.
τον Ιουβαλ (ton Iouval) – »den Joubal/Jabal«
→ Der Personenname ist griechisch wiedergegeben. Artikel τον (Akk. Sg. m.).
οὗτος ἦν πατὴρ (houtos ēn patēr) – »dieser war Vater von«
→ οὗτος (dieser) – demonstratives Pronomen zur Hervorhebung.
→ ἦν – Imperfekt von εἰμί (sein).
→ πατὴρ – »Vater«, metaphorisch als Begründer.
τοῦ κατοικοῦντος ἐν σκηναῖς (tou katoikountos en skēnais) – »desjenigen, der in Zelten wohnt«
→ τοῦ κατοικοῦντος – Genitiv Singular Partizip Präsens von κατοικέω – »wohnen, siedeln«.
→ ἐν σκηναῖς – »in Zelten« (Dativ Pl. von σκηνή), klassische Bezeichnung für Nomadenleben.
μετὰ κτηνοτροφίας (meta ktēnotrophias) – »mit Viehzucht«
→ μετά + Genitiv: »mit, in Gemeinschaft mit«.
→ κτηνοτροφία – »Viehhaltung«, aus κτῆνος (Vieh) und τρέφω (ernähren).
μετὰ κτηνοτροφίας
Kurzfazit:
Die Septuaginta gibt den hebräischen Text recht frei, aber anschaulich wieder: Sie ersetzt »wohnen im Zelt« und »Besitz von Vieh« durch die Formulierung »wohnen in Zelten mit Viehzucht«. Das Partizip κατοικοῦντος betont das dauerhafte Wohnen, nicht nur das Nomadenhafte.
Biblisches Lateinisch (Vulgata)
Porro Ada peperit Iabel, qui fuit pater habitantium in tentoriis atque pastorum.
Porro Ada peperit Iabel – »Ferner gebar Ada Jabel«
→ Porro – »ferner, weiterhin« – stilistisch verbindend.
→ peperit – Perfekt von pario – »gebären«.
→ Iabel – latinisierte Namensform.
qui fuit pater – »der war Vater von«
→ qui – Relativpronomen, Nominativ Singular Maskulin.
→ fuit – Perfekt von esse – »sein«.
→ pater – »Vater«, wie im Hebräischen metaphorisch: Begründer.
habitantium in tentoriis – »der in Zelten Wohnenden«
→ habitantium – Genitiv Plural Partizip Präsens von habito – »wohnen«.
→ in tentoriis – »in Zelten« (Ablativ Plural von tentorium), wie im klassischen Latein üblich.
atque pastorum – »und der Hirten«
→ atque – »und außerdem, und auch«.
→ pastorum – Genitiv Plural von pastor, »Hirte«.
atque pastorum
Kurzfazit:
Die Vulgata übersetzt sehr interpretierend und verdichtet den Ausdruck zu: Jabal ist der Vater zweier Gruppen – der Zeltnomaden und der Hirten. Die Trennung durch atque hebt die Doppelfunktion Jabals hervor und nimmt eine syntaktische Erweiterung vor, die im Hebräischen implizit bleibt.
Semantische Analyse des Luther-Texts
Der Vers besteht aus zwei Teilen:
• »Und Ada gebar Jabal;« → eine einfache genealogische Aussage. »Gebar« ist das starke Verb für die Geburt eines Kindes, Ada ist die Frau Lamechs.
• »von dem sind hergekommen, die in Hütten wohnten und Vieh zogen.« → eine Beschreibung der Nachkommenschaft oder Traditionslinie Jabals. Das Partizip »hergekommen« betont die Ursprungshaftigkeit: Jabal ist der Stammvater einer bestimmten Lebensform. »Hütten« (hebr. 'ohel) meint provisorische, transportable Behausungen – typisch für Nomaden. »Vieh zogen« ist Ausdruck einer wandernden, weidewirtschaftlichen Existenzform.
• Sprachlich herrscht eine archaische Schlichtheit, die typisch für die Lutherbibel ist – ohne schmückendes Beiwerk, direkt, aber bedeutungsoffen.
Theologische Deutung
• Jabal gilt als Urvater der Nomadenkultur. In einer frühbiblischen Genealogie nach dem Sündenfall und der Vertreibung aus Eden taucht er als Kulturbegründer auf – zusammen mit seinen Brüdern Jubal (Musik) und Thubal-Kain (Metallbearbeitung). Die Linie Kains (zu der Jabal gehört) wird oft negativ konnotiert, dennoch beschreibt die Bibel hier keine moralische Wertung, sondern eine theologische Anerkennung der kulturellen Differenzierung.
• Das bedeutet: Auch außerhalb der Linie Seths (der später als Träger der Heilsgeschichte gilt) ist Gottes schöpferischer Impuls wirksam. Die Kulturentwicklung ist nicht bloß ein Abfall vom Paradiesischen, sondern zugleich ein Ausdruck menschlicher Kreativität, letztlich in Gott gegründet.
Literarische Einordnung
• Der Vers ist Teil einer Kulturtafel innerhalb der Urgeschichte (Genesis 1–11). Kapitel 4,17–22 beschreibt mehrere »Erfinder«: Jabal (Nomadentum), Jubal (Musik), Thubal-Kain (Metallkunst). Diese Passagen stehen literarisch in der Nähe antiker mesopotamischer Erzählungen, in denen zivilisatorische Erfindungen mythisch übermittelt werden (vgl. Enuma Elisch, sumerische Königsliste).
• Die Struktur ist genealogisch, aber funktional: Namen stehen nicht nur für Personen, sondern für ganze Kulturelemente. Das ist ein literarisches Verfahren, um Entwicklung zu erzählen, ohne historisierend zu sein.
Kulturgeschichtliche Dimensionen
• Jabal repräsentiert den Beginn der nomadischen Viehzüchterkultur – vermutlich Hirten mit Schafen, Ziegen oder Kamelen. Die Sesshaftwerdung des Menschen begann in der Jungsteinzeit, doch Nomadismus blieb Jahrtausende lang eine weitverbreitete Lebensform.
• Die Nennung von Hütten und Viehhaltung verweist auf die frühe Trennung zwischen Ackerbauern und Hirten – eine auch kulturgeschichtlich bedeutsame Dichotomie (vgl. Kain als Ackerbauer, Abel als Hirte). Jabals Erwähnung macht die Kultur der Nomaden zu einem gleichwertigen Gründungsmodell der Menschheit.
Anthropologische Dimensionen
• Anthropologisch gesehen verkörpert Jabal eine Grundform menschlichen Daseins: das unterwegs sein, die Verwurzelung im Provisorischen, das Leben in Bewegung und Abhängigkeit von der Natur. Der Mensch wird hier nicht als Herrscher, sondern als mitgehender, begleitender Teil eines ökologischen Systems gezeichnet.
• Auch steckt hier ein frühes anthropologisches Bewusstsein: Der Mensch differenziert sich durch Lebensform, Technik und Kultur – und gestaltet sich selbst neu. In Jabal beginnt das, was man als den »kulturellen Menschen« bezeichnen kann.
Allegorisch-metaphorische Dimensionen
• Allegorisch kann Jabal für den inneren Nomaden stehen – jenen Aspekt des Menschen, der nicht sesshaft wird in einer Welt, die vergänglich ist. Seine Hütten symbolisieren das Zelt der Vergänglichkeit, seine Herden die Pflege und Sorge, die mit dem Leben in der Welt verbunden ist.
• Metaphorisch könnte man sagen: Jabal ist der Archetyp des wandernden Bewusstseins, das immer auf der Suche ist nach einer Heimat, die nicht bloß irdisch ist. Er trägt das Bild des Pilgers in der Welt.
Psychologische Vertiefung
• Psychologisch verweist Jabal auf die Fähigkeit des Menschen zur Anpassung, Improvisation und Mobilität. Sein Leben in Hütten ist Ausdruck des temporären Wohnens im Dasein, sein Umgang mit Tieren ein Symbol für emotionale Bindung, Pflege, vielleicht sogar projizierte Affekte.
• Er verkörpert eine seelische Haltung, die zwischen Unruhe und Fürsorge pendelt – ohne festen Boden, aber mit innerer Ordnung. Die psychologische Figur Jabals könnte als Nomade der Seele verstanden werden: offen, verletzlich, aber auch kreativ und beziehungsfähig.
Philosophische Vertiefung
• Philosophisch kann Jabal als Gegenentwurf zum homo faber verstanden werden: Nicht der Gestalter der festen Welt, sondern der Mitwanderer, der sich auf das Prozesshafte einlässt. Sein Leben widerspricht der Idee eines stabilen Selbst oder einer fixen Ordnung.
• In einem existenzialistischen Sinn könnte man sagen: Jabal ist ein Bild für das »Geworfensein« des Menschen in eine Welt, die keine festen Strukturen vorgibt. Er muss sich einrichten – immer wieder neu, mit dem, was da ist.
Nachkommen von Lamech, die als Kulturheroen bezeichnet werden
1. Jabal – der Urvater der Nomadenhirten (Vers 20)
> »Und Ada gebar Jabal; von dem sind hergekommen, die in Zelten wohnen und Vieh haben.«
Jabal gilt als der Stammvater derjenigen, die in Zelten leben und Viehzucht betreiben. Er steht damit für die mobile, pastorale Lebensweise. Das Leben in Zelten deutet auf ein Leben in der Steppe hin, außerhalb der städtischen Ordnung, und die Viehzucht auf eine frühe Form der Wirtschaft und Nahrungsmittelproduktion. Jabal bringt also eine Lebensweise hervor, die Organisation, Besitz und Mobilität umfasst – zentrale Aspekte menschlicher Zivilisation.
2. Jubal – der Urvater der Musiker (Vers 21)
> »Und der Name seines Bruders war Jubal; der ist der Vater aller, die Harfe und Flöte spielen.«
Jubal ist der Begründer der Musik. Die Erwähnung von »Harfe und Flöte« steht symbolisch für die gesamte musikalische Kunst. Musik ist nicht nur Unterhaltung, sondern in vielen Kulturen auch ein Mittel zur religiösen Ausdrucksform, zur Heilung oder zur sozialen Bindung. In ihm wird der kreative, künstlerische Impuls der Menschheit verdichtet. Er steht damit für die ästhetische und spirituelle Dimension der Kultur.
3. Tubal-Kain – der Urvater der Metallverarbeitung (Vers 22)
> »Und Zilla gebar auch, nämlich Tubal-Kain, den Meister in allerlei Erz- und Eisenwerk.«
Tubal-Kain ist der Begründer des Metallhandwerks. Mit ihm beginnt die technische Entwicklung: das Schmieden von Werkzeugen, vielleicht auch von Waffen. Die Ambivalenz dieser Fähigkeit liegt auf der Hand – Metall kann zum Bauen wie zum Töten dienen. Der Name »Kain« im Doppelnamen lässt eine Verbindung zum ersten Brudermörder vermuten, wodurch hier auch eine dunkle Seite der menschlichen Kultur mitschwingen kann.
Gemeinsame Deutung
Zusammen bilden die drei Kulturheroen ein Dreieck zentraler menschlicher Kulturleistungen:
Wirtschaftlich-praktisch (Jabal: Viehzucht)
Künstlerisch-emotional (Jubal: Musik)
Technisch-instrumentell (Tubal-Kain: Metall)
Alle drei wirken als Begründer wesentlicher Lebensbereiche – Nahrung, Ausdruck, Werkzeug –, die zusammen die menschliche Zivilisation ermöglichen. Der Text deutet an, dass diese kulturellen Entwicklungen nicht nur durch göttliche Offenbarung kommen, sondern auch aus der menschlichen Linie außerhalb des Paradieses stammen, also trotz des Sündenfalls. Es ist eine realistische Anthropologie: Der Mensch bleibt schöpferisch, auch in der Ferne von Gott.
Manche Ausleger sehen darin eine Art »zweite Schöpfungsgeschichte«, in der nicht Gott allein handelt, sondern der Mensch Mitgestalter der Welt wird – mit all der Ambivalenz, die das mit sich bringt. Die Kultur wird nicht verurteilt, aber sie ist auch nicht rein. Sie ist Produkt menschlicher Genialität, aber auch verbunden mit Gewalt (vgl. Lamechs Lied in Vers 23–24).