Genesis 04:04

Luther 1545 Vnd Habel bracht auch von den Erstlingen seiner Herde vnd von jrem fetten. Vnd der HERR sahe gnediglich an Habel vnd sein Opffer /
Luther 1912 und Abel brachte auch von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer;

genesis04

Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 04:04

1Mo 4:4 und Abel brachte auch von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig an Abel und sein Opfer;
3Mo 3:16 Und der Priester soll's anzünden auf dem Altar zur Speise des Feuers zum süßen Geruch. Alles Fett ist des HERRN.
3Mo 3:17 Das sei eine ewige Sitte bei euren Nachkommen in allen Wohnungen, daß ihr kein Fett noch Blut esset.
1Mo 15:17 Als nun die Sonne untergegangen und es finster geworden war, siehe, da rauchte ein Ofen, und ein Feuerflamme fuhr zwischen den Stücken hin.
3Mo 9:24 Und ein Feuer ging aus von dem HERRN und verzehrte auf dem Altar das Brandopfer und das Fett. Da das alles Volk sah, frohlockten sie und fielen auf ihr Antlitz.
4Mo 16:35 Dazu fuhr das Feuer aus von dem HERRN und fraß die zweihundertundfünfzig Männer, die das Räuchwerk opferten.
Rich 6:21 Da reckte der Engel des HERRN den Stecken aus, den er in der Hand hatte, und rührte mit der Spitze das Fleisch und das Ungesäuerte an. Und das Feuer fuhr aus dem Fels und verzehrte das Fleisch und das Ungesäuerte. Und der Engel des HERRN verschwand aus seinen Augen.
1Kön 18:24 So rufet ihr an den Namen eures Gottes, und ich will den Namen des HERRN anrufen. Welcher Gott nun mit Feuer antworten wird, der sei Gott. Und das ganze Volk antwortete und sprach: Das ist recht.
1Kön 18:38 Da fiel das Feuer des HERRN herab und fraß Brandopfer, Holz, Steine und Erde und leckte das Wasser auf in der Grube.
1Chr 21:26 Und David baute daselbst dem HERRN einen Altar und opferte Brandopfer und Dankopfer. Und da er den HERRN anrief, erhörte er ihn durch das Feuer vom Himmel auf den Altar des Brandopfers.
2Chr 7:1 Und da Salomo ausgebetet hatte, fiel ein Feuer vom Himmel und verzehrte das Brandopfer und die anderen Opfer; und die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus,
Ps 20:3 Er sende dir Hilfe vom Heiligtum und stärke dich aus Zion.
Heb 11:4 Durch den Glauben hat Abel Gott ein größeres Opfer getan denn Kain; durch welchen er Zeugnis überkommen hat, daß er gerecht sei, da Gott zeugte von seiner Gabe; und durch denselben redet er noch, wiewohl er gestorben ist.
2Mo 13:12 so sollst du aussondern dem HERRN alles, was die Mutter bricht, und alle Erstgeburt unter dem Vieh, was ein Männlein ist.
4Mo 18:12 Alles beste Öl und alles Beste vom Most und Korn, nämlich ihre Erstlinge, die sie dem HERRN geben, habe ich dir gegeben.
4Mo 18:17 Aber die erste Frucht eines Rindes oder Schafes oder einer Ziege sollst du nicht zu lösen geben, denn sie sind heilig; ihr Blut sollst du sprengen auf den Altar, und ihr Fett sollst du anzünden zum Opfer des süßen Geruchs dem HERRN.
Spr 3:9 Ehre den HERRN von deinem Gut und von den Erstlingen all deines Einkommens,
Heb 9:22 Und es wird fast alles mit Blut gereinigt nach dem Gesetz; und ohne Blut vergießen geschieht keine Vergebung.
1Pet 1:19 sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes,
1Pet 1:20 der zwar zuvor ersehen ist, ehe der Welt Grund gelegt ward, aber offenbart zu den letzten Zeiten um euretwillen,
Off 13:8 Und alle, die auf Erden wohnen, beten es an, deren Namen nicht geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes, das erwürgt ist, von Anfang der Welt.

Biblisches Hebräisch (Masoretischer Text)

וְהֶבֶל הֵבִיא גַּם־הוּא מִבְּכֹרוֹת צֹאנוֹ וּמֵחֶלְבֵהֶן; וַיִּשַׁע יְהוָה אֶל־הֶבֶל וְאֶל־מִנְחָתוֹ׃
Ve-Hevel heviʾ gam-huʾ mi-bekhorot tsono u-meḥelvehén; vayyishaʿ Adonai el-Hevel ve-el-minḥato.
וְהֶבֶל (ve-Hevel) – und Hevel (Abel); Konjunktion וְ (und) + Eigenname.
הֵבִיא (heviʾ) – Perfekt 3. Sg. m. von בוא (bringen); brachte.
גַּם־הוּא (gam-huʾ) – auch er; betont die Beteiligung Abels im Kontrast zu Kain.
מִבְּכֹרוֹת צֹאנוֹ (mi-bekhorot tsono) – von den Erstgeborenen seiner Herde;
מִן (mi) = von,
בְּכֹרוֹת (bekhorot) = Plural von Erstgeborenes,
צֹאן (tson) = Kleinvieh (Schafe/Ziegen),
וֹ (–o) = Possessivsuffix sein.
וּמֵחֶלְבֵהֶן (u-meḥelvehén) – und von ihrem Fett;
חֵלֶב (ḥélev) = das beste Fett (bes. kultisch wichtig),
–הֶן (–hen) = Possessivsuffix ihr (Plural feminin); bezieht sich auf die Tiere.
וַיִּשַׁע (vayyishaʿ) – Verb sich wenden, beachten (שָׁעָה) im Imperfekt mit Waw-Konsekutiv: und er beachtete / wandte sich gnädig zu.
יְהוָה (Adonai) – Gottesname.
אֶל־הֶבֶל וְאֶל־מִנְחָתוֹ (el-Hevel ve-el-minḥato) – auf Abel und auf seine Opfergabe;
מִנְחָה (minḥa) = Gabe, Opfer, meist unblutig;
–וֹ (–o) = seine.
🡒 Deutung: Abel bringt ein qualitativ hochstehendes Opfer (Erstlinge und Fett = das Beste), was im Hebräischen deutlich betont wird. Gottes Hinwenden ist Ausdruck von Gunst – sowohl gegenüber der Person als auch dem Opfer selbst.

Biblisches Griechisch (Septuaginta, LXX)

καὶ Ἄβελ προσήνεγκεν καὶ αὐτὸς ἀπὸ τῶν πρωτοτόκων τῶν προβάτων αὐτοῦ καὶ ἀπὸ τῶν στεάτων αὐτῶν· καὶ ἐπεῖδεν ὁ Θεὸς ἐπὶ Ἄβελ καὶ ἐπὶ ταῖς θυσίαις αὐτοῦ·
Kai Ábel prosēnenken kai autos apo tōn prōtotókōn tōn probátōn autou kai apo tōn steátōn autōn; kai epeiden ho Theós epi Ábel kai epi tais thysíais autou.
καὶ Ἄβελ προσήνεγκεν (kai Ábel prosēnenken) – und Abel brachte dar;
προσφέρω im Aorist: darbringen im kultischen Sinne.
καὶ αὐτὸς (kai autos) – auch er selbst – betont die Gleichheit mit Kain, aber mit Kontrast im Opfer.
ἀπὸ τῶν πρωτοτόκων (apo tōn prōtotókōn) – von den Erstgeborenen.
τῶν προβάτων αὐτοῦ (tōn probátōn autou) – seiner Schafe.
καὶ ἀπὸ τῶν στεάτων αὐτῶν (kai apo tōn steátōn autōn) – und von ihrem Fett;
στέαρ (stéar) = Fett (bes. in kultischem Zusammenhang, positiv).
καὶ ἐπεῖδεν (kai epeiden) – Aorist von ἐφοράω, wohlwollend blicken, beachten.
ὁ Θεὸς (ho Theós) – Gott.
ἐπὶ Ἄβελ καὶ ἐπὶ ταῖς θυσίαις αὐτοῦauf Abel und auf seine Opfer;
θυσία (thysía) = kultisches Opfer, auch blutig.
🡒 Deutung: Die LXX übernimmt die Struktur des Hebräischen fast vollständig. Die Verwendung von θυσίαι (statt δῶρα) legt stärkeren kultisch-liturgischen Fokus. Gottes Zuwendung ist aktiv und wohlwollend.

Biblisches Latein (Vulgata)

Abel quoque obtulit de primogenitis gregis sui et de adipibus eorum: et respexit Dominus ad Abel et ad munera eius.
Abel quoque obtulitauch Abel brachte dar;
obtulit = Perfekt von offerre, darbringen (Opfersprache).
de primogenitis gregis suivon den Erstgeborenen seiner Herde;
primogenita = Erstgeburt (stark theologisch besetzt),
grex = Herde (i.d.R. Kleinvieh).
et de adipibus eorumund von ihrem Fett;
adeps, adipis = kultisch hochwertiges Fett.
et respexit Dominusund der Herr blickte gnädig (darauf);
respicere = gnädig ansehen, mit personalem Aspekt.
ad Abel et ad munera eiusauf Abel und auf seine Gaben;
munus, munera = Geschenk, Gabe, häufig in rituellem Kontext.
🡒 Deutung: Die Vulgata bleibt dem hebräischen Text treu. Auffällig ist die Übersetzung von מִנְחָה mit munera statt sacrificia – eine bewusste Wahl, um den freiwilligen und nichtblutigen Charakter der Gabe zu unterstreichen.

Zusammenfassung

Alle drei Sprachtraditionen – Hebräisch, Griechisch und Lateinisch – legen großen Wert auf die Qualität von Abels Opfer: Erstlinge und Fett werden betont. Im Hebräischen wird besonders das Wohlgefallen JHWHs durch das Verb שָׁעָה vermittelt, was die personale Gunst einschließt. Die griechische LXX verwendet θυσίαι, wodurch das Opfer auch als kultischer Akt verstanden wird. Die Vulgata betont stärker den Charakter des Geschenks (munera) als Ausdruck von Hingabe.
Der entscheidende exegetische Punkt ist die doppelte Beachtung Gottes: Abel selbst und seine Opfergabe werden angenommen – eine Unterscheidung, die in der Folge gegenüber Kain (V. 5) theologisch entscheidend wird.

Vertiefte semantische Analyse

Der Vers entfaltet sich in zwei klaren Teilen: dem Opfergang Abels und der göttlichen Reaktion.
Abel brachte auch: Das auch bezieht sich auf den Opferakt seines Bruders Kain (V. 3). Es betont die Parallele, aber bereitet gleichzeitig eine qualitative Unterscheidung vor. Die grammatikalische Struktur unterstreicht die Gleichzeitigkeit, aber nicht die Gleichwertigkeit.
von den Erstlingen seiner Herde: Bekorot (בְּכֹרוֹת) im Hebräischen bedeutet Erstgeborene, was auf eine kultische Priorität hindeutet. In antikem Denken hatten Erstlinge – das Erste und Beste – einen besonderen göttlichen Anspruch. Abel bringt also nicht irgendetwas, sondern das qualitativ Höchste.
und von ihrem Fett: Das Fett (hebr. ḥeleḇ, חֵלֶב) gilt im Opferkult Israels als besonders wertvoll (vgl. Lev 3,16). Es ist das konzentrierte Symbol für Überfluss, Energie, Leben. Dass Abel dieses bringt, zeugt von Hingabe.
Und der HERR sah gnädig an: Das hebräische wa-yiša (וַיִּשַׁע) bedeutet achten auf, ansehen mit Wohlwollen. Die Bewegung Gottes ist selektiv – auf Abel und sein Opfer. Das impliziert eine personale Beziehung: nicht nur das äußere Werk zählt, sondern auch die innere Haltung.

Tiefere theologische Deutung

a) Opfer und Herzenseinstellung
Das Opfer Abels ist nicht primär wegen des Materials gnädig angesehen, sondern weil es mit dem rechten Herzen dargebracht ist. Dies betont bereits der Hebräerbrief:
> Durch Glauben brachte Abel Gott ein besseres Opfer dar als Kain. (Hebr 11,4)
Der Text unterscheidet somit äußere Frömmigkeit von innerer Hingabe. Abels Opfer entspringt echter Ehrfurcht, Vertrauen und Großherzigkeit. Das Fett symbolisiert nicht bloß äußere Qualität, sondern auch, dass Abel Gott das Beste nicht vorenthält.
b) Gottes selektive Gnade und das Mysterium der Erwählung
Dass Gott sieht und anerkennt, ist Ausdruck seiner aktiven Beziehung zum Menschen. Zugleich bleibt ein Moment des Geheimnisses bestehen: Warum genau wird Abel angenommen und Kain nicht? Die Erzählung provoziert eine frühe Konfrontation mit dem Gedanken göttlicher Freiheit – vielleicht gar Gnade –, ohne dass ein mechanisches System dahintergelegt wird. Theologisch betrachtet ist dies der Beginn einer biblischen Reflexion über das Verhältnis von Gnade, Gerechtigkeit und Erwählung.
c) Christologische Perspektive (im Lichte des NT)
Abel wird im Neuen Testament zum Typos des Gerechten, der um seiner Frömmigkeit willen stirbt (vgl. Matth 23,35). Sein Opfer ist nicht bloß ein Akt des Kults, sondern ein Ausdruck einer inneren Lebenshaltung, die zum Zeugnis wird – letztlich bis in den Tod. In dieser Perspektive wird Abel zum Vorfeld des leidenden Gerechten Christus selbst.

Rezeptionsgeschichtliche Vertiefung

a) Frühes Judentum und Midrasch
Die rabbinische Tradition interessiert sich stark für die Motivation hinter den Opfern. Der Midrasch Bereschit Rabba z. B. hebt hervor, dass Abel aus Überzeugung das Beste gab, Kain jedoch aus Berechnung. Kains Opfer war möglicherweise nicht aus dem Herzen, sondern aus Pflichtgefühl. In dieser Sichtweise wird der Gegensatz innerer Haltung und äußerem Kult scharf konturiert.
b) Kirchenväter
Augustinus deutet den Unterschied moralisch: Abel sei der Archetypus des innerlich Gerechten, Kain der des Heuchlers. Ambrosius betont, dass wahres Opfer sich immer auch selbst gibt – eine frühe Verbindung zur Eucharistie.
c) Reformatorische Rezeption
Luther selbst betont in seiner Genesisvorlesung (1535–1545), dass Abel aus Glauben opferte. Für ihn ist klar: Der Glaube ist das, was Gott gefällt, nicht die äußere Gabe. Abel wird damit zur Illustration der paulinischen Gnadenlehre: Rechtfertigung nicht durch Werke, sondern durch Glauben.
d) Moderne Exegese
Die historisch-kritische Forschung deutet den Text häufig als Widerspiegelung konkurrierender Opferformen im alten Israel: Kains Opfer als agrarisches Produkt spiegelt möglicherweise ältere bäuerliche Kulte wider, Abels Tieropfer hingegen späte, priesterlich geprägte Kultformen. So gesehen könnte der Text eine Tendenz zur Präferenz des Tieropfers gegenüber dem Fruchtopfer dokumentieren – was allerdings die theologische Tiefe der Erzählung nicht erschöpft, sondern ergänzt.

Fazit

Genesis 4,4 ist kein neutraler Bericht über ein Ritual, sondern eine Erzählung, die existentielle Fragen berührt: Was macht ein Opfer gottgefällig? Was sieht Gott – das Werk oder das Herz? Die Antwort liegt in der Spannung von Glaube, Hingabe und göttlicher Freiheit. Abel steht für eine Haltung, die den Ursprung wahrer Frömmigkeit zeigt: das Beste geben – nicht aus Zwang, sondern aus Vertrauen.
Dieser Vers ist mehr als eine religionsgeschichtliche Anekdote – er entfaltet tiefe Themen wie Gnade, Opfer, Anerkennung, Gewalt, Anthropologie und das Verhältnis zwischen Mensch und Gott. Im Folgenden die gewünschte Einordnung entlang literarischer, kulturgeschichtlicher, dantischer und mystischer Linien:

Literarische und kulturgeschichtliche Einordnung

Die Szene mit Kain und Abel gehört zu den ältesten erzählerischen Formationen der Bibel. Sie steht am Beginn der Menschheitsgeschichte und markiert einen Wendepunkt: den Übergang von paradiesischer Nähe zu Gott hin zu einer Welt, in der Rivalität, Opfer und Tod erscheinen.
Opferkultur: Das Motiv des Opferns ist zentral. Abels Opfer – von den Erstlingen und von ihrem Fett – symbolisiert das Beste, das erste, das wertvollste. Das Opfer wird hier nicht als bloßer ritueller Akt verstanden, sondern als Ausdruck innerer Haltung. Der Text suggeriert, dass nicht die Gabe an sich entscheidend ist, sondern wie sie gegeben wird – mit Hingabe, Reinheit, vielleicht mit Liebe. Kains Opfer dagegen bleibt unkommentiert: Das Schweigen Gottes wird zur literarischen Spannung.
Theologische Spannung: Der Text ruft früh die Spannung zwischen Ansehen und Nicht-Ansehen Gottes auf – ein Motiv, das sich durch die gesamte biblische Literatur zieht. Gnade erscheint nicht als mechanisch erzielbare Folge eines Opfers, sondern als göttliches Wohlgefallen.
Kulturgeschichtlich: Die Geschichte stellt frühe Formen sozialer und religiöser Ordnung dar. Abel, der Nomade, steht für eine pastoralistische Gesellschaft, Kain, der Ackerbauer, für eine sesshafte Kultur. Manche Deutungen sehen darin eine narrative Aufarbeitung konkurrierender Lebensweisen im Alten Orient.

Resonanz in Dantes Divina Commedia

Dante erwähnt Abel in der Commedia mehrfach, aber auffällig diskret. Im Paradiso tritt Abel als einer der Geretteten auf, doch sein Opfer hat einen ideellen Schatten geworfen, der über die Commedia hinausreicht.
Paradiso V, 76–78: Dante lässt Beatrice sagen, dass der freie Wille und die Liebe zu Gott das wahre Opfer seien – ein Echo auf Abels Gabe als Ausdruck innerer Aufrichtigkeit.
Paradiso VII, 109–120: In Dantes theologischer Reflexion über Gerechtigkeit, Erbsünde und Erlösung steht das Opfermotiv wieder im Zentrum. Der Kontrast zwischen freiwilliger Hingabe (Christus) und gewaltsamer Tat (Kain) spiegelt die Urszene von Genesis 4.
Purgatorio XIV, 133: Kain erscheint unter den Neidischen – nicht in der Hölle, sondern im Läuterungsberg. Der Neid auf das wohlgefällige Opfer Abels ist der Motor seiner Tat. Dante erkennt darin keine metaphysische Bosheit, sondern ein deformiertes Verlangen nach Anerkennung.

Anthropologische und mystische Perspektiven

Anthropologisch:
René Girardliest die Geschichte als Ursprung der Gewalt in menschlichen Kulturen: Die göttliche Zuwendung erzeugt Rivalität, das Opfer dient der Kanalisierung von Gewalt. Abels Opfer ist in dieser Sicht unschuldig und führt dennoch zur ersten Ermordung – ein Archetyp des Sündenbocks.
Das Bedürfnis, gesehen zu werden – der HERR sah gnädig an Abel – ist existenziell. Die Geschichte spricht tief menschliche Erfahrungen von Anerkennung, Zurückweisung, Neid und Aggression an. Opfer ist hier anthropologisch: es stellt ein Begehren dar, Teil des göttlichen Blicks zu sein.
Mystisch:
In der christlichen Mystik wird Abel zum Symbol der vollkommenen Hingabe: Das Erstlingsopfer verweist auf die völlige Übereinstimmung von Gabe und Geber. Meister Eckhart etwa hätte darin eine Gelassenheit erkannt: die Gabe als Loslassen des Eigenen in den göttlichen Willen.
Johannes vom Kreuzbetont das Motiv der liebenden Aufopferung. In dieser Perspektive ist Abels Opfer nicht einfach ein Ritual, sondern eine Bewegung des Herzens: das Fett steht für die Essenz, das Innerste.
Im Sufismus könnte Abels Opfer mit dem Konzept des ikhlāṣ (aufrichtige, uneigennützige Absicht) verglichen werden: Nur ein Opfer, das ganz aus Liebe geschieht, wird angenommen. Die göttliche Erwiderung ist Gnade, kein Handel.

Fazit

Genesis 4,4 ist eine dicht gewobene Szene über die Bedingungen der Annahme. Abels Opfer spricht weniger von ritueller Genauigkeit als von einer inneren Wahrheit: dem Akt der Selbsthingabe. In Dante klingt dies als Paradigma durch: Ein Werk – sei es Opfer, Gedicht oder Leben – wird nicht nach äußerer Form bewertet, sondern nach der Liebe, aus der es hervorgeht.

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