Genesis 03:24

Luther 1545 Vnd treib Adam aus / vnd lagert fur den garten Eden den Cherubim mit einem blossen hawenden Schwert / zu bewaren den weg zu dem Bawm des Lebens.
Luther 1912 und trieb Adam aus und lagerte vor den Garten Eden die Cherubim mit dem bloßen, hauenden Schwert, zu bewahren den Weg zu dem Baum des Lebens.

genesis 3

Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 3:24

1Mo 3:24 und trieb Adam aus und lagerte vor den Garten Eden die Cherubim mit dem bloßen, hauenden Schwert, zu bewahren den Weg zu dem Baum des Lebens.
4Mo 22:23 Und die Eselin sah den Engel des HERRN im Wege stehen und ein bloßes Schwert in seiner Hand. Und die Eselin wich aus dem Wege und ging auf dem Felde; Bileam aber schlug sie, daß sie in den Weg sollte gehen.
Jos 5:13 Und es begab sich, da Josua bei Jericho war, daß er seine Augen aufhob und ward gewahr, daß ein Mann ihm gegenüberstand und hatte sein bloßes Schwert in seiner Hand. Und Josua ging zu ihm und sprach zu ihm: Gehörst du uns an oder unsern Feinden?
1Chr 21:16 Und David hob seine Augen auf und sah den Engel des HERRN stehen zwischen Himmel und Erde und sein bloßes Schwert in seiner Hand ausgereckt über Jerusalem. Da fielen David und die Ältesten, mit Säcken bedeckt, auf ihr Antlitz.
1Chr 21:17 Und David sprach zu Gott: Bin ich's nicht, der das Volk zählen hieß? ich bin, der gesündigt und das Übel getan hat; diese Schafe aber, was haben sie getan? HERR, mein Gott, laß deine Hand wider mich und meines Vaters Haus, und nicht wider dein Volk sein, es zu plagen!
Heb 1:7 Von den Engeln spricht er zwar: "Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen",
2Mo 25:2 Sage den Kindern Israel, daß sie mir ein Hebopfer geben; und nehmt dasselbe von jedermann, der es willig gibt.
2Mo 25:20 Und die Cherubim sollen ihr Flügel ausbreiten von oben her, daß sie mit ihren Flügeln den Gnadenstuhl bedecken und eines jeglichen Antlitz gegen das des andern stehe; und ihre Antlitze sollen auf den Gnadenstuhl sehen.
2Mo 25:22 Von dem Ort will ich mich dir bezeugen und mit dir reden, nämlich von dem Gnadenstuhl zwischen den zwei Cherubim, der auf der Lade des Zeugnisses ist, alles, was ich dir gebieten will an die Kinder Israel.
1Sa 4:4 Und das Volk sandte gen Silo und ließ von da holen die Lade des Bundes des HERRN Zebaoth, der über den Cherubim sitzt. Und es waren da die zwei Söhne Elis mit der Lade des Bundes Gottes, Hophni und Pinehas.
1Kön 6:25 Also hatte der andere Cherub auch zehn Ellen, und war einerlei Maß und einerlei Gestalt beider Cherubim;
Ps 80:1 Ein Psalm und Zeugnis Asaphs, von den Rosen, vorzusingen.
Ps 99:1 Der HERR ist König, darum zittern die Völker; er sitzt auf den Cherubim, darum bebt die Welt.
Ps 104:4 der du machst Winde zu deinen Engeln und zu deinen Dienern Feuerflammen;
Hes 10:2 Und er sprach zu dem Mann in der Leinwand: Gehe hin zwischen die Räder unter den Cherub und fasse die Hände voll glühender Kohlen, so zwischen den Cherubim sind, und streue sie über die Stadt. Und er ging hinein, daß ich's sah, da er hineinging.
Heb 1:7 Von den Engeln spricht er zwar: "Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen",
1Mo 2:8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte.
Joh 14:6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.
Heb 10:18 Wo aber derselben Vergebung ist, da ist nicht mehr Opfer für die Sünde.

Biblisches Hebräisch (Masoretischer Text)

וַיְגָרֶשׁ אֶת־הָאָדָם וַיַּשְׁכֵּן מִקֶּדֶם לְגַן־עֵדֶן אֶת־הַכְּרֻבִים וְאֵת לַהַט הַחֶרֶב הַמִּתְהַפֶּכֶת לִשְׁמֹר אֶת־דֶּרֶךְ עֵץ הַחַיִּים׃
Vayyǝgāreš 'et-hā'ādām, wayyaškēn miqqedem lǝgan-‘ēden 'et-hakkerūvīm wǝ'ēt lahat haḥerev hammithappēket, lišmōr 'et-dereḵ ‘ēṣ haḥayyīm.
וַיְגָרֶשׁ (vayyǝgāreš):
Pi‘el Imperfekt mit Waw-Conversivum von gāraš, »vertreiben, austreiben«. Die Intensivform legt Nachdruck auf das entschlossene Verstoßen Adams.
אֶת־הָאָדָם ('et-hā'ādām):
Akkusativpartikel + bestimmter Artikel + »Adam/Mensch«. Der Mensch wird spezifisch genannt – nicht allgemein, sondern der konkrete Adam.
וַיַּשְׁכֵּן (wayyaškēn):
Hif‘il Imperfekt mit Waw-Conversivum von šākan, »wohnen lassen, ansiedeln«. Gott »lässt wohnen«, d.h. stationiert etwas – ein militärischer oder ritueller Begriff.
מִקֶּדֶם לְגַן־עֵדֶן (miqqedem lǝgan-‘ēden):
»von Osten her« bzw. »östlich vom Garten Eden«. Qedem kann sowohl räumlich (Osten) als auch zeitlich (früher) verstanden werden, aber hier klar räumlich.
הַכְּרֻבִים (hakkerūvīm):
Pluralform kerūv, »Cherub«. Himmlische Wesen mit Schutzfunktion, häufig mit Flügeln und Feuersymbolik assoziiert.
וְאֵת לַהַט הַחֶרֶב הַמִּתְהַפֶּכֶת:
lahat: »Flamme, feurige Glut« – poetisch-expressiv, hier im Zusammenhang mit dem Schwert.
ḥerev: »Schwert« – Zeichen göttlicher Macht.
mithappēket: Partizip Hitpa‘el, »sich drehend / sich windend / hin- und herfahrend«. Die Reflexivität betont die unaufhörliche Bewegung – dramatische Wirkung.
לִשְׁמֹר אֶת־דֶּרֶךְ עֵץ הַחַיִּים:
lišmōr: Infinitiv šāmar, »bewahren, bewachen«.
dereḵ ‘ēṣ haḥayyīm: »den Weg zum Baum des Lebens«. Dereḵ ist nicht einfach ein physischer Pfad, sondern kann auch für Lebensführung oder Zugang stehen.
Bemerkung:
Das Bild ist theologisch aufgeladen: Der Weg zum ewigen Leben wird nach dem Sündenfall durch göttliche Macht versperrt – Engelwesen und ein lebendiges, feuriges Schwert.

Biblisches Griechisch (Septuaginta)

καὶ ἐξέβαλεν τὸν Ἀδὰμ καὶ κατῴκισεν αὐτὸν ἀπέναντι τοῦ παραδείσου τῆς τρυφῆς· καὶ ἔταξε τὰ χερουβὶμ καὶ τὴν φλογίνην ῥομφαίαν τὴν περιστρεφομένην φυλάσσειν τὴν ὁδὸν τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς.
kai exebalen ton Adam kai katoikisen auton apenanti tou paradeisou tēs tryphēs; kai etaxe ta cheroubim kai tēn phloginēn rhomphaian tēn peristrefomenēn phylassein tēn hodon tou xylou tēs zōēs.
ἐξέβαλεν (exebalen):
Aorist von ekballō, »hinauswerfen, vertreiben«. Deutlicher, fast gewaltsamer Akt als das hebräische Pendant.
κατῴκισεν (katoikisen):
Aorist von katoikeō, »ansiedeln, wohnen lassen«. Bezeichnet die neue Lage Adams außerhalb des Gartens.
ἀπέναντι τοῦ παραδείσου τῆς τρυφῆς:
»gegenüber dem Paradies der Wonne/Lust«. Paradeisos tēs tryphēs ist ein Euphemismus für gan-‘ēden. Tryphē (Wohlleben, Üppigkeit) betont die Verlorenheit Adams.
ἔταξε (etaxe):
Aorist von tassō, »anordnen, befehlen, aufstellen«. Militärischer Begriff – göttliche Ordnungsmacht.
τὰ χερουβὶμ:
Transliteration des hebräischen kerūvīm, wie häufig in der LXX ohne Übersetzung übernommen.
φλογίνην ῥομφαίαν:
phloginēn: »flammenartig, feurig« – poetisches Neologismus.
rhomphaian: ein großes, zweihändiges Schwert – archaisch und gewaltig. Nicht das übliche machaira.
τὴν περιστρεφομένην:
Partizip Präsens Passiv von peristrefō, »sich drehend, wirbelnd«. Starke Dynamik wie im Hebräischen.
φυλάσσειν τὴν ὁδὸν τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς:
phylassein: Infinitiv, »bewachen«.
hodon tou xylou tēs zōēs: »Weg des Baums des Lebens« – hodos ist wie dereḵ auch metaphorisch konnotiert.
Bemerkung:
Die LXX ist erstaunlich nahe am hebräischen Text, jedoch mit stärkerer Bildsprache und einer gewissen Hellenisierung (z.B. durch rhomphaia und tryphē).

Biblisches Lateinisch (Vulgata)

Et ejecit Adam: et collocavit ante paradisum voluptatis cherubim, et flammeum gladium atque versatilem, ad custodiendam viam ligni vitae.
ejecit Adam: Perfekt von eicio, »hinausstoßen, vertreiben«. Sehr kraftvoll – wie »auswerfen«.
collocavit ante paradisum voluptatis:
collocavit: »hinstellen, anordnen«.
ante: »vor, gegenüber«.
paradisum voluptatis: »Paradies der Lust/Wonne«. Voluptas hat eine sehr sinnliche Konnotation – vielleicht sogar sinnlicher als griechisch tryphē.
cherubim: Auch hier Übernahme des hebräischen Begriffs – keine lateinische Entsprechung.
flammeum gladium atque versatilem:
flammeum: »flammend, feurig«.
gladium: normales Schwert, eher römisch konnotiert.
versatilem: »drehend, wendig«. Elegante Umschreibung des hebräischen mithappēket.
ad custodiendam viam ligni vitae:
custodiendam: Gerundiv, »zum Bewachen«.
viam ligni vitae: »den Weg zum Baum des Lebens«. Vitae im Genitiv: Baum des Lebens.
Bemerkung:
Die Vulgata ist eine sehr stilisierte Übersetzung mit klarer Struktur. Sie nimmt dem Text ein wenig von der rohen Bildgewalt des Hebräischen, gewinnt aber an sprachlicher Eleganz und liturgischer Klarheit.

Zusammenfassung (inhaltlich-exegetisch)

Alle drei Textversionen zeigen eine strenge Trennung zwischen Mensch und Baum des Lebens nach dem Sündenfall. Die hebräische Formulierung ist in ihrer Dramatik und Bewegung sehr bildhaft und konkret. Die griechische Übersetzung übernimmt das weitgehend, fügt aber durch ihre Wortwahl (»tryphē«, »rhomphaia«) eine neue kulturelle Färbung hinzu. Die lateinische Version betont stärker Ordnung und Gesetzmäßigkeit – mit dem custodiendam im Gerundiv als besonders »römischer« Wendung für göttlichen Schutzbefehl.

Vertiefte semantische Analyse

»Und trieb Adam aus« (וַיְגָרֶשׁ אֶת־הָאָדָם):
Das hebräische Verb gāraš (גרשׁ) bedeutet »vertreiben«, oft mit einer Konnotation von Gewalt oder endgültigem Ausschluss. Es handelt sich nicht nur um ein Verlassen des Ortes, sondern um ein gerichtliches Ausstoßen. Der Mensch wird nicht sanft begleitet, sondern mit Nachdruck entfernt – ein Bruch in der Beziehung zu Gott, zur ursprünglichen Bestimmung und zum Lebensraum.
»und lagerte vor den Garten Eden« (וַיַּשְׁכֵּן מִקֶּדֶם לְגַן־עֵדֶן):
Va-jaschkēn (וישכן) bedeutet »lagern lassen« oder »wohnen lassen«. Es verweist auf eine stationäre Präsenz. Miqqedem (»von Osten her« oder »im Osten«) lässt offen, ob die Bewachung geographisch im Osten lokalisiert oder ob es sich um eine symbolische Richtung handelt – qedem kann auch den Ursprung oder das »Vordem« bezeichnen, also eine Rückbindung an den Anfang oder die Urzeit.
»die Cherubim« (אֶת־הַכְּרֻבִים):
Cherubim (Plural von keruv) sind in der Bibel mystische Wächterwesen. In der antiken Ikonographie werden sie oft als Mischwesen aus Mensch, Tier (Löwe, Stier, Adler) mit Flügeln beschrieben. Sie symbolisieren Heiligkeit, Gericht und Gottes unmittelbare Gegenwart (vgl. Bundeslade, Exodus 25,18–22).
»mit dem bloßen, hauenden Schwert« (וְאֵת לַהַט הַחֶרֶב הַמִּתְהַפֶּכֶת):
Die Phrase meint wörtlich: »und die Flamme des sich drehenden Schwertes«. Lâhat bedeutet »Flamme« oder »Feuerwirbel« – eine feurige Erscheinung. Das mithappeket (הַמִּתְהַפֶּכֶת) ist ein Partizip von haphak, das »wenden, umkehren, sich drehen« bedeutet. Die Bewegung ist nicht nur abwehrend, sondern chaotisch und dynamisch – ein Symbol der Unerreichbarkeit und der Gefahr.
»zu bewahren den Weg zum Baum des Lebens« (לִשְׁמֹר אֶת־דֶּרֶךְ עֵץ הַחַיִּים):
Lischmor (»bewahren, hüten«) steht im Zusammenhang mit priesterlicher und königlicher Verantwortung (vgl. »den Garten bebauen und bewahren« in Gen 2,15). Der derekh (»Weg«) ist nicht der Baum selbst, sondern der Zugang dorthin. Die Betonung liegt auf der Trennung vom unsterblichen Leben, das der Baum symbolisiert.

Tiefere theologische Deutung

Exil als Gnade und Gericht:
Der Rauswurf aus Eden ist zugleich Gericht (Strafe für den Ungehorsam) und Gnade: Der Mensch soll nicht ewig in seinem sündigen Zustand leben. Der Zugang zum Baum des Lebens bleibt versperrt, damit der Mensch nicht in einen Zustand unendlicher Entfremdung von Gott versiegelt wird.
Heiliger Raum – verlorene Gegenwart Gottes:
Die Cherubim repräsentieren die Heiligkeit des Raumes, aus dem der Mensch ausgeschlossen ist. In der späteren alttestamentlichen Theologie (besonders im Tempel) symbolisieren Cherubim den Thron Gottes (vgl. Ps 80,2; Ez 10). Der Mensch wird aus der ungeteilten Gottesgemeinschaft entfernt – der Weg zurück wird nun bewacht, heilig, gefährlich.
Verlorene Unmittelbarkeit – zukünftige Hoffnung:
Der »Weg« zum Baum des Lebens bleibt nicht für immer versperrt. In der Offenbarung des Johannes (Offb 22,2.14) erscheint der Baum des Lebens wieder – in der Stadt Gottes, offen für alle, die durch Christus überwinden. Genesis 3,24 steht somit am Anfang einer großen narrativen und soteriologischen Spannung.
Schwert als Zeichen göttlicher Trennung:
Das flammende Schwert erinnert an die Trennung zwischen Heiligkeit und Sünde. Es symbolisiert nicht nur Verteidigung, sondern auch Gericht – eine lebendige Grenze. Der Mensch hat den paradiesischen Zustand durch sein Handeln verwirkt, und der Zugang zur Unsterblichkeit wird durch ein göttliches Zeichen abgeschnitten.

Rezeptionsgeschichtliche Vertiefung

Jüdische Auslegung:
Im Midrasch und in der Kabbala ist der Vers ein zentraler Angelpunkt. Die Cherubim gelten teils als Engel der Gnade, teils als strenge Richter. Das flammende Schwert wird als Metapher für die »verhüllte Torah« interpretiert – Weisheit, die nur unter Schmerzen und Reinigung zugänglich wird. Eden wird als verborgene spirituelle Wirklichkeit verstanden, zu der nur der Gerechte nach Läuterung zurückkehren kann.
Christliche Deutungen:
Frühchristlich wird der verschlossene Garten mit Christus assoziiert, der als »neuer Adam« durch seinen Gehorsam den Zugang zum Baum des Lebens neu eröffnet. Kirchenväter wie Augustinus sehen im flammenden Schwert das Symbol des Wortes Gottes, das richtet und heiligt.
Mittelalterliche Mystik:
In der christlichen Mystik (z. B. bei Mechthild von Magdeburg oder Johannes vom Kreuz) steht der verlorene Garten für die verlorene Unio mit Gott. Die Cherubim mit dem Schwert symbolisieren die Läuterungen und Schmerzen auf dem Weg zurück zur mystischen Vereinigung. Die Seele muss durch das »Schwert der Gotteserkenntnis« hindurch, das alles Selbst täuschende abschneidet.
Moderne Literatur und Theologie:
In der Existenzphilosophie (z. B. bei Kierkegaard) wird das Exil aus Eden als Bild für die menschliche Entfremdung interpretiert. Der »bewachte Weg« steht für die Suche nach Sinn, die sich nicht mit Technik oder Vernunft allein zurückerobern lässt. Theologisch bleibt der Vers Mahnung und Verheißung zugleich – die Erinnerung an eine verlorene Heimat und der Ruf nach Erlösung.

Literarische und kulturgeschichtliche Einordnung

• Genesis 3,24 ist das letzte Wort der sogenannten »Sündenfall«-Erzählung. Die Vertreibung aus dem Garten Eden ist keine bloße Strafe, sondern markiert eine ontologische Wende: Der Mensch ist nun ein Wesen, das sich außerhalb des Paradieses verorten muss. Die »Cherubim mit dem bloßen, hauenden Schwert« sind apotropäische Figuren, Wächter an der Schwelle zwischen verlorener Unschuld und nunmehr existentieller Fremdheit. Das Schwert betont die Irreversibilität dieser Schwelle.
• Literarisch ist der Vers Teil einer mythischen Narration, die mit archaischen Motiven spielt: Bewachte Gärten, verlorene Ursprungsorte, brennende Waffen und Engelwesen sind in altorientalischen Mythen verbreitet. Die Bibel adaptiert diese Topoi jedoch in eine theologisch-ethische Dimension: Die Schuld liegt nicht in einer äußeren Verfehlung, sondern in einer inneren Übertretung, in einem wissensdurstigen Zugriff auf das Göttliche selbst.
• Kulturgeschichtlich ist diese Szene ein Grundtext für spätere Vorstellungen vom verlorenen »goldenen Zeitalter«, vom Exil des Menschen und seiner Heimkehrsehnsucht. Sie präfiguriert spätere Literaturbilder des »verlorenen Paradieses« – etwa bei Milton – ebenso wie Gnostische, Manichäische und Mystische Vorstellungen vom gestürzten Lichtfunken im Menschen.

Resonanz in Dantes Divina Commedia

• Dante rekurriert auf Genesis 3,24 in vielfacher Weise. Die gesamte Commedia lässt sich lesen als ein Rückweg zum »Baum des Lebens«, der im irdischen Paradies auf dem Gipfel des Läuterungsberges wieder auftaucht (Purgatorio XXVIII). Besonders augenfällig wird dies im Garten Eden des Purgatorio, wo Dante Matelda begegnet, einer geheimnisvollen Frau, die als Symbol für die ursprüngliche Unschuld gelten kann.
• Die Cherubim mit dem flammenden Schwert werden in Inferno oft imaginiert, wenn Dante Schwellen passiert, etwa die Tore der Hölle oder den Übergang über den Styx. Doch ihre expliziteste Reminiszenz ist nicht in der Commedia, sondern in Dantes theologischer Anthropologie selbst: Der Mensch ist ein viator, ein Wanderer in der Ferne, der durch moralische Läuterung (Liebesordnung) den Weg zurück zur »vision beatifica« finden kann – zur Anschauung Gottes, die dem »Baum des Lebens« entspricht.
• Zudem ist Dantes gesamte Struktur der drei Jenseitsreiche eine Relektüre der biblischen Vertreibung: Die Hölle ist der Zustand der totalen Gottferne (post-paradiesisch), das Fegefeuer ein Reinigungsweg (postlapsarisch), und das Paradies die Rückkehr in eine übernatürliche Ordnung, nicht mehr Eden selbst, sondern mehr als Eden – visio Dei.

Anthropologische und mystische Perspektiven

• Anthropologisch betrachtet zeigt der Vers die Konstitution des Menschen als »homo absconditus« – als ein Wesen, das seine eigene Ursprungsheimat verloren hat. Die Existenz außerhalb des Gartens ist geprägt von Arbeit, Schmerz, Tod – von Geschichtlichkeit. Das Schwert der Cherubim ist nicht bloß äußere Gewalt, sondern auch die Grenze des Menschen zum Numinosen.
• In mystischer Perspektive bedeutet der Weg zum Baum des Lebens die innere Rückkehr zur Einheit mit Gott. In der jüdischen Kabbala ist der Baum des Lebens (Etz Chaim) eine Struktur des göttlichen Seins selbst – eine Sefirot-Karte, auf der der Mensch durch Läuterung und Erkenntnis wieder emporsteigt. Auch in christlicher Mystik – etwa bei Meister Eckhart – ist das Verlassen des Paradieses weniger ein Verlust als ein Anstoß zur radikalen Innerlichkeit: »Der Weg zum Paradies geht durch das Nichts.«
• Mystische Lesarten interpretieren das Schwert der Cherubim auch als die Unterscheidung zwischen Illusion und Wahrheit. Es ist das Schwert der Unterscheidung der Geister (diakrisis), das den unreinen Zugriff auf das Göttliche verhindert – bis der Mensch selbst gereinigt ist.

Fazit

Genesis 3,24 ist nicht nur ein Endpunkt der biblischen Urgeschichte, sondern ein Ursprungsmythos für das menschliche Selbstverständnis als exiliertes, suchendes Wesen. In Dantes Commedia wird dieser Zustand durchwandert, transformiert und überwunden. Die Cherubim mit dem flammenden Schwert werden nicht abgeschafft, aber durchschritten – durch Läuterung, Liebe und Schau. Anthropologisch ist dies der Weg vom »homo peccator« zum »homo divinus«, mystisch gesprochen: vom Wissen um die Ferne zum Einssein im Licht.

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01 Die Schoepfung

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