• Luther 1545 DA lies jn Gott der HERR aus dem garten Eden / das er das Feld bawet / da von er genomen ist /
• Luther 1912 Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, daß er das Feld baute, davon er genommen ist,
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 3:23
1Mo 3:23 Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, daß er das Feld baute, davon er genommen ist,
1Mo 2:5 Und allerlei Bäume auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und allerlei Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und es war kein Mensch, der das Land baute.
1Mo 3:19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.
1Mo 4:2 Und sie fuhr fort und gebar Abel, seinen Bruder. Und Abel ward ein Schäfer; Kain aber ward ein Ackermann.
1Mo 4:12 Wenn du den Acker bauen wirst, soll er dir hinfort sein Vermögen nicht geben. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.
1Mo 9:20 Noah aber fing an und ward ein Ackermann und pflanzte Weinberge.
Pred 5:9 Wer Geld liebt, wird Geldes nimmer satt; und wer Reichtum liebt, wird keinen Nutzen davon haben. Das ist auch eitel.
Biblisches Hebräisch
וַיְשַׁלְּחֵהוּ יְהוָה אֱלֹהִים מִגַּן־עֵדֶן לַעֲבֹד אֶת־הָאֲדָמָה אֲשֶׁר לֻקַּח מִשָּׁם׃
Vayyəšalleḥēhū YHWH ʾĕlōhîm miggan-ʿēden laʿăvōd ʾet-hāʾădāmāh ʾăšer luqqaḥ miššām.
וַיְשַׁלְּחֵהוּ (vayyəšalleḥēhū):
Konjugation im waw-consecutivus, Piel-Stamm, 3. ms mit Suffix 3. ms (»und er schickte ihn fort«). Das Piel betont die Intensität oder Zielgerichtetheit der Handlung.
יְהוָה אֱלֹהִים (YHWH ʾĕlōhîm):
Doppeltitel – »der HERR Gott«, wie oft in den Genesis-Kapiteln 2–3. Der Eigenname YHWH steht mit dem Gattungsbegriff ʾĕlōhîm zusammen und betont Autorität und Schöpfermacht.
מִגַּן־עֵדֶן (miggan-ʿēden):
Präposition min (»aus«) mit dem Ort »Garten Eden« – eine klare räumliche Trennung.
לַעֲבֹד (laʿăvōd):
Infinitivus constructus von עבד (»arbeiten«) mit Präposition le (»um zu arbeiten«). Zweckformulierung: warum er vertrieben wurde.
אֶת־הָאֲדָמָה (ʾet-hāʾădāmāh):
Bestimmte Akkusativform von »der Ackerboden« (fem.). Der Gebrauch von ʾet markiert das direkte Objekt.
אֲשֶׁר לֻקַּח מִשָּׁם (ʾăšer luqqaḥ miššām):
Relativsatz: »von dem er genommen worden war«.
לֻקַּח: Nifal (Passiv) von לקח (»nehmen«), 3. ms perfekt.
מִשָּׁם: »von dort« – Bezug auf den Ursprung des Menschen aus dem Erdboden.
Besonderheit:
Der Mensch wird aus dem Ort der göttlichen Gemeinschaft (Eden) entlassen, um zur »Arbeit« an dem Ort zurückzukehren, aus dem er stammt – thematische Rückkehr zum Staub der Erde (vgl. Gen 2,7 und 3,19).
Biblisches Griechisch (Septuaginta)
καὶ ἐξαπέστειλεν αὐτὸν κύριος ὁ θεὸς ἐκ τοῦ παραδείσου τῆς τρυφῆς ἐργάζεσθαι τὴν γῆν, ἐξ ἧς ἐλήμφθη.
Kai exapesteilen auton Kyrios ho Theos ek tou paradeisou tēs tryphēs ergazesthai tēn gēn, ex hēs elēmphthē.
ἐξαπέστειλεν (exapesteilen):
Aorist aktiv von ἐξαποστέλλω – »er sandte aus«. Der Aorist betont die einmalige, abgeschlossene Handlung.
κύριος ὁ θεός (Kyrios ho Theos):
Wörtlich »der Herr, der Gott«. Klassische Septuaginta-Wiedergabe von YHWH ʾĕlōhîm.
ἐκ τοῦ παραδείσου τῆς τρυφῆς:
»aus dem Paradies der Wonne« – Paradeisos als Entlehnung aus dem Altiranischen (pairidaeza) = »umzäunter Garten«; τρυφή (»Wonne, Genuss«) betont den Ort der Seligkeit.
ἐργάζεσθαι (ergazesthai):
Präsens Infinitiv – »um zu arbeiten«. Auch hier: Zweckformulierung, ähnlich wie im Hebräischen.
τὴν γῆν (tēn gēn):
»die Erde« – im Kontext: der Ackerboden (vgl. adamah).
ἐξ ἧς ἐλήμφθη (ex hēs elēmphthē):
»von der er genommen wurde«.
ἐλήμφθη: Aorist Passiv von λαμβάνω (»nehmen«), 3. sg.
ex hēs: »von welcher« – Relativkonstruktion mit betontem Rückbezug.
Besonderheit:
Die Septuaginta übernimmt sehr eng die Struktur des Hebräischen, wobei »Paradies der Wonne« und das griechische ergazesthai eine gewisse Betonung auf die wiederhergestellte Beziehung des Menschen zur Erde legen – als Strafe, aber auch als Lebensgrundlage.
Biblisches Lateinisch (Vulgata)
et emisit eum Dominus Deus de paradiso voluptatis, ut operaretur terram de qua sumptus est.
et emisit eum:
»und (er) sandte ihn aus« – emisit ist Perfekt von emittere, Ausdruck einer entschiedenen, gerichteten Handlung.
Dominus Deus:
Wörtlich »der Herr Gott«, konventionelle Wiedergabe von YHWH ʾĕlōhîm.
de paradiso voluptatis:
»aus dem Paradies der Wonne« – voluptas betont sinnliche Freude, verweist auf den ursprünglichen Zustand des Segens.
ut operaretur:
Konjunktiv Imperfekt von operari (»arbeiten«) – finaler Nebensatz: »damit er arbeitete«, also Zweckform.
terram:
Akkusativobjekt von operari, hier: »die Erde« bzw. »den Ackerboden«.
de qua sumptus est:
Relativsatz mit sumptus (PPP von sumere – »nehmen«): »von der er genommen worden war«.
Besonderheit:
Die Vulgata hat eine stilistisch glatte, theologisch klare Sprache. Paradiso voluptatis und ut operaretur terram betonen den Zusammenhang von Verlust der göttlichen Nähe und menschlicher Mühsal. Die Verwendung des Konjunktivs (ut operaretur) unterstreicht Gottes Absicht mit der Ausweisung: Arbeit als neue Lebensbestimmung.
Zusammenfassung
In allen drei Sprachen zeigt sich der dramatische Moment der Vertreibung aus Eden als Wendepunkt: Der Mensch wird von der göttlichen Nähe entfernt und an seinen irdischen Ursprung zurückgeführt – zur Arbeit am Boden, aus dem er stammt. Die hebräische Syntax ist knapp und konzentriert, mit einer klaren Relativstruktur. Die griechische Fassung ist etwas ausführlicher und betont das »Paradies der Wonne«, während die lateinische Version die theologische Intention in einer ausgewogenen und liturgisch zugänglichen Form präsentiert.
Vertiefte semantische Analyse
Der Vers ist bemerkenswert dicht, trotz seiner scheinbaren Schlichtheit. Auf der sprachlich-semantischen Ebene ergeben sich zentrale Begriffe und Konstruktionen:
»Da wies ihn ... aus«
Das hebräische Verb šālaḥ (שָׁלַח), in anderen Übersetzungen oft mit »vertrieb« wiedergegeben, bezeichnet hier nicht bloß ein einfaches Hinausführen, sondern ein bewusstes und autoritatives Ausschließen. Es schwingt eine gewisse Endgültigkeit mit.
»Gott der HERR« (JHWH Elohim)
Diese Doppelbezeichnung ist typisch für die sogenannten Jahwistischen Texte (J-Tradition). Sie vereint Nähe (JHWH, der personale Bundesname) mit Majestät (Elohim, der mächtige Gott).
»daß er das Feld baute«
Im Hebräischen steht hier das Verb ʿābad (עָבַד), das sowohl »dienen« als auch »bearbeiten« bedeuten kann. Es ist dasselbe Wort, das zuvor für die Tätigkeit des Menschen im Garten Eden verwendet wurde (Gen 2,15). Doch nun ist es nicht mehr der paradiesische Garten, sondern »das Feld« (hāʂādeh, הַשָּׂדֶה), das Ackerland, das durch Mühsal und Schweiß bebaut werden muss (vgl. Gen 3,17-19).
»davon er genommen ist«
Diese Rückverweisung auf Gen 2,7 betont den Kreislauf des Lebens: Der Mensch stammt vom Ackerboden (adāmāh) und kehrt zu ihm zurück. Hier wird der Mensch an seine Herkunft erinnert – und an seine Sterblichkeit.
Tiefere theologische Deutung
Exil und Gnade
Der Vers steht im Kontext des Sündenfalls. Die Vertreibung aus dem Garten ist Gericht – aber nicht bloß Strafe. Die göttliche Entscheidung, den Menschen aus dem Garten zu weisen, schützt ihn auch davor, ewig in einem gefallenen Zustand zu verharren (vgl. Gen 3,22: »... damit er nicht auch von dem Baum des Lebens nehme«). Das Exil wird so zur Voraussetzung für Erlösung.
Arbeit als Folge und Berufung
Die Arbeit ist Fluch und Berufung zugleich. Der Garten war Ort sorgsamer Pflege, das Feld wird nun zum Ort des Kampfes ums Überleben. Doch die Tätigkeit bleibt in gewisser Weise dieselbe – ʿābad. Arbeit wird nicht aufgehoben, sondern transformiert. Damit bleibt eine Restbestimmung des Menschen als Gärtner der Schöpfung erhalten, wenn auch unter veränderten Vorzeichen.
Staub, Erde, Mensch
Die Rückbindung an den »Acker, davon er genommen ist«, hat existenzielle Tiefe. Der Mensch ist sterblich, vergänglich, gebunden an die Erde. Doch genau hierin liegt auch seine besondere Würde: als Geschöpf, das Gott bewusst aus Erde geformt und mit seinem Odem belebt hat (Gen 2,7). Der Weg »zurück zum Feld« ist auch ein Weg der Selbstwahrnehmung, des Erkennens, wer und was der Mensch ist.
Rezeptionsgeschichtliche Vertiefung
Frühjüdische und rabbinische Auslegung
In der rabbinischen Literatur wird dieser Vers oft als Beginn der »Galut« (Exil) gedeutet. Der Garten Eden wird zum Urbild des verlorenen Heiligtums, das sich in Jerusalem und dem Tempel spiegelt. Die Vertreibung des Menschen aus Eden entspricht damit auch der späteren Vertreibung Israels aus dem Land – ein typologisches Muster.
Augustinus († 430)
In seiner Civitas Dei sieht Augustinus in der Vertreibung die notwendige Konsequenz der Erbsünde. Doch er deutet die Arbeit auf dem Feld auch als pädagogisches Mittel Gottes, durch das der Mensch zur Demut und Gotteserkenntnis zurückgeführt wird.
Mystische Deutungen (z. B. Meister Eckhart)
Für Eckhart ist die Vertreibung nicht nur Strafe, sondern auch ein »Hinabsteigen« in die innere Tiefe. Der »Acker«, den der Mensch bearbeitet, kann auch als das eigene Herz gelesen werden – als Ort, an dem die göttliche Wahrheit wiedergefunden werden kann. Damit erhält der Exilzustand einen inneren, mystischen Sinn.
Moderne Theologie
Theologen wie Karl Barth oder Jürgen Moltmann deuten Genesis 3,23 im Horizont der »Verlorenheit« des Menschen – aber auch als Anfang des göttlichen Heilshandelns. Die Vertreibung ist nicht das Ende, sondern der Beginn der Heilsgeschichte. Gott »geht dem Menschen nach« – das wird etwa in Gen 4 (Kain) deutlich.
Fazit
Genesis 3,23 ist nicht bloß der Bericht eines Rauswurfs, sondern ein dichter theologischer Knotenpunkt. Die Sprache reflektiert den Übergang vom paradiesischen Zustand zur conditio humana: Exil, Mühsal, Sterblichkeit – aber auch Freiheit, Verantwortung, Hoffnung. Die Vertreibung ist zugleich Urteil und verheißungsvoller Aufbruch.
Literarische und kulturgeschichtliche Einordnung
• Dieser Vers markiert den entscheidenden Wendepunkt in der Erzählung vom Sündenfall. Nach dem Genuss der verbotenen Frucht folgt nun die Exilierung des Menschen aus dem Paradies – ein archetypisches Motiv, das in Mythen vieler Kulturen auftritt. Literarisch fungiert der Vers als Schlusspunkt eines kosmischen Dramas: Von der Unschuld zur Erkenntnis, vom Garten zur Erde, vom Geschenk zum Mühsal.
• Der Garten Eden steht symbolisch für eine Welt vollkommener Harmonie zwischen Mensch, Natur und Gott. Mit der Vertreibung beginnt die Geschichte der Menschheit in der Welt, wie wir sie kennen: durch Arbeit, Tod, Schmerz und Entfremdung geprägt. Kulturgeschichtlich wurde dieser Vers als Ursprungserklärung für Landwirtschaft, Arbeit und Leid interpretiert – zentrale Merkmale menschlicher Zivilisation.
• Der zweite Teil des Verses, »daß er das Feld baute, davon er genommen ist«, evoziert den Kreislauf von Staub zu Staub (vgl. Vers 19) – der Mensch wird zur Erde zurückkehren, aus der er gemacht ist. Damit verbindet sich die Schöpfung mit der Sterblichkeit: Der Mensch ist ein Geschöpf des Bodens, das nun diesen Boden bebauen muss.
Resonanz in Dantes Divina Commedia
• In Dantes Commedia hat Genesis 3,23 eine tiefgreifende Resonanz – vor allem im Hinblick auf das Paradies, den Sündenfall und den Weg der Rückkehr. Die ganze Struktur der Commedia kann als Umkehrbewegung zur Vertreibung aus Eden verstanden werden: Von der selva oscura (Infragestellung, Entfremdung) im Inferno über Läuterung im Purgatorio bis zur visio Dei im Paradiso.
• Besonders im Purgatorio tritt der Garten Eden wieder auf – als »Erdisches Paradies« auf dem Gipfel des Läuterungsbergs (Purg. XXVIII). Dante begegnet dort Matelda, die das verlorene Paradies repräsentiert. Doch im Unterschied zur Genesis-Geschichte, in der der Mensch hinausgewiesen wird, wird Dante dort eingeführt – als Zeichen einer möglichen Rückkehr zum ursprünglichen Zustand, aber nun auf höherer, durch Läuterung erlangter Stufe.
• Der Sündenfall Adams und Evas wird im Paradiso mehrfach reflektiert, etwa im Gespräch Dantes mit Adam selbst (Par. XXVI), wo deutlich wird, dass der Verlust des Paradieses durch Christus wieder gutgemacht wird – die Theologie der felix culpa. Dantes Werk transformiert so Genesis 3,23 von einem endgültigen Verlust in einen Ausgangspunkt des Heilswegs.
Anthropologische Perspektiven
• Anthropologisch gesehen formuliert Genesis 3,23 die Grunderfahrung menschlicher Existenz: der Mensch ist ein von der Erde genommenes Wesen (adam – adamah), das nun aus dem geschützten Raum hinaus in eine Welt der Mühsal tritt. Die Vertreibung ist nicht nur Strafe, sondern auch Initiation – der Mensch wird zur verantwortlichen Existenz gezwungen. Arbeit ist dabei nicht bloß Last, sondern auch Ausdruck schöpferischer Teilhabe.
• Es entsteht ein neues Menschenbild: nicht mehr das paradiesische Wesen in harmonischer Gottesnähe, sondern ein zwiespältiges Geschöpf – fähig zum Guten und zum Bösen, eingebettet in Geschichte, Materie und Tod. Diese Perspektive prägt die gesamte westliche Anthropologie – von Augustinus bis Heidegger.
• Die Spannung zwischen verlorener Heimat (Eden) und menschlicher Welt (Feld) bleibt Grundmotiv menschlicher Selbstdeutung. Mystische und existenzielle Deutungen – auch bei Dante – erkennen in der Vertreibung nicht nur Verlust, sondern auch Möglichkeit zur Rückkehr, jedoch nicht in die alte Form, sondern in eine verwandelte, erlöste.