Genesis 03:20

Luther 1545 VND Adam hies sein Weib Heua / darumb / das sie eine Mutter ist aller Lebendigen.
Luther 1912 Und Adam hieß sein Weib Eva, darum daß sie eine Mutter ist aller Lebendigen.

genesis 3

Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 3:20

1Mo 3:20 Und Adam nannte sein Weib Eva; denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.
1Mo 2:20 Da gab der Mensch einem jeglichen Vieh und Vogel und allen Tieren des Feldes Namen; aber für den Menschen fand sich keine Gehilfin, die ihm entsprochen hätte.
1Mo 2:23 Da sprach der Mensch: Das ist nun einmal Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch! Die soll Männin heißen; denn sie ist dem Mann entnommen!
1Mo 5:29 den nannte er Noah, indem er sprach: Der wird uns trösten ob unserer Hände Arbeit und Mühe, die herrührt von dem Erdboden, den der HERR verflucht hat!
1Mo 16:11 Weiter sprach der Engel des HERRN zu ihr: Siehe, du hast empfangen und wirst einen Sohn gebären, den sollst du Ismael nennen, weil der HERR dein Jammern erhört hat.
1Mo 29:32 Und Lea empfing und gebar einen Sohn, den hieß sie Ruben. Denn sie sprach: Weil der HERR mein Elend angesehen hat, so wird mich nun mein Mann lieben!
1Mo 35:18 Als ihr aber die Seele entschwand, weil sie am Sterben war, nannte sie seinen Namen Benoni; sein Vater aber nannte ihn Benjamin.
2Mo 2:10 Und als das Kind groß geworden, brachte sie es der Tochter des Pharao, und es ward ihr Sohn, und sie hieß ihn Mose. Denn sie sprach: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.
1Sa 1:20 Und so geschah es, als das Jahr um war, nachdem Hanna empfangen hatte, gebar sie einen Sohn; den hieß sie Samuel, denn sagte sie, ich habe ihn von dem Herrn erbeten.
Matt 1:21 Sie wird aber einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.
Matt 1:23 «Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und man wird ihm den Namen Emmanuel geben; das heißt übersetzt: Gott mit uns.»
Apg 17:26 Und er hat aus einem Blut das ganze Menschengeschlecht gemacht, daß es auf dem ganzen Erdboden wohne, und hat im voraus die Zeiten und die Grenzen ihres Wohnens bestimmt,

Biblisches Hebräisch

וַיִּקְרָא הָאָדָם שֵׁם אִשְׁתּוֹ חַוָּה כִּי הִוא אֵם כָּל־חָי׃
Vayyikra ha-'adam šem 'ištô Ḥawwāh, kî hî' 'ēm kol-ḥāy.
וַיִּקְרָא (vayyikra):
Qal-Perfekt 3. m. sg. mit vav-consecutivum → »und er nannte«
→ typisches Erzähltempus im biblischen Hebräisch.
הָאָדָם (ha-'adam):
Mit Artikel → »der Mensch«, konkret: »Adam« (Eigenname und Gattungsbezeichnung zugleich).
שֵׁם אִשְׁתּוֹ (šem 'ištô):
»den Namen seiner Frau«
šēm = »Name«
'ištô = »seine Frau« (aus 'išah + Suffix 3. m. sg.)
חַוָּה (Ḥawwāh):
Eigenname: Chawwa(h), traditionell als »Eva« wiedergegeben.
Etymologisch vermutlich verwandt mit dem Verb ḥāyāh (»leben«), Wurzel ח־י־ה.
כִּי (kî):
Kausalkonjunktion → »denn / weil«.
הִוא (hî'):
Personalpronomen 3. f. sg. → »sie«.
אֵם כָּל־חָי ('ēm kol-ḥāy):
»Mutter alles Lebendigen«
'ēm = »Mutter«
kol = »alle(s)«
ḥāy = »Lebendes / Lebendiger« (Partizip od. Abstraktum)
🡒 Bedeutungsschwerpunkt:
Die Namensgebung »Chawwah« wird begründet durch ihren Bezug zum »Leben« (ḥāy), also eine etymologische Erklärung im biblischen Stil: Eva = Lebensmutter.

Biblisches Griechisch (Septuaginta, LXX)

Καὶ ἐκάλεσεν Ἀδὰμ τὸ ὄνομα τῆς γυναικὸς αὐτοῦ Ζωή, ὅτι αὕτη μήτηρ πάντων τῶν ζώντων.
Kai ekalesen Adam to onoma tēs gynaikos autou Zōē, hoti hautē mētēr pantōn tōn zōntōn.
Καὶ ἐκάλεσεν (kai ekalesen):
Aorist Aktiv Indikativ 3. Sg. von kaleō → »und er nannte«
(entspricht wörtlich dem Hebräischen vayyikra).
Ἀδὰμ (Adam):
Eigenname; hier im Nominativ als Subjekt.
τὸ ὄνομα τῆς γυναικὸς αὐτοῦ (to onoma tēs gynaikos autou):
»den Namen seiner Frau«
onoma = »Name«
gynē = »Frau, Ehefrau«
autou = »sein«
Ζωή (Zōē):
Eigenname: »Zoe« = »Leben« → wörtliche Übersetzung der Bedeutung von חַוָּה (Chawwah).
Zōē ist im Griechischen das normale Wort für »Leben«.
ὅτι (hoti):
Kausalkonjunktion → »weil / denn«.
αὕτη μήτηρ πάντων τῶν ζώντων (hautē mētēr pantōn tōn zōntōn):
»diese ist Mutter aller Lebenden«
hautē = »diese« (Demonstrativpronomen, Fem.)
mētēr = »Mutter«
pantōn = Gen. Pl. »aller«
zōntōn = Partizip Präs. Gen. Pl. von zaō → »die Lebenden«
🡒 Beobachtung:
Die Septuaginta ersetzt den Namen »Eva« (Chawwah) durch die rein griechische Bedeutung Zōē, um die theologische Deutung – »Mutter des Lebens« – direkt hervorzuheben.

Lateinische Bibel (Vulgata)

»Et vocavit Adam nomen uxoris suae Heva, quoniam mater cunctorum viventium est.«
Et vocavit Adam:
»Und Adam nannte«
vocavit = Perfekt von vocare → »rufen, nennen«
Adam als Subjekt
nomen uxoris suae:
»den Namen seiner Frau«
nomen = »Name«
uxoris suae = »seiner Frau« (Genitiv + Possessivpronomen)
Heva:
Lateinische Form von חַוָּה (Chawwah)
→ transliteriert, nicht übersetzt wie in der LXX.
quoniam:
Kausalpartikel → »weil, da ja«.
mater cunctorum viventium est:
»sie ist die Mutter aller Lebenden«
mater = »Mutter«
cunctorum = »aller« (verstärkendes Synonym zu omnium)
viventium = Partizip Präs. Gen. Pl. von vivere (»leben«)
est = Kopula
🡒 Besonderheit:
Die Vulgata folgt dem hebräischen Wortlaut sehr eng, übernimmt Heva als phonetische Namensform und betont wie der Masoretentext die Mutterrolle durch eine klare Kausalverbindung mit dem Namen.

Fazit

• Das hebräische Original spielt mit dem Wort ḥāy (leben) und Chawwah als Namensspiel: Eva = »die Belebende«.
• Die Septuaginta macht dieses Wortspiel explizit durch die Namensgebung Zōē, was rein griechisch Leben bedeutet.
• Die Vulgata bleibt der hebräischen Lautgestalt treu (Heva), übersetzt aber klar den theologischen Sinn mit mater viventium – Mutter der Lebenden.

Vertiefte semantische Analyse

»Adam hieß sein Weib Eva«
»hieß« ist die Vergangenheitsform von »nennen« oder »benennen«. Es markiert einen bewussten, sprachlich-schöpferischen Akt – ähnlich wie Adams Benennung der Tiere in Gen 2,19–20.
»sein Weib« (hebr. ishto) bezeichnet hier die Frau in enger relationaler Zugehörigkeit zu Adam. Das Wort ischah (»Frau«) leitet sich im Hebräischen von isch (»Mann«) ab und spiegelt eine ursprüngliche Beziehungseinheit wider (vgl. Gen 2,23).
»Eva« (hebr. Chawwah, verwandt mit chai, »leben«) ist ein Neologismus, der semantisch mit leben assoziiert ist.
»darum daß sie eine Mutter ist aller Lebendigen«
Die Wendung »darum daß« (hebr. kî hî) drückt eine Begründung oder Folgerung aus.
»Mutter aller Lebendigen« (em kol-chai) weist auf eine archetypische Rolle hin. Eva wird nicht nur als biologische Mutter verstanden, sondern als Ursprung und Repräsentantin allen menschlichen Lebens.
»aller Lebendigen« schließt semantisch weit mehr ein als nur die direkten Nachkommen – es evoziert auch symbolisch die Lebensquelle, das Existenzspendende.

Tiefere theologische Deutung

Diese Szene folgt unmittelbar auf das Gericht Gottes über Mensch und Schlange (Gen 3,14–19) und steht noch vor dem Hinauswurf aus dem Garten. Inmitten der Konsequenzen des Sündenfalls ist diese Benennung ein Akt der Hoffnung.
1. Namensgebung als Schöpfungsakt
Adam benennt Eva in einem Moment der Trennung von Unschuld – dennoch ist dies eine Geste der Kreativität, fast eine Mitwirkung an Gottes schöpferischem Wirken. Es ist der erste menschliche Versuch, dem postlapsarischen Zustand Sinn und Ordnung zu verleihen.
2. Eva als Lebensquelle trotz Tod
In Gen 2,17 wurde der Tod als Konsequenz des Ungehorsams angekündigt. Doch inmitten dieser Todesverkündigung benennt Adam seine Frau »Leben«. Dieser Gegensatz ist theologisch bedeutsam: Aus der Frau, die als Erste dem Tod Tür öffnete (nach der Erzählung), wird dennoch Leben entspringen – und damit auch Heilsgeschichte.
3. Proto-Evangelium als Hintergrund (Gen 3,15)
Die Benennung Evas kann auch im Lichte von Gen 3,15 gelesen werden – der Verheißung vom »Samen der Frau«, der der Schlange den Kopf zertreten wird. Eva ist somit Trägerin dieser heilsgeschichtlichen Hoffnung.
4. Eva als Typus Mariens
In der christlichen Theologie wird Eva in typologischer Entsprechung zu Maria (»neue Eva«) gesehen. Wenn Eva die »Mutter aller Lebendigen« ist, so wird Maria die »Mutter des Lebens« in Person Christi (vgl. Joh 14,6).

Rezeptionsgeschichtliche Vertiefung

1. Jüdische Tradition:
Im rabbinischen Denken wird Eva ambivalent betrachtet: Einerseits als Ursache des Sündenfalls, andererseits als Lebensstifterin. Die Midraschim heben ihre Schönheit, Weisheit, aber auch ihre Gefährdungskraft hervor.
2. Patristische Rezeption:
Kirchenväter wie Irenäus von Lyon entwickelten die Typologie Eva–Maria. Wo Eva durch Unglauben und Ungehorsam Leben in den Tod führte, bringt Maria durch Glauben und Gehorsam das Leben in die Welt.
3. Mittelalterliche Mystik:
In der mittelalterlichen Marienmystik erscheint Maria oft als »Mutter der Lebendigen«, wobei auf Gen 3,20 Bezug genommen wird. Eva wird dabei häufig negativ als diejenige gezeichnet, durch die das »Leben« beschädigt wurde – und Maria als deren Umkehrung.
4. Reformation:
Luther selbst deutete Eva in seinen Predigten weniger als Urheberin der Sünde, sondern mehr als Symbol menschlicher Schwäche und göttlicher Gnade. Die Namensgebung durch Adam war für ihn ein Zeichen des Glaubens, nicht bloß der Erkenntnis.
5. Moderne feministische Theologien:
Moderne Interpretationen lesen in Gen 3,20 eine Anerkennung weiblicher Kreativität, aber auch eine Ambivalenz: Die Frau wird auf ihre Mutterrolle reduziert. Einige Lesarten sehen hierin den Beginn einer patriarchalisch geprägten Anthropologie.

Fazit

Genesis 3,20 markiert einen bedeutsamen Übergang: Vom Fall zum Hoffnungsschimmer, vom Gericht zur Verheißung. Die Benennung »Eva« ist mehr als nur ein Name – sie ist theologisch ein Ruf zum Leben in einer Welt, die gerade den Tod empfangen hat. Im Angesicht der Sterblichkeit wird die Frau zur Mutter des Lebens – eine paradoxe, aber tiefgründige Pointe der biblischen Erzählung.

Literarische und kulturgeschichtliche Einordnung

Der Vers steht am Ende des Sündenfall-Narrativs in Genesis 3. Nach der Vertreibung aus dem Paradies, nachdem Gott Adam und Eva mit Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert hat, folgt dieser Vers als eine Art Neubenennung oder Neuverortung der Frau im Kosmos.
Namensgebung als Akt der Deutungshoheit: Adam benennt Eva (hebr. Chawwa, verwandt mit chaj, »Leben«) im Bewusstsein ihrer zukünftigen Rolle. In der antiken Kultur bedeutet Benennung auch Macht oder Ordnung – Adam spricht Eva in gewisser Weise ihre Funktion im neuen postlapsarischen Weltzustand zu: Sie wird nicht länger nur Gehilfin (Gen 2,18), sondern Mutter alles Lebendigen – obwohl sie noch kein Kind geboren hat.
Kultureller Archetyp: Eva wird zum Urbild der Frau und Mutter in der jüdisch-christlichen Tradition. Die Verbindung von Weiblichkeit und Lebenschöpfung verankert sich hier mythopoetisch und wirkt über die Jahrhunderte nach – sowohl in positiven als auch in ambivalenten Zuschreibungen.
Ambivalenz des Trostes: Der Vers enthält eine paradoxe Hoffnung: Inmitten des Verlusts des Paradieses eröffnet sich eine neue Zukunft durch die Geburt von Leben. Der »Mutter alles Lebendigen« steht die Tatsache gegenüber, dass durch sie (und Adam) der Tod in die Welt kam (vgl. Röm 5,12). Diese Spannung prägt die spätere theologische wie literarische Rezeption.

Resonanz in Dantes Divina Commedia

Dante nennt Eva mehrfach in der Commedia, meist in Verbindung mit der Erbsünde, der Erlösungsgeschichte – und mit Maria. Die wichtigste theologische Konstellation ist die typologische Gegenüberstellung von Eva und Maria.
Paradiso XXXIII: In Bernhards Mariengebet vor der Vision Gottes wird Maria als die »Vergine madre, figlia del tuo figlio« gepriesen – also als neue Eva, deren Gehorsam den Ungehorsam Evas aufhebt. Diese Szene steht in bewusster Umkehrung zur Genesis-Stelle: Wo Eva die Tür zur Sünde öffnet, öffnet Maria die Tür zur Erlösung.
Purgatorio XXX, 118–138: Dante begegnet Beatrice wieder – sie erscheint gleichsam als Christusgestalt, aber mit stark marianischen und eva-kontrastiven Zügen. Der Kontext der Läuterung weist Eva als Ursprung des Leids aus, das aber durch Läuterung und Liebe überwunden werden kann.
Symbolische Gegenwart: Eva taucht zwar selten namentlich auf, ist aber als archetypische Figur des »ersten Fehlers« (il primo errore) präsent. Die Frauengestalten Dantes – insbesondere Lucia, Beatrice und Maria – bilden einen heilsgeschichtlichen Kontrapunkt zu Eva.

Anthropologische Perspektiven

Der Vers impliziert ein grundlegendes Menschenbild – im Horizont von Fall, Fruchtbarkeit, Verantwortung und Geschlechterrollen.
Postlapsarischer Neuanfang: Nach dem Bruch mit Gott folgt nicht die Vernichtung, sondern eine neue Berufung. Der Mensch bleibt Träger der göttlichen Schöpfungsabsicht – in diesem Fall durch Fortpflanzung. Das Menschsein entfaltet sich in der Spannung zwischen Verlust und Zukunft.
Genderanthropologie: Die Frau wird über ihre leibliche Funktion als Mutter definiert – ein Motiv, das in theologischer wie feministischer Anthropologie kontrovers diskutiert wurde. Zugleich ist diese Zuschreibung auch eine Würdigung: Das Leben geht von der Frau aus. Es ist ein Akt der »Rettung durch Gebären« (1 Tim 2,15), aber auch der Ursprung theologischer wie sozialer Ambivalenzen.
Namensgebung als Macht und Verantwortung: Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das benennt – damit beginnt Kultur, Sprache, Geschichte. In der Benennung Evas liegt ein erstes anthropologisches Erkennen: Der Mensch reflektiert nicht nur das Leben, er gestaltet es, indem er es sprachlich ordnet.

Zusammenfassung der Tiefenstruktur

Genesis 3,20 ist kein bloß beschreibender, sondern ein zutiefst symbolischer Satz. Er markiert die Schwelle zwischen Paradies und Geschichte, zwischen Schuld und Hoffnung. In Dantes Kosmos – besonders im Paradiso – schwingt dieser Vers im Hintergrund mit, wenn über das Verhältnis von Schuld, Gnade und Erlösung nachgedacht wird. Anthropologisch wird Eva zur doppelgesichtigen Figur: Ursprung des Lebens und des Leids – ein Spannungsfeld, das Dante durch die Gegenbilder von Beatrice und Maria poetisch auflöst.

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01 Die Schoepfung

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