• Luther 1545 DA sprach Gott der HERR zu der Schlangen / Weil du solches gethan hast / Seistu verflucht fur allem Vieh vnd fur allen Thieren auff dem felde / Auff deinem Bauch soltu gehen / vnd erden essen dein leben lang /
• Luther 1912 Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du solches getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du gehen und Erde essen dein Leben lang.
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 3:14
1Mo 3:14 Da sprach Gott der HERR zur Schlange: Weil du solches getan hast, so seist du verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren des Feldes! Auf deinem Bauch sollst du kriechen und Erde essen dein Leben lang!
Ps 72:9 Vor ihm werden sich die Wüstenvölker beugen, und seine Feinde werden Staub lecken.
Jes 29:4 Alsdann wirst du auf der Erde liegend reden und in den Staub gebeugt eine bescheidene Sprache führen. Deine Stimme wird wie die eines Gespenstes aus der Erde hervorkommen und deine Rede aus dem Staube heraus flüstern.
Jes 65:25 Wolf und Lamm werden einträchtig weiden, der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, und die Schlange wird sich mit Staub begnügen. Sie werden nicht schaden noch verderben auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.
Mic 7:17 Sie werden Staub lecken wie die Schlangen, wie Erdenwürmer zitternd aus ihren Löchern hervorkriechen; angstvoll werden sie zu dem HERRN, unserm Gott, nahen und sich fürchten vor dir.
1Mo 3:1 Aber die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Gott der HERR gemacht hatte; und sie sprach zum Weibe: Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft nicht essen von jedem Baum im Garten?
1Mo 9:6 Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen nach seinem Bild gemacht.
2Mo 21:28 Wenn ein Ochs einen Mann oder eine Frau zu Tode stößt, so soll man ihn steinigen und sein Fleisch nicht essen; der Eigentümer des Ochsen aber bleibe unbestraft.
3Mo 20:25 So sollt nun auch ihr das reine Vieh vom unreinen absondern und die unreinen Vögel von den reinen, und sollt eure Seelen nicht verabscheuungswürdig machen durch Vieh, Vögel und alles, was auf Erden kriecht, was ich euch als unrein abgesondert habe;
Hebräisch (Masoretischer Text)
וַיֹּאמֶר יְהוָה אֱלֹהִים אֶל־הַנָּחָשׁ כִּי עָשִׂיתָ זֹּאת אָרוּר אַתָּה מִכָּל־הַבְּהֵמָה וּמִכֹּל חַיַּת הַשָּׂדֶה עַל־גְּחֹנְךָ תֵלֵךְ וְעָפָר תֹּאכַל כָּל־יְמֵי חַיֶּיךָ׃
Vayyómer Adonai 'Elohím el-hannachásh: Kí ‘asíta zó't, 'arúr attá mikkól-habbehémá u-mikkól chayyát hassádeh; ‘al-gechóncha telekh, ve-‘afár to'khál kol-yeméi chayyécha.
וַיֹּאמֶר vayyómer – »und er sprach«: waw-consecutivum + Qal Imperfekt 3. m.sg. von אָמַר, typisch für narrative Abfolge.
יְהוָה אֱלֹהִים Adonai 'Elohím – »der HERR, Gott«; Tetragramm mit Apposition.
אֶל־הַנָּחָשׁ el-hannachásh – »zu der Schlange«; direkte Anrede.
כִּי עָשִׂיתָ זֹּאת ki ‘asíta zó't – »weil du dies getan hast«; kausaler Nebensatz, Perfekt 2. m.sg.
אָרוּר אַתָּה 'arúr attá – »verflucht bist du«; Partizip Passiv Qal + Personalpronomen zur Betonung.
מִכָּל־הַבְּהֵמָה... mikkól-habbehémá... – »unter allem Vieh…«: min (Trennung oder Vergleich) + kol (Gesamtheit) mit Artikel.
עַל־גְּחֹנְךָ תֵלֵךְ ‘al-gechóncha telekh – »auf deinem Bauch sollst du gehen«; Imperfekt Qal 2. m.sg.
וְעָפָר תֹּאכַל ve-‘afár to'khál – »und Staub wirst du essen«; Imperfekt Qal 2. m.sg.
כָּל־יְמֵי חַיֶּיךָ kol-yeméi chayyécha – »alle Tage deines Lebens«; idiomatischer Ausdruck für »für immer«.
Bemerkungen:
Die Passage ist dichterisch-rhythmisch formuliert. Die Strafe enthält Symbolik (Bauch = Erniedrigung, Staub = Tod/Nichtigkeit). Das Wort »'arúr« (verflucht) ist theologisch bedeutend als Kontrast zur Segensformel »barúk«.
Griechisch (Septuaginta)
καὶ εἶπεν κύριος ὁ θεὸς τῷ ὄφει· Ὅτι ἐποίησας τοῦτο, ἐπικατάρατος σὺ ἀπὸ πάντων τῶν κτηνῶν καὶ ἀπὸ πάντων τῶν θηρίων τῶν ἐπὶ τῆς γῆς· ἐπὶ τοῦ στήθους σου καὶ τῆς κοιλίας πορεύσῃ καὶ γῆν φάγῃ πάσας τὰς ἡμέρας τῆς ζωῆς σου.
Kai eipen Kyrios ho Theós tōi óphei: Hoti epoíēsas toûto, epikátaratos sý apó pántōn tōn ktēnōn kai apó pántōn tōn thēríōn tōn epì tēs gēs; epì tou stḗthous sou kai tēs koilías poreúsēi, kai gên phágēi pásas tas hēméras tēs zōēs sou.
καὶ εἶπεν - kai eipen – »und er sprach«: aorist akt. Ind. 3. Sg. von légo.
κύριος ὁ θεός - Kyrios ho Theós – »der Herr, Gott«; standardmäßige LXX-Wiedergabe von יְהוָה אֱלֹהִים.
τῷ ὄφει - tōi óphei – »zur Schlange«; Dativ Singular.
Ὅτι ἐποίησας τοῦτο - hóti epoíēsas toûto – »weil du dies getan hast«; Aorist Ind. Akt. 2. Sg. von ποιέω.
ἐπικατάρατος - epikátaratos – »verflucht«; adjektivisches Partizip: wörtlich »unter Fluch stehend«.
σὺ - sy – »du«; betontes Pronomen zur Hervorhebung.
ἀπὸ πάντων τῶν κτηνῶν... – »mehr als alle Tiere…«; apo + Genitiv zeigt Vergleich oder Rangfolge.
ἐπὶ τοῦ στήθους σου καὶ τῆς κοιλίας πορεύσῃ – »auf deiner Brust und deinem Bauch sollst du gehen«; poreúsēi ist Futur oder Präsens Medium 2. Sg.
γῆν φάγῃ - gên phágēi – »Erde wirst du essen«; Konjunktiv aorist 2. Sg. von ἐσθίω, hier wie ein Futur verstanden.
πάσας τὰς ἡμέρας τῆς ζωῆς σου – »alle Tage deines Lebens«; klassischer Zeitbegriff für Dauer.
Bemerkungen:
Die Septuaginta betont stärker die Abwärtsbewegung der Schlange (στήθος – Brust) und verwendet mit epikátaratos ein seltenes, stark wertendes Adjektiv. Die Formulierungen zeigen Einfluss klassischer griechischer Redeweise, bleiben aber eng am Hebräischen.
Lateinisch (Vulgata)
Dixit Dominus Deus ad serpentem: Quia fecisti hoc, maledictus es inter omnia animantia et bestias terrae; super pectus tuum gradieris, et terram comedes cunctis diebus vitae tuae.
Dixit – »er sprach«; Perfekt 3. Sg. von dicere.
Dominus Deus – »der Herr, Gott«; wörtliche Übernahme aus hebräischem Idiom.
ad serpentem – »zur Schlange«; Akkusativ nach ad.
Quia fecisti hoc – »weil du dies getan hast«; kausale Einleitung + Perfekt 2. Sg. von facere.
maledictus es – »du bist verflucht«; Passiv Perfekt von maledicere (»verfluchen«), prädikativ verwendet.
inter omnia animantia... – »unter allen Lebewesen«; inter + Akk. für Vergleich.
super pectus tuum gradieris – »auf deiner Brust wirst du gehen«; gradieris ist Deponens Futur 2. Sg. von gradior (»schreiten«).
terram comedes – »die Erde wirst du essen«; Futur von comedere.
cunctis diebus vitae tuae – »alle Tage deines Lebens«; cunctis (alle) + vitae tuae (Genitiv).
Bemerkungen:
Hier wird gradior verwendet – ein edler Ausdruck für »gehen«, was im Kontrast zur Erniedrigung der Schlange fast ironisch wirkt. Der Ausdruck »maledictus« ist im christlichen Latein später zentral für Fluch-/Segenstheologie. Das Futur unterstreicht die dauerhafte Konsequenz der Tat.
Schlussbeobachtung:
Alle drei Sprachversionen bewahren die Grundstruktur der göttlichen Verfluchung: Begründung → Fluchformel → dreiteilige Strafe (Erniedrigung, Fortbewegung auf dem Bauch, Staubverzehr).
Die hebräische Version betont durch ihre Bildhaftigkeit den physischen und ontologischen Abstieg der Schlange. Die griechische Version fügt eine feinere semantische Struktur ein, während die lateinische mit stilistischer Schlichtheit die Logik des Strafspruchs wahrt und verstärkt.
Theologische oder symbolische Auslegung
Dieser Vers steht im unmittelbaren Kontext des Sündenfalls: die Schlange hat Eva verführt, und Gott richtet nun ein dreifaches Strafurteil – zuerst an die Schlange.
Die Schlange als Symbol
Altes Testament: Die Schlange symbolisiert Verführung, Chaos und Feindschaft gegen Gott. Anders als in späterer Tradition ist sie im AT nicht explizit »der Teufel« – aber als Gegenspielerin Gottes klar markiert.
Symbolik des Kriechens: »Auf deinem Bauche sollst du gehen« drückt Erniedrigung aus. Die Schlange verliert ihren vorherigen Stand (vielleicht hatte sie Beine oder eine andere Gestalt?) und wird kriechend zum Sinnbild für Schmach.
»Erde essen«: Symbol für extreme Degradierung. Im Alten Orient galt das Staubessen als Zeichen absoluter Niederlage (vgl. z. B. Psalm 72,9; Micha 7,17). Es meint keine wörtliche Nahrung, sondern totale Unterwerfung.
Urbild des Bösen und Gegenspielers
Im weiteren biblischen Kontext (z. B. Jes 27,1 oder Offb 12,9) wird die Schlange mit Satan identifiziert. In Genesis 3,14 beginnt dieser Traditionsstrang: Die Schlange steht exemplarisch für alles, was sich gegen Gottes Ordnung richtet – deshalb wird sie nicht einfach »bestraft«, sondern verflucht.
Vertiefte semantische Analyse
»Da sprach Gott der HERR«
Gott erscheint hier in der doppelten Benennung »Gott der HERR« (hebr. אֱלֹהִים יְהוָה). Es betont sowohl seine Allmacht (Elohim) als auch seinen Bundesnamen (JHWH) – d. h. Gerechtigkeit und Treue vereint. Diese Kombination ist wichtig: Das Urteil erfolgt nicht nur aus Zorn, sondern aus göttlicher Ordnung heraus.
»zu der Schlange«
Die Adressierung erfolgt direkt. Die Schlange ist die erste, an die Gott sich im Gericht wendet – was ihre zentrale Rolle in der Verführung betont.
»Weil du solches getan hast«
Eine juristische Formel: Sie begründet das Strafurteil. Die Tat hat klare Konsequenz. »Solches« verweist summarisch auf das Verführungswerk – die genaue Tat wird nicht wiederholt, was ihre moralische Evidenz unterstreicht.
»seist du verflucht«
Der hebräische Ausdruck ārûr (אָרוּר) ist stark: »verflucht«, d. h. ausgeschlossen vom göttlichen Segen. Es ist eine Verkehrung der Schöpfungsordnung (anders als gesegnet sein, bārûk). Der Fluch betrifft nicht nur ein Schicksal, sondern den Status selbst.
»vor allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde«
Die doppelte Parallelformel (Vieh = Haustiere, Tiere auf dem Felde = Wildtiere) betont die totale Erniedrigung im Tierreich. Die Schlange ist nicht einfach Tier unter Tieren, sondern das verachtenswerteste Tier – sie steht unterhalb der gesamten Schöpfung.
»Auf deinem Bauche sollst du gehen«
Bewegungsverb mit Dauer: Das ist nun ihre Daseinsform. Gehen auf dem Bauch verweist auf Erniedrigung und Verwundbarkeit, wie auch auf den Verlust der Würde.
Auch symbolisch: Sie kann sich nicht mehr erheben, kein Dialog mehr – sie kriecht wortlos im Staub. Die Kommunikation mit ihr war trügerisch und ist nun verbannt.
Auch symbolisch»und Erde essen dein Leben lang«
Dauerhafte Strafe: kol jêmej chajjêcha = »alle Tage deines Lebens« = lebenslänglicher Zustand.
Erde essen ist keine wörtliche Beschreibung von Nahrung, sondern metaphorisch: ein Leben in totaler Entwürdigung. Es kann auch bedeuten: ewige Nähe zum Sterblichen, zur Vergänglichkeit – ein Dasein im Bann des Todes.
Literarische und kulturgeschichtliche Einordnung
• Dieser Vers gehört zur sogenannten Urgeschichte (Genesis 1–11), einem mythisch-poetischen Erzählkomplex, der grundlegende Fragen menschlicher Existenz thematisiert: Ursprung, Schuld, Tod und Trennung vom göttlichen Ursprung.
• Die Schlange erscheint hier nicht als gewöhnliches Tier, sondern als Symbolträger: für List, Täuschung und Versuchung. Ihre Bestrafung zielt nicht nur auf ihre Gestalt (Bauch, Staub), sondern auf eine ontologische Herabsetzung – sie wird unter alle anderen Geschöpfe gestellt. In der antiken Welt galt die Schlange oft als ambivalentes Tier: Lebenssymbol, Heilbringerin (Äskulapstab), aber auch Sinnbild für das Böse und das Chaotische. Diese Ambivalenz wird hier aufgelöst: Die Schlange wird dämonisiert und zu einem Sinnbild für die Trennung von Gott.
• Der Fluch "auf deinem Bauche sollst du gehen" wird oft als Erklärung für die kriechende Fortbewegung gedeutet, doch metaphorisch steht es für einen radikalen Fall in die materielle Welt, in Erniedrigung, in Erdverbundenheit und Entgeistigung. Das "Essen von Staub" ist ein Bild des Verlorenseins im Irdischen – und zugleich ein Verweis auf die Vergänglichkeit, die im biblischen Denken mit "Staub" verbunden ist (vgl. Gen 3,19: "Denn du bist Staub und zum Staub kehrst du zurück.").
• In der christlichen Tradition wird diese Szene oft als protoevangelium gelesen – als erster Hinweis auf das Heilsgeschehen. Die folgende Stelle (Gen 3,15), die von der Feindschaft zwischen der Frau und der Schlange spricht, wurde früh als Vorankündigung des Sieges Christi (und Mariens) über den Satan gelesen.
Resonanz in Dantes Divina Commedia
• Dante nimmt dieses biblische Motiv mehrfach auf, besonders in der Divina Commedia, wo die Schlange zu einem archetypischen Symbol des dämonischen Willens wird.
• Am deutlichsten wird die Verbindung in Inferno XXV, wo die Diebe in der Hölle von Schlangen gepeinigt und verwandelt werden. Die Schlangen sind hier nicht nur Folterinstrument, sondern symbolisieren die List und die sich ständig wandelnde, betrügerische Natur der Sünde. Besonders eindrücklich beschreibt Dante, wie ein Dieb von einer Schlange gebissen wird, sich mit ihr verschmilzt und seine menschliche Form verliert – eine groteske Parodie auf die Menschwerdung, die Umkehrung der göttlichen Inkarnation.
• Die Höllenlandschaft ist von Reptilien und Schlangen durchzogen – ein visuelles Echo auf die Verfluchung der Schlange in Genesis 3,14. Diese Tiere leben auf dem Bauch, in der Nähe des Staubs, und verweisen symbolisch auf die Bodenhaftung, das Körperliche, das Tierhafte – all das, was in Dantes kosmologischer Ordnung der göttlichen Vernunft entgegengesetzt ist.
• Darüber hinaus erscheint Luzifer selbst im tiefsten Kreis der Hölle als eine Art Mischung aus Tier, Mensch und Dämon – mit einem Tierleib, der an die "entäußerte" Schlange erinnert. Das Herabgestürztsein, die Fixierung im Eis, ist eine radikale Form jener Erniedrigung, die bereits in Genesis 3,14 angedeutet wird.
Schlussbemerkung
Genesis 3,14 markiert den Beginn einer langen theologischen und literarischen Geschichte der Schlange als Gegenfigur zur göttlichen Ordnung. In der Divina Commedia wird diese Symbolik ausdifferenziert: Die Schlange ist nicht nur Tier, sondern Ausdruck eines Wesenszustands – der Sünde als Verzerrung der göttlichen Idee. Dante bleibt dem mittelalterlichen Denken verpflichtet, das die Bibel als geschlossene Weltordnung las, in der jedes Detail Resonanz hat. Die Schlange auf dem Bauch ist ein Sinnbild für das unaufhörliche Streben nach Irdischem – ein Streben, das letztlich ins Leere führt.