• Luther 1545 Da sprach Gott der HERR zum Weibe / warumb hastu das gethan? Das Weib sprach / Die Schlange betrog mich also / das ich ass.
• Luther 1912 Da sprach Gott der HERR zum Weibe: Warum hast du das getan? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich also, daß ich aß.
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 3:13
1Mo 3:13 Da sprach Gott der HERR zum Weibe: Warum hast du das getan? Das Weib antwortete: Die Schlange verführte mich, daß ich aß!
1Mo 3:4 Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet sicherlich nicht sterben!
2Kor 11:3 Ich fürchte aber, es könnten, wie die Schlange mit ihrer List Eva verführte, so auch eure Sinne verdorben und von der Einfalt gegen Christus abgelenkt werden.
1Tim 2:14 Und Adam wurde nicht verführt, das Weib aber wurde verführt und geriet in Übertretung;
1Mo 4:10 Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde!
1Mo 44:15 Joseph aber sprach zu ihnen: Was ist das für eine Tat, die ihr begangen habt? Wußtet ihr nicht, daß ein solcher Mann, wie ich bin, erraten kann?
1Sa 13:11 Samuel aber sprach: Was hast du gemacht? Saul antwortete: Als ich sah, daß das Volk sich von mir zerstreute und daß du nicht zur bestimmten Zeit kamst und daß die Philister zu Michmas versammelt waren,
2Sa 3:24 Da ging Joab zum König hinein und sprach: Was hast du getan? Siehe, Abner ist zu dir gekommen! Warum hast du ihn ziehen lassen, daß er gehen kann, wohin er will?
2Sa 12:9 Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet, indem du tatest, was vor seinen Augen böse ist? Urija, den Hetiter, hast du mit dem Schwert erschlagen, und sein Weib hast du dir zum Weibe genommen; ihn aber hast du durch das Schwert der Kinder Ammon umgebracht!
Joh 18:35 Pilatus antwortete: Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet! Was hast du getan?
Biblisches Hebräisch (Masoretischer Text)
וַיֹּאמֶר יְהוָה אֱלֹהִים לָאִשָּׁה מַה־זֹּאת עָשִׂית וַתֹּאמֶר הָאִשָּׁה הַנָּחָשׁ הִשִּׁיאַנִי וָאֹכֵל׃
Vajómer Adonai Elohím la'ischá: Mah zót asít? Vajtómer ha'ischá: HaNachásh hishí'ani va'ochél.
וַיֹּאמֶר (vajómer) – »Und er sprach«: Imperfekt mit vav-consecutivum; häufige Erzählform im Hebräischen.
יְהוָה אֱלֹהִים (Adonai Elohim) – »Gott der HERR«: Tetragramm JHWH (hier mit »Adonai« gelesen), kombiniert mit Elohim, betont sowohl persönliche Nähe als auch Macht.
לָאִשָּׁה (la'ischá) – »zur Frau«: Dativ mit Artikel.
מַה־זֹּאת עָשִׂית (mah zót asít?) – »Was ist dies, das du getan hast?«: Wörtlich »Was dies hast du getan?« – direkte und konfrontative Frage.
הַנָּחָשׁ (haNachásh) – »die Schlange«: mit bestimmtem Artikel.
הִשִּׁיאַנִי (hishí'ani) – »hat mich verführt«: Hiphil-Perfekt von nasha (täuschen, betrügen); betont aktives Irreführen.
וָאֹכֵל (va'ochél) – »und ich aß«: Imperfekt mit vav-consecutivum; einfache Vergangenheitsform.
➡️ Die Frau sieht sich als betrogen an und legt die Verantwortung auf die Schlange – das Verb hishí‘ani trägt eine intensive Täuschungskomponente.
Biblisches Griechisch (Septuaginta)
καὶ εἶπεν κύριος ὁ θεὸς τῇ γυναικί· τί τοῦτο ἐποίησας; καὶ εἶπεν ἡ γυνή· ὁ ὄφις ἠπάτησέν με καὶ ἔφαγον.
Kai eipen Kyrios ho Theós tē gynaikí: Ti toûto epoíēsas? Kai eipen hē gynḗ: Ho óphis ēpátēsen me kai éphagon.
εἶπεν (eipen) – Aorist von légo, »er sprach«: typisch narrativer Aorist.
κύριος ὁ θεὸς (Kyrios ho Theós) – »der Herr, Gott«: gängige Septuaginta-Übersetzung von YHWH Elohim.
τῇ γυναικί (tē gynaikí) – Dativ: »zur Frau«.
τί τοῦτο ἐποίησας; – »Was ist das, was du getan hast?«: Betonung des Geschehenen; epoiēsas = Aorist von poieō (»tun«).
ὁ ὄφις (ho óphis) – »die Schlange«, wörtl. »der Schlange« mit Artikel.
ἠπάτησέν με (ēpátēsen me) – Aorist von apataō, »er täuschte mich« oder »er verführte mich«; starker Begriff für arglistige Irreführung.
ἔφαγον (éphagon) – Aorist von esthiō (»essen«): »ich aß«.
➡️ Das griechische apataō entspricht direkt dem hebräischen hishí‘ani, beide tragen den Sinn von bewusster Täuschung oder Verführung. Die Verantwortung wird ebenfalls weitergereicht.
Biblisches Latein (Vulgata)
Dixitque Dominus Deus ad mulierem: Quare hoc fecisti? Quae respondit: Serpens decepit me, et comedi.
Dixitque – »und er sprach«: Perfekt von dicere mit Enklise -que, klassische Erzählform.
Dominus Deus – »der Herr, Gott«: Entspricht der hebräischen Form YHWH Elohim.
ad mulierem – »zur Frau«, Akkusativ mit ad (bei Redeeinleitung üblich im Lateinischen).
Quare hoc fecisti? – »Warum hast du das getan?«: Quare (»warum«), fecisti = Perfekt von facere (»machen, tun«).
Serpens – »die Schlange«: Subjekt.
decepit me – »hat mich getäuscht«: Perfekt von decipere (täuschen, betrügen); entspricht genau dem griechischen ēpátēsen und hebräischen hishí‘ani.
et comedi – »und ich aß«: Perfekt von comedere (»essen«); klassische Handlungsschilderung.
➡️ Auch im Lateinischen ist die Täuschung als bewusster Betrug kodiert (decepit), und die Frau stellt sich als Opfer einer listigen Verführung dar.
Zusammenfassung und Beobachtungen
In allen drei Sprachtraditionen (Hebräisch, Griechisch, Latein) ist ein zentrales Motiv:
• Die Frau antwortet auf die göttliche Frage mit einer Schuldverschiebung: Die Schlange hat mich betrogen / verführt / getäuscht.
• Das jeweilige Verb (hebr. hishí‘ani, griech. ēpátēsen, lat. decepit) trägt eine ähnliche semantische Färbung: aktiver Betrug, nicht bloß passives Missverständnis.
• Die göttliche Frage selbst betont das Erstaunen und die Ernsthaftigkeit über das Geschehene: »Was hast du da getan?« bzw. »Warum hast du das getan?«
Syntaktisch-lexikalische Analyse (Wort für Wort)
»Da sprach«
– da: temporales Adverb; im biblischen Deutsch häufig verwendet, um eine Szene zu eröffnen oder fortzusetzen, mit Bedeutung wie »dann« oder »daraufhin«.
– sprach: Präteritum von »sprechen«, aktives Verb, direkter Redeeintritt Gottes.
»Gott der HERR«
– Doppelbezeichnung: Elohim JHWH. »Gott« steht für Elohim (allgemeiner Gottesbegriff), »der HERR« (in Versalien) für JHWH, den spezifischen, personalen Namen Gottes, oft als Ausdruck seiner Bundesbeziehung zu Israel gelesen.
– Die Kombination weist auf den Gott Israels in seiner Souveränität und persönlichen Nähe hin.
»zum Weibe«
– Weib ist die ältere Form für »Frau« (hebräisch: 'iššāh), neutral in der ursprünglichen Sprachverwendung, jedoch im Deutschen heute oft negativ konnotiert.
– Der Dativ zum (zu dem) zeigt die direkte Ansprache.
»Warum hast du das getan?«
– Warum: Interrogativpronomen, Ausdruck göttlicher Anklage oder Prüfung.
– hast getan: Perfektform von »tun«, hebt das abgeschlossene Ereignis hervor.
– das: Demonstrativpronomen, bezieht sich auf den konkreten Akt des Ungehorsams (vom Baum essen).
→ In der hebräischen Vorlage (māh zō't ʿāśît?) liegt eine Betonung auf der Bestürzung oder Verwunderung Gottes.
»Das Weib sprach«
– Wiederholung der Subjektbezeichnung unterstreicht die formale Struktur.
– sprach: ebenso Präteritum, stilistisch dem vorherigen Satz angepasst.
»Die Schlange betrog mich also«
– Die Schlange: Definitheit signalisiert, dass das Tier bereits bekannt ist (Vers 1).
– betrog: starkes Verb, hebräisch hiššanî (von nāšāʼ, »täuschen, verführen«), aktivisches Handeln der Schlange.
– mich: Personalpronomen im Akkusativ, betont die eigene Betroffenheit.
– also: altertümliche Stellung für »so« oder »in dieser Weise«, erklärt die Handlung als Folge der Täuschung.
»daß ich aß.«
– daß: kausal-finaler Nebensatz, Ausdruck einer Folge (Konsekutivsatz).
– ich aß: Akt des Essens als Folge der Täuschung, auf das Verb reduziert – betont die Tat in ihrer Nacktheit.
→ Hebräisch: wāʾōʾkal – einfaches Verb im imperfektiven Modus, ohne Betonung auf Absicht oder Reue.
Vertiefte semantische Analyse
Kommunikativer Akt Gottes: Die Frage Gottes ist keine Informationssuche, sondern eine Einladung zur Selbsterkenntnis. Es geht weniger um Wissensvermittlung als um moralische Konfrontation.
Verantwortungsverschiebung: Die Frau benennt nicht sich selbst als Ursache, sondern die Schlange. Sie gesteht die Tat, aber schiebt die Schuld ab – was die Grundstruktur aller späteren Sündenvermeidung durch Ausflüchte andeutet.
Täuschung als Motiv: Das hebräische nāšāʼ (täuschen) wird in der Bibel mehrfach verwendet für Verführung zum Götzendienst oder Ungehorsam. Es impliziert eine Irreführung, bei der der Betrogene mitschuldig bleibt, weil er sich überzeugen lässt.
Erniedrigung der Schöpfungsordnung: Die Frau, geschaffen als Partnerin des Menschen, lässt sich von einem Tier führen – eine Umkehrung der göttlich geordneten Rangfolge (Gott → Mensch → Tier).
Tiefere theologische Deutung
Sündenbewusstsein im Werden: Gottes Frage offenbart den ethischen Ernst der Situation. Doch die Frau antwortet in einem Modus der Verlagerung: Sie ist Opfer – und Täterin. Die Theologie nennt dies Ursünde nicht nur wegen der Tat, sondern wegen des Musters: Verführung → Handlung → Verweigerung von Verantwortung.
Anthropologischer Spiegel: Die Frau steht stellvertretend für den Menschen insgesamt. Ihr Verhalten ist paradigmatisch: Schuld wird nicht anerkannt, sondern erklärt. Sie erkennt nicht sich selbst als Quelle des Bösen, sondern benennt äußere Einflüsse.
Gottes Barmherzigkeit in der Anrede: Trotz des Ungehorsams spricht Gott weiterhin direkt mit ihr. Die Beziehung bleibt bestehen, wird aber durch Schuld belastet. Der Dialog wird nicht sofort abgebrochen – das ist bereits ein Zeichen göttlicher Geduld.
Die Rolle der Schlange: In der jüdisch-christlichen Tradition wird sie später mit dem Satan identifiziert. Doch hier wirkt sie weniger dämonisch als tricksterhaft. Ihre List ist erfolgreich, aber ihre Schuld wird bald ausgesprochen werden (Vers 14). Damit setzt sich eine göttliche Gerechtigkeitslogik in Gang.
Christologische Vorausdeutung (in der christlichen Lektüre): Die Täuschung durch die Schlange wird in der patristischen Auslegung oft dem Sieg Christi über sie entgegengestellt. Wo Eva getäuscht wurde, wird Maria gehorsam. Diese Parallele ist zentral im Denken vieler Kirchenväter (z. B. Irenäus von Lyon).
Literarische und kulturgeschichtliche Einordnung
Der Vers gehört zur Urgeschichte im Buch Genesis (Kapitel 1–11), einem Schlüsseltext der jüdisch-christlichen Überlieferung. In Kapitel 3 wird der sogenannte »Sündenfall« erzählt: Eva und Adam übertreten Gottes Gebot, indem sie vom Baum der Erkenntnis essen. Dieser spezifische Vers markiert den Moment der gerichtlichen Befragung durch Gott – ein archetypischer Akt der Aufdeckung und Selbstentlarvung.
Eva antwortet mit einer doppelten Bewegung:
• Sie bekennt faktisch den Akt (»daß ich aß«)
• Sie verweist auf eine äußere Ursache (»Die Schlange betrog mich also«)
• Literarisch steht hier ein früher Ausdruck dessen, was später in der Theologie als »Erbsünde« und in der Psychologie als Mechanismus der Schuldverschiebung gedeutet wird. Die Sprache ist nüchtern, aber geladen – keine Ausschmückung, keine Metaphern, sondern nackte Aussage. Gerade darin liegt die dramatische Kraft: Die Konfrontation mit dem Urschuld-Moment erfolgt sprachlich fast ungerührt.
• Kulturgeschichtlich ist dieser Vers entscheidend für das Frauenbild im Abendland: Eva wird zum Urbild der verführbaren, verführenden Frau. In der patristischen und mittelalterlichen Exegese wurde ihre Rolle oft als »Tor zum Tod« (porta mortis) verstanden. Dennoch gab es immer auch Gegenbewegungen – etwa in der Mystik, bei Hildegard von Bingen oder später in der Marienverehrung –, die Eva als symbolisches Gegenbild zur »neuen Eva« Maria deuteten.
Resonanz in Dantes Divina Commedia
In Dantes Commedia – vor allem im Inferno und Paradiso – ist die Genesiserzählung ein ständiger Hintergrundtext, und Eva wird mehrfach indirekt evoziert. Die Schlange, der Fall, das Begehren nach Wissen und die daraus resultierende Strafe sind fundamentale Motive in Dantes moralisch-kosmischer Architektur.
a) Im Inferno
Dante sieht in vielen Sündern des Inferno Spuren des eveschen Falls – nicht als Anklage gegen Frauen, sondern als Grundstruktur menschlicher Verfehlung: Verführung durch äußere Reize, rationalisierende Rechtfertigung, Verlust des göttlichen Ursprungs. So z.B. Francesca da Rimini (Canto V), deren berühmte Verteidigungslinie (»Amor mi prese...«) stark an Evas Selbstrechtfertigung erinnert: auch hier eine Verschiebung der Verantwortung – auf die äußere Macht der Liebe.
b) Im Paradiso
In Paradiso VII spricht Beatrice über den Sündenfall und die Notwendigkeit der Erlösung durch Christus. Hier wird Eva zwar nicht namentlich genannt, aber ihre Tat ist konstitutiv für die gesamte Heilsgeschichte, die Dante durchschreitet. Paradiso XXXIII, das finale Gebet des hl. Bernhard an Maria, nennt Maria ausdrücklich »Vergine madre, figlia del tuo figlio« – eine Formel, die Maria zur Gegenspielerin Evas macht: wo Eva trennte, vereint Maria; wo Eva gehorchte der Schlange, gehorcht Maria Gott. Ohne Eva kein Sündenfall, ohne Maria keine Erlösung.
c) Theologische Tiefenstruktur
Dante teilt mit der scholastischen Theologie seiner Zeit (z.B. Thomas von Aquin) das Verständnis des Sündenfalls als metaphysisches Ereignis, das die gesamte menschliche Natur korrumpierte. Der Vers aus Genesis 3,13 erscheint so nicht direkt zitiert, aber er durchzieht die Commedia wie ein stiller Urimpuls: In jeder Schuld, die Dante begegnet, schwingt Evas Satz mit – als Echo des ersten »Warum?«, das Gott an den Menschen richtet.
Fazit
Genesis 3,13 ist ein Dreh- und Angelpunkt der biblischen Anthropologie. Literarisch markiert er den Moment der Erkenntnis und der Entschuldigung zugleich. In Dantes Commedia ist dieser Vers nicht nur implizit präsent – als archetypisches Schuldbekenntnis –, sondern bildet die moralische Grundschicht der gesamten Reise durch Jenseits, Gnade und Erkenntnis.