Genesis 03:08

Luther 1545

VND sie höreten die stimme Gottes des HERRN / der im Garten gieng / da der tag küle worden war. Vnd Adam versteckt sich mit seinem Weibe / fur dem angesicht Gottes des HERRN vnter die bewme im Garten.

Luther 1912

Und sie hörten die Stimme Gottes des HERRN, der im Garten ging, da der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter die Bäume im Garten.

genesis 2/3

Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 3:08

1Mo 3:8 Und sie hörten die Stimme Gottes, des HERRN, der im Garten wandelte beim Wehen des Abendwindes; und der Mensch und sein Weib versteckten sich vor dem Angesicht Gottes des HERRN hinter die Bäume des Gartens.
1Mo 3:10 Er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum verbarg ich mich!
5Mo 4:33 Ob je ein Volk die Stimme Gottes gehört habe aus dem Feuer reden, wie du sie gehört hast, und dennoch lebe;
5Mo 5:25 Und nun, warum sollen wir sterben? denn dieses große Feuer wird uns verzehren. Wenn wir die Stimme des HERRN, unsres Gottes, noch mehr hören, so müssen wir sterben.
Hiob 34:21 Denn Gottes Augen sind auf die Wege eines jeden gerichtet, und er sieht jeden Schritt, den einer macht.
Hiob 34:22 Es gibt keine Finsternis und keinen Todesschatten, wo die Übeltäter sich verbergen könnten.
Hiob 38:1 Da antwortete der HERR dem Hiob aus dem Gewittersturm und sprach:
Hiob 22:14 Die Wolken hüllen ihn ein, daß er nicht sehen kann, und er wandelt auf dem Himmelsgewölbe umher!»
Hiob 31:33 Habe ich, wie Adam, meine Übertretung bedeckt, so daß ich meine Schuld in meinem Busen verbarg,
Hiob 34:22 Es gibt keine Finsternis und keinen Todesschatten, wo die Übeltäter sich verbergen könnten.
Ps 139:1 Dem Vorsänger. Ein Psalm Davids. HERR, du hast mich erforscht und kennst mich!
Spr 15:3 Die Augen des HERRN sind überall; sie erspähen die Bösen und die Guten.
Jer 23:24 Kann sich jemand so heimlich verbergen, daß ich ihn nicht sehe? spricht der HERR. Erfülle ich nicht den Himmel und die Erde? spricht der HERR.
Amos 9:2 Wenn sie auch bis ins Totenreich eindrängen, so würde sie doch meine Hand von dannen holen, und wenn sie zum Himmel emporstiegen, so würde ich sie von dort hinunterstoßen.
Amos 9:3 Wenn sie sich aber auf dem Gipfel des Karmel versteckten, so würde ich sie daselbst aufspüren und ergreifen; und wollten sie sich auf dem Meeresgrund vor meinen Augen verbergen, so würde ich daselbst der Seeschlange gebieten, sie zu beißen;
Jona 1:3 Da machte sich Jona auf, um von dem Angesicht des HERRN hinweg nach Tarsis zu fliehen, und ging nach Japho hinab und fand daselbst ein Schiff, das nach Tarsis fuhr. Da gab er sein Fahrgeld und stieg ein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, hinweg von dem Angesicht des HERRN.
Jona 1:9 Er sprach: Ich bin ein Hebräer und fürchte den HERRN, den Gott des Himmels, welcher das Meer und das Trockene gemacht hat.
Jona 1:10 Da gerieten die Männer in große Furcht und sprachen: Warum hast du das getan? Denn die Männer wußten, daß er vor dem Angesicht des HERRN floh; denn er hatte es ihnen kundgetan.
Röm 2:15 da sie ja beweisen, daß des Gesetzes Werk in ihre Herzen geschrieben ist, was auch ihr Gewissen bezeugt, dazu ihre Überlegungen, welche sich untereinander verklagen oder entschuldigen.
Heb 4:13 und keine Kreatur ist vor ihm unsichtbar, es ist aber alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, welchem wir Rechenschaft zu geben haben.

Biblisches Hebräisch

וַיִּשְׁמְעוּ אֶת־קוֹל יְהוָה אֱלֹהִים מִתְהַלֵּךְ בַּגָּן לְרוּחַ הַיּוֹם וַיִּתְחַבֵּא הָאָדָם וְאִשְׁתּוֹ מִפְּנֵי יְהוָה אֱלֹהִים בְּתוֹךְ עֵץ הַגָּן
Va-yishmeʿu et-qol Adonai Elohim mithalekh bagan le-ruaḥ ha-yom, va-yitḥabbē ha-adam ve-ishto mi-penei Adonai Elohim betokh ʿētz ha-gan.
Exegese:
וַיִּשְׁמְעוּ (va-yishmeʿu)
»Und sie hörten« – Verb im Qal Imperfekt mit vav consecutivum (narrativ); Subjekt ist pluralisch (Adam und Eva). Das Hören bezieht sich hier auf ein wiedererkennbares Geräusch, nicht nur auf die Wahrnehmung eines Lauts.
אֶת־קוֹל יְהוָה אֱלֹהִים (et-qol Adonai Elohim)
»die Stimme JHWHs, Gottes« – Das direkte Objekt mit אֵת (et) markiert, gefolgt von der Genitivkonstruktion. »Stimme« kann sowohl akustisch als auch metaphorisch verstanden werden – etwa als Offenbarung oder Ausdruck göttlicher Gegenwart.
מִתְהַלֵּךְ (mithalekh)
Partizip Hitpaʿel mask. sg. von הלך – »umhergehend, sich bewegend«. Die reflexive oder iterative Form betont eine wiederholte oder gewohnte Bewegung. Gott wandelt im Garten.
בַּגָּן (ba-gan)
»im Garten« – Lokalangabe, mit Artikel und der Präposition בְּ (in).
לְרוּחַ הַיּוֹם (le-ruaḥ ha-yom)
»zum Wind/Geist des Tages« – wörtlich »zum Hauch des Tages«; vielfach gedeutet als Zeitangabe: die Abendbrise, wenn der Tag abkühlt. Das לְ- fungiert wahrscheinlich temporalspezifisch (zur Zeit der Brise des Tages).
וַיִּתְחַבֵּא (va-yitḥabbē)
Verb Hitpaʿel Imperfekt 3. masc. sg. mit vav consecutivum – »er versteckte sich«, reflexiv: Adam wird zum aktiven Verberger seiner selbst.
הָאָדָם וְאִשְׁתּוֹ (ha-adam ve-ishto)
»der Mensch und seine Frau« – Subjekt der Verbergung. »Adam« steht hier als Gattungsbezeichnung oder Eigenname.
מִפְּנֵי יְהוָה אֱלֹהִים (mi-penei Adonai Elohim)
»vor dem Angesicht JHWHs, Gottes« – Ausdruck einer intensiven Gottesbegegnung. »mi-penei« (»vor dem Angesicht«) signalisiert Furcht vor der Präsenz Gottes.
בְּתוֹךְ עֵץ הַגָּן (be-tokh ʿētz ha-gan)
»inmitten der Bäume des Gartens« – Die wörtliche Struktur »inmitten (des) Baumes« ist kollektiv gemeint; meint das dichte Gehölz.

Biblisches Griechisch (Septuaginta, LXX)

καὶ ἤκουσαν τὴν φωνὴν κυρίου τοῦ θεοῦ περιπατοῦντος ἐν τῷ παραδείσῳ τὸ δειλινόν· καὶ ἐκρύβησαν ἀνὴρ καὶ γυνὴ ἀπὸ προσώπου κυρίου τοῦ θεοῦ ἀνὰ μέσον τοῦ ξύλου τοῦ παραδείσου.
Kai ēkousan tēn phōnēn Kyriou tou Theou peripatountos en tō paradeisō to deilinon; kai ekrybēsan anēr kai gynē apo prosōpou Kyriou tou Theou ana meson tou xylou tou paradeisou.
Exegese:
ἤκουσαν (ēkousan)
Aorist Aktiv von ἀκούω – »sie hörten«. Einfaches abgeschlossenes Ereignis.
τὴν φωνὴν κυρίου τοῦ θεοῦ
Akkusativobjekt; »die Stimme des Herrn, des Gottes«. Im Gegensatz zum Hebräischen steht hier κύριος (Kyrios) statt JHWH.
περιπατοῦντος
Partizip Präsens Genitiv mask. sg. – »umhergehend«; kongruent mit τοῦ θεοῦ. Der Gott wird durch seine Bewegung im Garten identifiziert.
ἐν τῷ παραδείσῳ
»im Paradies« – wörtliche Übersetzung des hebräischen gan, aber mit der Konnotation eines umhegten Gartens.
τὸ δειλινόν
»zur Abendzeit« – griechische Zeitangabe, die das »Wind des Tages« aus dem Hebräischen als Tageszeit interpretiert: die Kühle des Abends.
ἐκρύβησαν
Aorist Passiv – »sie wurden versteckt«, meist aber als mediale Reflexivform übersetzt: »sie versteckten sich«.
ἀνὴρ καὶ γυνὴ
»Mann und Frau« – archaisierende Ausdrucksweise, stilistisch statt Eigennamen.
ἀπὸ προσώπου
»vor dem Angesicht« – wie im Hebräischen: Ausdruck von Furcht oder heiliger Scheu.
ἀνὰ μέσον τοῦ ξύλου τοῦ παραδείσου
»mitten unter den Bäumen des Gartens« – »ξύλον« kann »Baum« oder »Holz« heißen; Singular steht hier kollektivisch.

Lateinisch (Vulgata)

Et cum audissent vocem Domini Dei deambulantis in paradiso ad auram post meridiem, abscondit se Adam et uxor eius a facie Domini Dei in medio ligni paradisi.
Exegese:
Et cum audissent
Temporalischer cum-Satz mit Plusquamperfekt – »als sie gehört hatten«. Der Gebrauch hebt das Vorzeitige hervor.
vocem Domini Dei
Akkusativobjekt – »die Stimme des Herrn Gottes«. Ähnlich wie im Griechischen »Dominus Deus« für JHWH Elohim.
deambulantis
Genitiv Partizip Präsens – »(der) umhergehenden«. Beschreibt Gott in Bewegung im Garten, wie mithalekh.
in paradiso ad auram post meridiem
»im Paradies zur Brise nach dem Mittag« – die Zeitangabe interpretiert den »Wind des Tages« als die Nachmittagsfrische; aura ist weich und poetisch.
abscondit se Adam et uxor eius
Perfektform – »Adam und seine Frau versteckten sich«. Die Reflexivität wird im Latein durch se ausgedrückt.
a facie Domini Dei
»vor dem Angesicht des Herrn Gottes« – klassischer Ausdruck für Flucht vor göttlicher Präsenz.
in medio ligni paradisi
Wörtlich »inmitten des Baumes des Paradieses«, aber wahrscheinlich kollektive Lesart wie im Hebräischen: im Gehölz des Gartens.

Die Bewegung Gottes als Theophanie

Hebräisch:
וַיִּשְׁמְעוּ אֶת־ק֧וֹל יְהוָ֛ה אֱלֹהִ֖ים מִתְהַלֵּ֣ךְ בַּגָּ֑ן לְר֣וּחַ הַיּ֔וֹם
»Und sie hörten die Stimme (oder den Klang) JHWHs, Gottes, der im Garten wandelte zur kühlen Zeit des Tages.«
Die Form מִתְהַלֵּךְ (mithallēkh) ist ein Hithpael-Partizip und bezeichnet eine sich wiederholende, gemessene Bewegung – also nicht einen plötzlichen Auftritt, sondern eine vertraute, fast rituelle Gegenwart Gottes. Es ist eine anthropomorphe Theophanie, eine Darstellung Gottes, der »geht« – als wäre er ein Spaziergänger. Dies verweist auf eine einst innige Beziehung zwischen Gott und Mensch vor dem Sündenfall.
Griechisch (Septuaginta):
καὶ ἤκουσαν τῆς φωνῆς Κυρίου τοῦ Θεοῦ περιπατοῦντος ἐν τῷ παραδείσῳ τὸ δειλινόν
Das griechische περιπατοῦντος bedeutet »umhergehend«, ebenfalls in einer kontemplativen, ruhigen Weise. Im Griechischen klingt das Bild des Philosophen an, der bei Sonnenuntergang meditiert oder wandelt – auch dies ein Bild der Vertrautheit, nicht des Zorns.
Lateinisch (Vulgata):
Et cum audissent vocem Domini Dei deambulantis in paradiso ad auram post meridiem...
»deambulantis« – ein sanftes Spazierengehen, das keinen Schrecken evoziert. Gott kommt nicht donnernd, sondern als jemand, dessen Stimme man kennt – dies hebt das Paradoxon der Angst hervor, die Adam und Eva empfinden: Sie fliehen nicht vor einem unheimlichen Lärm, sondern vor der vertrauten Stimme.

Analyse

Genesis 3,8 ist ein dichter Text, dessen Spannung zwischen Nähe und Verbergen, zwischen göttlicher Suche und menschlicher Angst, zwischen paradiesischer Ruhe und existentialistischer Finsternis weit über seinen Rahmen hinausreicht. In Dantes dichterischer Schau lebt diese Szene in vielfältiger Weise weiter – als Echo der Urtrennung und als Sehnsucht nach der Rückkehr zum wahren Garten.

Die Symbolik der Brise – »zur kühlen Zeit des Tages«

Hebräisch: לְרוּחַ הַיּוֹם
»ruach ha-yom« – wörtlich: »zum Wind (oder Geist) des Tages«. Dies kann bedeuten:
am Abend, wenn ein kühler Wind weht,
oder metaphorisch: zur Stunde des Geistes, also zur Zeit der göttlichen Offenbarung.
Das hebräische ruach (רוח) ist polyvalent: es bedeutet Wind, Atem, Geist. Die Szene wird so zur Grenzsituation zwischen Tag und Nacht, Licht und Dunkel – ein Schwellenmoment, in dem Wahrheit sich zeigt. Theologisch ist es ein Moment der Abrechnung, aber auch ein Hinweis auf den Geist Gottes, der sich bewegt, wie schon in Genesis 1,2.
Griechisch: τὸ δειλινόν – »gegen Abend« – macht aus der Metapher eine zeitliche Einordnung.
Lateinisch: ad auram post meridiem – »zur Brise nach dem Mittag«. Die Betonung liegt hier auf einer sanften, nachmittäglichen Bewegung der Luft – ein beinahe poetisches Bild, das den Kontrast zur inneren Unruhe Adams und Evas verstärkt.

Adam-Eva-Dynamik – das erste gemeinsame Verstecken

»Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe...« – Diese Formulierung birgt eine doppelte Spannung:
• Vereint in der Schuld, aber auch in der Angst. Sie agieren nun als einheitliche Instanz, nicht mehr nur als Individuen. Das Verstecken ist der erste gemeinsame Akt nach dem Verzehr der Frucht – ein Akt der Isolation, nicht nur von Gott, sondern auch von sich selbst.
• Literarisch ist das ein Höhepunkt des Dramas: Die Stimme Gottes erklingt, und die Antwort ist nicht Begegnung, sondern Rückzug.
• Theologisch ist es der erste Bruch im Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf. Die Angst vor Gott ist neu – vorher kannten sie keine Furcht. Der Gott, der geht, um ihnen zu begegnen, trifft auf ein sich verbergendes Menschenpaar. Diese Asymmetrie ist das Urbild aller Trennung durch Schuld.

Fazit: Dramatische Sanftheit

Diese Szene ist ein Meisterwerk subtiler Spannung:
• Gott erscheint nicht in Macht, sondern in Sanftheit.
• Der Mensch antwortet nicht in Offenheit, sondern in Furcht.
• Die Brise ist Symbol des Geistes, aber auch der vergänglichen Stunde.
• Adam und Eva sind nicht mehr nackt, sondern versteckt – bekleidet nicht nur mit Feigenblättern, sondern mit Schuld.
In dieser kurzen Passage verdichtet sich das Drama der Menschheitsgeschichte. Der Gott, der im Garten geht, kommt wie ein Freund – und findet den Menschen im Versteck. So beginnt die lange Geschichte göttlicher Suche und menschlicher Flucht.

Sprachliche Feinheiten

»Und sie hörten die Stimme Gottes des HERRN, der im Garten ging, da der Tag kühl geworden war.«
»Stimme Gottes des HERRN« (קוֹל יְהוָה אֱלֹהִים, qol YHWH Elohim)
Der hebräische Ausdruck qol kann sowohl »Stimme« als auch »Geräusch« oder »Klang« bedeuten. Es bleibt bewusst mehrdeutig: Hören sie Worte? Oder bloß ein leises, ungreifbares Geräusch göttlicher Gegenwart?
»der im Garten ging« (מִתְהַלֵּךְ בַּגָּן)
Das Verb mithallēk (Hithpael-Form von halakh) bedeutet ein wiederholtes, hin- und hergehendes Gehen – nicht bloß ein Durchschreiten, sondern ein Flanieren. Dies anthropomorphe Bild eines »wandelnden« Gottes evoziert Nähe und Gegenwart, fast schon Intimität.
»da der Tag kühl geworden war« (לְרוּחַ הַיּוֹם)
Ruach kann »Wind«, »Geist« oder »Atem« bedeuten. Die Wendung meint wahrscheinlich die Abendbrise, wenn sich der Tag neigt – symbolisch ist das aber auch die Abenddämmerung des Unschuldzustands.
»Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter die Bäume im Garten.«
»versteckte sich ... unter die Bäume«
Der Versuch der Flucht geschieht ironischerweise im Garten – jenem Ort, den Gott eigens für sie geschaffen hatte. Die Bäume, ursprünglich Zeichen göttlicher Fürsorge (2,9), werden nun zu Verstecken – die Gaben Gottes werden zu Mitteln der Abwendung von ihm.

Tiefere theologische Deutung

Genesis 3,8 ist der Augenblick der ersten Entfremdung: Der Mensch, geschaffen imago Dei, flieht nun vor seinem Schöpfer. Der Vers markiert eine Wende von ungebrochener Beziehung zu einem Zustand der Angst und Scham.
Das erste Gottesbild nach dem Sündenfall: Gott erscheint nicht als strafender Richter, sondern als einer, der wandelt, sucht, anspricht. Der Mensch zieht sich zurück – die Entzweiung beginnt auf menschlicher Seite.
Das »Verstecken« ist nicht nur eine physische Geste, sondern existentiell: Der Mensch erkennt sich als schuldig und zieht sich aus der Gemeinschaft mit Gott zurück. Scham wird zur Trennlinie zwischen dem Innen und dem Außen.
Der Garten als verlorenes Paradigma: Der Ort göttlicher Nähe wird durch die Sünde zum Ort des Verbergens. Dies markiert theologisch den Übergang von paradiesischer Unmittelbarkeit zur historischen Existenz des Menschen in Schuld und Tod.

Literarische und kulturgeschichtliche Einordnung

Anthropomorphes Gottesbild: Die Vorstellung eines wandelnden Gottes ist typisch für archaisch-mythische Weltbilder. In späterer Theologie wird dies spirituell interpretiert: Es geht nicht um Gottes »Füße«, sondern um seine erfahrbare Nähe in der Welt.
Symbolik des Abends: Der Abend ist im antiken Denken oft Schwellenzeit – zwischen Licht und Dunkel, zwischen Offenbarung und Verborgenheit. Diese liminale Zeit trägt die Spannung zwischen dem Noch-nicht-Gericht und dem Schon-verlorenen Zustand.
Topos der göttlichen Suche: Die Szene gehört zu einem archetypischen Motiv der Weltliteratur: der Mensch verbirgt sich vor dem göttlichen Blick. Diese Spannung durchzieht Tragödien, Mystik, sogar moderne Psychologie (etwa bei Kierkegaard oder Freud).

Resonanz in Dantes Divina Commedia

Dante, besonders im Inferno und Purgatorio, lässt vielfach Motive aus Genesis 3,8 anklingen:
Im Paradies verloren: Die Idee des Gartens als verlorene Gottesnähe spiegelt sich im Erdensehnsucht des Dante-Pilgers. Besonders im Purgatorio, Canto 28–33, wo Dante den irdischen Paradiesgarten betritt, ist die ganze Szene durchzogen von der Ahnung: Hier war einst Nähe, nun ist sie durch Schuld verbaut.
Flucht vor Gott als Ursache der Verdammung: Im Inferno zeigt Dante viele Seelen, die sich »verstecken« – hinter Leidenschaften, Lügen, Eigenwillen. Wie Adam und Eva erkennen sie ihr Verlorensein, aber verweigern dennoch die Umkehr. Die Tragik der Verdammten ist oft genau das: ein ewiges Verstecken vor dem göttlichen Blick.
Die Suche Gottes nach dem Menschen wird in der Divina Commedia ins Positive gewendet: Das ganze Werk ist ein Gang Gottes zum Menschen, der sich verirrt hat – und ein Ruf zur Rückkehr.
Dantes Abendbild im Purgatorio (z. B. Canto 2 und 9) spielt ebenfalls mit dem Motiv des kühlen, sich neigenden Tages – als Einladung zur Innerlichkeit, zur Buße, aber auch als letzte Schwelle vor dem Schlaf oder Gericht.

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01 Die Schoepfung

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