Genesis 03:05

Luther 1545

Sondern Gott weis / das / welchs tags jr da von esset / so werden ewre augen auff gethan / vnd werdet sein wie Gott / vnd wissen was gut vnd böse ist.

Luther 1912

sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon eßt, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.

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Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 3:05

1Mo 3:5 sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon eßt, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
2Mo 5:2 Pharao antwortete: Wer ist der HERR, des Stimme ich hören müsse und Israel ziehen lassen? Ich weiß nichts von dem HERRN, will auch Israel nicht lassen ziehen.
2Chr 32:15 So laßt euch nun Hiskia nicht betrügen und laßt euch durch solches nicht bereden und glaubt ihm nicht. Denn so kein Gott aller Heiden und Königreiche hat sein Volk können von meiner und meiner Väter Hände erretten, so werden euch auch eure Götter nicht erretten können von meiner Hand.
Ps 12:4 Der HERR wolle ausrotten alle Heuchelei und die Zunge, die da stolz redet,
Hes 28:2 Du Menschenkind, sage dem Fürsten zu Tyrus: So spricht der Herr, HERR: Darum daß sich dein Herz erhebt und spricht: "Ich bin Gott, ich sitze auf dem Thron Gottes mitten im Meer", so du doch ein Mensch und nicht Gott bist, doch erhebt sich dein Herz, als wäre es eines Gottes Herz:
Hes 28:9 Was gilt's, ob du dann vor deinem Totschläger wirst sagen: "Ich bin Gott", so du doch nicht Gott, sondern ein Mensch und in deiner Totschläger Hand bist?
Hes 29:3 Predige und sprich: So spricht der Herr, HERR: Siehe, ich will an dich, Pharao, du König in Ägypten, du großer Drache, der du in deinem Wasser liegst und sprichst: Der Strom ist mein, und ich habe ihn mir gemacht.
Dan 4:30 Von Stund an ward das Wort vollbracht über Nebukadnezar, und er ward verstoßen von den Leuten hinweg, und er aß Gras wie Ochsen, und sein Leib lag unter dem Tau des Himmels, und er ward naß, bis sein Haar wuchs so groß wie Adlersfedern und seine Nägel wie Vogelsklauen wurden.
Dan 6:7 Da kamen die Fürsten und Landvögte zuhauf vor den König und sprachen zu ihm also: Der König Darius lebe ewiglich!
Apg 12:22 Das Volk aber rief zu: Das ist Gottes Stimme und nicht eines Menschen!
Apg 12:23 Alsbald schlug ihn der Engel des HERRN, darum daß er die Ehre nicht Gott gab; und ward gefressen von den Würmern und gab den Geist auf.
2Kor 4:4 bei welchen der Gott dieser Welt der Ungläubigen Sinn verblendet hat, daß sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Klarheit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes.
2Thess 2:4 der da ist der Widersacher und sich überhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, also daß er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott und gibt sich aus, er sei Gott.
Off 13:4 und sie beteten den Drachen an, der dem Tier die Macht gab, und beteten das Tier an und sprachen: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm kriegen?
Off 13:14 und verführt, die auf Erden wohnen, um der Zeichen willen, die ihm gegeben sind zu tun vor dem Tier; und sagt denen, die auf Erden wohnen, daß sie ein Bild machen sollen dem Tier, das die Wunde vom Schwert hatte und lebendig geworden war.
2Mo 20:7 Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht mißbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht.
1Kön 22:6 Da sammelte der König Israels Propheten bei vierhundert Mann und sprach zu ihnen: Soll ich gen Ramoth in Gilead ziehen, zu streiten, oder soll ich's lassen anstehen? Sie sprachen: Zieh hinauf! der HERR wird's in die Hand des Königs geben.
Jer 14:13 Da sprach ich: Ach Herr, HERR, siehe, die Propheten sagen ihnen: Ihr werdet kein Schwert sehen und keine Teuerung bei euch haben; sondern ich will euch guten Frieden geben an diesem Ort.
Jer 14:14 Und der HERR sprach zu mir: Die Propheten weissagen falsch in meinem Namen; ich habe sie nicht gesandt und ihnen nichts befohlen und nichts mit ihnen geredet. Sie predigen euch falsche Gesichte, Deutungen, Abgötterei und ihres Herzens Trügerei.
Jer 28:2 So spricht der HERR Zebaoth der Gott Israels: Ich habe das Joch des Königs zu Babel zerbrochen;
Jer 28:3 und ehe zwei Jahre um sind, will ich alle Gefäße des Hauses des HERRN, welche Nebukadnezar, der Könige zu Babel, hat von diesem Ort weggenommen und gen Babel geführt, wiederum an diesen Ort bringen;
Hes 13:2 Du Menschenkind, weissage wider die Propheten Israels und sprich zu denen, so aus ihrem eigenen Herzen weissagen: Höret des HERRN Wort!
Hes 13:22 Darum daß ihr das Herz der Gerechten fälschlich betrübet, die ich nicht betrübt habe, und habt gestärkt die Hände der Gottlosen, daß sie sich von ihrem bösen Wesen nicht bekehren, damit sie lebendig möchten bleiben:
2Kor 11:3 Ich fürchte aber, daß, wie die Schlange Eva verführte mit ihrer Schalkheit, also auch eure Sinne verrückt werden von der Einfalt in Christo.
2Kor 11:13 Denn solche falsche Apostel und trügliche Arbeiter verstellen sich zu Christi Aposteln.
1Mo 2:17 aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon ißt, wirst du des Todes sterben.
1Mo 3:22 Und Gott der HERR sprach: Siehe, Adam ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, daß er nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!
1Mo 3:7 Da wurden ihrer beiden Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, daß sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schürze.
1Mo 3:10 Und er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.
Matt 6:23 ist aber dein Auge ein Schalk, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!
Apg 26:18 aufzutun ihre Augen, daß sie sich bekehren von der Finsternis zu dem Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, zu empfangen Vergebung der Sünden und das Erbe samt denen, die geheiligt werden durch den Glauben an mich.

Biblisches Hebräisch

כִּ֗י יֹדֵ֤עַ אֱלֹהִים֙ כִּ֗י בְּי֛וֹם אֲכָלְכֶ֥ם מִמֶּ֖נּוּ וְנִפְקְח֣וּ עֵֽינֵיכֶ֑ם וִהְיִיתֶ֣ם כֵּ֔אלֹהִים יֹדְעֵ֖י ט֥וֹב וָרָֽע׃
kî yôdēaʿ ʾĕlōhîm kî bəyôm ʾăkāləkem mimmennû wənipeqḥû ʿênêkem wihyîtem kēʾĕlōhîm yōdʿê ṭôb wārāʿ
Analyse:
כִּי (kî) – denn, weil: kausale Konjunktion, leitet die Begründung ein.
יֹדֵעַ (yôdēaʿ) – er weiß: Partizip Maskulin Singular von ידע (yādaʿ, »wissen«), fungiert hier als Prädikat – »Gott weiß«.
אֱלֹהִים (ʾĕlōhîm) – Gott: Pluralform mit singularer Bedeutung; das Subjekt.
בְּיוֹם אֲכָלְכֶם (bəyôm ʾăkāləkem) – an dem Tag, da ihr davon esst: Temporalphrase mit Infinitivkonstrukt + Personalendung 2. Person Plural.
מִמֶּנּוּ (mimmennû) – davon: Präposition min + 3. Person Maskulin Singular Suff.
וְנִפְקְחוּ (wənipeqḥû) – und geöffnet werden: Nifʿal (passiv/reflexiv), Perfekt 3. Person Plural von פקח (pāqaḥ), »öffnen« – im Sinne von Augen geöffnet bekommen.
עֵינֵיכֶם (ʿênêkem) – eure Augen: Dualform von עַיִן (ʿayin, »Auge«) + 2. Person Plural Suff.
וִהְיִיתֶם (wihyîtem) – und ihr werdet sein: Qal, Perfekt 2. Person Plural von היה (hāyāh), oft mit zukunftsweisender Bedeutung.
כֵּאלֹהִים (kēʾĕlōhîm) – wie Gott/Götter: Präposition ke- (»wie«) + ʾĕlōhîm.
יֹדְעֵי (yōdʿê) – wissend: Partizip Plural von yādaʿ, hier in Status constructus verbunden mit:
טוֹב וָרָע (ṭôb wārāʿ) – Gutes und Böses: typisches Gegensatzpaar, ethisch und existenziell aufgeladen.
🡒 Interpretation: Die Schlange behauptet, Gott halte Wissen zurück. Der Ausdruck »eure Augen werden geöffnet« steht metaphorisch für Erkenntnis. Die Wendung »wie Gott« ist grammatisch ambivalent (auch »wie Götter« möglich, da ʾĕlōhîm pluralisch ist) und spielt auf göttliche Unterscheidungsfähigkeit an – insbesondere im moralischen Bereich.

Biblisches Griechisch (Septuaginta, LXX)

ἔγνω γὰρ ὁ θεός, ὅτι ᾗ ἂν ἡμέρᾳ φάγητε ἀπ' αὐτοῦ, διανοιχθήσονται ὑμῶν οἱ ὀφθαλμοί, καὶ ἔσεσθε ὡς θεοὶ γινώσκοντες καλὸν καὶ πονηρόν.
egnō gar ho theós, hoti hē an hēmera phagēte ap' autoû, dianoichthēsontai hymōn hoi ophthalmoi, kai esesthe hōs theoi ginōskontes kalon kai ponēron
Analyse:
ἔγνω (egnō) – er hat erkannt / erkanntet: Aorist von ginōskō – im Gegensatz zum Hebräischen wird hier eine abgeschlossene Erkenntnis betont.
γὰρ (gar) – denn: kausale Konjunktion.
ὁ θεός (ho theós) – der Gott: bestimmter Artikel + Subjekt.
ὅτι (hoti) – dass: leitet den Inhalt der göttlichen Erkenntnis ein.
ᾗ ἂν ἡμέρᾳ (hē an hēmera) – an welchem Tag auch immer: Relativsatz mit Potentialis (ἂν), drückt hypothetische Zeit aus.
φάγητε (phagēte) – ihr esst: Aorist Konjunktiv 2. Person Plural von esthiō.
ἀπ' αὐτοῦ (ap' autoû) – von ihm (dem Baum).
διανοιχθήσονται (dianoichthēsontai) – sie werden geöffnet werden: Futur Passiv von dianoigō, »weit öffnen« – stärker als hebräisches פקח.
ὑμῶν οἱ ὀφθαλμοί (hymōn hoi ophthalmoi) – eure Augen.
ἔσεσθε (esesthe) – ihr werdet sein: Futur von eimi.
ὡς θεοὶ (hōs theoi) – wie Götter: Plural! Deutet stark auf Mehrzahl göttlicher Wesen (anders als Vulgata).
γινώσκοντες (ginōskontes) – erkennend / wissend: Partizip Präsens, aktiv.
καλὸν καὶ πονηρόν (kalon kai ponēron) – Gutes und Böses: moralisch-ethische Kategorien, wie im Hebräischen.
🡒 Besonderheit: Die LXX betont stärker den Pluralaspekt (»Götter«) und verwendet durch das Futur Passiv eine klare Abfolge: Erkenntnis folgt auf Handlung. Das Partizip »ginōskontes« impliziert fortwährende Einsicht.

Lateinisch (Vulgata)

Scit enim Deus, quod in quocumque die comederitis ex eo, aperientur oculi vestri, et eritis sicut dii, scientes bonum et malum.
Analyse:
Scit enim Deus – Denn Gott weiß: Präsens von scire, betont das aktuelle Wissen Gottes.
quod in quocumque die – dass an welchem Tag auch immer: Temporal mit generalisierendem Relativpronomen quocumque.
comederitis (2. Pl. Futur II Aktiv) – ihr gegessen haben werdet: zeigt Vorzeitigkeit gegenüber dem Futur.
ex eo – von ihm (dem Baum).
aperientur oculi vestri – eure Augen werden geöffnet werden: Futur Passiv, wie in der LXX.
et eritis sicut dii – und ihr werdet sein wie Götter: dii = Pluralform von deus, ähnlich wie griechisches theoi – Pluralität wird hier eindeutig beibehalten.
scientes bonum et malum – wissend Gut und Böse: Partizip Präsens Aktiv von scire + Objekt – ethisch-moralische Opposition.
🡒 Besonderheit: Die Vulgata kombiniert lateinische Klarheit mit einer treuen Wiedergabe der hebräischen und griechischen Semantik. Das Futur II (»comederitis«) unterstreicht die Bedingung für das kommende Geschehen: Sobald ihr es getan habt, wird sich der Erkenntnisakt entfalten.

Zusammenfassung der exegetischen Differenzen:

Pluralität Gottes: Während der hebräische Text offen bleibt, ob ʾĕlōhîm singular oder pluralisch verstanden wird, interpretieren LXX und Vulgata es klar pluralisch (theoi, dii), was den Gedanken einer göttlichen Vielheit oder Götterähnlichkeit nahelegt.
Formulierung der Erkenntnis: Das Hebräische verwendet das Partizip mit einem Perfekt (mehrdeutig zeitlich), während Griechisch und Latein die Erkenntnisfolge mit Futurpassiv und klarer Tempuslogik strukturieren.
Wortwahl: Das hebräische פקח ist nüchtern (Augen öffnen), das griechische διανοιχθήσονται ist intensiver (»ganz geöffnet werden«), das lateinische aperientur liegt dazwischen.

Sprachliche und theologische Feinheiten

Diese Stelle gehört zu den entscheidenden Knotenpunkten der gesamten biblischen Erzähltradition. Im Hebräischen lautet der zentrale Satzteil:
וִהְיִיתֶם כֵּאֱלֹהִים יֹדְעֵי טוֹב וָרָע (wihyîtem ke'elohim yod‘e tov wara‘).
Zwei Feinheiten sind hier besonders zu beachten:
1. »Wie Gott« (ke'elohim) – Das Wort elohim ist grammatisch ein Plural, wird aber in der Genesis für den einen Gott verwendet. Manche Ausleger sehen hier dennoch eine semantische Offenheit: elohim könnte auch »wie Götter« bedeuten (also im Sinn eines Pluralis majesticus oder einer Götterversammlung). Die Spannung liegt darin, ob der Mensch durch das Essen göttlich im Sinn des Allmächtigen wird – oder nur eine trügerische Imitation annimmt.
2. »Wissen, was gut und böse ist« – Das hebräische yada‘ (wissen, erkennen) impliziert nicht nur kognitive Erkenntnis, sondern oft auch existenzielle Beteiligung. Das »Wissen von Gut und Böse« wird in der jüdischen Exegese vielfach als Fähigkeit zur moralischen Unterscheidung gedeutet – oder als Anmaßung, selbst Maßstab von Gut und Böse zu sein. Es steht für Autonomie – eine Selbstermächtigung zur Urteilskraft, die eigentlich Gott vorbehalten ist.
Theologisch steht dieser Vers am Ursprung der sogenannten Erbsünde im christlichen Denken: Die Versuchung besteht nicht einfach im Ungehorsam, sondern im Wunsch, »wie Gott zu sein« – ein Aufbegehren gegen die Grenze der Kreatürlichkeit. Im Judentum dagegen wird die Erzählung oft weniger sündenlastig gelesen, sondern eher als Erklärung für die existenzielle Gebrochenheit der Welt.

Literarische und kulturgeschichtliche Einordnung

Literarisch funktioniert dieser Vers als Höhepunkt der Verführungsszene durch die Schlange. Die Argumentation der Schlange ist subversiv: Sie bezichtigt Gott indirekt der Täuschung und präsentiert das Gebot als Mittel zur Machtsicherung. Die Wendung »eure Augen werden aufgetan« evoziert einen Initiationsmoment – eine mythische Epiphanie – der in antiken Weisheitsmythen häufig auftaucht. Die Schlange wird so zur Figur der Erkenntnis und Ambivalenz.
Kulturgeschichtlich spiegelt dieser Vers antike Menschheitsfragen: Woher stammt das moralische Bewusstsein? Warum gibt es Leid, Schuld, Tod? Die biblische Erzählung kontrastiert mit babylonischen oder griechischen Mythen (z.B. Prometheus), wo der Mensch durch Wissen oder Technik aufsteigt. In Genesis 3 dagegen führt Erkenntnis zur Vertreibung, zum Verlust der ursprünglichen Einheit mit Gott und Welt.

Resonanz in Dantes Divina Commedia

Dante rezipiert diesen Vers nicht explizit, aber seine Wirkung durchzieht die gesamte Commedia, besonders die Vision vom gestuften Aufstieg zur Selbsterkenntnis im Lichte Gottes. Zwei Aspekte sind dabei zentral:
1. Die Ursünde als Hybris – In Inferno Canto I nennt Dante superbia (Hochmut) als eine Hauptursache des moralischen Falls. Der Hochmut des Menschen, »wie Gott sein zu wollen«, ist genau das Moment, das Genesis 3,5 beschreibt. Diese Hybris manifestiert sich besonders bei Luzifer, dem »non serviam« der Engel, die fallen – analog zur Versuchung des Menschen im Garten.
2. Erkenntnis durch Läuterung – Während die Erkenntnis in Genesis 3 mit dem Verlust des Paradieses verbunden ist, führt in der Commedia ein mühsamer Läuterungsprozess über das Purgatorium zur vera scientia, zur wahren Gotteserkenntnis (Paradiso). Die falsche Erkenntnis durch Anmaßung wird durch die wahre Erkenntnis ersetzt, die nur in der Liebe Gottes mündet. In Paradiso XXXIII hebt Dante schließlich den Blick zu Gott – aber nicht als Autonomer, sondern als Gnadeempfänger.
In der Tiefe zeigt Genesis 3,5 eine theologische Spannung, die Dante transponiert: Die Frage, ob Erkenntnis trennt oder eint, ob der Mensch durch Wissen verliert oder sich (im rechten Maß) vergöttlicht. Bei Dante wird klar: Nur die Liebe – nicht bloß das Wissen – macht simile a Dio (»gottähnlich«).
Dieser Vers ist Teil der Versuchungsszene im Paradies, in der die Schlange zu Eva spricht. Eine theologische Deutung dieses Verses im Kontext von Anthropologie, Sündenfall und Gnosis bringt mehrere zentrale Themen auf den Punkt.

Anthropologische Perspektive: Das Wissen um Gut und Böse

In anthropologischer Hinsicht bringt der Vers einen entscheidenden Wendepunkt in der biblischen Sicht auf den Menschen. Die Aussage »ihr werdet sein wie Gott« impliziert einen Übergang vom unschuldigen Geschöpf zum selbstreflexiven, moralisch urteilenden Subjekt. Das »Wissen von Gut und Böse« ist nicht bloß moralische Information, sondern steht für ein neues Bewusstsein des Menschen, das mit Freiheit, aber auch mit Verantwortlichkeit verbunden ist.
Die Aufklärung durch die Frucht bedeutet, dass der Mensch sich seiner ethischen Entscheidungsfähigkeit bewusst wird — er erkennt sich als sittliches Wesen. Doch zugleich verliert er die Unmittelbarkeit des Vertrauens auf Gott, weil dieses Wissen nicht aus Gehorsam, sondern aus Übertretung kommt. Die Anthropologie des Sündenfalls begreift den Menschen seitdem als »gebrochenes Wesen«: wissend, aber entfremdet.

Theologie des Sündenfalls: Der Wunsch, »wie Gott zu sein«

Aus theologischer Sicht stellt dieser Vers den Kern des Sündenfalls dar: der Mensch will »wie Gott« sein — nicht in der ihm zugedachten Gottesebenbildlichkeit (vgl. Gen 1,27), sondern in autonomer Weise, jenseits der göttlichen Ordnung. Der Fall liegt also nicht nur in der Übertretung eines Gebots, sondern in einem tiefgreifenden Misstrauen gegen Gott, das sich in einem Streben nach Selbsterhöhung äußert.
Dies ist der Ursprung der Erbsünde im christlichen Verständnis: Der Mensch will die Grenze zwischen Schöpfer und Geschöpf überschreiten und wird dadurch seiner eigenen Geschöpflichkeit entfremdet. Augustinus hat das als superbia (Hochmut) gedeutet – der Wunsch, selbst Ursprung des Guten zu sein.

Gnostische Lesart: Erkenntnis als Erlösung

In der gnostischen Tradition hingegen erfährt dieser Vers eine radikale Umdeutung. Die Schlange erscheint dort nicht als Verführer, sondern als Lichtbringer – als Repräsentant einer höheren, erlösenden Erkenntnis (gnosis), die dem Menschen von einem tyrannischen Gott (dem Demiurgen) vorenthalten wird. Das Essen der Frucht ist in dieser Perspektive ein Akt der Befreiung: Der Mensch wird sich seiner geistigen Herkunft bewusst.
Im gnostischen Mythos ist also nicht die Erkenntnis das Problem, sondern ihre Verweigerung durch den Schöpfergott. Der Sündenfall wird zum Aufstieg – zur Rückerinnerung an das göttliche Selbst. Die Bibel aber verurteilt diesen Zugriff: Das Wissen um Gut und Böse gehört in den Bereich Gottes, nicht des Geschöpfes. Im biblischen Paradigma führt der Griff danach zum Verlust des Paradieses, nicht zu seiner Wiedererlangung.

Schlussbemerkung

Genesis 3,5 steht im Spannungsfeld zwischen Sehnsucht und Hybris. Der Mensch sucht Erkenntnis und Selbstbestimmung – beides zutiefst menschliche Impulse. Doch die Bibel beschreibt diesen Weg als tragisch, wenn er an Gott vorbei führt. Der Mensch wird sehend – aber zugleich schuldig. Gnosis will erlösen durch Wissen. Die biblische Theologie hingegen erkennt: Erkenntnis ohne Gnade führt nicht zur Freiheit, sondern zur Entfremdung.

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01 Die Schoepfung

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