Luther 1545
Vnd Gott der HERR bawet ein Weib aus der Riebe / die er von dem Menschen nam / vnd bracht sie zu jm.
Luther 1912
Und Gott der HERR baute ein Weib aus der Rippe, die er vom Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 2:22
1Mo 2:22 - Und Gott der HERR baute aus der Rippe, die er von dem Menschen genommen hatte, ein Weib und brachte sie zu ihm.
1Mo 2:19 - Und Gott der HERR bildete aus Erde alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und brachte sie zu dem Menschen, daß er sähe, wie er sie nennen würde, und damit jedes lebendige Wesen den Namen trage, den der Mensch ihm gäbe.
Spr 18:22 - Wer eine Frau gefunden, der hat etwas Gutes gefunden und Gunst von dem HERRN erlangt.
Spr 19:14 - Haus und Hof erbt man von den Vätern; aber vom HERRN kommt ein verständiges Weib.
Heb 13:4 - Die Ehe ist von allen in Ehren zu halten und das Ehebett unbefleckt; denn Hurer und Ehebrecher wird Gott richten!
Ps 127:1 - Ein Wallfahrtslied. Von Salomo. Wo der HERR nicht das Haus baut, da arbeiten umsonst, die daran bauen; wo der HERR nicht die Stadt behütet, da wacht der Wächter umsonst.
1Tim 2:13 - Denn Adam wurde zuerst gebildet, darnach Eva.
1Kor 11:7 - Der Mann hat nämlich darum nicht nötig, das Haupt zu verhüllen, weil er Gottes Bild und Ehre ist; das Weib aber ist des Mannes Ehre.
1Kor 11:12 - Denn gleichwie das Weib vom Manne kommt , so auch der Mann durch das Weib; aber das alles von Gott.
Biblisches Hebräisch
וַיִּבֶן יְהוָה אֱלֹהִים אֶת־הַצֵּלָע אֲשֶׁר לָקַח מִן־הָאָדָם לְאִשָּׁה וַיְבִאֶהָ אֶל־הָאָדָם
Vayyiven YHWH Elohim et-ha-tzela asher laqach min-ha’adam le’ishah, vayĕvi’eha el-ha’adam
Und der HERR, Gott, baute die Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, zu einer Frau und brachte sie zu dem Menschen.
Anmerkung zur Wortwahl:
• וַיִּבֶן (vayyiven) – „baute“; ein architektonisches, schöpferisches Verb. Die Frau wird hier nicht „geformt“ (yatzar) wie der Mann (2,7), sondern „erbaut“, was poetische und schöpferische Tiefe andeutet.
• הַצֵּלָע (ha-tzela) – traditionell „Rippe“, kann aber auch „Seite“ oder „Seitenstruktur“ bedeuten. Die rabbinische Exegese betont häufig diese Ambiguität.
• לְאִשָּׁה (le’ishah) – „zur Frau“: Die Präposition le- bedeutet nicht nur Richtung/Zweck, sondern auch Transformation: „zur Frau gemacht“.
Biblisches Griechisch (Septuaginta, LXX)
καὶ ᾠκοδόμησεν κύριος ὁ θεὸς τὴν πλευρὰν ἣν ἔλαβεν ἀπὸ τοῦ ἀνθρώπου εἰς γυναῖκα καὶ ἤγαγεν αὐτὴν πρὸς τὸν ἄνθρωπον
Kai oikodomēsen Kyrios ho Theos tēn pleuran hēn elaben apo tou anthrōpou eis gynaika kai ēgagen autēn pros ton anthrōpon
Und der Herr, Gott, baute die Seite, die er vom Menschen genommen hatte, zu einer Frau und führte sie zum Menschen.
Hinweise zur LXX:
• ᾠκοδόμησεν (oikodomēsen) – „baute“: gleich wie im Hebräischen, betont das kreative, architektonische Element.
• πλευρά (pleura) – „Seite“: medizinisch exakt, weniger reduziert als „Rippe“.
• εἰς γυναῖκα – wörtlich: „zu einer Frau“; betont die Schöpfung der weiblichen Identität durch göttliche Intention.
• ἤγαγεν – „führte“: ein feierlicher Akt – fast eine Hochzeitsszene, Gott als Brautvater.
Lateinische Vulgata
Et aedificavit Dominus Deus costam, quam tulerat de Adam, in mulierem, et adduxit eam ad Adam.
Und der Herr, Gott, baute die Rippe, die er von Adam genommen hatte, zu einer Frau und brachte sie zu Adam.
Bemerkungen zur Vulgata:
aedificavit – „baute“; wie im Griechischen und Hebräischen, Ausdruck schöpferischer Absicht.
costam – „Rippe“: folgt der traditionellen Auslegung, aber ohne die semantische Breite von „tzela“ oder „pleura“.
adduxit – „führte/leitete hin“: wie in der LXX – feierliche Präsentation.
Anthropologie & Theologie der Geschlechter
• Die Frau wird nicht „neu geschaffen“, sondern aus dem Menschen genommen – sie ist also gleichwertig, nicht sekundär.
• Das Wort tzela weist auf Komplementarität hin: eine „Seite“, nicht bloß ein Knochen. In der rabbinischen Literatur (z.B. Bereschit Rabbah 8,1) wird diskutiert, ob es sich um eine „hintere Seite“, eine Rippe oder eine ganze Hälfte handelt – mit Implikationen für Partnerschaft und Gleichheit.
Beziehungsidee
• Gott baut (nicht „erschafft“) die Frau, ein künstlerisch schöpferischer Akt.
• Er bringt sie zum Menschen – ein Bild göttlicher Vermittlung, das sowohl Ehe als auch göttliche Ökonomie symbolisiert.
• Der Mensch wird erst durch das Erkennen der Frau vollständig: „Bein von meinem Bein, Fleisch von meinem Fleisch“ (V.23).
Sprachliche Symbolik
Das hebräische vayyiven ist auffallend: in der Bibel häufig verwendet für Bauwerke oder Altäre – hier ein Hinweis auf die Frau als „lebendiges Heiligtum“ der Beziehung.
Bezug zu Dantes Divina Commedia
a) Paradiso XXXIII und die feminisierte Transzendenz:
• Wie Eva aus der Seite des Adam hervorgeht, geht die Vergine madre, figlia del tuo figlio in Dantes Paradiso als höchste Schöpfung aus dem göttlichen Logos hervor.
• In Canto XXXIII wird Maria als „Termine fisso d’eterno consiglio“ (Paradiso 33,3) dargestellt – ein Gedanke, der die Idee der göttlichen „Zuführung“ der Frau (Genesis 2,22) auf eine soteriologische Ebene hebt.
b) Dante’s Adam-Rezeption in Purgatorio und Paradiso:
• In Purgatorio XXX, 49–51 erscheint Beatrice wie Eva zu Adam: als göttlich vermittelte Frau, die dem Pilger (wie dem Urmenschen) zur Rückkehr ins Paradies verhilft.
• Dante spiegelt die Genesis 2-Szene: Eva (aus der Rippe) bringt den Sündenfall, Beatrice bringt die Rückführung zur beatitudo.
Patristische Deutung
a) Irenäus von Lyon:
• Betont, dass Eva Typus ecclesiae ist – geboren aus der Seite Adams wie die Kirche aus der durchbohrten Seite Christi (vgl. Joh 19,34). Die Genesis-Szene ist also typologisch messianisch.
• Eva = Mutter alles Lebendigen → Kirche = Mutter der Glaubenden.
b) Augustinus (De Genesi ad litteram):
• Er betont, dass die Frau nicht aus dem Haupt (Herrschaft) noch aus den Füßen (Unterwerfung), sondern aus der Seite (Partnerschaft) geschaffen wurde.
• Die Zuführung der Frau (V.22) wird als Hinweis auf den göttlich gewollten Bund zwischen Mann und Frau gesehen.
c) Tertullian & Ambrosius:
• Beziehen die Szene auf Jungfräulichkeit und die Rolle der Frau im Heilsplan.
• Für Tertullian ist Eva Bild der fleischlichen Geburt – aber auch negativ: als Anfang des Falls.
Fazit und Einordnung
• Genesis 2,22 ist weit mehr als ein anthropologischer Gründungsbericht. Es ist eine poetisch-dichte theologische Vision der Beziehung zwischen Mensch und Mensch, zwischen Geschlechtern, und zwischen Gott und Schöpfung. Der schöpferische Bau der Frau (nicht aus Staub, sondern aus Mensch) ist Symbol für das dialogische Wesen des Menschen: nur in der Beziehung – zuerst mit Gott, dann mit dem Anderen – findet er seine Fülle. Die patristische Theologie liest diesen Vers typologisch im Hinblick auf Christus und die Kirche, Dante wiederum reflektiert diese Motivik sowohl in Eva als Typus der Verlorenheit wie Beatrice als anti-Eva, Symbol der Rückkehr zum Logos.
• Die literarische, philosophische und theologische Tiefe dieses einen Verses zeigt, wie biblische Anthropologie, christliche Mystik und poetische Kosmologie ineinander verschränkt sind.