Genesis 02:19

Luther 1545
Denn als Gott der HERR gemacht hatte von der Erden allerley Thier auff dem Felde / vnd allerley Vogel vnter dem Himel / bracht er sie zu dem Menschen / das er sehe / wie er sie nennet / Denn wie der Mensch allerley lebendige Thier nennen würde / so solten sie heissen.

Luther 1912
Denn als Gott der HERR gemacht hatte von der Erde allerlei Tiere auf dem Felde und allerlei Vögel unter dem Himmel, brachte er sie zu dem Menschen, daß er sähe, wie er sie nennte; denn der wie Mensch allerlei lebendige Tiere nennen würde, so sollten sie heißen.

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Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 2:19

1Mo 2:19 - Und Gott der HERR bildete aus Erde alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und brachte sie zu dem Menschen, daß er sähe, wie er sie nennen würde, und damit jedes lebendige Wesen den Namen trage, den der Mensch ihm gäbe.
1Mo 2:15 - Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bauete und bewahrete.
1Mo 1:20 - Und Gott sprach: Das Wasser soll wimmeln von einer Fülle lebendiger Wesen, und es sollen Vögel fliegen über die Erde, an der Himmelsfeste dahin!
1Mo 1:26 - Und Gott sprach: Wir wollen Menschen machen nach unserm Bild uns ähnlich; die sollen herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über das Vieh auf der ganzen Erde, auch über alles, was auf Erden kriecht!
1Mo 1:28 - Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über alles Lebendige, was auf Erden kriecht!
1Mo 2:22 - Und Gott der HERR baute aus der Rippe, die er von dem Menschen genommen hatte, ein Weib und brachte sie zu ihm.
1Mo 2:23 - Da sprach der Mensch: Das ist nun einmal Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch! Die soll Männin heißen; denn sie ist dem Mann entnommen!
1Mo 6:20 - aller Art Vögel und aller Art Vieh und von allem, was auf Erden kriecht, sollen je zwei von jeder Art zu dir kommen, damit sie am Leben bleiben.
1Mo 9:2 - Furcht und Schrecken vor euch soll kommen über alle Tiere der Erde und über alle Vögel des Himmels, über alles, was auf Erden kriecht, und über alle Fische im Meer; in eure Hände seien sie gegeben!
Ps 8:4 - Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, und des Menschen Sohn, daß du auf ihn achtest?

Biblisches Hebräisch

וַיִּצֶר יְהוָה אֱלֹהִים מִן־הָאֲדָמָה כָּל־חַיַּת הַשָּׂדֶה וְאֵת כָּל־עוֹף הַשָּׁמַיִם וַיָּבֵא אֶל־הָאָדָם לִרְאוֹת מַה־יִּקְרָא־לוֹ וְכֹל אֲשֶׁר יִקְרָא־לוֹ הָאָדָם נֶפֶשׁ חַיָּה הוּא שְׁמוֹ
Va-yitzer Adonai Elohim min-ha'adamah kol chayat hasadeh ve'et kol of hashamayim; vayave’ el-ha’adam lir’ot mah-yikra-lo, vechol asher yikra-lo ha’adam nefesh chayah hu shemo.
Und der HERR, Gott, formte aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und brachte sie zum Menschen, um zu sehen, wie er sie nennen würde; und alles, was der Mensch einem lebendigen Wesen einen Namen gab – das war sein Name.

Biblisches Griechisch (Septuaginta)

Καὶ ἔπλασεν ὁ Θεὸς ἔτι ἐκ τῆς γῆς πάντα τὰ θηρία τοῦ ἀγροῦ καὶ πάντα τὰ πετεινὰ τοῦ οὐρανοῦ, καὶ ἤγαγεν αὐτὰ πρὸς τὸν ἄνθρωπον ἰδεῖν τί καλέσει αὐτά· καὶ πᾶν ὃ ἐὰν ἐκάλεσεν αὐτὸ ὁ ἄνθρωπος ψυχὴν ζῶσαν, τοῦτο ὄνομα αὐτοῦ.
Kai eplasēn ho Theos eti ek tēs gēs panta ta thēria tou agrou kai panta ta peteina tou ouranou, kai ēgagen auta pros ton anthrōpon idein ti kalesei auta; kai pan ho ean ekalesen auto ho anthrōpos psychēn zōsan, touto onoma autou.
Und Gott formte noch aus der Erde alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und brachte sie zum Menschen, um zu sehen, wie er sie nennen würde; und alles, was der Mensch ein lebendiges Wesen nannte, das war sein Name.

Biblisches Lateinisch (Vulgata)

Formatis igitur Dominus Deus de humo cunctis animantibus terrae et universis volatilibus caeli, adduxit ea ad Adam, ut videret quid vocaret ea; omne enim quod vocavit Adam animae viventis, ipsum est nomen eius.
Als nun Gott, der Herr, aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels geformt hatte, brachte er sie zu Adam, damit er sähe, wie er sie nennen würde; denn jedes lebendige Wesen, dem Adam einen Namen gab, das war sein Name.

Anthropologische Tiefe

Der Mensch (ha-adam) wird als sprachmächtiges Wesen dargestellt – fähig, die Tiere zu benennen. Diese Namensgebung ist mehr als ein bloßer Akt des Katalogisierens. Im hebräischen Denken bedeutet nomen = Wesenserkenntnis. Durch das Benennen drückt der Mensch Erkenntnis, Beziehung und Herrschaft aus (vgl. Gen 1,28).

Theologische Bedeutung

• Gott bringt die Tiere „um zu sehen, was der Mensch tun würde“ – ein anthropomorpher Zug, der Gottes Interesse am kreativen Beitrag des Menschen ausdrückt. Dies lässt Raum für menschliche Freiheit und Mitwirkung an der Schöpfung.
• Die Formulierung hu shemo (das ist sein Name) gibt dem Menschen Autorität, aber keine Willkür – der Name entspricht dem Wesen des Tieres. Der Mensch ist also Mit-Deuter der Schöpfung, nicht ihr willkürlicher Herr.

Sprachphilosophische Implikationen

• Sprache ist schöpferische Kraft (naming = world-making). Die Verbindung zwischen Sprache und Sein (hebr. שֵׁם shem – Name) ist tief verwurzelt.
• Der Mensch ist der erste philologos, ein Wort-Schöpfer.

Strukturelle Kontextualisierung

• Die Szene steht in engem Kontrast zur Erschaffung der Frau (V. 21–23). Die Tiere konnten keine „Gehilfin“ sein (V. 20). Die Namensgebung betont das Fehlen einer wesenhaften Entsprechung – eine Vorbereitung auf die Erschaffung Evas.
• Gen 2,19 hebt die Andersartigkeit des Menschen hervor – er benennt, aber wird nicht benannt.

Bezug zu Dantes Divina Commedia

a) Anthropologischer Bezug
• In der Divina Commedia ist die Sprache sowohl Ausdruck der geistigen Ordnung als auch Mittel der Erkenntnis und moralischen Orientierung. Die Fähigkeit des Menschen zur Benennung und sprachlichen Ordnung verweist auf seine Imago Dei, was auch bei Dante zentral ist, z. B.:
• Im Paradiso (Canto I) betont Dante, dass Sprache das Unaussprechliche nicht fassen kann – ein Echo auf den ursprünglichen schöpferischen Sprachakt des Menschen, aber auch seine Begrenzung:
Trasumanar significar per verba / non si poria; però l’essemplo basti
(Par. I, 70–71)
→ Der Mensch vermag zu benennen, doch im Himmel stößt selbst diese Gabe an ihre Grenze.
b) Ethisch-symbolische Parallelen
Im Inferno ist die Verkehrung der Sprache – Lüge, Fluch, Betrug – Ausdruck des moralischen Falls (z. B. Malebolge). Der Sündenfall kann als Verlust der reinen Sprache gelesen werden – der Mensch benannte einst die Schöpfung, nun pervertiert er Sprache zur Zerstörung.
c) Bezug zu Inferno Canto XXVI (Ulisse)
Ulisses Redegewalt, die ihn zu neuen Ufern treibt („divenir del mondo esperto“), steht in ironischem Kontrast zur Namensmacht Adams. Wo Adam in göttlicher Ordnung benennt, reißt Ulisse die Grenze ohne göttlichen Auftrag. Sprache als Mittel der Verführung statt Erkenntnis.
d) Adam im Paradiso
Dante begegnet Adam in Paradiso XXVI. Dort fragt er ihn explizit nach dem Ursprung der Sprache:
La lingua ch'io parlai fu tutta spenta
→ Adam erklärt, die ursprüngliche Sprache sei vergangen – und verweist so auf die Tiefe der babylonischen Zerstreuung und den Verlust des Namensgebens als schöpferischer Handlung.

Fazit

Genesis 2,19 zeigt den Menschen als sprachbegabtes Wesen, das in Beziehung zur Schöpfung steht. Diese Fähigkeit zur Namensgebung ist Ausdruck der imago Dei – schöpferisch, erkenntnisfähig, verantwortlich. In Dantes Divina Commedia wird Sprache zur moralischen Signatur des Menschen: Im Himmel verliert sie ihre Reichweite, in der Hölle wird sie verdorben. Der Kontrast zwischen Adams ursprünglicher Sprachmacht und dem babylonischen, irdischen Sprachverfall ist ein zentrales Motiv, das Dante in seinem Werk theologisch-poetisch durchdringt.

Genesis 02:18 | Genesis 02:20

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