Luther 1545
VND Gott der HERR sprach / Es ist nicht gut das der Mensch allein sey / Jch wil jm ein Gehülffen machen / die vmb jn sey
Luther 1912
Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 2:18
1Mo 2:18 - Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die ihm entspricht!
1Mo 1:31 - Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Und es ward Abend, und es ward Morgen: der sechste Tag.
1Mo 3:12 - Da sprach der Mensch: Das Weib, das du mir zugesellt hast, die gab mir von dem Baum, und ich aß!
Ruth 3:1 - Naemi aber, ihre Schwiegermutter, sprach zu ihr: Meine Tochter, sollte ich dir nicht eine Heimat verschaffen, da es dir wohlgehen wird?
Spr 18:22 - Wer eine Frau gefunden, der hat etwas Gutes gefunden und Gunst von dem HERRN erlangt.
Pred 4:9 - Es ist besser, man sei zu zweien, als allein; denn der Arbeitslohn fällt um so besser aus.
1Kor 7:36 - Wenn aber jemand meint, daß es für seine Jungfrau unschicklich sei, über die Jahre der Reife hinauszukommen, und wenn es dann so sein muß, der tue, was er will; er sündigt nicht, sie mögen heiraten!
1Mo 3:12 - Da sprach der Mensch: Das Weib, das du mir zugesellt hast, die gab mir von dem Baum, und ich aß!
1Kor 11:7 - Der Mann hat nämlich darum nicht nötig, das Haupt zu verhüllen, weil er Gottes Bild und Ehre ist; das Weib aber ist des Mannes Ehre.
1Tim 2:11 - Eine Frau lerne in der Stille, in aller Unterordnung.
1Pet 3:7 - Und ihr Männer, wohnet mit Vernunft bei dem weiblichen Teil als dem schwächeren und erweiset ihnen Ehre als solchen, die auch Miterben der Gnade des Lebens sind, und damit eure Gebete nicht gehindert werden.
Spr 31:10 - Ein wackeres Weib (wer findet es?) ist weit mehr wert als köstliche Perlen!
Biblisches Hebräisch
וַיֹּאמֶר יְהוָה אֱלֹהִים לֹא־טוֹב הֱיוֹת הָאָדָם לְבַדּוֹ אֶֽעֱשֶׂה־לּוֹ עֵזֶר כְּנֶגְדּוֹ׃
Vayomer Adonai Elohim: lo-tov heyot ha-adam levado; e‘eseh-lo ezer ke-negdo.
Und der HERR, Gott, sprach: „Nicht gut ist es, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.“
• lo-tov – „nicht gut“: starkes Urteil im Kontrast zu der ständigen Formel ki tov („es war gut“) in Gen 1
• levado – „allein“: Isolation des Menschen als Zustand des Mangels
• ezer kenegdo – „eine Hilfe, die ihm entspricht“ oder „eine Hilfe als Gegenüber“: nicht untergeordnet, sondern komplementär, gleichwertig, dialogisch
Biblisches Griechisch (Septuaginta)
καὶ εἶπεν Κύριος ὁ Θεός· οὐ καλὸν εἶναι τὸν ἄνθρωπον μόνον· ποιήσωμεν αὐτῷ βοηθὸν κατ᾽ αὐτόν.
Kai eipen Kyrios ho Theos: ou kalon einai ton anthrōpon monon; poiēsōmen autō boēthon kat’ auton.
Und der Herr, Gott, sprach: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist; wir wollen ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.“
• ποιήσωμεν („wir wollen machen“): Pluralform, analog zu Gen 1,26 – möglicherweise göttlicher Plural
• βοηθός („Helfer“) – positiver, aber nicht hierarchischer Begriff
• κατ᾽ αὐτόν – „entsprechend ihm“; betont Symmetrie
Biblisches Lateinisch (Vulgata)
Dixit quoque Dominus Deus: Non est bonum esse hominem solum: faciamus ei adiutorium simile sibi.
Auch sprach der Herr, Gott: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; wir wollen ihm eine Hilfe machen, die ihm gleich ist.
• adiutorium – „Hilfe“ (wie „Helfer“, aber neutraler als im modernen Verständnis)
• simile sibi – „ihm ähnlich“, betont anthropologische Gleichheit
Anthropologische Dimension:
Genesis 2,18 offenbart eine tiefe Sicht auf den Menschen als ein auf Beziehung hin geschaffenes Wesen. Anders als in der ersten Schöpfungserzählung (Gen 1), wo der Mensch als imago Dei geschaffen wird, liegt hier der Fokus auf seiner sozialen Natur: Der Mensch ist nicht für Isolation geschaffen (lo-tov heyot levado). Diese Formulierung ist theologisch und existenziell bedeutsam: Zum ersten Mal wird etwas in der Schöpfung als „nicht gut“ bezeichnet – und es betrifft die Einsamkeit.
Begriff ezer kenegdo:
• Ezer (Hilfe) bezeichnet im Alten Testament auch Gott selbst als Helfer Israels (z. B. Ps 121). Es ist kein Begriff der Unterlegenheit, sondern der rettenden Ergänzung.
• Kenegdo (als Gegenüber) impliziert Gleichwertigkeit: ein Gegenüber, das in Beziehung tritt, ein Spiegel, der zugleich anders ist.
Theologisch-ethischer Kontext:
Diese Passage legt das Fundament für eine biblische Anthropologie, in der Beziehung, Dialog und gegenseitige Hilfe zentral sind. Der Mensch ist auf das „Du“ hin angelegt, sei es in menschlicher Gemeinschaft oder in Beziehung zu Gott.
Sozialethische Implikation:
Die Notwendigkeit einer „Hilfe“ wird nicht als Schwäche gesehen, sondern als Bedingung echter Menschlichkeit. Im Gegensatz zu modernen individualistischen Konzepten betont der Text eine komplementäre, beziehungsorientierte Anthropologie.
Kontext innerhalb von Genesis 2:
Diese Aussage ist Teil der sogenannten „zweiten Schöpfungserzählung“ (Gen 2,4–25), die einen stärker erzählerisch-anthropologischen Zugang bietet als die erste (Gen 1). Sie bereitet die Erschaffung der Frau vor, die in Gen 2,22 folgt – eine Tat, die die Tiefenstruktur der menschlichen Beziehung als göttlich intendiert bestätigt.
Bezug zu Dantes Divina Commedia
A. Menschliches Miteinander als göttliche Ordnung:
Dante folgt in der Divina Commedia einer anthropologischen und theologischen Struktur, die stark von der augustinischen Lesart der Genesis geprägt ist. Die Idee, dass der Mensch als auf Beziehung hin geschaffenes Wesen existiert, spiegelt sich in der ganzen Commedia wider – besonders in der Rolle Beatrices.
B. Beatrice als „ezer kenegdo“:
Wie Eva für Adam in Genesis 2, so wird Beatrice Dante zur Hilfe, zur Vermittlerin des Heilsweges. Sie ist das Gegenüber, das ihn führt – zunächst durch Vergil vorbereitet, dann geistlich über ihn hinausweisend. Besonders in Paradiso erscheint sie als himmlische Hilfe, die Dante zu seiner deiformitas führt.
C. Theologische Verbindung:
In Anlehnung an die augustinisch-thomistische Anthropologie, die Dante teilt, ist das menschliche „allein sein“ nicht bloß ein soziales Problem, sondern Ausdruck der existentiellen Gottesferne. Deshalb ist der Beziehungsbegriff (zu Mitmenschen wie zu Gott) in der Commedia ein zentrales Heilsmerkmal.
D. Literarisches Echo:
Dante reflektiert den Genesis-Gedanken, dass die Ordnung der Schöpfung sich durch Beziehung konstituiert, auch in der Hölle – dort, wo diese Ordnung pervertiert ist, herrscht Isolation (Inferno), und jede „Hilfe“ ist entzogen. Im Purgatorio wird Hilfe möglich durch Gemeinschaft der Pilger, und im Paradiso herrscht vollkommene gegenseitige „kenegdo“-Harmonie – die Communio Sanctorum als eschatologische Vollendung des Genesis-Impulses.
Fazit
• Genesis 2,18 stellt einen entscheidenden anthropologischen Knotenpunkt der biblischen Schöpfungserzählung dar: Der Mensch ist nicht für Einsamkeit geschaffen, sondern für Beziehung – zur Mitwelt, zum Du, zu Gott. Der hebräische Text betont diese Beziehungsstruktur in der Tiefe, und die griechische und lateinische Überlieferung tragen zur Übermittlung dieses Gedankens durch die Geschichte der Auslegung bei.
• Dante rezipiert diesen Grundgedanken, poetisch und theologisch weiterentwickelt: Der Mensch als auf das Du bezogenes, heilsoffenes Wesen findet seine Erfüllung letztlich nicht nur in irdischer, sondern in himmlischer Beziehung. Die Divina Commedia ist damit nicht nur eine Reise zu Gott, sondern auch eine Wiederherstellung der ursprünglichen ezer kenegdo-Struktur – vollendet im Blick auf das göttliche Antlitz.