Genesis 02:15

Luther 1545
VND Gott der HERR nam den Menschen vnd satzt jn in den garten Eden / das er jn bawet vnd bewaret.

Luther 1912
Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn baute und bewahrte.

genesis 1genesis 1Luther, 2Mo 2,18

Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 2:15

1Mo 2:15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bauete und bewahrete.
1Mo 2:8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen und setzte den Menschen darein, den er gemacht hatte.
Ps 128:2 Du wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit; wohl dir, du hast es gut!
Eph 4:28 Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern bemühe sich vielmehr mit seinen Händen etwas Gutes zu erarbeiten, damit er dem Dürftigen etwas zu geben habe.
1Mo 2:2 so daß Gott am siebenten Tage sein Werk vollendet hatte, das er gemacht; und er ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.
Hiob 31:33 Habe ich, wie Adam, meine Übertretung bedeckt, so daß ich meine Schuld in meinem Busen verbarg,Genesis 2,14 beschreibt den vierten der Flüsse, die aus dem Garten Eden hervorgehen. Dieser Vers hat eine bedeutende geographische wie auch symbolische Funktion innerhalb des Schöpfungsnarrativs.

Analyse

Genesis 2,15 – ein Schlüsselvers der Schöpfungserzählung, in dem erstmals die aktive Rolle des Menschen im Garten Gottes thematisiert wird.

Biblisches Hebräisch

וַיִּקַּח יְהוָה אֱלֹהִים אֶת־הָאָדָם וַיַּנִּחֵהוּ בְּגַן־עֵדֶן לְעָבְדָהּ וּלְשָׁמְרָהּ׃
Vayyikkaḥ YHWH ʾĕlōhîm ʾet-hāʾādām vayyanniḥēhû bǝgan-ʿēḏen lǝʿāvḏāh ûlǝšāmrāh.
Und der HERR, Gott, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und bewahre.
• וַיִּקַּח (vayyikkaḥ) – „und er nahm“ (qal, waw-consecutivum)
• יְהוָה אֱלֹהִים (YHWH Elohim) – „der HERR, Gott“
• וַיַּנִּחֵהוּ (vayyanniḥēhû) – „und setzte ihn“ / „ließ ihn ruhen“ (hifil von נוּחַ, „ruhen lassen“)
• בְּגַן־עֵדֶן (bǝgan-ʿēḏen) – „in den Garten Eden“
• לְעָבְדָהּ (lǝʿāvḏāh) – „um ihn zu bebauen/dienen“ (Infinitiv konstruktus von עָבַד + Suffix 3. f. sg.)
• וּלְשָׁמְרָהּ (ulǝšāmrāh) – „und zu bewahren“ (von שָׁמַר = „bewahren“, „hüten“)
• Die Begriffe ʿāvad und šāmar stehen im Zentrum der anthropologischen und theologischen Aussagekraft des Verses: Arbeit als Dienst und Bewahrung als ethische Verantwortung.

Biblisches Griechisch (Septuaginta, LXX)

καὶ ἔλαβεν Κύριος ὁ Θεὸς τὸν ἄνθρωπον ὃν ἔπλασεν καὶ ἔθετο αὐτὸν ἐν τῷ παραδείσῳ εἰς τὸ ἐργάζεσθαι αὐτὸν καὶ φυλάσσειν.
Kai élaben Kyrios ho Theos ton anthrōpon hon eplasen kai etheto auton en tō paradeisō eis to ergazesthai auton kai phylassein.
Und der Herr Gott nahm den Menschen, den er gemacht hatte, und setzte ihn in den Garten, um ihn zu bearbeiten und zu bewahren.
• ἐργάζεσθαι – arbeiten, tätig sein (entspricht עָבַד)
• φυλάσσειν – bewachen, hüten (entspricht שָׁמַר)
• ἐν τῷ παραδείσῳ – „im Paradies“: die griechische Übersetzung von גַּן־עֵדֶן mit paradeisos etabliert das spätere Paradieskonzept

Biblisches Lateinisch (Vulgata)

Tulit ergo Dominus Deus hominem, et posuit eum in paradiso voluptatis, ut operaretur et custodiret illum.
Da nahm der Herr Gott den Menschen und setzte ihn in das Paradies der Wonne, damit er es bearbeite und bewahre.
• operaretur – bearbeiten, arbeiten (von operari)
• custodiret – bewahren, hüten (von custodire)
• Paradisus voluptatis – „Paradies der Wonne“ ist eine interpretierende Übersetzung und betont den Zustand idealer Freude, der dem Garten Eden zugeschrieben wird.

Anthropologisch-ethische Dimension

Genesis 2,15 zeichnet den Menschen als verantwortlichen Verwalter der Schöpfung:
• Arbeit (עָבַד / ἐργάζεσθαι / operari): nicht als Folge des Sündenfalls, sondern als ursprüngliche Bestimmung. Der Mensch ist dienend tätig – ein kultisches Echo ist spürbar, da עָבַד auch „Gott dienen“ bedeuten kann.
• Bewahrung (שָׁמַר / φυλάσσειν / custodire): betont Verantwortung, Achtsamkeit und Schutz. Hier wird der Mensch zum Hüter – was im Lichte späterer Texte (z. B. Kains Ablehnung: „Bin ich meines Bruders Hüter?“) eine tiefere moralische Tragweite gewinnt.

Theologisch

Gott als Initiator: Der Mensch wird „genommen“ und „gesetzt“ – passiv. Gott ist aktiv handelnd, bestimmend. Der Mensch empfängt seine Aufgabe von Gott.
Ort der Berufung: Eden ist nicht nur Idylle, sondern Auftragsraum. Paradies ist nicht Passivität, sondern verantwortete Tätigkeit unter göttlichem Auftrag.
Vor-Sündenfall-Konzeption: Arbeit und ethische Verantwortung sind nicht Strafe, sondern ursprünglicher Ausdruck der Gottebenbildlichkeit.

Poetisch-symbolisch

Der Garten Eden steht als Symbol kosmischer Ordnung, in die der Mensch eingefügt wird.
ʿāvad und šāmar stehen wie zwei Säulen: Aktivität und Achtsamkeit. In der rabbinischen Tradition wird oft darauf hingewiesen, dass das Gleichgewicht zwischen Bebauen und Bewahren die rechte Weise des Menschseins definiert.

Philosophisch-hermeneutisch

Der Mensch ist kein Herrscher im Sinne imperialer Macht, sondern Beauftragter, ein „Pflegeverantwortlicher“ für die Welt.
Das Verhältnis zur Natur ist ursprünglich kein Beherrschungsverhältnis, sondern ein treuhänderisches.
Der Einsatz von ʿāvad in Verbindung mit Gottesdienst hebt hervor, dass wahre Arbeit kultischen, spirituellen Charakter hat – Arbeit als Gottesdienst (opus Dei im benediktinischen Sinne).

Rezeption

In der jüdischen Tradition: Der Mensch als partner ha-berit – Bundespartner Gottes in der Weltverantwortung.
In der christlichen Theologie: Der Vers wird oft mit dem Konzept der „Mit-Schöpfung“ verbunden. Franziskus von Assisi, Hildegard von Bingen und die Enzyklika Laudato si’ greifen diese Idee ökologisch auf.
Im Mönchtum: Verbindung von Gebet und Arbeit (ora et labora) als Auslegung dieses Verses.

Fazit

Genesis 2,15 stellt eine verdichtete, ursprüngliche Anthropologie vor:
• Der Mensch ist weder bloßer Gärtner noch Besitzer, sondern Beauftragter, cultor et custos.
• Arbeit ist nicht Last, sondern Teil der menschlichen Würde.
• Das Paradies ist Ort der Aufgabe – nicht des Müßiggangs.
• Die Balance zwischen Bearbeitung und Bewahrung ist ethisches Urmodell für die Beziehung des Menschen zur Welt – und zu Gott.

Genesis 02:14 | Genesis 02:16

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