Luther 1545
Das erst heisst Pison (1) / das fleusset vmb das gantze Land Heuila / Vnd daselbs findet man gold /
Luther 1912
Das erste heißt Pison, das fließt um das ganze Land Hevila; und daselbst findet man Gold.
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 02:11
1Mo 2:11 Der erste heißt Pison; das ist der, welcher das ganze Land Chavila umfließt, woselbst das Gold ist;
1Mo 10:7 Und die Söhne Kuschs: Seba, Chavila, Sabta, Raema, Sabteka und Dedan.
1Mo 10:29 Ophir, Chavila und Jobad; diese alle sind Söhne Joktans.
1Mo 25:18 Sie wohnten aber von Chavila an bis gen Schur, das vor Ägypten liegt; und bis man nach Assyrien kommt; gegenüber von allen seinen Brüdern ließ er sich nieder.
1Sa 15:7 Da schlug Saul die Amalekiter, von Hevila an bis gen Schur, das östlich von Ägypten liegt,
Hebräisch (MT – Masoretischer Text)
הוּא הַסֹּבֵב אֵת כָּל אֶרֶץ הַחֲוִילָה אֲשֶׁר שָׁם הַזָּהָב
hūʾ hassōvēv ʾet kol ʾereṣ haḥăwīlā ʾăšer šām hazāhāv
Er (der erste Strom) umfließt das ganze Land Hawila, wo das Gold ist.
Griechisch (LXX – Septuaginta)
οὗτος κυκλοῖ πᾶσαν τὴν γῆν Εὐιλά, ἔνθα ἐστὶν τὸ χρυσίον
houtos kykloi pāsan tēn gēn Euïla, entha estin to chrysion
Dieser (Fluss) umkreist das ganze Land Evilat, wo das Gold ist.
Lateinisch (Vulgata)
Ipse est qui circuit omnem terram Hevilae ubi nascitur aurum.
Er ist es, der das ganze Land Hevila umfließt, wo das Gold geboren wird.
Theologisch
Der Vers verweist auf den Garten Eden als Ort der göttlichen Ordnung und Segnung. Der Fluss, der das Land Hawila umfließt, verweist auf die göttliche Versorgung und Fülle – insbesondere mit Gold, das in der Bibel für Heiligkeit, Königtum und Reinheit steht (vgl. Tempelgeräte). Die Geographie des Paradieses ist Ausdruck der ursprünglichen Harmonie zwischen Schöpfung und Schöpfer.
Liturgisch
Liturgisch kann der Fluss symbolisch für das Taufwasser stehen, das alles durchdringt und reinigt – wie der Fluss Eden das fruchtbare Land umfließt. Der Hinweis auf „Gold“ kann in der Liturgie auf das kostbare Gut des Glaubens oder die eucharistische Gabe hinweisen. Frühchristliche Taufliturgien nutzen häufig Eden-Motive zur Darstellung der Neuschöpfung im Sakrament.
Philosophisch
Philosophisch ließe sich dieser Vers platonisch oder neoplatonisch deuten: Das Gold ist ein Abbild des Wahren, Guten und Schönen – verborgen in der Struktur der Welt, aber vom Strom der göttlichen Vernunft („Logos“) umgeben. Der Fluss wäre dann ein Bild des Nous (intellektuellen Prinzips), das um die Ideen kreist.
Moralisch
Moralisch kann das Land Hawila als Ort des inneren Reichtums gedeutet werden: Der Mensch soll die Tugend (Gold) in sich entdecken, nicht im Außen. Der Fluss wäre dann das geregelte Leben, das zur inneren Veredelung führt. Der Hinweis, dass Gold „dort“ ist, warnt vielleicht auch vor Gier und falscher Orientierung auf äußere Reichtümer.
Allegorisch
Allegorisch gesehen steht der Fluss für die göttliche Weisheit, die das Land der Seele umfließt. Hawila symbolisiert das vom Heiligen Geist erleuchtete Herz, in dem das „Gold“ der göttlichen Gnade liegt. Die vier Flüsse des Paradieses (vgl. V.10–14) stehen in der patristischen Tradition oft für die vier Evangelien oder Kardinaltugenden.
Symbolisch
Fluss: Lebensstrom, göttliche Gnade, Versorgung, Zeitfluss, Logos
Hawila: Erde des Menschen, die zur Fruchtbarkeit bestimmt ist
Gold: Kostbarkeit der Schöpfung, göttliche Weisheit, unverfälschtes Gut
Metaphorisch
Metaphorisch ist der Fluss ein Bild für die Bewegung der göttlichen Gegenwart – fließend, umfassend, spendend. Hawila könnte für eine vom Menschen zu entdeckende innere Welt stehen, das „Gold“ für das Göttliche im Menschen oder für die ursprüngliche Reinheit vor dem Sündenfall.
Topos (biblisch-archaische Bildwelt)
Die Vorstellung von vier Flüssen, die vom Zentrum Eden ausgehen, ist ein klassischer Schöpfungstopos: ein heiliger Mittelpunkt (axis mundi), aus dem Ordnung, Leben und Segen fließen. Die Topographie des Paradieses entspricht dem Muster heiliger Räume (Tempel, Stadt Jerusalem). Hawila ist Topos des Überflusses und der Nähe zur göttlichen Quelle.
Literarisch-poetisch
Die poetische Struktur von Genesis 2,10–14 wirkt fast wie ein hymnologischer Einschub. Die Wiederholung der Flüsse und ihrer Eigenschaften verleiht dem Text rhythmische Dichte. Der Name „Hawila“ evoziert durch seine klangliche Weichheit (ḥāwīlāh) einen fernen, fast mystischen Ort. Der Vers malt ein Bild ursprünglicher Schönheit, verbunden mit dem Reiz des Unbekannten („wo das Gold ist“ – fast wie ein mythischer Sehnsuchtsort).