Genesis 01:17

Luther 1545 Vnd Gott setzt sie an die Feste des Himels / das sie schienen auff die Erde

Luther 1912 Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, daß sie schienen auf die Erde.

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Biblisches Hebräisch

וַיִּתֵּן אֹתָם אֱלֹהִים בִּרְקִיעַ הַשָּׁמַיִם לְהָאִיר עַל־הָאָרֶץ׃
Transliteration:
Vayyitten otam Elohim birqiaʿ ha-shamayim le-ha'ir ʿal ha-aretz.
Übersetzung:
Und Gott setzte sie in das Himmelsgewölbe, um über der Erde zu leuchten.
Sprachliche Beobachtungen:
• וַיִּתֵּן (vayyitten): Qal-Imperfekt von נָתַן („geben“, „setzen“), mit Waw-Consecutiv → narrative Fortführung.
• אֹתָם (otam): Akkusativpronomen, „sie“ → bezieht sich auf die Lichter (Sonne und Mond, vgl. V.16).
• בִּרְקִיעַ (birqiaʿ): „in das Himmelsgewölbe“, das Feste (רָקִיעַ) als geordneter Raum.
• לְהָאִיר (le-ha'ir): Infinitiv mit לְ zur Zweckangabe: „um zu leuchten“.

Biblisches Griechisch (Septuaginta – LXX)

καὶ ἔθηκεν αὐτὰ ὁ θεὸς ἐν τῷ στερεώματι τοῦ οὐρανοῦ τοῦ φαίνειν ἐπὶ τῆς γῆς.
Transliteration:
kai ethēken auta ho theos en tō stereōmati tou ouranou tou phainein epi tēs gēs.
Übersetzung:
Und Gott setzte sie in das Himmelsgewölbe, um auf der Erde zu scheinen.
Beobachtungen:
• ἔθηκεν: Aorist von τίθημι („setzen“, „stellen“) → punktuelles göttliches Handeln.
• στερέωμα: gr. für das hebräische raqiaʿ, oft als „Festgewölbe“ übersetzt.
• φαίνειν: Präsensinfinitiv → kontinuierliches Leuchten.

Biblisches Lateinisch (Vulgata)

et posuit ea Deus in firmamento caeli ut lucerent super terram.
Übersetzung:
Und Gott setzte sie in das Firmament des Himmels, damit sie über der Erde leuchten.
Beobachtungen:
• posuit: Perfekt von ponere → vollendete Handlung.
• firmamentum: direktes Lehnwort aus der LXX (στερέωμα), Bedeutung als „Festgewölbe“ bleibt erhalten.
• lucerent: Konjunktiv Imperfekt → finaler Nebensatz: „damit sie leuchten.“

Theologische Deutung

1. Kosmische Ordnung
Genesis 1,17 markiert den Vollzug einer kosmologischen Ordnung: Die Himmelskörper werden nicht nur erschaffen, sondern bewusst platziert. Dies unterstreicht Gottes souveräne Ordnungsgewalt über Raum, Licht und Zeit.
2. Lichter als Diener
Die Lichter (Sonne und Mond) werden nicht vergöttlicht, wie es in anderen altorientalischen Religionen geschieht, sondern sind Werkzeuge Gottes – dienende Leuchten. Sie regieren Tag und Nacht (vgl. V.16), ohne selbst göttlich zu sein.
3. Licht als Offenbarungsmittel
Das Leuchten (הָאִיר / φαίνειν / lucerent) ist nicht nur physikalisch, sondern symbolisch für Offenbarung, Wahrheit und Ordnung im biblischen Denken – ein Vorzeichen späterer Theologien des „wahren Lichts“ (Joh 1,9).

Rezeptionsgeschichte

1. Judentum
Die rabbinische Exegese (z. B. Midrasch Bereschit Rabbah) sah in den Lichtern auch eine ethisch-symbolische Bedeutung: Sonne und Mond als Metaphern für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Der Midrasch diskutiert auch, warum der Mond „verkleinert“ wurde – ein Verweis auf die Spannung zwischen Gleichheit und Ordnung.
2. Christentum
• Kirchenväter (z. B. Augustinus, Ambrosius): sahen in den Lichtern Allegorien für Christus (Sonne) und die Kirche oder Heilige (Mond). Sie betonten, dass alles Licht von Gott stammt.
• Mittelalter: Thomas von Aquin betonte die rational ordnende Funktion der Lichter im Dienst des Menschen. Die Welt ist nach Maß, Zahl und Gewicht (vgl. Sap 11,20) geordnet.
• Mystiker: etwa Meister Eckhart oder Johannes vom Kreuz sahen im Licht der Sonne eine Metapher für göttliche Erleuchtung, die durch die Schöpfung hindurchscheint.
3. Moderne Theologie
Teilweise Diskussion über Demythologisierung (Bultmann) versus Re-Symbolisierung: Die Platzierung der Lichter kann auch als Urbild kosmischer Bedeutung gedeutet werden – gegen ein bloß mechanistisches Weltbild.

Philosophische Deutung

1. Platonisch-neuplatonisch
Das „Setzen der Lichter“ erinnert an den Demiurgen im Timaios, der das Weltall durch Maß und Zahl ordnet. Licht ist hier auch metaphysisches Prinzip – Ausdruck des Guten, das alles durchleuchtet.
2. Aristotelisch-thomistisch
Die Lichter erfüllen je eine „natürliche Finalität“. Ihre Ordnung im Himmelsgewölbe verweist auf den unbewegten Beweger (Gott), der allem eine sinnvolle Ordnung verleiht. Der Kosmos ist teleologisch strukturiert.
3. Kantisch
Für Kant ist Raum und Zeit reine Anschauungsformen. Das „Setzen“ der Lichter wäre hier nicht als physikalisches Ereignis, sondern als symbolischer Ausdruck eines Ordnungsbewusstseins des erkennenden Subjekts zu verstehen.
4. Existenzialistisch
In existentialistischer Lektüre (z. B. Buber oder Tillich): Die göttliche Setzung der Lichter kann als Sinngebung in der Nacht des Daseins gelesen werden – Gott als der, der Licht ins Chaos bringt (vgl. V.2).

Genesis 1:16 | Genesis 1:18

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