Genesis 01:16

Luther 1545 Vnd Gott machet zwey grosse Liechter / ein gros Liecht / das den Tag regiere / vnd ein klein Liecht / das die Nacht regiere / dazu auch Sternen.

Luther 1912 Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch Sterne.

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Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 1:16

1Mo 1:16 Und Gott machte die zwei großen Lichter, das große Licht zur Beherrschung des Tages und das kleinere Licht zur Beherrschung der Nacht; dazu die Sterne.
5Mo 4:19 daß du deine Augen auch nicht gen Himmel hebest, und die Sonne und den Mond und die Sterne und das ganze Heer des Himmels beschauest und dich verführen lassest, sie anzubeten und ihnen zu dienen, die doch der HERR, dein Gott, allen Völkern unter dem ganzen Himmel zugeteilt hat.
Jos 10:12 Da redete Josua mit dem HERRN an dem Tage, als der HERR die Amoriter vor den Kindern Israel dahingab, und sprach in Gegenwart Israels: Sonne, stehe still zu Gibeon, und du, Mond, im Tale Ajalon!
Hiob 31:26 habe ich die Sonne angesehen, weil sie leuchtete, und den Mond, weil er so prächtig dahinzog,
Hiob 38:7 als die Morgensterne miteinander jauchzten und alle Söhne Gottes jubelten?
Ps 8:3 Wenn ich deinen Himmel betrachte, das Werk deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du gemacht hast:
Ps 19:6 Sie geht an einem Ende des Himmels auf und läuft um bis ans andere Ende, und nichts bleibt vor ihrer Glut verborgen.
Ps 74:16 Dein ist der Tag, dein ist auch die Nacht, du hast das Licht und die Sonne bereitet.
Ps 136:7 der große Lichter machte; denn seine Gnade währt ewiglich!
Ps 136:8 die Sonne zur Beherrschung des Tages; denn seine Gnade währt ewiglich!
Ps 136:9 den Mond und die Sterne zur Beherrschung der Nacht; denn seine Gnade währt ewiglich!
Ps 148:3 Lobet ihn, Sonne und Mond; lobet ihn, alle leuchtenden Sterne!
Ps 148:5 Sie sollen loben den Namen des HERRN; denn sie entstanden auf sein Geheiß,
Jes 13:10 Ja, die Sterne des Himmels und seine Sternbilder werden nicht mehr glänzen; die Sonne wird sich bei ihrem Aufgang verfinstern und der Mond sein Licht nicht leuchten lassen.
Jes 24:23 und der Mond wird erröten und die Sonne schamrot werden; denn der HERR der Heerscharen wird alsdann auf dem Berge Zion regieren und vor seinen Ältesten zu Jerusalem, in Herrlichkeit.
Jes 45:7 der ich das Licht mache und die Finsternis schaffe; der ich Frieden gebe und Unglück schaffe. Ich, der HERR, tue solches alles.
Hab 3:11 Sonne und Mond bleiben in ihrer Wohnung beim Leuchten deiner fliegenden Pfeile, beim Glanz deines blitzenden Speers.
Matt 24:29 Bald aber nach der Trübsal jener Tage wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond wird seinen Schein nicht mehr geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels in Bewegung geraten.
Matt 27:45 Aber von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.
1Kor 15:41 einen andern Glanz hat die Sonne und einen andern Glanz der Mond, und einen andern Glanz haben die Sterne; denn ein Stern unterscheidet sich vom andern durch den Glanz.
Off 16:8 Und der vierte goß seine Schale aus auf die Sonne; und ihr wurde gegeben, die Menschen zu versengen mit Feuerglut.
Off 16:9 Und die Menschen wurden versengt von großer Hitze, und sie lästerten den Namen Gottes, der Macht hat über diese Plagen, und taten nicht Buße, ihm die Ehre zu geben.
Off 21:23 Und die Stadt bedarf nicht der Sonne noch des Mondes, daß sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm.

Biblisches Hebräisch: Sprachlich-exegetische Analyse

וַיַּעַשׂ אֱלֹהִים אֶת־שְׁנֵי הַמְּאֹרוֹת הַגְּדֹלִים
אֶת־הַמָּאוֹר הַגָּדוֹל לְמֶמְשֶׁלֶת הַיּוֹם
וְאֶת־הַמָּאוֹר הַקָּטֹן לְמֶמְשֶׁלֶת הַלַּיְלָה וְאֵת הַכּוֹכָבִים׃
Wort-für-Wort & Syntax
• וַיַּעַשׂ אֱלֹהִים – „Und Gott machte“:
• וַיַּעַשׂ ist das Wayyiqtol-Perfekt von עָשָׂה („machen“), typisch für erzählendes Hebräisch.
• שְׁנֵי הַמְּאֹרוֹת הַגְּדֹלִים – „zwei große Lichter“:
• שְׁנֵי (Dualform von שֵׁנַיִם), הַמְּאֹרוֹת (Plural von מָאוֹר, „Lichtkörper“, von אוֹר – Licht).
• הַמָּאוֹר הַגָּדוֹל... הַמָּאוֹר הַקָּטֹן –
• Verwendung von Artikeln und Adjektiven zeigt Paarbildung: „das große Licht“ / „das kleine Licht“.
• לְמֶמְשֶׁלֶת – „zur Herrschaft“ oder „zur Regierung“:
• Substantiv von מָשַׁל („herrschen“); interessante Wortwahl statt „beleuchten“.
• וְאֵת הַכּוֹכָבִים – „und die Sterne“:
• Durch die Konjunktion וְ („und“) werden die Sterne eher nachträglich eingefügt.
Exegetische Bemerkungen
Keine Namen für „Sonne“ und „Mond“ – möglicherweise polemisch gegen kanaanäische Götter wie Šamaš oder Yarih.
• Theologischer Fokus: Gott ist der alleinige Schöpfer auch der Gestirne – er gibt ihnen ihre Funktion (לְמֶמְשֶׁלֶת), aber keine Macht an sich.
• Kosmologischer Dualismus (Tag/Nacht) wird in eine göttliche Ordnung überführt.

Septuaginta (LXX): Sprachlich-exegetische Analyse

καὶ ἐποίησεν ὁ θεὸς τοὺς δύο φωστῆρας τοὺς μεγάλους,
τὸν φωστῆρα τὸν μέγαν εἰς ἀρχὰς τῆς ἡμέρας
καὶ τὸν φωστῆρα τὸν ἐλάσσω εἰς ἀρχὰς τῆς νυκτός, καὶ τοὺς ἀστέρας.
Wort-für-Wort & Syntax
• ἐποίησεν ὁ θεὸς – Wörtlich „machte Gott“: Perfektiver Aorist von ποιέω, sachlich-narrativ.
• φωστήρ – „Leuchtkörper“: seltenes Wort, vermeidet ἥλιος („Sonne“) oder σελήνη („Mond“) – ähnlich wie im Hebräischen theologisch motiviert.
• εἰς ἀρχὰς – „zur Herrschaft“: Plural von ἀρχή, „Herrschaft“, „Macht“, „Anfang“. Bedeutungsverschiebung möglich:
• nicht nur „zum Regieren“, sondern auch „zur Ordnung der Zeit“ (zeitliche Struktur).
• τοὺς ἀστέρας – „die Sterne“: wieder in nachgeordneter Position, vermutlich sekundär.
Exegetische Bemerkungen
• Die LXX überträgt funktionale Theologie aus dem Hebräischen („Regieren“) auf Griechisch mit politischem Vokabular (ἀρχή).
• Apophatische Tendenz: Vermeidung von Namen/Symbolen, die mit heidnischer Götterwelt assoziiert sein könnten.

Vulgata: Sprachlich-exegetische Analyse

Fecitque Deus duo luminaria magna:
luminare maius ut praeesset diei,
et luminare minus ut praeesset nocti,
et stellas.
Wort-für-Wort & Syntax
• Fecitque Deus – „Und Gott machte“: typische parataktische Struktur wie im Hebräischen.
• luminaria magna – „große Leuchtkörper“: luminaria = Plural zu lumen / luminare, Lehnübersetzung von מְּאוֹרוֹת.
• praeesse + Dativ – „vorstehen, herrschen über“:
• praeesse diei / praeesse nocti: Funktional wie „לְמֶמְשֶׁלֶת הַיּוֹם“ – der Tag ist geordnet unter ein Licht.
• et stellas – schlichte, abschließende Ergänzung.
Exegetische Bemerkungen
• Die lateinische Übersetzung bleibt wörtlich, aber stilistisch eleganter.
• praeesse bringt eine quasi-liturgische Konnotation von „präsidieren“ hinein – stärker als „regieren“.
• Ordnungsidee im römischen Denken: Sonne und Mond als Verwalter des Kosmos, nicht Götter.
Zusammenfassung
• Hebräisch | מְּאוֹרוֹת | groß/klein | לְמֶמְשֶׁלֶת („zur Herrschaft“) | Anti-idolatrisch, Schöpfungstheologie
• Griechisch | φωστῆρες | μέγας/ἐλάσσων | εἰς ἀρχὰς („zur Herrschaft“) | Ordnung statt Personifikation
• Lateinisch | luminaria | maius/minus | praeesse („vorstehen“) | kosmische Verwaltung unter göttlicher Autorität

Theologische Deutung

a) Gottes Souveränität über kosmische Mächte
• Die Verse betonen, dass Sonne und Mond von Gott gemacht wurden. In der altorientalischen Umwelt wurden Sonne (Šamaš) und Mond (Sin) als Götter verehrt. Genesis 1,16 entgöttlicht sie und unterwirft sie dem Schöpfer.
• Das „große Licht“ und das „kleine Licht“ (ohne namentliche Nennung von Sonne und Mond) zeigt möglicherweise eine bewusste Polemik gegen Götzenverehrung.
b) Kosmische Ordnung
• Der Vers strukturiert die Zeit: Der Tag und die Nacht erhalten durch diese Lichter ihre Ordnung. Dies ist zentral für den Rhythmus des Lebens (besonders für Kalender, Feste und Rituale im jüdischen Glauben).
• Der Schöpfergott ist nicht Teil der Welt, sondern transzendent – er setzt Zeichen für Tag und Nacht, er regiert durch Ordnung, nicht durch Kampf (wie in babylonischen Mythen wie Enuma Elish).
c) „Herrschen“ (māšal)
• Das hebräische Wort מָשַׁל (māšal) für „herrschen“ bezieht sich hier auf funktionale Herrschaft, nicht auf personale Autonomie. Die Lichter sind Werkzeuge göttlicher Ordnung, keine autonomen Wesen.

Rezeptionsgeschichtliche Perspektiven

a) Judentum
• Midrasch und Talmud interpretieren die Lichter oft allegorisch: z.B. die Sonne als Symbol des gerechten Königs, der Mond als Zeichen des Volkes Israel – klein, aber treu im Dunkel der Exilgeschichte.
• Manche rabbinischen Texte behandeln die Mondverkleinerung als Mythos für Demut oder göttliche Erziehung (vgl. Genesis Rabbah 6:3).
b) Patristik
• Origenes interpretiert die Lichter als allegorisch: Die Sonne als Christus (das wahre Licht), der Mond als Kirche, die sein Licht reflektiert.
• Für Augustinus (z. B. in De Genesi ad litteram) verkörpern Sonne und Mond die zwei Arten von Erkenntnis: rationelle (Sonne) und fideistische (Mond).
c) Mittelalterliche Scholastik
• Thomas von Aquin (Summa Theologiae, I, q. 70) diskutiert die Ordnung der Schöpfung und sieht in den Lichtern Mittel der göttlichen Vorsehung, nicht nur physikalische Objekte.
• Im jüdischen Kontext gibt etwa Nachmanides (Ramban) eine mystische Lesart: Sonne und Mond verkörpern Kräfte im göttlichen Emanationssystem (Sefirot).
d) Neuzeit
• In der Aufklärung entstand ein Konflikt zwischen naturwissenschaftlicher Kosmologie und biblischer Kosmogonie – die Lichter wurden eher physikalisch als theologisch interpretiert.
• In der romantischen Bibelrezeption (z. B. Herder) wurde die poetische Kraft dieses Verses betont – als Ausdruck des tiefen Einklangs von Kosmos und Geist.

Systematisch-philosophische Deutung

a) Ontologie: Licht als Sein
• Die Lichter in Genesis 1,16 sind nicht nur physikalisch, sondern symbolisch für Ordnung, Transparenz und Erkenntnis. Licht gilt traditionell als metaphysisches Urbild des Seins (vgl. Platon, Johannesprolog).
• Das göttliche Setzen der Lichter wird als Stiftung von intelligibler Ordnung interpretiert – der Kosmos wird lesbar, strukturierbar.
b) Zeit-Philosophie
• Mit den Lichtern beginnt messbare Zeit: Tag und Nacht, Jahreszeiten. Zeit wird so nicht bloß erlebt, sondern geordnet – eine fundamentale Bedingung für Geschichte und Ethik.
• In Augustins Zeitbegriff (Conf. XI) erscheint dieser Moment als Voraussetzung für Bewusstsein und Erinnerung – ohne Zeit gibt es kein Denken über das Selbst.
c) Kosmologischer Symbolismus
• In der neuplatonischen Tradition (Plotin, Dionysius Areopagita) stehen Sonne und Mond für das Verhältnis von Ursprung und Abbild: Gott als „Sonne“ der Welt, die Welt als Widerschein seines Lichts.
• Das „Herrschen“ der Lichter verweist damit auf eine abgeleitete Hierarchie des Seins – sie stehen für vermittelte Autorität, nicht für letzte Instanz.
d) Anthropologische Deutung
• Der Mensch als Ebenbild Gottes lebt in einer geschaffenen Ordnung (Zeit, Tag, Nacht), nicht in einem chaotischen oder ewigen Kreislauf – dies betont die geschichtliche Struktur menschlicher Existenz.
• Licht wird damit auch zum ethischen Symbol: das Leben im Licht ist Leben in der Wahrheit (vgl. Joh 3,20f.).

Fazit

• Genesis 1,16 ist weit mehr als eine Beschreibung kosmischer Leuchtkörper. Es handelt sich um einen vielschichtigen Text, der:
• die theologische Entmythologisierung des Himmels vollzieht,
• die kosmische Ordnung und Zeitstruktur als göttlich gestiftet beschreibt,
• und in der rezeptionsgeschichtlichen Tiefe sowohl allegorisch-theologisch als auch naturphilosophisch fruchtbar gemacht wurde.

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