Luther 1545 VND Gott sprach / Es werden Liechter an der Feste des Himels / vnd scheiden tag vnd nacht / vnd geben / Zeichen / Zeiten / Tage vnd Jare /
Luther 1912 Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 1:14
1Mo 1:14 Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre
5Mo 4:19 daß du auch nicht deine Augen aufhebest gen Himmel und sehest die Sonne und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest ihnen, welche der HERR, dein Gott, verordnet hat allen Völkern unter dem ganzen Himmel.
Hiob 25:3 Wer will seine Kriegsscharen zählen? und über wen geht nicht auf sein Licht?
Hiob 25:5 Siehe, auch der Mond scheint nicht helle, und die Sterne sind nicht rein vor seinen Augen:
Hiob 38:12 Hast du bei deiner Zeit dem Morgen geboten und der Morgenröte ihren Ort gezeigt,
Ps 8:3 Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet um deiner Feinde willen, daß du vertilgest den Feind und den Rachgierigen.
Ps 8:4 Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast:
Ps 19:1 Ein Psalm Davids, vorzusingen.
Ps 74:16 Tag und Nacht ist dein; du machst, daß Sonne und Gestirn ihren gewissen Lauf haben.
Ps 74:17 Du setzest einem jeglichen Lande seine Grenze; Sommer und Winter machst du.
Ps 104:19 Du hast den Mond gemacht, das Jahr darnach zu teilen; die Sonne weiß ihren Niedergang.
Ps 104:20 Du machst Finsternis, daß es Nacht wird; da regen sich alle wilden Tiere,
Ps 119:91 Es bleibt täglich nach deinem Wort; denn es muß dir alles dienen.
Ps 136:7 der große Lichter gemacht hat, denn seine Güte währet ewiglich:
Ps 148:3 Lobet ihn, Sonne und Mond; lobet ihn, alle leuchtenden Sterne!
Ps 148:6 Er hält sie immer und ewiglich; er ordnet sie, daß sie nicht anders gehen dürfen.
Jes 40:26 Hebet eure Augen in die Höhe und sehet! Wer hat solche Dinge geschaffen und führt ihr Heer bei der Zahl heraus? Er ruft sie alle mit Namen; sein Vermögen und seine Kraft ist so groß, daß es nicht an einem fehlen kann.
Jer 31:35 So spricht der HERR, der die Sonne dem Tage zum Licht gibt und den Mond und die Sterne nach ihrem Lauf der Nacht zum Licht; der das Meer bewegt, daß seine Wellen brausen, HERR Zebaoth ist sein Name:
Jer 33:20 So spricht der HERR: Wenn mein Bund aufhören wird mit Tag und Nacht, daß nicht Tag und Nacht sei zu seiner Zeit,
Jer 33:25 So spricht der HERR: Halte ich meinen Bund nicht Tag und Nacht noch die Ordnungen des Himmels und der Erde,
Biblisches Hebräisch
וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים
יְהִי מְאֹרֹת בִּרְקִיעַ הַשָּׁמַיִם לְהַבְדִּיל בֵּין הַיּוֹם וּבֵין הַלָּיְלָה וְהָיוּ לְאֹתוֹת וּלְמוֹעֲדִים וּלְיָמִים וְשָׁנִים
Syntax & Stilistik:
• וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים (wajjómer ʾĕlōhīm): Klassische wayyiqtol-Struktur, typisch für erzählendes biblisches Hebräisch. Das Verb „er sprach“ (אמר) im Imperfekt mit waw consecutivum zeigt die fortlaufende Schöpfungsfolge.
• יְהִי מְאֹרֹת (jehî meʾōrōt): Imperfekt jussivisch („Es sollen Lichter sein“). Die Form erinnert an Gen 1,3 („יְהִי אוֹר“), jedoch nun pluralisch und mit konkreten Lichtkörpern.
• בִּרְקִיעַ הַשָּׁמַיִם: Lokalisierung – „in der Wölbung (des) Himmels“, wobei רָקִיעַ (raqîaʿ) ein fester, ausgedehnter Bereich ist, oft als „Firmament“ übersetzt.
• לְהַבְדִּיל (lehavdîl): Infinitiv mit Präposition לְ, Ziel oder Zweck: „um zu scheiden“ → stark theologisch geprägt: göttliche Trennung und Ordnung.
• וְהָיוּ לְאֹתוֹת וגו׳ (wehājû leʾōtōt …): weitere finale Bestimmung – „sie sollen sein zu Zeichen…“, mit aufsteigender Reihung:
Semantik:
• מְאוֹר (meʾōr, Pl. מְאֹרֹת): Lichtquelle, Leuchtkörper; konkretisiert das ursprüngliche „אוֹר“ (Licht) aus V. 3.
• אוֹת (ʾōt): Zeichen im kultischen, prophetischen oder kosmischen Sinn. Siehe auch Ex 12,13; Jes 7,14.
• מוֹעֵד (mōʿēd): Fester Zeitpunkt, religiös-liturgischer Termin (vgl. Lev 23,4 – „feste Zeiten des HERRN“).
• יוֹם/שָׁנָה: konkrete Zeitmaße (Tag/Jahr); zeigt den Beginn einer kosmologischen Chronometrie.
Theologisch:
Die Lichtkörper sind nicht an sich göttlich (wie in vielen altorientalischen Religionen), sondern Werkzeuge Gottes – geschaffen, funktional, nicht verehrt.
• Sie strukturieren das kosmische Zeitregiment, das später für Kult und Kalender Israels zentral wird (→ Sabbat, Feste, Jubeljahre etc.).
Biblisches Griechisch (Septuaginta, LXX)
Καὶ εἶπεν ὁ Θεός· Γενηθήτωσαν φωστῆρες ἐν τῷ στερεώματι τοῦ οὐρανοῦ εἰς φαῦσιν τῆς γῆς, τοῦ διαχωρίζειν ἀνὰ μέσον τῆς ἡμέρας καὶ ἀνὰ μέσον τῆς νυκτός· καὶ ἔστωσαν εἰς σημεῖα καὶ εἰς καιροὺς καὶ εἰς ἡμέρας καὶ εἰς ἐνιαυτούς.
Syntax:
• Γενηθήτωσαν φωστῆρες: Aorist-Passiv-Imperativ Plural von „γίγνομαι“ – „es sollen Leuchter werden“ – ein formaler Äquivalent zu יְהִי.
• τοῦ διαχωρίζειν: Genitivus finalis: „damit sie scheiden“, wörtlich: „des Scheidens“.
• εἰς φαῦσιν τῆς γῆς: „zur Erleuchtung der Erde“ – zeigt den konkreten funktionalen Bezug (vgl. V. 15).
Semantik:
• φωστήρ (phōstēr): Lichtträger, Leuchter – semantisch analog zu מְאוֹר, oft verwendet in neutestamentlichen Texten als metaphorischer Titel (vgl. Phil 2,15).
• σημεῖα (sēmeia): Zeichen, oft mit übernatürlicher Konnotation; NT: Wunderzeichen Christi.
• καιροί (kairoi): qualitative Zeiten, „angemessene Zeiten“, differenziert vom bloßen Chronos. Im NT stark theologisch aufgeladen (z. B. Mk 1,15).
• ἐνιαυτός: Jahr, insbesondere im religiösen, liturgischen oder politischen Sinn.
Theologisch:
Die LXX hebt stärker den funktionalen Aspekt hervor (φαῦσις), doch durch Begriffe wie καιρός und σημεῖον wird eine Verbindung zur eschatologischen Zeitordnung angedeutet.
• Das Sprachfeld „καιρός – σημεῖον“ evoziert bereits das theologische Vokabular des NT (z. B. Lk 21,25: σημεῖα ἐν ἡλίῳ …).
Biblisches Latein (Vulgata)
Dixit autem Deus: Fiant luminaria in firmamento cæli, et dividant diem ac noctem, et sint in signa, et tempora, et dies, et annos
Syntax:
• Fiant luminaria: Konjunktiv Präsens Passiv (jussiv) – „Es sollen Leuchter/Lichter gemacht werden“ → Analogon zu יְהִי מְאֹרֹת.
• et dividant…: koordinierter Finalsatz („und sie sollen scheiden“) – strukturell klar gegliedert.
• et sint in signa…: klassisch-finaler Gebrauch des Konjunktivs Präsens – „sie seien zu Zeichen…“.
Semantik:
• luminaria: wörtlich „Lichtträger“ – entspricht sowohl מְאֹרֹת als auch φωστῆρες.
• signa: „Zeichen“, sowohl im kosmologischen als auch prophetischen Sinne.
• tempora: Entspricht καιροί, bedeutet „Zeitpunkte“, „Jahreszeiten“ – kann kultisch gelesen werden.
• dies / annos: konkrete Zeiteinheiten.
Theologisch:
Die Vulgata bewahrt die stilistische und semantische Nähe zur LXX, betont jedoch das rechtlich-liturgische Ordnungssystem. „Tempora“ erinnert an die kirchliche Fasten- und Festordnung (Tempus quadragesimæ etc.).
Fazit: Vergleich & theologische Tiefe
• Hebräisch | מְאֹרֹת | אוֹתוֹת | מוֹעֲדִים | לְהַבְדִּיל | Trennung & kultischer Kalender (Festzeiten)
• Griechisch | φωστῆρες | σημεῖα | καιροί | διαχωρίζειν | Eschatologischer Zeitbegriff, Licht als Zeichen Christi
• Lateinisch | luminaria | signa | tempora | dividant | Zeitordnung im Dienst liturgischer Struktur
Theologische Deutung
a) Kosmische Ordnung durch Gottes Wort
Die Himmelslichter dienen nicht sich selbst, sondern sind Funktionen innerhalb einer von Gott geordneten Welt (teleologische Kosmologie). Sie sind nicht göttlich, sondern Geschöpfe, durch Gottes Wort ins Dasein gerufen („Und Gott sprach…“).
• Damit grenzt sich der Text deutlich von altorientalischen Mythen ab, in denen Sonne, Mond und Sterne oft als Gottheiten verehrt wurden (z. B. in Mesopotamien: Šamaš, Sîn, Ištar). Die „Lichter“ werden dem Willen JHWHs unterstellt und damit entmythologisiert.
b) Scheidekräfte
Die Funktion, „Tag und Nacht zu scheiden“, erinnert an Vers 4 (Trennung von Licht und Finsternis). Hier aber übernimmt nicht mehr das abstrakte Licht (hebräisch אוֹר ’ôr) diese Rolle, sondern konkrete Himmelskörper. Die kosmische Differenzierung schreitet voran – eine Theologie der Unterscheidung und Ordnung.
c) Zeichenfunktion
Die Himmelslichter „geben Zeichen“ (hebräisch אוֹתֹת ’otot). Dies verweist auf eine kultische und prophetische Dimension:
• Liturgisch-kultisch: Festkalender im Judentum (z. B. Passa, Laubhüttenfest) orientieren sich an lunisolaren Zyklen.
• Prophetisch-apokalyptisch: In späterer Tradition deuten sich am Himmel göttliche Zeichen des Gerichts oder der Erlösung an (vgl. Joel 3,3; Mt 24,29).
Rezeptionsgeschichtliche Perspektiven
a) Jüdische Auslegung
In der rabbinischen Literatur wird betont, dass Gott mit der Erschaffung der Lichter Ordnung und Zeitmessung ermöglicht habe. Der Sabbat kann dadurch regelmäßig eingehalten werden – ein Zeichen des Bundes.
• Im Sefer ha-Bahir (mystisch-kabbalistische Literatur) erhalten die Himmelslichter symbolische Bedeutungen im Gefüge göttlicher Emanationen (sefirot).
b) Christliche Rezeption
Kirchenväter wie Augustinus (De Genesi ad litteram) betonen, dass die Lichter nicht vor dem „Urlicht“ geschaffen wurden, sondern dieses „sichtbar“ machen. Die Lichter sind sekundäre Träger des ursprünglich geschaffenen Lichts.
• Im mittelalterlichen Denken (z. B. Thomas von Aquin, Summa Theologiae) werden die Himmelskörper mit aristotelischer Astronomie verbunden: Sie stehen im empyreischen Himmel, sind unveränderlich, dienen aber dennoch dem irdischen Leben.
• In der Reformation interpretiert Luther diesen Vers als Zeichen göttlicher Gnade und Fürsorge – durch die Sonne „ernährt“ Gott seine Schöpfung.
c) Moderne Rezeption
In der liberalen Theologie (z. B. Hermann Gunkel, Formgeschichte) wird der Text als Mythos mit kultischem Hintergrund verstanden, etwa als Schöpfungsliturgie des Tempels.
• Ökotheologische Deutungen betonen die Abhängigkeit des Menschen von der durch die Lichter geordneten Zeit: Der Mensch lebt in einer von Gott gegebenen rhythmischen Welt, die bewahrt werden soll.
Systematisch-philosophische Reflexion
a) Zeit und Ordnung
Der Vers setzt eine konstitutive Beziehung zwischen Lichtquellen und Zeitmessung. Damit wird Zeit als relationale Struktur verstanden – nicht als abstrakte Entität (wie bei Newton), sondern als durch Bewegung in der Schöpfung realisierte Ordnung (vgl. Aristoteles: Zeit ist Maß der Bewegung in Bezug auf das Vorher und Nachher).
• Dies eröffnet einen theologisch-philosophischen Zeitbegriff: Zeit entsteht aus der göttlichen Ordnung und ist nicht unabhängig von ihr.
b) Kosmische Teleologie
Der Text impliziert eine Zweckgerichtetheit der Natur – die Lichter „geben…“. Sie sind nicht zufällige Produkte kosmischer Prozesse, sondern dienende Wirkkräfte.
• Im thomistischen Denken: Geschöpfliches Sein ist durch Gott auf Zwecke hin orientiert (ordinatio divina).
c) Kritik am Szientismus
Im Kontext moderner Physik könnten Sonne und Mond als bloße Himmelskörper ohne innere Zweckstruktur gelten. Genesis 1,14 widerspricht dieser Perspektive: Die Himmelskörper sind in einem Bedeutungskontext verankert, der über ihre physikalische Beschaffenheit hinausgeht.
Fazit
Genesis 1,14 bringt eine kosmische Sakramentalität zum Ausdruck: Die Welt ist von Gott geschaffen, geordnet und durchdrungen von Zeichenhaftigkeit. Theologisch ist dieser Vers ein Schlüssel zum Verständnis von Zeit, Rhythmus und göttlicher Ordnung. Rezeptionsgeschichtlich wurde er als Widerstand gegen Mythologien, aber auch als Inspiration für liturgische und mystische Systeme genutzt. Philosophisch stellt er einen Gegenentwurf zu mechanistischen Weltbildern dar: Er deutet das Universum als bedeutungsvolles, auf Ordnung und Beziehung gegründetes Ganzes.