Luther 1545 VND Gott sprach / Es lasse die Erde auffgehen Gras vnd Kraut / das sich besame / vnd fruchtbare Bewme / da ein jglicher nach seiner art Frucht trage / vnd habe seinen eigen Samen bey jm selbs / auff Erden / Vnd es geschach also.
Luther 1912 Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage und habe seinen eigenen Samen bei sich selbst auf Erden. Und es geschah also.
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 1:11
1Mo 1:11 Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage und habe seinen eigenen Samen bei sich selbst auf Erden. Und es geschah also.
1Mo 1:29 Und Gott sprach: Seht da, ich habe euch gegeben allerlei Kraut, das sich besamt, auf der ganzen Erde und allerlei fruchtbare Bäume, die sich besamen, zu eurer Speise,
1Mo 2:9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, lustig anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.
1Mo 2:16 Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten;
Ps 1:3 Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht; und was er macht, das gerät wohl.
Jer 17:8 Der ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt und am Bach gewurzelt. Denn obgleich eine Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, sondern seine Blätter bleiben grün, und sorgt nicht, wenn ein dürres Jahr kommt sondern er bringt ohne Aufhören Früchte.
Matt 3:10 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum, welcher Baum nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Matt 7:16 An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln?
Mk 4:28 Denn die Erde bringt von selbst zum ersten das Gras, darnach die Ähren, darnach den vollen Weizen in den Ähren.
Lk 6:43 Denn es ist kein guter Baum, der faule Frucht trage, und kein fauler Baum, der gute Frucht trage.
Lk 6:44 Ein jeglicher Baum wird an seiner eigenen Frucht erkannt. Denn man liest nicht Feigen von den Dornen, auch liest man nicht Trauben von den Hecken.
Jak 3:12 Kann auch, liebe Brüder, ein Feigenbaum Ölbeeren oder ein Weinstock Feigen tragen? Also kann auch ein Brunnen nicht salziges und süßes Wasser geben.
1Mo 2:5 Und allerlei Bäume auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und allerlei Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und es war kein Mensch, der das Land baute.
Hiob 28:5 Man zerwühlt unten die Erde wie mit Feuer, darauf doch oben die Speise wächst.
Ps 104:14 du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, daß du Brot aus der Erde bringest,
Ps 147:8 der den Himmel mit Wolken verdeckt und gibt Regen auf Erden; der Gras auf Bergen wachsen läßt;
Matt 6:30 So denn Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr euch tun, o ihr Kleingläubigen?
Heb 6:7 Denn die Erde, die den Regen trinkt, der oft über sie kommt, und nützliches Kraut trägt denen, die sie bauen, empfängt Segen von Gott.
Hebräisch (Masoretischer Text)
וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים תַּדְשֵׁא הָאָרֶץ דֶּשֶׁא עֵשֶׂב מַזְרִיעַ זֶרַע עֵץ פְּרִי עֹשֶׂה פְּרִי לְמִינֵהוּ אֲשֶׁר זַרְעוֹ־בוֹ עַל־הָאָרֶץ וַיְהִי־כֵן׃
Sprachlich-exegetische Analyse
• וַיֹּאמֶר אֱלֹהִים | „Und Gott sprach“ – typische Eröffnungsformel, waj-omèr (Wayyiqtol, narrativer Imperfekt) zeigt fortlaufende Handlung.
• תַּדְשֵׁא הָאָרֶץ | Tadsche – Jussivform von √דשה („hervorsprießen lassen“) → „Die Erde lasse sprossen“; semitische Vorstellung, dass Erde als quasi-aktive Mitwirkende erscheint.
• דֶּשֶׁא | „Grünzeug“, frisches Gras oder Sprösslinge – kollektiver Singular für junges Pflanzengrün.
• עֵשֶׂב מַזְרִיעַ זֶרַע | „Kraut, das Samen sät“ – Partizip + Substantiv → vegetative Reproduktion betont.
• עֵץ פְּרִי עֹשֶׂה פְּרִי | „Fruchtbaum, der Frucht macht“ – Repetitive Parallelstruktur mit starkem Fokus auf generative Fruchtbarkeit.
• לְמִינֵהוּ | „nach seiner Art“ – erste Verwendung dieser Kategorieformel für biologische Ordnung, Reproduktion innerhalb von „Gattungen“.
• אֲשֶׁר זַרְעוֹ־בוֹ | „dessen Same in ihm ist“ – intrafruchtliche Weitergabe des Lebens wird betont.
• וַיְהִי־כֵן | „und es geschah so“ – göttliche Sprechhandlung erfüllt sich direkt → performativer Charakter des Wortes Gottes.
• Theologisch: Gott ist Schöpfer durch sein Wort (Dabar), der Ordnung und Reproduzierbarkeit einführt. Die Selbstreproduktion ist Teil des göttlichen Lebensprinzips. Die Natur wird hier als segensreiches, fruchtbares System dargestellt – mit innerer Ordnung.
Griechisch (Septuaginta)
καὶ εἶπεν ὁ Θεός· Βλαστησάτω ἡ γῆ βλάστην χόρτου σπειροῦν σπέρμα κατὰ γένος καὶ καθ’ ὁμοιότητα, καὶ ξύλον κάρπιμον ποιοῦν καρπὸν, οὗ τὸ σπέρμα αὐτοῦ ἐν αὐτῷ καθὰ γένος ἐπὶ τῆς γῆς· καὶ ἐγένετο οὕτως.
Sprachlich-exegetische Analyse
• Βλαστησάτω ἡ γῆ | Aorist Imperativ Passiv → „Die Erde lasse hervorsprießen“ – wörtlich: „es möge hervorsprießen“. Personifizierung der Erde im Passivum divinum.
• βλάστην χόρτου | „Keim von Gras“ – betont den Keimvorgang mehr als das Ergebnis.
• σπειροῦν σπέρμα | Partizip Präsens → „der Samen sät“ – lebendiger Prozess des Wachstums.
• κατὰ γένος καὶ καθ’ ὁμοιότητα | „nach Gattung und Ähnlichkeit“ – klassische griechische Kategorien; „γένος“ betont die Ordnung, „ὁμοιότης“ die Ähnlichkeit innerhalb dieser.
• ξύλον κάρπιμον ποιοῦν καρπὸν | „Fruchtbaum, der Frucht bringt“ – epizeuxisartige Wortverbindung; betont Produktivität.
• οὗ τὸ σπέρμα αὐτοῦ ἐν αὐτῷ | „dessen Same in ihm ist“ – Betonung auf immanenter Reproduktionskraft.
• ἐγένετο οὕτως | „Und es geschah so“ – narrativer Abschluss, Parallele zu hebr. wajehî ken.
• Theologisch: Die Septuaginta betont stärker κατὰ γένος, das mit platonisch-aristotelischer Typologie anklingt. Ordnung und Unveränderlichkeit der Schöpfung wird metaphysisch gefasst. Die Schöpfung ist nicht chaotisch, sondern geordnet und dem Logos gemäß.
Lateinisch (Vulgata, Hieronymus)
Dixit autem Deus: Germinet terra herbam virentem, et facientem semen, et lignum pomiferum faciens fructum iuxta genus suum, cuius semen in semetipso sit super terram. Et factum est ita.
Sprachlich-exegetische Analyse
• Germinet terra | Konjunktiv Präsens → „Die Erde lasse sprießen“ – wörtlich „möge keimen“; entspricht dem hebräischen Jussiv.
• herbam virentem | „grünendes Kraut“ – poetisch erweiterte Beschreibung, nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch.
• facientem semen | „das Samen macht“ – funktionale Beschreibung der vegetativen Reproduktion.
• lignum pomiferum | „Fruchtbaum“ – pomum als spezifische Fruchtvariante, evtl. Apfelbaum konnotiert.
• faciens fructum iuxta genus suum | „Frucht bringend nach seiner Art“ – entspricht „lǝmînēhû“/„κατὰ γένος“ → Gattungsordnung bleibt auch hier zentral.
• cuius semen in semetipso sit | „dessen Same in sich selbst sei“ – betont Autonomie der Reproduktion (Samen im eigenen Wesen).
• Et factum est ita | „Und es wurde so“ – entspricht wajehî ken / ἐγένετο οὕτως, göttliche Performativität.
• Theologisch: Hieronymus bleibt eng am Hebräischen, nimmt aber stilistische Freiheiten. Die lateinische Eleganz bringt Schönheit der Schöpfung zusätzlich hervor. Die Begriffswahl („sementem“, „pomiferum“) vermittelt Ordnung und Zweckhaftigkeit.
Vergleichende Beobachtungen
• Schöpfungswort | wajomer Elohim | eipen ho Theos | Dixit Deus
• Erde als Subjekt | Aktiv: tadsche ha-arets | Passiv: blastasátō hē gē | Konjunktiv: germinet terra
• Gattungsidee | lǝmînēhû – konkret biologisch | kata genos – philosophisch-strukturell | iuxta genus suum – zwischen beidem
• Samenidee | Same in ihm – immanent | Same in ihm – Logosstruktur | in semetipso – lateinische Selbstbezüglichkeit
• Wirkung | wajehî ken – schlicht, kraftvoll | egeneto houtōs – episch, göttlich | factum est ita – feierlich-final
Theologische Deutung
Die Stelle Genesis 1,11 (Lutherübersetzung) beschreibt den dritten Schöpfungstag, an dem die vegetative Welt – Gras, Kraut und Bäume – aus der Erde hervorgeht. Dabei geht es nicht nur um biologische Vielfalt, sondern um ein tiefes Zusammenspiel von göttlicher Ordnung, immanenter Fruchtbarkeit und teleologischer Struktur.
A. Schöpfung durch das Wort
Die Schöpfung erfolgt durch das performative göttliche Wort („Und Gott sprach...“). Dies verweist auf die Logos-Theologie, insbesondere in johanneischer Perspektive (Joh 1,1ff): Gottes Wort ist nicht nur Ausdruck, sondern Macht – es bringt das Seiende ins Sein.
• Theologisch betont dies die Transzendenz und Souveränität Gottes, der ohne physische Vermittlung schafft.
Selbstreproduzierende Ordnung
Das wiederholte Motiv des „Samen\[s] bei sich selbst“ (zera‘ bo, זֶרַע־בּוֹ) zeigt, dass die Schöpfung auf Reproduktion und innerer Ordnung basiert. Die Pflanzenwelt ist so geschaffen, dass sie sich selbst erhält.
• Dies verweist auf eine immanente Teleologie in der Schöpfung: Alles trägt seinen Sinn und seine Zukunft in sich selbst (vgl. Thomas von Aquin, Summa contra Gentiles, II, c. 15).
C. Gattungsordnung – „nach seiner Art“
Die Betonung, dass jedes Lebewesen „nach seiner Art“ Frucht trägt (lemînāhû, לְמִינֵ֑הוּ), zeigt eine göttlich gesetzte Grenze und Struktur.
• Dies wird theologisch oft als Hinweis auf die Unverwechselbarkeit und Beständigkeit der Schöpfungsordnungen gelesen. Sie stehen gegen Chaos, Willkür und Vermischung – mit ethischen und kosmologischen Implikationen.
Systematisch-Philosophische Deutung
A. Metaphysik der Fruchtbarkeit
Die Erde wird nicht nur als passives Substrat dargestellt, sondern als mitwirkendes Prinzip („es lasse die Erde aufgehen...“). Die Erde ist potentia activa, eine Form von sekundärer Kausalität (vgl. Aristoteles, Physik II,3).
• Diese „fruchtbare Erde“ erinnert an den platonischen Chôra-Begriff (Timaios), als empfangender Ort alles Werdens.
B. Form und Wesen – „nach seiner Art“
Der Begriff „Art“ (min) weist auf eine aristotelische Substanztheorie hin: Jedes Ding hat eine Form (eidos) und aktualisiert diese in der Reproduktion.
• Die Reproduktion „nach seiner Art“ verweist auf eine ontologische Stabilität – das Seiende bleibt in seinem Wesen konstant. Die Welt ist nicht zufällig, sondern strukturiert nach intelligiblen Prinzipien.
C. Samenprinzip als Potenzialität
Der Same ist philosophisch die Form des möglichen Werdens, das bereits die zukünftige Gestalt enthält. Dies erinnert an die aristotelische Entelechie – das Ziel ist im Anfang angelegt.
• In metaphysischer Hinsicht verweist dies auf ein teleologisches Weltbild: Alles trägt seine Bestimmung in sich.
3. Anthropologische und ethische Implikationen
Obwohl der Mensch noch nicht geschaffen ist, legt dieser Vers bereits den Grund für Verantwortung und Pflege der Schöpfung: Die Ordnung, Vielfalt und Selbstfruchtbarkeit der Welt ruft zur Achtung vor dem, was gegeben ist.
• Die Erde ist nicht Eigentum, sondern Partnerin im göttlichen Plan – was spätere jüdische und christliche Umweltethiken beeinflusst.
Zusammenfassung
• Schöpfung durch das Wort | Gottes schöpferisches Wort als wirksame Kraft, nicht nur als Mitteilung
• Samen und Fruchtbarkeit | Schöpfung trägt Zukunft in sich; Teleologie und innere Ordnung
• Gattungsgrenzen | Ordnung und Struktur des Kosmos, keine Willkür oder Chaos
• Ontologie und Teleologie | Wesen, Zielgerichtetheit, metaphysische Struktur der Welt
• Partizipation der Erde | Mitwirken der Schöpfung an Gottes Plan – keine bloße Passivität
• Ethische Implikationen | Achtung vor der Natur, da sie Trägerin göttlicher Ordnung ist