Genesis 01:08

Luther 1545 Vnd Gott nennet die Festen / Himel. Da ward aus abend vnd morgen der ander Tag.

Luther 1912 Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der andere Tag.

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Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 1:8

1Mo 1:8 Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der andere Tag.
1Mo 1:5 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
1Mo 1:13 Da ward aus Abend und Morgen der dritte Tag.
1Mo 1:19 Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.
1Mo 1:23 Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.
1Mo 1:31 Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.
1Mo 1:5 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
1Mo 1:10 Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, daß es gut war.
1Mo 5:2 und schuf sie einen Mann und ein Weib und segnete sie und hieß ihren Namen Mensch zur Zeit, da sie geschaffen wurden.

Biblisches Hebräisch

וַיִּקְרָא אֱלֹהִים לָרָקִיעַ שָׁמָיִם; וַיְהִי-עֶרֶב וַיְהִי-בֹקֶר, יוֹם שֵׁנִי׃
Wörtliche Übersetzung
„Und Gott nannte die Ausdehnung ‚Himmel‘; und es wurde Abend, und es wurde Morgen: (der) zweite Tag.“
Sprachlich-exegetisch
וַיִּקְרָא (vajjiqra')
→ Qal, Imperfekt mit Waw-consecutivum = "und er nannte"
→ Der Akt des Benennens als göttlicher Schöpfungsakt (vgl. auch Gen 2,19–20).
אֱלֹהִים ('elohim)
→ Pluralform, aber mit Singular-Verb, zeigt Majestät/Pluralis excellentiae.
→ Bezeichnet den Schöpfergott.
לָרָקִיעַ (la-rāqīa‘)
→ Präposition לְ + definite Form רָקִיעַ = „der Ausdehnung/Feste“
→ רָקִיעַ von רָקַע = „ausbreiten, ausklopfen“; metallurgisches Bild (wie eine Platte ausgetrieben)
→ In altorientalischer Kosmologie: die Feste als Trennfläche zwischen Wasser über und unterhalb (Gen 1,6–7).
שָׁמָיִם (shāmayim)
→ Pluralform von „Himmel“ (Dualform unklar)
→ Hier benennend: „Himmel“ = Feste, nicht das metaphysische „Himmelreich“.
וַיְהִי-עֶרֶב וַיְהִי-בֹקֶר (vajehî-‘érev vajehî-vóqer)
→ Strukturformel des ersten Schöpfungsliedes: „Es wurde Abend, und es wurde Morgen“
→ Wechsel von Licht/Dunkel symbolisiert Tagesrhythmus
יוֹם שֵׁנִי (jôm shēnî)
→ „zweiter Tag“ – mit Ordinalzahl שֵׁנִי
Theologisch
Der Name „Himmel“ für die „Feste“ betont Gottes Definitionsmacht – Sprache schafft Wirklichkeit. Die Betonung liegt auf Struktur, Trennung und Ordnung – in einem zuvor chaotischen Zustand („Tohuwabohu“, Gen 1,2).

Biblisches Griechisch (Septuaginta)

Καὶ ἐκάλεσεν ὁ Θεὸς τὸ στερέωμα Οὐρανόν· καὶ ἐγένετο ἑσπέρα, καὶ ἐγένετο πρωΐ, ἡμέρα δευτέρα.
Wörtliche Übersetzung
„Und Gott nannte das Firmament Himmel. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: zweiter Tag.“
Sprachlich-exegetisch
ἐκάλεσεν (ekalesen)
→ Aorist von καλέω = „rufen, nennen“
→ Entspricht hebr. וַיִּקְרָא
ὁ Θεός (ho Theos)
→ Nominativ Singular, „der Gott“ – oft Artikel zur Differenzierung vom polytheistischen Gebrauch
τὸ στερέωμα (to stereōma)
→ Übersetzung von רָקִיעַ
→ „Festigkeit“, „feste Struktur“ (von στερεόω = fest machen, stützen)
→ Beinhaltet die Vorstellung einer starren, tragenden Himmelskuppel
Οὐρανόν (ouranon)
→ Akkusativ zu Οὐρανός = „Himmel“
→ Bedeutungsfeld reicht von physischem Firmament bis metaphysischem Aufenthaltsort der Götter
ἐγένετο ἑσπέρα / πρωΐ (egeneto hespera / prōi)
→ „Es geschah/wurde Abend / Morgen“
→ ἐγένετο: Aorist-Medium von γίγνομαι – beschreibt göttliche Schöpfungsakte als abgeschlossene Prozesse
ἡμέρα δευτέρα (hēmera deuterā)
→ „zweiter Tag“ – deiktische Zeitangabe
Theologisch
Der Begriff στερέωμα betont das physische Element stärker als das Hebräische. In der griechischen Kosmologie war der Himmel als „Sphäre“ gedacht – diese Vorstellung beeinflusst die spätere Naturphilosophie bis zu Aristoteles und Ptolemäus.

Biblisches Latein (Vulgata)

Vocavit Deus firmamentum caelum. Et factum est vespere et mane, dies secundus.
Wörtliche Übersetzung
„Gott nannte das Firmament Himmel. Und es wurde Abend und Morgen: der zweite Tag.“
Sprachlich-exegetisch
Vocavit (vocāvit)
→ Perfekt von „vocare“ = „rufen, benennen“
→ Analogie zu hebr. וַיִּקְרָא und griech. ἐκάλεσεν
firmamentum
→ Wörtlich „das Befestigte“, „das Festgemachte“
→ Wurde von Hieronymus bewusst als Lehnübersetzung von gr. στερέωμα gewählt
→ Hat das lateinisch-mittelalterliche Weltbild tief geprägt (z.B. durch Augustinus, Isidor von Sevilla)
caelum
→ Himmel, nicht nur meteorologisch, sondern auch theologisch aufgeladen
→ Ambivalenz zwischen physischem Firmament und übernatürlichem Himmel
factum est vespere et mane
→ „es geschah“ – tempus perfectum, beschreibt abgeschlossene Schöpfungsakte
→ „vespere“ und „mane“: stilisierte Formulierung für Tagesrhythmus
dies secundus
→ „der zweite Tag“
→ „secundus“ als klassische Ordinalzahl
Theologisch
Die lateinische Version beeinflusste die gesamte westliche Theologie und Kosmologie. Das „firmamentum“ als „tragende Himmelskuppel“ prägte das mittelalterliche Weltbild nachhaltig (z. B. im Cosmos der Scholastik und bei Dante).

Zusammenfassung

• Hebräisch | רָקִיעַ (raqīa‘) | שָׁמַיִם (shamayim) | Benennungsakt mit Qal + Waw-consec. | Ordnung durch Trennung und Benennung
• Griechisch | στερέωμα (stereōma) | Οὐρανός (ouranos) | Aoristformen für göttliche Schöpfungsschritte | Betonung der festen Struktur des Kosmos
• Latein | firmamentum | caelum | Perfektform zur Darstellung abgeschlossener Akte | Vermittlung zwischen Physik und Metaphysik

Theologische Deutung

Namensgebung als Akt göttlicher Souveränität
„Und Gott nannte die Feste Himmel“
Theologische Bedeutung der Namensgebung: Im Alten Testament bedeutet nennen (hebr. qārā’) nicht bloß Bezeichnung, sondern ein Herrschaftsakt. Gott setzt der Schöpfung eine Ordnung, indem er den Dingen Namen gibt. Dies ist ein Ausdruck seiner absoluten Autorität und seiner intellektuellen Schöpfermacht.
• Die Feste (raqia‘) wird „Himmel“ genannt (šāmajim), obwohl dieser Begriff später auch für andere Bedeutungen von „Himmel“ steht (z. B. Wohnort Gottes). Hier ist jedoch der Himmel als Raum gemeint, der die Wasser über und unter der Feste trennt (vgl. Gen 1,6–7).
Kosmologische Differenzierung
Der zweite Schöpfungstag bringt Trennung und Ordnung: Wasser oben (Wolken, Atmosphäre) – Wasser unten (Meere, Urflut).
• Theologisch steht dies für Gottes Macht über das chaotische Wasser (Symbol des Ungeordneten, des Nicht-Seienden), das in vielen altorientalischen Mythen (z. B. im babylonischen Enuma Elish) ein feindlicher Urzustand ist. In Genesis jedoch kämpft Gott nicht, sondern ordnet durch Wort – was auf eine radikal monotheistische Kosmologie verweist.
Kein "und siehe, es war gut"
Auffällig ist, dass der zweite Tag als einziger Schöpfungstag nicht mit der Formel „und siehe, es war gut“ abgeschlossen wird.
Deutungsansätze:
Jüdisch-rabbinisch: Weil die Trennung noch nicht vollständig abgeschlossen war – das Wasser wird erst am dritten Tag gesammelt.
• Christlich-theologisch: Vielleicht, weil die Trennung des Wassers auf eine noch unerlöste Welt verweist – oder weil die Luftsphäre (Ort möglicher Verderbnis, „Luftgewaltigen“, vgl. Eph 2,2) ambivalente Bedeutung trägt.

Systematisch-Philosophische Deutung

1. Gottes Schöpfung als intelligible Ordnung
Aus systematischer Sicht kann der Akt der Unterscheidung und Benennung als Prozess der Logos-Durchdringung gedeutet werden. Die Welt wird nicht bloß „gemacht“, sondern durchdrungen vom Logos-Prinzip (vgl. Johannes 1,1), das die Vielfalt in eine strukturierte Totalität bringt.
2. Zeitstruktur: „Abend und Morgen“
„Da ward aus Abend und Morgen der andere Tag.“
Diese Formel ist philosophisch sehr bemerkenswert:
• Nicht „Morgen und Abend“, sondern „Abend und Morgen“ – was den jüdischen Tagesbeginn mit Sonnenuntergang widerspiegelt (anders als im griechischen Denken, das den Tag mit Sonnenaufgang beginnen lässt).
• Es verweist auf eine zyklische Zeitstruktur, nicht auf linear-kosmologische Endzeitlichkeit. Jeder Schöpfungstag ist ein sich schließender Kreis – das eröffnet eine Perspektive der Wiederkehr und Erfüllung, nicht bloß des Fortschritts.
Philosophisch-metaphysisch:
• Die Wiederholung von „Abend und Morgen“ gibt der Zeit eine rhythmische, fast liturgische Qualität. In der Tradition etwa bei Augustinus (Confessiones XI) wird die Zeit nicht als objektive Realität verstanden, sondern als Modus der Seele – als Dehnung zwischen Erinnerung (Vergangenheit) und Erwartung (Zukunft), vermittelt durch Gegenwart.
• Der Rhythmus des Schöpfungsberichtes lässt sich als Theologie der Zeitstruktur deuten: Gott schafft in Tagen, aber er selbst ist außerhalb der Zeit.
3. Ontologische Ordnung durch Trennung
Philosophisch betrachtet ist die „Trennung“ (zwischen Wasser, Licht und Finsternis, Erde und Himmel usw.) nicht destruktiv, sondern konstitutiv für das Sein.
• Vgl. Platonische Ideenordnung: Nur durch Differenz entsteht Erkenntnis.
• In einem heideggerianischen Licht ließe sich sagen: Erst durch das „Heraustreten“ (ἀλήθεια = Unverborgenheit) kann Welt sich zeigen – die Scheidung ist Bedingung der Offenbarung.

Fazit

Genesis 1,8 zeigt in konzentrierter Form:
• Theologisch: Gott als ordnender und benennender Schöpfer, der durch sein Wort Chaos in Kosmos verwandelt.
• Philosophisch: Die Welt als geordnete Ganzheit, erschlossen durch Differenzierung, Benennung und rhythmische Zeitstruktur – eine Ontologie der Ordnung.

Genesis 1:7 | Genesis 1:9

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