Luther 1545 Da machet Gott die Feste / vnd scheidet das wasser vnter der Festen / von dem wasser vber der Festen / Vnd es geschach also.
Luther 1912 Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah also.
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 1:7
1Mo 1:7 Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah also.
Hiob 26:8 Er faßt das Wasser zusammen in seine Wolken, und die Wolken zerreißen darunter nicht.
Ps 104:10 Du läßt Brunnen quellen in den Gründen, daß die Wasser zwischen den Bergen hinfließen,
Ps 148:4 Lobet ihn, ihr Himmel allenthalben und die Wasser, die oben am Himmel sind!
Pred 11:3 Wenn die Wolken voll sind, so geben sie Regen auf die Erde; und wenn der Baum fällt, er falle gegen Mittag oder Mitternacht, auf welchen Ort er fällt, da wird er liegen.
1Mo 1:9 Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Örter, daß man das Trockene sehe. Und es geschah also.
1Mo 1:11 Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage und habe seinen eigenen Samen bei sich selbst auf Erden. Und es geschah also.
1Mo 1:15 und seien Lichter an der Feste des Himmels, daß sie scheinen auf Erden. Und es geschah also.
1Mo 1:24 Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendige Tiere, ein jegliches nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art. Und es geschah also.
Matt 8:27 Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was ist das für ein Mann, daß ihm Wind und Meer gehorsam ist?
Spr 8:28 Da er die Wolken droben festete, da er festigte die Brunnen der Tiefe,
Spr 8:29 da er dem Meer das Ziel setzte und den Wassern, daß sie nicht überschreiten seinen Befehl, da er den Grund der Erde legte:
Ps 19:2 Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk.
Biblisches Hebräisch: Sprachlich-exegetische Analyse
וַיַּ֣עַשׂ אֱלֹהִ֗ים אֶת־הָרָקִ֔יעַ וַיַּבְדֵּ֗ל בֵּ֤ין הַמַּ֙יִם֙ אֲשֶׁ֣ר מִתַּ֣חַת לָֽרָקִ֔יעַ וּבֵ֕ין הַמַּ֖יִם אֲשֶׁ֥ר מֵעַ֖ל לָרָקִ֑יעַ וַיְהִי־כֵֽן׃
Strukturelle Gliederung:
1. וַיַּ֣עַשׂ אֱלֹהִ֗ים אֶת־הָרָקִ֔יעַ
„Und Gott machte die Feste“
– וַיַּעַשׂ (wayyaʿaś): Qal, Imperfekt mit Waw-Conversivum → narrative Form „da machte“
– אֱלֹהִים (ʾĕlōhîm): Pluralform mit singularischer Bedeutung, hier Subjekt
– אֶת־הָרָקִ֔יעַ (ʾet-hārāqîaʿ): Akkusativobjekt mit definite article: die Feste
2. וַיַּבְדֵּ֗ל בֵּ֤ין הַמַּ֙יִם֙ ...
„und (er) schied zwischen den Wassern“
– וַיַּבְדֵּל (wayyavdēl): Piʿel, Imperfekt, „trennte“ / „schied“
– בֵּין ... „zwischen“: klassischer Ausdruck der Unterscheidung
3. הַמַּ֙יִם֙ אֲשֶׁ֣ר מִתַּ֣חַת לָֽרָקִ֔יעַ
„die Wasser, die unterhalb der Feste sind“
– Relativsatz: אֲשֶׁ֣ר (ʾăšer) = „die“
– מִתַּ֣חַת = „unterhalb von“ (mit Präposition „min“)
– לָרָקִ֔יעַ = „der Feste“ mit Artikel (lamed als Präfix)
4. וּבֵ֕ין הַמַּ֖יִם אֲשֶׁ֥ר מֵעַ֖ל לָרָקִ֑יעַ
„und zwischen den Wassern, die oberhalb der Feste sind“
– מֵעַ֖ל = „oberhalb von“ mit der Präposition „min“
– gleiche Struktur wie oben: ein Parallelismus
5. וַיְהִי־כֵֽן
„Und es geschah so.“
– Formelhafter Abschluss vieler Schöpfungshandlungen
Besonderheiten / Theologische Notizen:
רָקִ֔יעַ (rāqîaʿ) – wörtlich „Ausdehnung“, von רָקַע (rāqaʿ) = „ausbreiten, hämmern“; semitisch oft verwendet für metallische Fläche. Der Begriff impliziert keine moderne Vorstellung von „Luft“ oder „Himmel“, sondern eine massive Trennungsschicht.
• Das Verb בָּדַל (trennen, scheiden) ist zentral in der priesterschriftlichen Theologie – typisch für göttliche Ordnung und Differenzierung (vgl. auch Lev 10,10; Ex 26,33).
• Der Vers bringt die Vorstellung einer kosmologischen Struktur mit Wassern oberhalb der Feste (Regenquellen des Himmels?) und unterhalb (Meere, Ozeane) ins Spiel.
Biblisches Griechisch (Septuaginta, LXX): Sprachlich-exegetische Analyse
καὶ ἐποίησεν ὁ Θεὸς τὸ στερέωμα, καὶ διεχώρισεν ὁ Θεὸς ἀνὰ μέσον τοῦ ὕδατος τοῦ ὑποκάτω τοῦ στερεώματος καὶ ἀνὰ μέσον τοῦ ὕδατος τοῦ ἐπάνω τοῦ στερεώματος· καὶ ἐγένετο οὕτως.
Sprachliche Analyse:
• ἐποίησεν: Aorist von ποιέω – „er machte“
• τὸ στερέωμα: „die Feste“ – griech. stereōma = „Festigkeit, feste Struktur“, konkretisiert die räumliche und materielle Vorstellung
• διεχώρισεν: Aorist von διαχωρίζω = „trennen, scheiden“, entspricht hebräischem בָּדַל
• ἀνὰ μέσον: „zwischen“ – idiomatische Wendung für Trennung
• τοῦ ὕδατος τοῦ ὑποκάτω / ἐπάνω τοῦ στερεώματος: klare Lokalisierung durch Präpositionen „unterhalb“ / „oberhalb“ der Feste
• ἐγένετο οὕτως: „es geschah so“ – Entsprechung zu וַיְהִי־כֵֽן
Besonderheiten / Theologische Notizen:
Das griechische στερέωμα (von στηρίζω, „stützen“) betont die Idee einer tragenden, festen Struktur – möglicherweise als Kuppel oder Trennfläche verstanden.
• Die Wiederholung von ἀνὰ μέσον schafft eine symmetrische, parallele Struktur, typisch für semitisches Denken, aber hier hellenistisch nachgebildet.
• Die Septuaginta-Übersetzung reflektiert eine hellenistische Kosmologie, die materialer gedacht ist als die spätere platonische Vorstellung eines immateriellen Himmels.
Biblisches Lateinisch (Vulgata): Sprachlich-exegetische Analyse
Et fecit Deus firmamentum, et divisit aquas quae erant sub firmamento ab his quae erant super firmamentum. Et factum est ita.
Sprachliche Analyse:
• Et fecit: Perfekt von facere – „und (er) machte“
• firmamentum: wörtl. „das Befestigte“; Lehnübersetzung von griech. στερέωμα – im Mittelalter häufig als „Himmelsgewölbe“ verstanden
• divisit: Perfekt von dividere – „trennte, unterschied“
• aquas quae erant sub... / super firmamentum: Relativsätze, die genau wie im Hebräischen und Griechischen lokalisieren
• Et factum est ita: „Und es wurde so“ – liturgische, rituelle Schlussformel, theologisch betont: Gottes Wort bewirkt Realität
Besonderheiten / Theologische Notizen:
• Der Begriff firmamentum prägt die westliche Kosmologie über Jahrhunderte. Augustinus, Hieronymus und mittelalterliche Autoren interpretierten es teils physikalisch, teils mystisch (z. B. als „Himmelszone der Engel“).
• Die Trennung der Wasser wurde im Mittelalter häufig auf die Scheidung zwischen dem Himmlischen (Gnade, Geist) und Irdischen (Materie) übertragen.
• Die lateinische Struktur ist klar, logisch und formalisiert – typisch für die Vulgata.
Zusammenfassung der Unterschiede:
• Hebräisch | רָקִיעַ (rāqîaʿ) | בָּדַל | poetisch-parallelisch, kontextuell | göttliche Ordnung und Differenzierung
• Griechisch | στερέωμα | διαχωρίζω | hellenistisch-logisch, symmetrisch | materielle Kosmologie, betont klare Trennung
• Lateinisch | firmamentum | dividere | formal, liturgisch klar | Schöpfungsordnung, oft spirituell ausgelegt
Kosmologische Vorstellung im antiken Weltbild
Im altorientalischen Kontext beschreibt dieser Vers eine kosmische Architektur:
• Die „Feste“ (hebräisch: raqiaʿ) bezeichnet eine Art Himmelsgewölbe, das die Wasser über dem Himmel (z. B. Regenquellen) von den Wasser unter dem Himmel (z. B. Meere) trennt.
• Diese Vorstellung geht von einem zweigeteilten Wassersystem aus: oben der Speicher für Regen, unten das chaotische Wasser des Urmeers (tehom), das bereits in Vers 2 erwähnt wurde.
• Die Scheidung der Wasser dient also der Ordnung des Chaos: Gott schafft Raum, Differenz und Struktur – ein zentraler Gedanke in der Schöpfungstheologie.
Theologische Deutung: Gott als Schöpfer durch Unterscheidung
Die wiederholte Strukturformel „Und Gott schied …“ betont die Ordnung stiftende Kraft Gottes. Er wirkt nicht durch Gewalt, sondern durch Trennung und Strukturierung – ein Akt der kosmischen Vernunft.
Theologische Implikation:
Gott ist nicht Teil der Schöpfung, sondern transzendent und souverän.
• Die Schöpfung ist kein Kampf gegen andere Götter oder Chaosmächte (wie in den babylonischen Mythen), sondern ein geordneter Akt eines einzigen Gottes.
• Die Trennung von Oben und Unten legt die Basis für das Denken in Hierarchien und Ordnungen, das später auch in der moralischen und sozialen Ordnung des Bundesdenkens aufgegriffen wird.
Systematisch-philosophische Perspektive: Differenz und Raum
In der systematisch-theologischen und philosophischen Reflexion lässt sich Genesis 1,7 als Urbild für den Schöpfungsakt durch Differenzsetzung deuten:
a) Ontologische Differenz
Gott schafft durch Differenzierung: Er trennt Himmel und Erde, Licht und Finsternis, Wasser oben und unten – das Sein entsteht durch Abgrenzung.
→ Diese Idee ist ontologisch grundlegend: Existenz ist geordnete Differenz.
Dies erinnert an Grundprinzipien in der Philosophie:
• z. B. Platonische Ordnungsideen: das „Getrennte“ ist Abbild des Einen.
• Hegels Dialektik: Aus der Trennung entsteht Bewegung und Entwicklung.
• Heidegger (später): Sein wird sichtbar durch Lichtung – ein Raum, in dem Dinge sich zeigen können.
b) Raum als theologische Kategorie
Durch die Feste entsteht kosmischer Raum, in dem Leben möglich ist.
→ Raum ist keine bloße Leere, sondern ein geschaffener, strukturierter Ort der Begegnung mit Gott.
→ Dieser Raumbegriff hat Auswirkungen auf Kult, Theologie des Tempels und die christliche Inkarnationslehre (der Raum, in dem Gott Mensch wird).
Mystisch-symbolische Lesart
In der jüdischen Mystik (z. B. Kabbala) und christlichen Symbolik wurde die Trennung von oberen und unteren Wassern oft allegorisch gelesen:
• Wasser oben = das Göttliche, das Geistige, die Quelle der Offenbarung.
• Wasser unten = das Irdische, Emotionale, Chaotische.
• Die Feste ist das Symbol des Herzens oder Bewusstseins, das beides trennt und verbindet – der Ort der Entscheidung, der Offenbarung und des Glaubens.
Typologisch-christologische Deutung (frühkirchlich)
Kirchenväter wie Origenes oder Augustinus deuteten diesen Vers typologisch:
• Die Feste wird zur Trennwand zwischen Gott und Welt, die durch Christus durchbrochen wird.
• Das „Wasser über der Feste“ symbolisiert das himmlische Wort Gottes, das durch die Inkarnation zur Erde „herabregnet“.
Fazit (systematische Thesenform):
• Kosmologisch | Gott schafft Ordnung durch Trennung von Chaos
• Theologisch | Gott ist der transzendente Ordnungsstifter, nicht Teil des Kosmos
• Philosophisch | Schöpfung ist konstitutive Differenzsetzung, Raum wird geschaffen
• Mystisch | Die Trennung der Wasser spiegelt geistliche Unterscheidung und Streben nach Transzendenz
• Christologisch | Die Feste als Grenze, die Christus überwindet, um Himmel und Erde zu vereinen