Genesis 01:05

Luther 1545 vnd nennet das liecht / Tag / vnd die finsternis / Nacht. Da ward aus abend vnd morgen der erste Tag.

Luther 1912 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

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Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 1:5

1Mo 1:5 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
1Mo 8:22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Ps 19:2 Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk.
Ps 74:16 Tag und Nacht ist dein; du machst, daß Sonne und Gestirn ihren gewissen Lauf haben.
Ps 104:20 Du machst Finsternis, daß es Nacht wird; da regen sich alle wilden Tiere,
Jes 45:7 der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe das Übel. Ich bin der HERR, der solches alles tut.
Jer 33:20 So spricht der HERR: Wenn mein Bund aufhören wird mit Tag und Nacht, daß nicht Tag und Nacht sei zu seiner Zeit,
1Kor 3:13 so wird eines jeglichen Werk offenbar werden: der Tag wird's klar machen. Denn es wird durchs Feuer offenbar werden; und welcherlei eines jeglichen Werk sei, wird das Feuer bewähren.
Eph 5:13 Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht gestraft wird; denn alles, was offenbar ist, das ist Licht.
1Thess 5:5 Ihr seid allzumal Kinder des Lichtes und Kinder des Tages; wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis.

Biblisches Hebräisch (Masoretischer Text)

וַיִּקְרָא אֱלֹהִים לָאוֹר יוֹם וְלַחֹשֶׁךְ קָרָא לָיְלָה וַיְהִי־עֶרֶב וַיְהִי־בֹקֶר יוֹם אֶחָד
Sprachlich-exegetische Analyse:
1. וַיִּקְרָא אֱלֹהִים לָאוֹר יוֹם
– „Und Gott nannte das Licht Tag“
• וַיִּקְרָא: Waw-consecutivum + Qal Imperfekt 3.m.sg. von קָרָא = „nennen, rufen“ → narrative Vergangenheit.
• אֱלֹהִים: Subjekt (Pluralform mit Singularbedeutung → Majestät oder Pluralis excellentiae).
• לָאוֹר: Präposition לְ + Substantiv oder = „dem Licht“ (Akkusativobjekt im biblischen Hebräisch oft mit לְ markiert).
• יוֹם: Prädikatsnomen → hier nominalisierende Benennung: „Tag“.
2. וְלַחֹשֶׁךְ קָרָא לָיְלָה
– „und die Finsternis nannte er Nacht“
Symmetrischer Parallelismus: Wiederholung der Struktur zur Hervorhebung der Schöpfungsordnung.
• לַחֹשֶׁךְ: לְ + הַחֹשֶׁךְ mit Assimilation → „der Finsternis“.
• לָיְלָה: Nacht; durch Präposition לְ betont, wird zur eigentlichen Benennung.
3. וַיְהִי־עֶרֶב וַיְהִי־בֹקֶר יוֹם אֶחָד
– „Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein Tag.“
Zwei identische Konstruktionen mit וַיְהִי (waw-consecutivum + Imperfekt von היה) → beschreibt sequentiellen Ablauf.
• יוֹם אֶחָד: „ein Tag“ (nicht: „der erste Tag“ – das wäre יוֹם הָרִאשׁוֹן ). Das betont die Ganzheit dieses Schöpfungstages – Einheit vor der Zählung.
Theologisch/Literarisch:
Die Abfolge „Abend und Morgen“ widerspricht unserer Tageszählung („Morgen und Abend“) → betont den hebräischen Tagesbeginn bei Sonnenuntergang.
• „Nennen“ (קָרָא) steht für Verfügungsgewalt und Ordnung: Gott ordnet durch Sprache die Welt.

Biblisches Griechisch (Septuaginta)

καὶ ἐκάλεσεν ὁ θεὸς τὸ φῶς ἡμέραν, καὶ τὸ σκότος ἐκάλεσεν νύκτα· καὶ ἐγένετο ἑσπέρα, καὶ ἐγένετο πρωῒ, ἡμέρα μία.
Sprachlich-exegetische Analyse:
1. ἐκάλεσεν: Aorist von καλέω = „rufen, benennen“. Einfacher Aorist → punktuelles, abgeschlossenes Handeln.
2. τὸ φῶς – ἡμέραν, τὸ σκότος – νύκτα: Akkusativkonstruktion → klassische griechische Objekt-Prädikat-Struktur bei Benennungen.
3. ἐγένετο ἑσπέρα...: Imperfektiver Aspekt von γίγνομαι → „es geschah/wurde“ → erzeugt eine liturgisch-zeitliche Struktur .
4. ἡμέρα μία: „ein Tag“ – wie im Hebräischen steht μία (fem., statt πρώτη = „erste“) → betont Einzigkeit und Ganzheit .
Theologisch/Literarisch:
• „ἡμέρα μία“ folgt der hebräischen Betonung der Einheit und Ganzheit vor Beginn der Zählung.
• Wortwahl „ἐκάλεσεν“ spiegelt göttliche Souveränität wider – Benennung ist Akt göttlicher Ordnung .
• ἑσπέρα – πρωῒ (Abend – Morgen) → Beibehaltung des hebräischen Tagesverständnisses.

Biblisches Lateinisch (Vulgata)

Appellavitque lucem diem et tenebras noctem. Factumque est vespere et mane dies unus.
Sprachlich-exegetische Analyse:
1. Appellavitque: Perfekt von appellare = „nennen, benennen“; das „-que“ = Enklitikon → „und“ (anhängend).
2. lucem – diem, tenebras – noctem: Akkusativobjekte mit Prädikatsnomen → klarer, klassischer Satzbau.
3. Factumque est: Perfekt Passiv → „es wurde gemacht / es geschah“. In der Vulgata standardmäßige Übersetzung für וַיְהִי.
4. vespere et mane: Ablativ → „am Abend und am Morgen“.
5. dies unus: „ein Tag“ (nicht „primus“ = erster) → betont wie im Hebräischen die Einheit (vgl. auch una sabbatorum im NT).
Theologisch/Literarisch:
Die Wendung dies unus statt „primus“ betont den ursprünglichen, unteilbaren, göttlichen Tag .
• Die perfekte Form factum est drückt eine göttliche Vollendung des Schöpfungsschritts aus – kein Prozess, sondern Ergebnis.
Vergleichende Zusammenfassung
• Hebräisch | קָרָא (Qal) | Ja | יוֹם אֶחָד („ein Tag“) | Sprachschöpfung, Ordnung
• Griechisch (LXX) | καλέω (Aor.) | Ja | ἡμέρα μία („ein Tag“) | Zeitliche Einheit, göttliche Benennung
• Lateinisch | appellare (Perf.) | Ja | dies unus („ein Tag“) | Vollendung, Ordnung

Wörtliche Ebene und Aufbau

Der Vers hat zwei Teile:
1. „Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht.“
→ Benennung als Akt göttlicher Souveränität (vgl. auch die Namensgebung in Gen 2).
2. „Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“
→ rhythmische Struktur, die den Zeitfluss markiert: von Dunkelheit zu Licht.

Theologische Deutung

A. Schöpfung als göttliche Ordnung und Differenzierung
Das Benennen ist im Alten Testament ein Akt der Machtausübung (vgl. Gen 2,19-20). Gott schafft nicht nur, sondern ordnet die Welt durch klare Unterscheidungen (Licht/Finsternis, Tag/Nacht).
• Die Schöpfung ist keine chaotische Explosion, sondern eine kosmische Liturgie, in der Gott das Sein strukturiert.
B. Zeit als Schöpfung
Mit dem „Abend und Morgen“ wird Zeit selbst als Geschöpf vorgestellt.
• Dies ist der erste Hinweis auf einen heiligen Rhythmus (Urform der Woche), der später im Sabbat gipfelt (Gen 2,1–3).
• Die jüdische Tageszählung beginnt traditionell am Abend – dieser Vers liefert die theologische Grundlage dafür.
C. Licht und Finsternis als mehr als Physik
In späterer biblischer Tradition (z. B. Jes 45,7; Joh 1,5; 1 Joh 1,5) werden Licht und Finsternis zu ethischen und ontologischen Kategorien:
• Licht = Leben, Wahrheit, Offenbarung, Gott
• Finsternis = Chaos, Tod, Verborgenheit, Sünde
• Bereits hier deutet sich an: Licht ist das erste geschaffene Medium göttlicher Gegenwart.

Systematisch-philosophische Deutung

A. Ontologische Dualität
Die Unterscheidung zwischen Licht und Finsternis kann als Urform einer ontologischen Differenz verstanden werden:
• Das Sein wird als Differenz gedacht – Tag ist nicht Nacht, Licht ist nicht Finsternis.
• Analog zur Heideggerschen Seinsfrage: Das „Er-scheinen“ des Seins erfolgt in Unterschieden.
B. Zeitlichkeit als Struktur des Seins
Die Wendung „aus Abend und Morgen“ verweist auf eine zyklische, aber gerichtete Zeitstruktur.
• Augustinus ( Confessiones XI ): Zeit ist ein inneres Phänomen des Bewusstseins – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – kein absoluter physikalischer Raum.
• Hier sehen wir bereits die Andeutung, dass die Zeit selbst geschaffen ist, also nicht ewig mit Gott existierte → Gegensatz zur griechischen Metaphysik (eternitas).
C. Benennung als Logos
Im Akt des Benennens ( und Gott nannte… ) realisiert sich der Logos – Sprache als konstitutiver Teil der Wirklichkeit.
• Vergleiche mit Johannes 1: „Im Anfang war das Wort (Logos)...“ – der Schöpfungsakt durch Sprache ( fiat lux ) impliziert, dass die Wirklichkeit durch Wort konstituiert ist.

Vergleich mit anderen Denkmodellen

• Platonisch | Licht = Ideenwelt | Ewiger Zyklus | Sprache als Annäherung ans Wahre
• Augustinisch | Licht = Gott, Geist | Zeit als innerlich (distensio animi) | Sprache als Ausdruck der Seele
• Heideggerianisch | Licht = Entbergung | Zeit als Ekstase des Daseins | Sprache als Haus des Seins
• Biblisch (Gen 1) | Licht = göttl. Ordnung | Zeit als Geschöpf Gottes | Sprache als schöpferische Macht

Mystische und liturgische Implikationen

Die Formel „aus Abend und Morgen“ hat eine gewisse liturgische Dignität – sie strukturiert die sieben Tage und bereitet das Gottesdienstverständnis des Judentums (und später des Christentums) vor.
• In mystischer Tradition: Licht ist der erste göttliche Emanationsstrahl (z. B. in der Kabbala: Or Ein Sof ), Finsternis ist nicht bloß Negation, sondern Potenzialität – das Unausgesprochene Gottes .

Schlussbemerkung

Genesis 1,5 ist kein bloßes Chronogramm, sondern ein dichter Ausdruck eines theologischen Weltverständnisses, in dem:
• Gott durch Sprache schafft,
• die Zeit eine Struktur göttlicher Ordnung ist,
• Licht und Finsternis mehr als physikalische Phänomene sind – sie sind ontologische Prinzipien,
• und in dem Differenz nicht Trennung, sondern Gestaltung bedeutet.

Genesis 1:4 | Genesis 1:6

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