Luther 1545 Vnd Gott sahe / das das Liecht gut war / Da scheidet Gott das Liecht vom Finsternis /
Luther 1912 Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis
Parallelstellen zu Genesis (1Mose) 1:4
1Mo 1:4 Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis
1Mo 1:10 Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, daß es gut war.
1Mo 1:12 Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das sich besamte, ein jegliches nach seiner Art, und Bäume, die da Frucht trugen und ihren eigenen Samen bei sich selbst hatten, ein jeglicher nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war.
1Mo 1:18 und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, daß es gut war.
1Mo 1:25 Und Gott machte die Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art, und allerlei Gewürm auf Erden nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war.
1Mo 1:31 Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.
Pred 2:13 Da ich aber sah, daß die Weisheit die Torheit übertraf wie das Licht die Finsternis;
Pred 11:7 Es ist das Licht süß, und den Augen lieblich, die Sonne zu sehen.
Biblisches Hebräisch: Sprachlich-exegetische Analyse
וַיַּ֧רְא אֱלֹהִ֛ים אֶת־הָא֖וֹר כִּ֣י ט֑וֹב וַיַּבְדֵּ֣ל אֱלֹהִ֔ים בֵּ֥ין הָא֖וֹר וּבֵ֥ין הַחֹֽשֶׁךְ׃
(Vayyare Elohim et-ha’or ki-tov; vayavdel Elohim bein ha’or uvein haḥoshekh)
1.1 Syntax und Grammatik
וַיַּ֧רְא אֱלֹהִ֛ים: wajyar Elohim – "Und Gott sah":
– Verb ראה ("sehen") im Wayyiqtol-Perfekt (Erzählform), zeigt zeitlich fortschreitende Handlung.
– Subjekt אֱלֹהִים ist nachgestellt – typisch biblisch-hebräischer Stil, um Fokus auf Handlung zu legen.
אֶת־הָאוֹר: Akkusativzeichen אֵת markiert das direkte Objekt: „das Licht“.
כִּי־טוֹב: "dass es gut war" →
– כִּי fungiert hier als Kausalkonjunktion (oder Resultatskonjunktion).
– טוֹב ist ein qualifizierendes Adjektiv mit ethisch-ästhetischem Gehalt („gut“, im Sinne von zweckdienlich, harmonisch, gottgemäß).
וַיַּבְדֵּל... בֵּין... וּבֵין...:
– Verb בדל im Piel (intensivierende Verbform): „trennen, scheiden“.
– Die Partikel בֵּין... וּבֵין... signalisiert eine klare Scheidung/Zuordnung zwischen zwei Entitäten – hier Licht und Finsternis.
1.2 Stilistische und theologische Merkmale
Parallele Struktur (sehen → beurteilen → trennen): zeigt die göttliche schöpferische Ordnung.
Das Verb וַיַּבְדֵּל markiert einen zentralen theologischen Akt: die Unterscheidung, die im biblischen Denken eng mit Heiligung und Ordnung verknüpft ist.
Licht ist das erste als „gut“ Bezeichnete – frühtheologische Aussage über die Positivität und göttliche Qualität von Licht (vgl. Licht als Symbol für Leben, Wahrheit, Gott selbst).
Biblisches Griechisch (Septuaginta): Sprachlich-exegetische Analyse
καὶ εἶδεν ὁ Θεὸς τὸ φῶς ὅτι καλόν· καὶ διεχώρισεν ὁ Θεὸς ἀνὰ μέσον τοῦ φωτός καὶ ἀνὰ μέσον τοῦ σκότους.
Syntax und Grammatik
εἶδεν ὁ Θεὸς: Aorist von ὁράω („sehen“) → punktuelle Vergangenheit.
τὸ φῶς – Neutrum Singular, „das Licht“, direktes Objekt.
ὅτι καλόν – kausaler Satz: „dass es gut war“
– καλός umfasst sowohl ästhetisch-schöne als auch sittlich-gute Bedeutung (ähnlich dem hebr. טוֹב).
διεχώρισεν ὁ Θεὸς – Aorist von διαχωρίζω („scheiden, trennen“):
– Intensive, zielgerichtete Handlung → betont Gottes aktives Ordnungsprinzip.
ἀνὰ μέσον... – wörtlich „inmitten von“ → klassische LXX-Konstruktion zur Wiedergabe des hebräischen בֵּין... וּבֵין.
Stilistische und theologische Besonderheiten
Die Septuaginta übersetzt sehr nah am Hebräischen, wobei καλόν in der griechischen Philosophie (v.a. Platon, Aristoteles) eine reiche Bedeutungsschicht hat – Harmonie, Zweckmäßigkeit, Schönheit, sittliches Gutsein.
• Die klare Trennung (διαχωρισμός) erinnert an griechisches Denken in Ordnungsprinzipien, Logos-Strukturen – es entsteht eine Brücke zur stoisch-philosophischen Weltordnungsidee.
• Gott als Unterscheider → wichtig für das jüdisch-hellenistische Denken: Ordnung, Vernunft, Kosmos.
Biblisches Lateinisch (Vulgata): Sprachlich-exegetische Analyse
Et vidit Deus lucem quod esset bona: et divisit lucem a tenebris.
3.1 Syntax und Grammatik
• vidit Deus: Perfekt von videre – „er sah“
• lucem – Akkusativ Singular von lux (fem.): „das Licht“
• quod esset bona – Konjunktiv Plusquamperfekt: zeigt Subjektivität / Zweckmäßigkeit; klassische Konstruktion nach videre → „dass es gut sei / gewesen sei“
• divisit – Perfekt von dividere: „trennen, scheiden, unterscheiden“
• a tenebris – Ablativ nach dividere a: „von der Finsternis“
3.2 Stilistische und theologische Implikationen
• bona wie καλόν und טוֹב: ethisch-ontologische Güte; mehr als bloße Ästhetik.
• Der Konjunktiv esset gibt eine epistemologische Nuance: das Gutsein des Lichts ist Gottes Urteil, nicht bloß eine objektive Tatsache.
• divisit erinnert in der lateinischen Scholastik an Unterscheidung als Grundlage der ordo creationis (z.B. Thomas von Aquin: Unterscheidung ist Bedingung der Erkenntnis).
Vergleichende Kurzthesen
• „sehen“ | וַיַּרְא (wayyiqtol) | εἶδεν (Aorist) | vidit (Perfekt)
• „gut“ | טוֹב (ethisch/ontologisch) | καλόν (sittlich/ästhetisch) | bona (ontologisch-subjektiv)
• „trennen“ | וַיַּבְדֵּל (Piel) | διεχώρισεν (aktiv/gezielt) | divisit (klar-scheidend)
• Licht vs. Finsternis | Symbol göttlicher Ordnung | Prinzipien kosmischer Trennung | Ordnungsprinzip der creatio
Theologische Deutung
a) Gottesbeziehung zur Schöpfung
Die Formulierung „Gott sah, daß das Licht gut war“ unterstreicht, dass die Schöpfung nicht blind oder automatisch geschieht, sondern bewusst und mit moralisch-ästhetischer Bewertung.
• Die Güte des Lichts steht im Zusammenhang mit Gottes Wesen: Gott schafft gut, weil er gut ist (vgl. Psalm 119,68: „Du bist gut und tust Gutes“).
• Licht wird nicht nur als physikalisches Phänomen verstanden, sondern auch als Symbol göttlicher Ordnung, Wahrheit und Offenbarung.
b) Trennung als schöpferischer Akt
„Da schied Gott das Licht von der Finsternis“ ist nicht nur ein physikalisches Faktum, sondern eine theologische Unterscheidung:
• Gott schafft durch Trennung und Ordnung – ein zentrales Thema im Schöpfungsbericht.
• Die Scheidung (hebräisch: בָּדַל badal) ist im Priesterschriftlichen Kontext ein göttlicher Akt der Heiligung und Differenzierung (vgl. Lev 10,10: Unterscheidung von rein/unrein, heilig/profan).
c) Licht als Symbol der Gegenwart Gottes
In späterer biblischer Theologie wird „Licht“ metaphorisch mit Gottes Herrlichkeit (כָּבוֹד יְהוָה – kavod JHWH) identifiziert.
• Johannes 1,5 („Das Licht scheint in der Finsternis...“) deutet Christus als das ewige Licht – und Genesis 1,4 als typologisch messianische Stelle.
Systematisch-philosophische Deutung
a) Ontologische Polarität: Licht und Finsternis
Die Trennung von Licht und Finsternis reflektiert die Struktur der Wirklichkeit als Dualität:
• Nicht im Sinne eines manichäischen Kampfes zwischen Gut und Böse, sondern als komplementäre Gegensätze, die durch göttliche Ordnung sinnvoll unterschieden werden.
• Diese Polarität bildet die Grundlage für jedes rationale Ordnungsdenken (Tag/Nacht, Sein/Nichtsein, Form/Materie).
b) Gutheit des Seins (Bonaventura, Thomas von Aquin)
Das Licht als „gut“ anzusehen, impliziert einen metaphysischen Optimismus: Das Sein als solches ist gut (ens est bonum).
• Nach Thomas von Aquin ist jedes Geschaffene gut, insofern es von Gott kommt (bonum est diffusivum sui).
• Die Finsternis wird nicht aktiv als „böse“ bezeichnet – sondern bleibt im Hintergrund, als nicht-gestaltete Möglichkeit, als „noch nicht“ (vgl. privatio boni bei Augustinus).
c) Unterscheidung als Bedingung der Erkenntnis
Philosophisch ist die „Trennung“ Bedingung jeder Erkenntnis: Licht ermöglicht Sehen; durch die Scheidung wird die Welt erkennbare Ordnung.
• Im platonisch-augustinischen Sinne steht das Licht für das intelligible Prinzip, das dem Chaos Form verleiht.
• Ohne Differenzierung wäre keine Erkenntnis, kein Urteil möglich – somit ist das göttliche Scheiden auch ein epistemologischer Akt.
Verbindung zu weiteren theologischen Linien
• Licht | Ps 104,2; Jes 60,19; Joh 1,9 | Gottes transzendente Gegenwart, Offenbarung
• Scheidung | Lev 10,10; Ex 26,33 | Heiligung durch Ordnung, Struktur, Grenze
• Gutheit | Gen 1,31 („sehr gut“) | Ursprung allen Guten im göttlichen Willen
Fazit
Genesis 1,4 ist weit mehr als ein kosmologischer Bericht: Es ist eine theologisch-metaphysische Grundaussage über die Welt als geschaffene, gute und erkennbare Ordnung. Das Licht steht für die sichtbare Präsenz des göttlichen Wortes in der Welt, während die Trennung zwischen Licht und Finsternis die Unterscheidbarkeit von Wahrheit, Ordnung und Heiligkeit überhaupt erst ermöglicht.