Jacob Balde
Ehrenpreiß 27
Hilff vns O Thurn auß Helffenbain/
In Diemant wol gegründet/
Vnd auffgeführt mit Edelgstein/
Wie selig der dich findet.
Hilff vns O Thron/ den Salomon
Mit feinem Gold beklaidet.
Dem du vergwißt/ kein wunder ist/
Daß jhm die Welt verlaydet.
Analyse
Jacob Baldes Ehrenpreiß 27 gehört zu seinen marianischen Lobgedichten, die barocke Dichtung, Theologie, Allegorie und Rhetorik verbinden. Die hier zu analysierenden Strophen bilden eine dichterische Anrufung Mariens unter dem Bild des „Throns“ – einer hochsymbolischen Figur, die sowohl alttestamentliche als auch christologische Konnotationen trägt.
Ein barockes Juwel marianischer Hochverehrung, in dem poetische Opulenz, allegorische Tiefe und theologische Reflexion auf kunstvolle Weise verschmelzen. Die Sprache erhebt Maria zur metaphysischen Königin, deren Schönheit, Reinheit und Weisheit himmlischen Ursprungs ist und der der Mensch sich in Hilfe suchender Demut zuwendet. In einer Welt, die von Unsicherheit und Vergänglichkeit geprägt ist (barockes Vanitas-Motiv), erscheint sie als leuchtende, überirdische Fürsprecherin.
Inhaltliche Ebene
Die Strophen richten sich als Gebet oder Bitte an Maria unter der Anrufung „O Thron“. Sie ist:
• ein Thron aus „Helffenbain“ (Elfenbein),
• in Diemant gegründet,
• mit Edelgstein aufgeführt,
• mit feinem Gold bekleidet (wie der Thron Salomos).
• Die Bitte lautet: „Hilff uns“. Das lyrische Ich (stellvertretend für das kollektive „uns“) ruft Maria als himmlische Helferin an.
• Zugleich betont das Gedicht die erhabene Schönheit, Reinheit und Glorie Mariens. Wer sie „findet“, ist selig. Dass ihr „die Welt verleidet“ wird (sie also die Welt verachtet oder überwindet), erscheint als selbstverständlich angesichts ihrer Nähe zum Göttlichen.
Theologische Dimension
Die Anrufung Mariens als „Thron“ verweist auf das Typusbild des „Thronus Salomonis“ und des „Sedes Sapientiae“ (Thron der Weisheit), ein traditionelles marianisches Symbol:
Thron aus Elfenbein: Reinheit und edle Substanz (vgl. Hoheslied 7,5: „Dein Hals ist wie ein Turm aus Elfenbein“). Elfenbein ist kostbar, weiß, fest – ein Bild für Mariens unbefleckte Reinheit.
Diamant, Edelsteine, Gold: Diese Metaphern dienen zur Darstellung ihrer Unvergänglichkeit, Herrlichkeit und Würde als „Gefäß“ göttlicher Gnade.
Salomos Thron (vgl. 1 Könige 10,18–20): war ein einzigartiger, mit Gold und Elfenbein verzierter Regierungssitz – ein Symbol der Weisheit und Herrschaft. Maria als solcher Thron weist auf ihre Rolle als Sitz des göttlichen Logos (Christus).
• Die Theologie der Strophe bewegt sich zwischen Lobpreis und Bittgebet, mit Mariens Fürbitte als machtvollem Mittleramt zwischen Himmel und Menschheit.
Barocke Poetik und Bildsprache
Jacob Balde, ein Jesuit und Barockdichter, nutzt typische Stilmittel des 17. Jahrhunderts:
Emblematische Sprache: Die Bilder sind emblematisch (Helffenbain = Reinheit; Edelgstein = Tugend; Thron = göttliche Erwählung).
Anakoluthische Struktur: Die Satzstellung ist elliptisch und dynamisch, oft mit Ausrufecharakter („Hilff uns, O Thron…“).
Hyperbel und Erhöhung: Die Darstellung Mariens in überhöhten Bildern (Gold, Diamant) zielt auf eine Affekterhebung, typisch für barocke Marienlyrik.
• Die Verbindung von sinnlicher Pracht (Edelstein, Gold) mit geistlicher Bedeutung ist Ausdruck der barocken Sakramentensicht: Sichtbares verweist auf Unsichtbares.
Mystische und allegorische Bedeutung
Maria wird nicht nur als historische Figur, sondern als mystisches Bild verstanden:
Thron Gottes: Sie ist „Thron“, weil sie Christus getragen hat – sie trägt das Göttliche in sich.
Weltverleidung: Die Aussage „daß jhm die Welt verlaydet“ steht in der barocken Mystik für das Loslassen des Irdischen zugunsten des Göttlichen – Maria als Idealfigur christlicher Askese.