Jacob Balde
Ehrenpreiß 25
O daß von Siena noch so vil
Der Bernardini wären/
Deren diß ainig End vnd Zihl
Dise Gesponß zu ehren.
Er schencket jhr all sein gebür/
Lust/ hoffnung/ freud vnd schmertzen:
Vnd wie ich sing/ sein liebsten Ring
Ein Adamant im Hertzen.
Einordnung und Kontext
Gedicht Nr. 25 verweist auf Bernardino von Siena (1380–1444), einen franziskanischen Prediger der italienischen Frührenaissance, der besonders für seine Marienfrömmigkeit und volkstümliche Verehrung Christi bekannt war.
Jacob Balde inszeniert hier das Ideal barocker Heiligkeit als leidenschaftliche, totale Hingabe an das Göttliche in Gestalt einer geistlichen Braut. Der „Adamant im Herzen“ symbolisiert eine Liebe, die nicht durch Äußeres, nicht durch Weltliches gestört oder zerstört werden kann. Sie ist ewig, fest, innerlich – und das höchste Ziel des Lebens.
Das Gedicht ist ein typisches Beispiel barocker Frömmigkeit: rhetorisch kunstvoll, allegorisch überhöht, emotional durchdrungen – eine Verschmelzung von Mystik, Marienfrömmigkeit, Heiligenverehrung und innerlicher Theologie.
Es preist das Ideal der völligen Hingabe an eine geistliche „Gespons“ (d.h. Braut), was sowohl mariologisch (Maria als himmlische Braut) als auch mystisch (die Seele als Braut Christi) verstanden werden kann.
Inhaltliche Deutung
Erste Strophe:
O daß von Siena noch so vil / Der Bernardini wären/
Deren diß ainig End vnd Zihl / Dise Gesponß zu ehren.
Der Sprecher äußert einen frommen Wunsch: Wenn es doch mehr „Bernardini“ (also Menschen wie Bernhardin von Siena) gäbe! Diese Heiligen haben ein einziges Ziel: Die Ehre der „Gesponß“. Diese „Gesponß“ kann doppeldeutig verstanden werden:
Mystisch: Die Seele, die mit Gott vermählt ist.
Marianisch: Die Gottesmutter Maria, als himmlische Braut.
Kirchlich: Die Kirche als Braut Christi (vgl. Epheser 5,27).
• Der Begriff „ainig End und Zihl“ ist typisch barock: das Leben wird als zielgerichteter Pilgerweg verstanden, der in der Anbetung oder Liebe zur himmlischen Braut kulminiert.
Zweite Strophe:
Er schencket jhr all sein gebür / Lust/ hoffnung/ freud vnd schmertzen:
Vnd wie ich sing/ sein liebsten Ring / Ein Adamant im Hertzen.
Der ideale „Bernardin“ gibt der „Gesponß“ alles, was ihm gehört: Lust, Hoffnung, Freude, sogar Schmerz. Diese totale Hingabe erinnert an das Ideal des sich-schenkenden Herzens in der Mystik.
Besonders ausdrucksstark ist das Bild des „liebsten Rings“: Ein Ring als Symbol der Treue, der Bundesschließung, der Liebe – nicht äußerlich, sondern „im Herzen“ getragen. Und nicht irgendein Ring, sondern ein „Adamant“, ein antiker Begriff für einen unzerstörbaren Edelstein (oft mit dem Diamant gleichgesetzt).
Diese Metapher verweist auf:
• Unerschütterlichkeit der Liebe
• Innerlichkeit der Bindung
• Mystische Vermählung im Herzen
Sprachliche und stilistische Merkmale
Barocke Antithetik: „freud vnd schmertzen“ spiegelt die barocke Polarität des Lebens.
Enthusiastischer Tonfall: Das emphatische „O daß...!“ zu Beginn ist charakteristisch für die barocke Rhetorik der Ergriffenheit.
Symbolik des Rings: Der Ring als Inneres Zeichen (im Herzen) betont die Spiritualität der Verbindung.
Personifikation und Allegorie: Die „Gesponß“ ist mehr als ein Mensch – sie ist Idee, Ideal, Ziel der Liebe, allegorisch aufgeladen.
Theologische Dimension
Balde, als Jesuit, stellt das barock-katholische Ideal des sich ganz Gott hingebenden Menschen dar. Die Seele (oder der Heilige) vermählt sich mit dem Göttlichen – sei es in Form Mariens, der Kirche oder Christus. Dies erinnert an die mystische Theologie etwa eines Bernhard von Clairvaux oder Johannes vom Kreuz.
Zugleich verweist das Gedicht auf die imitatio sancti: Der Mensch soll Vorbilder wie Bernhardin nachahmen. Diese Nachahmung ist nicht ethisch-moralisch allein, sondern eine tiefe Herzbewegung – ein Sich-Verschenken.