Jacob Balde
Ehrenpreiß 24
Maria hat den besten thail
Wie gschriben steht/ erwöhlet.
Mariæ thail/ ist aller hayl
Ders hat/ nit wol verfählet.
Weil sie so gut/ vnd mehr als gut/
Wie jeder muß bekennen:
Thue ich mit fleiß im Ehrenpreiß
So offt jhr Namen nennen.
Analyse
Jacob Balde verfasst in seinem Ehrenpreiß 24 ein kurzes Gedicht zu Ehren Mariens, das theologisch, poetisch und rhetorisch reich durchdrungen ist.
Er verknüpft persönliche Frömmigkeit, barocke Prachtentfaltung und katholische Mariologie und benutzt das barocke Stilmittel der Überhöhung, um Maria als Heilsträgerin und Erwählte zu feiern. Ihre Erwählung ist kein Einzelfall, sondern umfasst das Heil der Welt. Dies motiviert den Dichter zur ständigen Verehrung – der Ehrenpreiß ist zugleich poetischer und spiritueller Akt.
Das Gedicht kann als Ausdruck des katholischen Konfessionalismus gelesen werden, in dem Maria als Symbol der göttlichen Ordnung, Gnade und Sicherheit auftritt – eine mater dolorosa und mater gloriosa, vereint in einem kurzen, hochkonzentrierten Text.
Inhaltliche Erschließung
Das Gedicht stellt Maria als den besten Teil dar – eine Anspielung auf das biblische Lob Jesu an Maria von Bethanien: „Maria hat den besten Teil erwählt“ (Lk 10,42). Balde überträgt diese Aussage jedoch auf die Gottesmutter Maria, wodurch ein theologischer Bedeutungswechsel stattfindet.
Erste Strophe:
Maria hat den besten Teil, sagt der Sprecher – sie ist die Erwählte, wie geschrieben steht, also durch Schriftautorität legitimiert. Ihre Erwählung steht für das Heil aller Menschen (Mariæ thail / ist aller hayl).
Zweite Strophe:
Der Autor steigert Mariens Güte ins Übermenschliche: so gut / und mehr als gut. Daraus folgt die Konsequenz: Wer das erkennt (wie jeder muß bekennen), soll sie loben. Der Dichter selbst tut dies mit Fleiß im Ehrenpreis, also bewusst und regelmäßig – immer, wenn er ihren Namen nennt.
Sprache und Stil
Balde verwendet eine barocktypische Sprache, geprägt von:
Reim und Metrik: Das Gedicht ist vierzeilig, gereimt (aabb), mit regelmäßiger Hebung, was es volksliedhaft und eingängig macht.
Klangfiguren: Alliteration (Mariæ thail / ist aller hayl) verstärkt die Aussage klanglich.
Antithetik: Barocke Rhetorik zeigt sich in Gegensätzen wie gut / mehr als gut, was eine übernatürliche Steigerung andeutet.
Hyperbel: Maria ist mehr als gut, was einer göttlichen Qualität gleichkommt.
Biblische Anspielung: Die Paraphrase von Lukas 10,42 ist bewusst gewählt, um Schriftbindung und poetischen Anspruch zu verknüpfen.
Theologische und mariologische Dimension
Rezeption der Heiligen Schrift: Die Bibelstelle wird typologisch auf die Gottesmutter Maria angewandt – ein in der katholischen Barocktheologie gängiges Verfahren.
Mariologische Erhöhung: Maria ist nicht nur erwählt, sondern Ursprung des Heils (ist aller hayl). In der Tradition der unbefleckten Empfängnis und der marianischen Mittlerschaft wird sie als mediatrix salutis verstanden.
Anerkenntnis durch alle: Wie jeder muß bekennen ist sowohl dogmatisch (alle Gläubigen sollen Maria ehren) als auch poetisch-rhetorisch (Verstärkung der Aussage) gemeint.
Barocke Poetik und Frömmigkeit
Personalisation des Lobs: Balde positioniert sich selbst als Vorbild christlicher Frömmigkeit: Thue ich mit fleiß im Ehrenpreiß.
Devotionale Sprachform: Der Lobpreis ist nicht nur poetischer Akt, sondern geistliche Praxis – so offt jhr Namen nennen bedeutet, dass jede Anrufung Mariens ein Akt der Anbetung ist.
Kontext der Zeit: Im Dreißigjährigen Krieg erlebten Katholiken eine tiefe Verunsicherung – das marianische Ideal diente als geistliches Gegenbild zur kriegerischen Realität.