Ehrenpreiß 23

Jacob Balde

Ehrenpreiß 23

Mariam lieb/ Mariæ dich/
Solst allerdings verschreiben/
Die Morgengab glaub sicherlich
Wirdt keines wegs außbleiben.
Das Hochzeit Klayd ist schon berait
Begehr die Farb auß allen/
Das Himmelblaw (gen Himmel schaw)
Solt dir am besten gfallen.

Analyse

Jacob Balde, ein bedeutender barocker Dichter, Jesuit und Humanist, formuliert in seinem Gedicht „Ehrenpreiß 23“ eine hochpoetische Huldigung an Maria, die Mutter Gottes. Der Text ist theologisch tief durchwirkt, allegorisch und symbolisch aufgeladen und steht ganz im Geiste barocker Marienverehrung.
Ein typisches Beispiel barocker Dichtung: formal streng, inhaltlich überaus reich, geistlich tiefgründig. Die Darstellung Marias als mystische Braut und Vermittlerin himmlischer Gnade ist nicht nur theologisch, sondern auch poetisch durchkomponiert. Das Gedicht fordert den Leser zur inneren Bekehrung und zur völligen Hingabe an das göttliche Mysterium auf – vermittelt durch das himmelblaue Symbol der Maria, das den Blick des Lesers, gleichsam des Betenden, „gen Himmel“ lenkt.

Inhaltlicher Überblick

Die Strophe beschwört ein Bild der mystischen Vermählung: Maria wird in einem fast liturgischen Tonfall als Braut angesprochen, die in einer himmlischen Hochzeit mit göttlicher Gabe beschenkt wird. Dies spiegelt nicht nur die barocke Bildwelt wider, sondern auch Motive aus dem Hohelied Salomos und der marianischen Mystik.

Theologische Deutung

a) Maria als Brautfigur
Die Formulierung „Mariam lieb / Mariæ dich / Solst allerdings verschreiben“ ruft zur völligen Hingabe an Maria auf – ein Akt, der im katholischen Kontext als Teil der Marienverehrung gedeutet wird. Maria erscheint als Brücke zwischen Himmel und Erde, als Fürsprecherin und „Braut“ im himmlischen Bund.
b) Die „Morgengab“
Die „Morgengab“ – traditionell das Hochzeitsgeschenk des Bräutigams an die Braut – symbolisiert hier eine göttliche Gabe, die jedem zuteilwird, der sich Maria ganz verschreibt. Das Bild verweist auf den eschatologischen Lohn: die Gnade, das Heil, vielleicht auch die unio mystica (die Vereinigung mit Gott), vermittelt durch Maria.
c) Himmlisches Kleid
„Das Hochzeit Klayd ist schon berait“: Es handelt sich um ein geistliches Bild, das in der Bibel (z. B. Matthäus 22:11–12) für das Gewand der Gnade oder der Gerechtigkeit steht. Der Mensch, der sich mit Maria verbindet, ist gewandet für die himmlische Hochzeit – eine Anspielung auf die Aufnahme in das ewige Leben.

Symbolik und Bildsprache

Farbensymbolik: Himmelblau
Die letzte Zeile, „Das Himmelblaw (gen Himmel schaw) / Solt dir am besten gfallen“, hebt das „Himmelblau“ als bevorzugte Farbe des Hochzeitskleids hervor. Diese Farbe hat im christlichen Kontext mehrere Konnotationen:
• Sie ist die Farbe Marias (vgl. Mariendarstellungen),
• steht für Reinheit, Treue und Transzendenz,
• verweist durch das Wortspiel mit „Himmel“ auf das Jenseits, die Ewigkeit.
• Das Himmelblau ist also nicht bloß ein ästhetischer Akzent, sondern ein theologisch dichtes Symbol für das Ziel des Glaubens: die Gottesschau im Himmel.

Sprachliche Mittel und Stil

Jacob Balde verwendet eine hochartifizielle, barocke Sprache mit folgenden Kennzeichen:
Alliteration: „Mariam lieb / Mariæ dich“ erzeugt eine lautliche Bindung und musikalische Struktur.
Inversionen und Ellipsen: barocktypisch für rhetorische Kunst und metrische Vielfalt.
Apostrophierung: Der Leser oder Beter wird direkt angesprochen, was das Gedicht liturgisch und meditativ wirken lässt.
Symbolbeladung: Hochzeit, Kleid, Morgengabe, Farbe – alles wird zur Chiffre für geistliche Wahrheiten.

Poetisch-mystische Ebene

Das Gedicht spielt auf eine mystische Vereinigung an, wie sie in der barocken Frömmigkeit häufig vorkommt. Der Mensch wird eingeladen, sich Maria zu „verschreiben“ wie eine geistliche Braut, die im Gegenzug himmlische Gaben empfängt. In diesem Bildfeld verschmelzen:
Symbolbeladungmarianische Mystik,
Symbolbeladungchristologische Symbolik,
Symbolbeladungeschatologische Hoffnung.
Balde steht damit in der Tradition nicht nur der katholischen Marienverehrung, sondern auch eines poetisch-theologischen Sprachgebrauchs, wie man ihn z. B. bei Angelus Silesius oder in der ignatianischen Mystik findet.

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