Ehrenpreiß 18

Jacob Balde

Ehrenpreiß 18

Weit anderst ist das Firmament
Das in Maria leuchtet.
Mon hat sein anfang/ hat sein end/
Nur tröpfles weiß befeuchtet.
Du du Planet von Nazareth/
Du hohes Gstirn der deinen/
Du bist das Faß/ das ohne maß
Mit stätem Liecht thut scheinen.

Analyse

Die Strophe aus Jacob Baldes Ehrenpreiß 18 ist ein poetisches Lob Mariens in barocker Sprache und Bildlichkeit. Die Verse entfalten eine geistlich-mystische Hymne auf Maria als Himmelskönigin, die das Irdische überstrahlt.
Balde entwirft in wenigen Versen ein geistliches Himmelsbild, das Maria über das gesamte geschaffene Universum erhebt. Ihre geistliche Größe übersteigt den Wandel der Gestirne; sie ist Trägerin des unvergänglichen Lichts Christi. Formal verbindet Balde anspruchsvolle Bildsprache mit volksnaher Diktion – eine typisch barocke Synthese aus Mystik, Kosmologie und Theologie. Die Strophe wird so zum kleinen Kosmos marianischer Verehrung.

Formale Struktur und Sprache

Die Strophe besteht aus acht Versen mit regelmäßigem Metrum und Endreimen im Kreuzschema (abcbdefe). Der Text verwendet bewusst einfache, volkstümlich anmutende Wörter („Tröpfles“, „Faß“) in einem hohen, fast hymnischen Kontext. Das ist typisch für Baldes barocke Rhetorik, die das Erhabene mit dem Alltäglichen kontrastierend verbindet. Die Sprache mischt Hochdeutsch mit süddeutschem Einschlag („thut scheinen“, „Gstirn“, „tröpfles“) – dies trägt zur affektiven, volkstümlichen Nähe bei.

Inhaltliche und symbolische Interpretation

Vers 1–2: Weit anderst ist das Firmament / Das in Maria leuchtet.
Der Vergleich zwischen dem gewöhnlichen Himmelsgewölbe („Firmament“) und dem „Firmament“ Mariens dient der Steigerung: Was in Maria leuchtet, ist nicht der physische Himmel, sondern ein geistliches, göttliches Licht. Maria erscheint als ein eigenes Firmament – ein Bild für ihre einzigartige Rolle als Mater Dei. Das „Leuchten“ verweist auf ihre Reinheit, Gnadenfülle und ihre Beteiligung an der göttlichen Offenbarung.
Vers 3–4: Mon hat sein anfang/ hat sein end/ / Nur tröpfles weiß befeuchtet.
Der Mond (frz. Mon) steht hier für das vergängliche Himmelslicht – er hat Anfang und Ende, also Wandel und Begrenzung. Sein Licht ist kalt und schwach („nur tröpfles weiß“). Diese Beschreibung kontrastiert mit dem „stätem Liecht“ Mariens weiter unten. Es handelt sich um eine Art paradoxe Hierarchie: Der physische Himmel ist vergänglich, Mariens Glanz jedoch ewig.
Vers 5–6: Du du Planet von Nazareth / Du hohes Gstirn der deinen/
Maria wird nun als Planet von Nazareth und hohes Gstirn bezeichnet. Beide Begriffe stammen aus der Astronomie, sind aber geistlich aufgeladen: „Planet“ verweist auf ihre Rolle als beweglicher Himmelskörper, also als Mittlerin zwischen Himmel und Erde. „Nazareth“ macht sie zugleich konkret und historisch: Sie bleibt Mensch. „Hohes Gstirn“ meint ihre Erhebung in die Sphäre des Göttlichen – als Königin des Himmels. „Der deinen“ zeigt ihre Beziehung zum gläubigen Volk: Sie ist der leuchtende Stern derer, die ihr folgen.
Vers 7–8: Du bist das Faß/ das ohne maß / Mit stätem Liecht thut scheinen.
Hier kulminiert die Hymne in einem paradoxen Bild: Maria als „Faß ohne Maß“. Dieses Bild wirkt zunächst rustikal, bäuerlich – doch gerade darin liegt seine barocke Kraft: Ein unermessliches Gefäß, das das „ständige Licht“ enthält oder ausstrahlt. Das „Faß“ steht für Empfängnis (der Inkarnation), für Gefäßhaftigkeit (Theotokos), für Überfülle an Gnade. Das Licht ist konstant – anders als das wechselhafte Licht der Gestirne.

Theologisch-symbolische Perspektive

Die gesamte Strophe ist marianisch-mystisch. Maria erscheint als:
Neues Firmament → göttlicher Raum, in dem Christus Mensch wurde;
Gegensatz zum Kosmos → sie übersteigt das Geschaffene;
Planet und Stern → Leitstern des Heilsplans;
Faß ohne Maß → Typus des vas spirituale, ein Topos der Lauretanischen Litanei;
Lichtspenderin → Trägerin Christi, des „Lichts der Welt“.
• Diese Bildsprache verweist implizit auf biblische und liturgische Traditionen: Maria als stella maris, als vas honorabile, als porta caeli. Sie ist dabei nicht autonom, sondern stets bezogen auf Christus – sie leuchtet, weil sie ihn empfangen hat.

Poetisch-barocke Stilmittel

Jacob Balde bedient sich typisch barocker Kontraste und Emblematik:
Antithetik: irdischer Mond vs. ewiges Licht Mariens;
Metaphernvielfalt: Planet, Gestirn, Fass, Firmament;
Hyperbel und Paradoxon: „Faß ohne Maß“;
Anaphorische Anrede: Du du..., um die Verehrung zu steigern;
Integration des Alltäglichen: Die Bilder stammen aus Alltag und Kosmos – typisch barocke Verbindung von Mikrokosmos und Makrokosmos.

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