Ehrenpreiß 15

Jacob Balde

Ehrenpreiß 15

Weiß/ Roth/ jhr Lied vnn Schatzseinsoll/
Als der im Krieg gestritten/
Sie schwartz vnd braun/ vnd steht auch wol/
Gleich wie die Cedar Hütten.
Der sie entferbt/ hats nit verderbt/
Sonder nur wöllen mehren:
Vil schöner seys auff dise weiß
Der Augenschein thut lehren.

Analyse

Diese Strophe von Jacob Balde, einem barocken Jesuitenpoeten des 17. Jahrhunderts, stammt aus seinem Gedicht „Ehrenpreiß 15“ und enthält die typischen Merkmale des barocken Stils: Antithetik, Emblematik, Bildhaftigkeit, und eine religiös-moralische Tiefendimension. Die Zeilen thematisieren den Wert einer Frau, die äußerlich vielleicht nicht dem konventionellen Schönheitsideal entspricht, aber durch Tugend, Tapferkeit und innere Würde ausgezeichnet wird. Der Text kritisiert oberflächliche Urteile und stellt ein barockes Ideal vor Augen, das Schönheit in Tapferkeit, Frömmigkeit und moralischer Größe erkennt. Die dichterische Sprache, biblische Anspielungen und emblematistische Bildsprache machen die Strophe zu einem vielschichtigen Zeugnis barocker Werte- und Schönheitsvorstellungen.

Inhaltliche Zusammenfassung

Das lyrische Ich preist eine Frau, deren äußerliches Erscheinungsbild (schwarz und braun) nicht dem typischen Ideal der hellen, blassen Haut entspricht, das in der barocken Schönheitstradition oft mit Reinheit und Adel assoziiert wird. Doch der Sprecher wendet sich explizit gegen solche äußeren Maßstäbe. Die dunkle Farbe („sie schwartz vnd braun“) sei keine Verunstaltung, sondern Ausdruck von Würde, Tapferkeit und sogar gesteigerter Schönheit. Diese Frau hat „im Krieg gestritten“, also offenbar Mut und Charakter bewiesen.

Sprachliche und stilistische Mittel

Antithetik: Die Spannung zwischen Außen und Innen, Schein und Sein, ist grundlegend. Schwarz/braun steht gegen das klassische Ideal, doch das wird sofort gebrochen durch die Aussage, sie „steht auch wol“.
Metapher und Allegorie: Die Frau wird mit einer „Cedar Hütte“ verglichen – eine Anspielung auf alttestamentliche Bilder (z. B. Hohelied 1,5: „Ich bin schwarz, aber lieblich…“). Die Zeder ist in der Bibel Symbol für Standfestigkeit, Erhabenheit, göttliche Wohnung (Tempelmaterial).
Ironie der Norm: Die Wendung „Der sie entferbt/ hats nit verderbt“ stellt die vorherrschenden Schönheitsideale in Frage. Farbe ist kein Makel.
Barocke Emblematik: Die Frau wird emblematisch erhöht: Ihr „Schatzsein“ ist nicht von Äußerlichkeiten abhängig, sondern offenbart sich im Augenschein als wahre Schönheit durch Haltung, Mut und Anstand.

Allegorische und moralische Dimension

Balde folgt hier der barocken Denkfigur, dass wahre Schönheit eine geistige oder tugendhafte Schönheit ist. Die Frau „hat im Krieg gestritten“ – möglicherweise nicht buchstäblich, sondern allegorisch für ein tugendhaftes Leben, das Versuchungen, Sünde und Leiden standhält. Ihre „Schwärze“ (vielleicht metaphorisch für Leiden, Demut, Andersartigkeit oder ethnische Differenz) wird nicht abgewertet, sondern zum Ausgangspunkt für eine höhere Art von Schönheit.
Dies knüpft auch an christliche Vorstellungen der Verklärung durch Leiden an. Die Aussage „Der sie entferbt/ hats nit verderbt“ könnte auf Gott oder eine höhere Macht verweisen, die den Menschen prüft oder formt, aber nicht zerstört.

Poetische Struktur und Klang

Das Gedicht ist metrisch gleichmäßig, mit durchgehendem Kreuzreim, was dem Text eine rhythmische Erhabenheit verleiht.
Die Wortwahl „vil schöner seys auff dise weiß / Der Augenschein thut lehren“ stellt das Auge des Betrachters in den Dienst einer höheren Wahrheit – Schönheit wird nicht nur gesehen, sondern erkannt durch ein gereinigtes, inneres Sehen.

Barocke Schönheitsdebatte

Der Text steht im Kontext einer barocken Reflexion über das Verhältnis von äußerer Erscheinung und innerer Tugend. Balde bezieht Stellung gegen eine oberflächliche, von Äußerlichkeiten bestimmte Sichtweise und favorisiert eine moralisch begründete Anthropologie, in der das Schöne zugleich das Gute ist – eine platonische wie auch christlich geprägte Denkweise.

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