Jacob Balde
Ehrenpreiß 07
Selym erfahrt es der Tyrann
Vor etlich sechtzig Jahren:
Als er zu Meer mit Schiff vnd Mann
Hinab in Abgrundt gfahren.
Der Türckisch Hund/ dort wol empfundt
Daß nichts mehr halff das bellen/
Hinnumb herumb getriben vmb
In Sturm vnd Wasserwellen.
Analyse
Der siebente Ehrenpreis aus Jacob Baldes Werk bezieht sich auf ein heroisch-patriotisches Gedicht aus dem 17. Jahrhundert und steht ganz im Zeichen der Türkenkriege, der Gegenreformation und der barocken Weltsicht.
Die Strophe ist ein patriotischer Triumphgesang auf die katholische Wehrhaftigkeit gegen das „Heidentum“ – zugleich ein typisches Beispiel für die militante, theologisch aufgeladene Dichtung des Barock.
Formale Analyse
Metrum & Reim
Der Text ist in vierhebigen Jamben verfasst.
Reimschema: ababccdd
Rhythmisch wirkt die Strophe bewegt, was dem Thema – Sturm, Untergang – entspricht.
Stilmittel
Alliteration: „Meer mit Schiff und Mann“ – betont die Gesamtheit des kriegerischen Unternehmens.
Derb-pejorative Metaphorik: „der Türckisch Hund“ – typische barocke Feindbildrhetorik.
Personifikation: Das „Bellen“ des Hundes als Bild für das Drohen oder die Kriegslust der Türken.
Enjambements: lockern die Struktur auf und erzeugen Dynamik.
Inhalt und Thema
Die Strophe erinnert an ein Ereignis aus der Vergangenheit, das etwa 60 Jahre zuvor stattgefunden haben soll: Sultan Selim (vermutlich Selim II.) erfährt eine vernichtende Niederlage auf See – in „Sturm und Wasserwellen“ geht er samt Flotte unter. Gemeint ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Seeschlacht von Lepanto (1571), bei der die Heilige Liga einen entscheidenden Sieg gegen die Osmanen errang.
Der „türkische Hund“
• In der polemischen Sprache der Zeit wird der Sultan selbst als „Hund“ bezeichnet – ein stark abwertendes, religiös motiviertes Bild, das den islamischen „Feind“ als tierisch und unzivilisiert darstellt.
• Das „Bellen“ steht für die (vergeblichen) Drohgebärden oder Kriegslust der Osmanen – am Ende nutzlos.
Historischer Hintergrund
Der Text gehört zur Gattung des barocken Heroen- und Kriegsgedichts, das sich patriotisch und konfessionell profiliert.
• Die Schlacht von Lepanto wurde in katholischen Ländern als Sieg des Glaubens über den Islam gefeiert – ein zentraler Mythos der Gegenreformation.
• Jacob Balde (1604–1668), ein Jesuit, verfasst diese Texte in einem Kontext von Glaubenskampf, Identität und politischer Mobilisierung.
Theologische und allegorische Deutung
• Die Seeschlacht wird nicht nur als militärisches, sondern auch als göttliches Strafgericht dargestellt.
• Der „Abgrund“ ist mehr als das Meer – es ist Höllensymbolik. Der Sultan „fährt hinab“ wie ein biblischer Sünder.
• Der Untergang steht allegorisch für den Triumph des Christentums über den „Glaubensfeind“.
Barockes Weltbild
Vanitas-Motiv: selbst der mächtigste „Tyrann“ kann in den „Abgrund“ gestürzt werden – kein Irdisches hat Bestand.
Theatrum mundi: Die Welt ist eine Bühne, auf der Gott durch Naturereignisse (Sturm, Wasserwellen) seine Gerechtigkeit offenbart.
Providenzglaube: Die Niederlage der Osmanen wird als Werk der göttlichen Fügung gedeutet.
Fazit
Jacob Balde verwebt in dieser Strophe:
• Historische Erinnerung (Lepanto),
• barocke Sprachgewalt (Hyperbeln, Derbheit),
• konfessionelle Rhetorik (Katholizismus vs. Islam),
• und göttliches Weltverständnis (Providenz, Gericht).