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Aaron

Aaron*1], Moses älterer Bruder und nach demselben in der Geschichte der Befreiung des israelitischen Volkes aus ägyptischer Herrschaft und Dienstbarkeit unstreitig der bedeutendste Mann, stammte aus dem Geschlechte Levis. Sein Vater hieß Amram, welcher ihn und seinen Bruder Moses mit der Jochebeth zeugte (2Mos 6,20). Aarons Geburt fällt drei Jahre früher als die des Moses (2Mos 7,7). Die Gabe der Rede war ihm in höherem Grade verliehen als seinem Bruder, weshalb er diesem bei den Verhandlungen mit dem ägyptischen König als Sprecher zur Seite stand (2Mos 4,16; 2Mos 7,1). Während Moses im Ausland lebte, blieb Aaron bei den Seinigen in Ägypten zurück und es lässt sich vermuten, dass er den Abwesenden über die Verhältnisse seines Volkes von Zeit zu Zeit unterrichtete. Als aber Moses aus dem Lande Midian in Arabien nach Ägypten zurückkehrte, ging er ihm entgegen (2Mos 4,27) und wirkte von da an unausgesetzt mit demselben gemeinschaftlich für die beabsichtigte Erlösung ihres Volkes. Um ihr beiderseitiges Verhältnis näher zu bezeichnen, wird Aaron 2Mos 4,16 seines Bruders Mund, 2 Mos 7,1 aber sein Prophet genannt. Die letztere Bezeichnung hat ihren Grund darin, dass Mose dem Pharao gegenüber wie ein Gott gedacht wird, welcher seinen Willen durch einen begeisterten Diener kund tut. Nachdem die Befreiung gelungen, war es ganz natürlich, dass gerade Aaron zum Priester und seine Nachkommen zu Nachfolgern desselben im Priestertum bestimmt wurden (2Mos 29 9). Denn kein andrer hatte für die große Angelegenheit das rege Interesse und die Tätigkeit bewiesen, wie er. Moses weihte ihn und seine Söhne dazu, indem er sie in Gegenwart des vor der Stiftshütte versammelten Volkes mit Priesterschmuck unter vielen Zeremonien bekleidete (3Mos 8,1ff.). Aarons Wahl wird (4Mos 6) dadurch veranschaulicht, dass die Stammesfürsten aller zwölf Stämme Stäbe im Heiligtum niederlegten, aber nur der seinige grünend, Blüten treibend und Früchte ansetzend gefunden wurde, wobei man an die Gewohnheit der Araber, mit Stäben zu losen, erinnert wird. Nicht unbeneidet genoss er die ehrenvolle Stellung. sondern erregte bei vielen Eifersucht, weil seine Erhebung ihren eigennützigen Plänen entgegen war. Sie mochten seine Bevorzugung bloß dem Umstande zuschreiben, dass sein Bruder an der Spitze des ganzen Volkes stand. Der Tumult, welchen die sogenannte Rotte Korah, Dathan und Abiram (4Mos 16) erregte, hatte vorzüglich hierin ihren Grund. Sein Stab wurde nach 4Mos 17,10 vor den Gesetztafeln, nach Hebr 9,4 in der Bundeslade aufbewahrt. An Mut und Festigkeit stand Aaron seinem Bruder bei weitem nach; denn er, der Priester des lebendigen Gottes ließ, sich von dem Volke, welches über das lange Ausbleiben des Moses auf dem Berge Sinai unzufrieden war, gegen seine bessere Überzeugung bewegen, ein goldenes Kalb anzufertigen, welches das Volk anbetete (2Mos 32,1). Doch abgesehen von dieser unbegreiflichen Nachgiebigkeit gegen die ungestüme Menge muss er sich gewöhnlich nur von einer vorteilhaften Seite gezeigt haben, da er 5Mos 33,8 als ein frommer bezeichnet wird. Indes bewies er nach 4Mos 20,12; 4Mos 20,24 bei einer anderen wichtigen Gelegenheit Mangel an Gottvertrauen und Folgsamkeit und unterlag also in der zu Massa und Me Meribah (Haderwasser) über ihn kommenden Prüfung. Obschon der ältere Bruder, tritt er doch meist bescheiden hinter Moses zurück. Nur 4Mos 12, 1ff. ist ein Beispiel vom Gegenteil, aber auch hier lag der Grund hauptsächlich in der Abneigung gegen Moses Gattin, diese keine Stammesgenossin war.
Seine Gattin Eliseba, eine Tochter Amminadabs aus dem Stamme Juda, hatte ihm vier Söhne geschenkt: Nadab, Abihu, Eleasar und Ithamar (2Mos 6, 23). Die beiden ersten kamen jedoch durch Feuer um, nachdem sie beim Räuchern im Heiligtum in ihre Rauchfässer fremdes, d. h. nicht vom Altar genommenes Feuer getan hatten, welches eben deswegen dem heiligen Gebrauch durchaus nicht angemessen gewesen war (3Mos 10,1). Die anderen beiden aber pflanzten das Priestergeschlecht fort. Erbgut besaß Aaron und seine Familie nicht (4Mos 18,20) um ihrem Berufe desto ungestörter zu leben. Auf dem Berge Hor wurde ihm von Moses der hohenpriesterliche Schmuck abgenommen und der älteste Sohn desselben, Eleasar, als sein Nachfolger damit bekleidet. Aaron verschied darauf und das Volk beklagte ihn (4Mos 20,23 ff.; 4Mos 33,28; 5Mos 32,50). Nach 5Mos 10,6 starb er zu Moser. Dies ist eine der Lagerstätten der Hebräer auf ihrer Wanderung, wofür 4Mos 33,30-31 Moseroth setzt. Die Versuche, beide Nachrichten miteinander auszugleichen, sind zum Teil viel zu künstlich. Die jüdische, christliche und moslimische Überlieferung hat sich für den Berg Hor entschieden und findet diesen in demjenigen Berg von sehr ansehnlicher Höhe, welcher oberhalb (nördlich) des Wadi Musa im peträischen Arabien liegt und bei den Arabern Berg Haruns heißt. Die stark besuchte Straße von Maan und Wadi Musa nach Ghaza führt dabei vorüber. Ist dies wirklich derselbe Berg, welchen die heil. Schrift meint, so hatte Aaron noch kurz vor seinem Tod Gelegenheit, einen großen Teil des wilden Landes zu überschauen, durch welches die Hebräer so viele Jahre lang gezogen waren. Eine Abbildung des Berges und der nächsten Umgegend s. unter dem Art. Hor. Aarons Grab wird überdeckt von einem kleinen Gebäude neueren Ursprungs, mit einer Kuppel, die wie gewöhnlich über den Begräbnisstätten moslimischer Heiligen angebracht sind. Die neueste Schilderung verdanken wir v. Schubert, welcher im März des Jahres 1837 diese Gegend besuchte. Zu dem eigentlichen Grabgewölbe steigt man auf mehreren Stufen hinab; zwei Flügeltüren verschließen dasselbe; an den Wänden umher findet man viele hebräisch und arabisch geschriebene Namen und Sprüche. Das Gemäuer ist mit dem Überbau wohl nicht von gleichem Alter. Noch jünger ist der Sarkophag, der im oberen Gebäude gleich in der Richtung, in welcher man zur Tür eintritt, gefunden wird. Auch die Mohammedaner wissen von Aaron und ehren ihn. Denn schon im Koran wird er oft (Suren 23. 25. 28. 37.) unter dem Namen Harun erwähnt und unter denen mit aufgezählt, welchen Gott Offenbarungen habe zu Teil werden lassen oder die von Gott geleitet wurden (Sure 4,61; 6,84). Auch wird darin zugestanden, dass Gott ihm Moses als Ratgeber beigegeben hat, aber auch die Geschichte vom goldenen Kalb nicht verschwiegen. Außerdem wird in der moslimischen Überlieferung erzählt, dass seine priesterliche Kopfbinde in die heilige Lade gelegt wurde. Der Berg Hor genießt als Aarons Begräbnisort noch immer große Ehre bei den Bekennern des Islam, so „dass sie, wenn sie auf ihrem Vorüberzug den Gipfel des Hor mit seinem viereckigen Gebäude auch nur von fern erblicken, einen Steinhaufen errichten und ein Opfertier schlachten.“ v. Schubert, Reiseberichte aus d. Morgenland, in Evang. Kirch. Zeit. 1837. No. 97. Vgl. L. Burckhardts Reisen in Syrien, Palästina usw. S. 715 d. deutsch. Übers.
*1] Ααρών אַהֲרוֹן 1
Hoffmann, 1853


Aaron, eigentlich Aharon, der um drei Jahre ältere Bruder Moses (s. d.), nimmt neben seinem gewaltigen Bruder die erste Stelle unter den Begründern des israelitischen Volkstums ein. Die Eltern der beiden Brüder, Amram und Jochebed, gehörten dem Stamm Levi an (2Mos 6,16 ff.); durch sie gewann dieser Stamm seine bevorzugte Stellung. Die Jugendgeschichte Aarons ist in Dunkel gehüllt. Wie weit er in die Pläne seines Bruders nach dessen Flucht aus Ägypten eingeweiht war, wissen wir nicht mit auch nur einiger Sicherheit. Fremd scheint er ihnen aber nicht geblieben zu sein, da er seinem aus der Arabischen Wüste (Midjan) heimkehrenden Bruder, wohl nach vorgängiger Benachrichtigung, entgegeneilte, mit ihm die weiteren Verabredungen traf und von jetzt an stets im Einverständnis mit demselben handelte (2Mos 4,27). Die Begabung der beiden war allerdings verschieden. Der eigentliche religiös-sittliche Genius, der Retter und Erlöser des Volkes war Mose. In allem, was er denkt, anordnet, schafft, ist schöpferische Kraft. Aaron dagegen erscheint seinem Bruder gegenüber lediglich in untergeordneter Stellung, und wo er versucht, seine Selbständigkeit geltend zu machen, gerät es ihm übel. Mose ist der begeisterte Prophet, der Begründer und Träger einer neuen Zukunft seines gemisshandelten und zertretenen Volkes. Aaron erscheint als ein bloßer Dolmetscher, ein wohlberedter Mann, der seine Gedanken auch Vornehmen gegenüber angemessen zu setzen weiß und der leicht bereit ist auszuführen, was der tiefsinnige Bruder unter schweren Kämpfen und mit zaghaftem Herzen, seiner Verantwortung wohlbewußt, beschlossen hat. Treffend wird er in dieser Beziehung als der „Mund Moses“ bezeichnet (2Mos 4,10 ff.; 7,1 ff.), und er scheint die Verhandlungen, welche zwischen den Häuptlingen seines Volkes und dem ägyptischen König geführt wurden, hauptsächlich betrieben zu haben. Während des Wüstenzuges behauptete er neben Mose ebenfalls eine hervorragende Stellung. Zur Zeit der Entscheidungsschlacht bei Rephidim in der Sinaiwüste gegen die Amalekiter blieb er in der nächsten Umgebung Moses (2Mos 17,8 ff.) und in Abwesenheit seines Bruders verwaltete er gemeinschaftlich mit einem anderen Vertrauten desselben das oberste Richteramt (2Mos 24,14). Allein sein Charakter zeigt einige Schwächen und er verdiente nicht ganz das Vertrauen, das ihm von seinem Bruder geschenkt ward. Das Volk benutzte während der Stiftungsperiode der Gesetzgebung, als Mose längere Zeit in stiller Zurückgezogenheit über sein großes Werk nachsinnend verschwunden schien, die Abwesenheit des Gotteshelden, um der aus Ägypten stammenden Neigung zum Götter- und Bilderdienst aufs neue zu fröhnen. Aaron kam seinen polytheistischen Wünschen nur allzu willig entgegen und gab die Verfertigung eines goldenen Stieres oder Kalbes zu, unter dessen Gestalt Jahve verehrt werden sollte. Ist dieser Vorfall auch nicht als ein völliger Abfall von Jahve aufzufassen, so zeigt sich doch darin eine von vornherein bedenkliche Verdunklung des reinen geistigen Jahvedienstes, und er dient, soweit der späteren Sage Geschichtliches wirklich zu Grunde liegt, zum Beweise, dass Aaron nicht auf der ganzen geistigen und sittlichen Höhe seines Bruders stand, und insbesondere auch, dass er nicht die Kraft besaß, den Vorurteilen und Leidenschaften der sinnlichen Volksmasse erfolgreichen Widerstand zu leisten (2Mos 32,1 ff.)
Gleichwohl soll, nach der späteren Überlieferung, Mose ihm das wichtige Amt des ständigen Priestertums (s. Priester) in der neubegründeten israelitischen Gemeinde übertragen haben, das sich dann auf seine Familie vererbte (2Mos 29,4 ff.) Aller Wahrscheinlichkeit nach hat jedoch Mose noch gar kein ständiges Priestertum eingesetzt; zu seiner Zeit übte noch jeder Hausvater in der Gemeinde priesterliche Rechte. Von den Hausvätern wurden auch Söhne zu Hauspriestern erwählt (2Mos 24,5); auch die Stämme wählten ursprünglich ihre Priester selbst. Dass Aaron im Stamm Levi eine solche bevorzugte, immer aber noch auf freier Wahl und Anerkennung beruhende Stellung einnahm, ist sehr wahrscheinlich; auf diesem Wege bildete sich dann das spätere erbliche Priestertum seines Geschlechts aus. Allein gerade diese Stellung erforderte nicht sowohl eine hervorragende tat- und charakterkräftige Persönlichkeit, als die Gabe eines würdigen Benehmens, einer vornehmen und feierlichen Haltung, durch welche Aaron schon den ägyptischen König beeinflusst hatte. Was von den ganz außerordentlichen Feierlichkeiten bei der angeblichen Weihe Aarons und seiner Söhne zum Priesteramt erzählt wird (3Mos 8,1 ff.), beruht auf späterer Sage; denn der späteren Zeit galt nun einmal Aaron als priesterliches Vorbild für immer. Sein Leben verlief in seiner hohen und einflußreichen Stellung als Häuptling des Stammes Levi nicht ungetrübt. Von seinen vier Söhnen, mit denen er seine Stammesherrschaft ausübte (Nadab, Abihu, Eleasar und Ithamar [2Mos 6,23]), bereiteten ihm die beiden ältesten, Nadab und Abihu, dadurch schwere Sorge, dass sie (nach der Erzählung 3Mos 10,1 ff.) ungesetzliche, d. h. unbefugte und unberufene Rauchopfer darbrachten. Sie brachten ihr Opfer zur Unzeit, nicht als übliches Morgen- oder Abendopfer; sie nahmen auf ihre Pfannen nicht von dem üblichen Rauchwerk, welches der zum Opfer bestellte Priester anzuzünden hatte, und sie opferten es nicht an heiliger Stätte, sondern vor derselben. Dafür, dass sie „fremdes Feuer“ vor Jahve brachten, traf sie — nach der Erzählung — das göttliche Strafgericht, d. h. sie verloren bei dieser Veranlassung das Leben. Aus dem Umstand, dass Mose sich tadelnd gegen Aaron wendet (3Mos 10,3), geht hervor, dass dieser bei der Selbstüberhebung seiner Söhne nicht ohne Schuld war, aus seinem Schweigen auf den Tadel des Bruders, dass er sich auch nicht schuldlos fühlte.
Von ernsteren Folgen für seine Stellung als Stammeshäuptling und Priesterfürst hätte die Erhebung werden können, welche von dem Leviten Korah (s. d.) und seinen Verbündeten gegen ihn und sein Haus beabsichtigt war, und die nichts Geringeres als den Umsturz seiner Hausmacht und die volle Gleichberechtigung aller Gemeindeglieder bezweckte (4Mos 16. 17). Mit der letzteren Forderung war es ihnen wohl nicht so recht Ernst; sie wünschten wahrscheinlich lediglich die bevorzugte Stellung Aarons und die Vorzugsrechte seiner Familie innerhalb des Stammes und der Gemeinde beseitigt und die Teilnahme an der Stammesleitung auch auf ihre Personen und Familien ausgedehnt. Inwieweit Aaron und seine Söhne durch Selbstüberhebung zu der Verschwörung gegen ihre Macht und ihr Ansehen Veranlassung gegeben, lässt sich aus der Erzählung nicht mehr mit Sicherheit entnehmen. Der Vorgang mit Nadab und Abihu deutet auf ein über mütiges und herausforderndes Benehmen jedenfalls der beiden älteren Söhne Aarons hin. Im Volke selbst scheint die Partei der Verschwörer einen bedeutenden Anhang gefunden zu haben, und Mose und Aaron wurden durch sie persönlich bedroht (4Mos 17,4). Der Aufstand wurde jedoch durch Moses entschlossenes Einschreiten gewaltsam unterdrückt, und Aaron scheint nachher zur Milde geraten zu haben, da er nach der sagenhaften ÜberLieferung in feierlichem Amtsaufzuge Sühne stiftend unter das Volk getreten sein soll. Zugleich erschien es Mose nach dem gefahrbringenden Vorgang unerlässlich, die Autorität der Aaronitischen Stammesführerschaft höher zu beglaubigen und fester zu begründen. Es geschah dies durch ein angebliches Wunder, den „sprossenden Stab Aarons“. Zwölf Stäbe, nach der Zahl der zwölf Stämme Israels, mit den daraufgezeichneten Namen der damaligen Stammeshäupter wurden vor Jahve niedergelegt. Auf dem Stabe des Stammes Levi war der Name Aarons gezeichnet. Das Stammeshaupt, dessen Stab sprossen, d. h. auf wunderbare Weise Blätter, Blüten und Früchte hervorbringen würde, sollte gotterwählter Träger des Priestertums sein (4Mos 17,16 ff.). Als die Stäbe am folgenden Tage durch Mose besichtigt wurden, hatte Aarons Stab Sprossen getrieben und Mandeln gereift. Der eigentliche Vorgang ist hier von dem Laubgewinde der Sage verdeckt. Es ist weder an grüne Stäbe zu denken, welche über Nacht geblüht, noch an Mandelzweige, von denen die bereits vorhandenen Knospen des einen über Nacht aufgegangen, noch an die Sitte des Loses durch Stäbe, wobei der durch das Los getroffene Stab Aarons mit Knospen, Blüten und Früchten gekrönt worden wäre. Sagen ähnlicher Art finden sich auch sonst in der Alten Welt. Die Keule, welche Herkules an einer Bildsäule des Hermes niedergelegt, grünte ebenfalls wieder, und eine Lanze, die Romulus in die Erde trieb, soll sogar zu einem großen Baume aufgewachsen sein. Von der großen Terebinthe bei Hebron wurde erzählt. sie sei aus einem Stab, den ein Engel in den Boden gesteckt, gewachsen („Kurzgefasstes eregetisches Handbuch zum Alten Testament“, XIII, 90 ff.). Tatsache ist, dass Aaron die mit priesterlicher Würde verbundene Stammesführerschaft für seine Person und seine Familie durch schweren Kampf sich erstreiten und erringen musste. Die spätere Sage vom sprossenden Stabe verherrlicht sinnvoll seinen Sieg über neidische und ehrgeizige Widersacher. Tatsache ist wohl auch, dass Aarons Stab, als der auserwählte unter den Stäben der zwölf Stammeshäupter, wie eine heilige Reliquie den Platz später im Heiligtum vor der Bundeslade fand, zur Bezeichnung des hohenpriesterlichen Vorrangs seiner Träger (nicht, wie Hebr. 9,4 annimmt, in der Bundeslade in welcher nur die Gesetzestafeln niedergelegt waren [1Kön 8,9]). Auch wurden die Vorrechte und Einkünfte des Aaronitischen Geschlechts erst nach Besiegung des Korachitischen Aufstandes geregelt und festgestellt (4Mos 18,1 ff.) und seine beiden übriggebliebenen Söhne Eleasar und Ithamar blieben, wenn auch durch Volkswahl, Stammhalter der Stammespriesterwürde.
Mit seinem Bruder Mose scheint Aaron ununterbrochen zusammengewirkt und, wenn er in dessen Abwesenheit eigene Wege gegangen, sich später unverzüglich dessen Autorität wieder gefügt zu haben. Ein einziges mal kam es, wohl auf Veranlassung der Schwester Mirjam (s. d.), zu einem stärkeren Zusammenstoß zwischen ihm und Mose. Jene hatte die Verbindung Moses mit einem kuschitischen (äthiopischen) Weibe benutzt, um aufreizende Reden gegen die Machtstellung Moses zu führen. Dass es ihr damals gelang, Aaron, der seinem Bruder so viel verdankte, auf ihre Seite zu bringen, ist ein neuer Beweis, dass es demselben an Charakterfestigkeit mangelte (4Mos 12,1 ff.). Sein Tod erfolgte vor der Besitznahme Palästinas durch sein Volk, angeblich auf dem Berge Hor, den das Volk von Kades her erreicht hatte (4Mos 20,22 ff.). Die spätere Überlieferung versteht unter diesem Berg den in der Nähe von Petra (Wadi Musa) bis auf den heutigen Tag im Ruf der Heiligkeit stehenden Berg Haruns, den ansehnlichsten im Edomitergebirge. Dort wird, auf dem östlichen Gipfel, noch heute das „Grab Aarons“ gezeigt (s. die Beschreibung Schubert, „Reise in das Morgenland“, II, 421). Dasselbe ist unverkennbar neueren mohammedanischen Ursprungs. Der Berg, auf dessen Gipfel der Tod Aarons erfolgt sein soll, kann schon deshalb nicht der Berg Haruns bei Wadi Musa sein, weil die Israeliten jenen mit einem Marsch erreichten, weil ein Marsch derselben von Kades in dieser Richtung zuerst südostwärts und dann wieder nordwärts unglaublich ist, und weil nach dem Lagerverzeichnis (4Mos 33,41 ff.; 34,4; Jos. 15,3) der Zug von Kades aus nordostwärts durch den Wadi Murreh fortgesetzt wurde. Auf einem der Abhänge, die von Westen nach der Araba hin sich senken, an der Grenze Edoms (4Mos 20,23; 33,37), muss daher die Stätte, woselbst Aaron starb, gesucht werden; im Gebirge ist er wohl begraben worden, wie denn die Beduinen heute noch auf Bergeshöhen ihre Grabstätten suchen. Dass die Nachrichten über den Begräbnisplatz Aarons frühe schwankten, zeigt uns die abweichende Überlieferung 5Mose 10,6, wonach Aaron bei der uns unbekannten Reisestation Moser seinen Tod gefunden haben soll
Die Flecken, welche an dem Charakter Aarons hafteten, warfen ihre Schatten auch über seinen Grabhügel hinaus, und sein vor dem Eintritt in das Land der Verheißung erfolgter Tod wurde als eine Strafe insbesondere dafür betrachtet, dass er, als bei Kades wegen Wassermangels das Volk sich auflehnte, nicht genug Mut und Gottvertrauen gezeigt hatte (4Mos 20,24). Es ist dieselbe Charakterschwäche, die er beim Abfall vom reinen Jahvedienst am Sinai gezeigt hatte und die noch der spätern Überlieferung so groß erschien, dass er, nach ihrer Darstellung (5Mos 9,20) seine Erhaltung am Leben nur der Fürbitte Moses zu verdanken hatte. Spätere Psalmen (Ps 99,6; 133,2) feiern ihn dagegen als das ehrwürdige Vorbild der Priesterwürde. Der Hebräerbrief stellt zwischen dem vergänglichen Aaronitischen Priestertum und dem unvergänglichen Christi einen für das erstere sehr ungünstigen Vergleich an (Hebr 5,1 ff.; 7,11 ff.; 10,19 ff.). Die auch versuchte Vergleichung mit dem griechischen Gott Hermes beruht lediglich auf Willkür. Dagegen zählt ihn der Talmud zu den „Gerechten“, die das Gesetz vollkommen gehalten (Eisenmenger, „Entdecktes Judenthum“, I, 342), und auch im Koran wird er als ein Offenbarungsträger Gottes ehrenvoll erwähnt (Sure 4,61).
Schenkel
Schenkel, 1869

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